| Titel: | Bemerkungen zu Marconis Ozeantelegraphie. | 
| Autor: | A. Koepsel | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 331 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Bemerkungen zu Marconis Ozeantelegraphie.
                        Von Dr. A. Koepsel.
                        Bemerkungen zu Marconis Ozeantelegraphie.
                        
                     
                        
                           Die in Heft 6 und 16 (1903) der E.
                                    											T. Z. erschienene Beschreibung der Apparate und Einrichtungen
                              									der Marconistationen für die Ozeantelegraphie gestatten
                              									einige Schlüsse, welche für Fachleute auf diesem Gebiete nicht uninteressant sein
                              									dürften und welche zugleich den Weg erkennen lassen, auf dem Marconi seine bisherigen Erfolge erreicht hat und ein Urteil darüber
                              									gestatten, ob dieser Weg der richtige ist, um zu dem erstrebenswerten Ziel einer
                              									allgemeinen unabhängigen und unbeschränkt sicheren Nachrichtenvermittlung zu
                              									gelangen.
                           Die interessanten Daten, welche über die Grösse der verwendeten Kapazitäten und auch
                              									annähernd über die der Selbstinduktion gegeben sind, erlauben einen Schluss auf die
                              									Grösse der verwendeten Wellenlängen. Da die Kapazität etwa 1 Mi, also = 9 . 105 cm [elektrostatisch] beträgt und die Selbstinduktion nach den gemachten
                              									Angaben etwa von der Grössenordnung 2 . 103
                              									cm.[elektromagnetisch] sein dürfte, so ergibt sich eine Wellenlängevon der
                              									Grössenordnung 26 . 104 cm, d.h. 2600 m. Der
                              									Luftdraht müsste demnach eine Länge von über 600 m haben, um gute Resonanz mit dem
                              									Flaschenkreis zu erzielen. Tatsächlich, hat er aber nur eine Länge von etwa 90
                              									m.
                           Nun wird ja allerdings durch die Verwendung mehrerer Leiter die Kapazität gesteigert,
                              									was eine Verkürzung der notwendigen Resonanzlänge zur Folge haben würde, aber die
                              									Selbstinduktion, wird verringert, was eine Verlängerung bedingt. Steigt nun durch
                              									Vermehrung der Leiterzahl die Kapazität des Systems in demselben Verhältnis, als die
                              									Selbstinduktion abnimmt, so bleibt √LC mithin
                              									auch die Resonanzlänge konstant.
                           Dies ist der Fall bei zusammenliegenden parallelen Leitern, was übrigens auch ohne
                              									Weiteres daraus geschlossen werden kann, dass die Dicke eines Leiters auf seine
                              									Resonanzlänge so gut wie keinen Einfluss hat.
                           Bekanntlich werden die Selbstinduktion L und die
                              									Kapazität C eines geraden Leiters von der Länge l und der Dicke d dargestellt durch die Ausdrücke
                           
                              L=2\,l\,\left\{ln\,\frac{4\,l}{d}-1\right\}
                              
                           
                              C=\frac{l}{2\,ln\,\frac{2\,l}{d}}
                              
                           Seine natürliche Wellenlänge ist daher
                           
                              4\,\sqrt{L\,C}=4\,l\,\sqrt{\frac{ln\,\frac{4\,l}{d}-1}{ln\,\frac{2\,l}{d}}}
                              
                           oder
                           
                              =4\,l\,\sqrt{\frac{ln\,\frac{4\,l}{d}-1}{ln\,\frac{4\,l}{d}-ln\,2}}=\sqrt{\frac{ln\,\frac{4\,l}{d}-1}{ln\,\frac{4\,l}{d}-0,69}}
                              
                           So lange also die Länge des Drahtes gross gegen seinen Durchmesser ist, wird sich der
                              									Wurzelausdruck wenig von 1 unterscheiden, d.h. seine natürliche Wellenlänge ist
                              									gleich seiner vierfachen Länge. Steigt die Dicke des Drahtes bei konstanter Länge,
                              									so wird also die natürliche Wellenlänge etwas kleiner werden, als seine vierfache
                              									Länge, d.h. zur Erreichung vollkommener Resonanz mit einem System gleicher
                              									Wellenlänge wird man den Draht etwas verlängern müssen.
                           Anders verhält sich die Sache aber bei Verwendung mehrerer Drähte, die einen gewissen
                              									Abstand von einander haben, zumal wenn dieselben auf einem Kegelmantel liegen, und
                              									ausserdem die Spannung auf denselben sinusartig verteilt ist. Zwar nimmt hier die
                              									Kapazität ebenfalls zu, aber in viel stärkerem Masse und die Selbstinduktion nimmt
                              									ab, aber in geringerem Masse als die Kapazität zunimmt. Die natürliche Wellenlänge
                              									eines solchen Systems bleibt daher nicht konstant, gleich seiner vierfachen Länge,
                              									sondern nimmt zu mit der Anzahl und dem Abstand der verwendeten Drähte, sodass durch
                              									diese Anordnung tatsächlich eine Verkürzung der Resonanzlänge erzielt wird. Bei
                              									Verwendung von 4 Drähten von 1 mm Durchmesser und 6 m Länge, deren gegenseitiger
                              									Abstand am Ende 0,2 m ist, während die Anfänge in einem Punkt zusammenfallen,
                              									beträgt diese Verkürzung etwa 9 v. H., d.h. wenn ein 6 m langer Draht in Resonanz
                              									mit einem Flaschen kreise von 24 m Wellenlänge ist, so kommt ein Drahtsystem von 4
                              									solchen Drähten bei einer Länge von etwa 5 m mit demselben Flaschenkreis zum Maximum
                              									der Resonanz. Dass nun diese Verkürzung bei Anwendung von 400 Drähten, wie sie, laut
                              									Angabe, von Marconi benutzt werden, den Betrag von über
                              									80 v. H. erreicht, scheint hiernach nicht ausgeschlossen zu sein, und es dürfte
                              									somit die Verwendung so vieler Einzelluftleiter nicht sowohl dem Zwecke dienen die
                              									Ausstrahlung zu vermehren, als vielmehr bei der Benutzung so grosser Kapazitäten und
                              									Wellenlängen zum Zwecke der Verkürzung der Resonanzlänge geboten zu bilden.
                           Eine rechnerische Behandlung dieser Erscheinungen dürfte für theoretische Physiker
                              									eine denkenswerte Aufgabe sein.
                           Es ist klar, dass ein solches System eine gewaltige Dämpfung besitzen muss, und die
                              									Erfahrungen, die man bisher mit derartigen Systemen gemacht hat, laufen darauf
                              									hinaus, dass mit ihnen eine gute Abstimmung nicht erreicht werden kann. Um so
                              									auffallender müsste die Nachricht erscheinen, die bisher allerdings durch
                              									einwandfreie Zeugen noch nicht bestätigt wurde, dass bei einer Zeichenübermittlung
                              									auf mehr als 1600 km, die nur 11 km entfernte Station auf Kap Lizard nicht in
                              									Mitleidenschaft gezogen wurde. Indessen dürfte dieses Resultat bei Berücksichtigung
                              
                              									der hierbei obwaltenden besonderen Umstände weniger überraschen, als es vielleicht
                              									auf den ersten Blick den Anschein bilden.
                           Wenn nämlich das erstgenannte Sendersystem sehr eng gekoppelt ist und mit dieser
                              									gewaltigen Wellenlänge arbeitet, während das Empfangssystem auf Kap Lizard sehr lose
                              									gekoppelt ist und vielleicht auf dem zehnten Teil dieser Wellenlänge abgestimmt ist,
                              									so darf diese Unabhängigkeit nicht Wunder nehmen, da erstere Station stark
                              									gedämpfte, lange Wellen grosser Intensität aussendet, die naturgemäss auf den lose
                              									gekoppelten und mit bedeutend kleinerer Wellenlänge arbeitenden Empfänger so gut wie
                              									keine Wirkung ausüben, wie ja auch Herr Professor Max
                                 										Wien in den Ann. d. Pins. Bd. 8 pag. 711 (1902) sehr eingehend erörtert
                              									hat. Anders dürfte sich übrigens auch die Sache verhalten, wenn die Wellenlängen der
                              									beiden Systeme vertauscht würden, da der kürzereGeber den längeren Empfänger zu
                              									stören pflegt, ein Resultat, das den Praktikern zwar bekannt ist, durch die Theorie
                              									aber bis jetzt noch nicht erklärt wurde.
                           Mit dieser scheinbar verblüffenden Nachricht über Störungsfreiheit ist indessen noch
                              									nicht bewiesen, dass zwei solcher gewaltigen Stationen, auch wenn sie sich in noch
                              									viel grösserer Entfernung als 11 km von einander befinden, unabhängig von einander
                              									korrespondieren können, was doch die Grundbedingung für eine ausgedehnte
                              									Ozeantelegraphie wäre und dieser Beweis dürfte mit den beschriebenen Marconistationen schwerlich geführt werden können.
                           Immerhin muss man Marconi das Verdienst lassen, dass er
                              									wieder einmal den Vogel abgeschossen hat, insofern, als seine Stationen auf den
                              									Rekord der Entfernung vorzüglich zugeschnitten sind, und dieser Rekord bildet ja bis
                              									heute leider immer noch das erstrebenswerteste Ziel.
                           Diejenigen aber, welche die Resonanzwirkungen selbst schwacher aber wenig gedämpfter
                              									Wellenzüge genügend zu würdigen wissen, sollten sich vor Augen halten, dass man, um
                              									ein Ziel zu erreichen, nicht unbedingt mit Kanonen schiessen muss, sondern dass man
                              									es auch auf weniger geräuschvolle Weise erreichen kann, wenn das auch vielleicht
                              									etwas mehr Ueberlegung erfordert.
                           Die Energie und ihre explosionsartige Ausgabe ist bei dem Marconischen System auf Kosten der Dämpfung erkauft und zwar nicht nur im
                              									Flaschenkreis, sondern auch im Luftleiter. Unter Beibehaltung derselben
                              									Energiemenge, also der gleichen Kapazität, müsste man zur Verringerung der Dämpfung
                              									die Selbstinduktion derartig vergrössern, dass man noch zu viel grösseren
                              									Wellenlängen kommen würde, was aber wieder eine Verlängerung der Luftleiter oder
                              									eine Vermehrung ihrer Zahl bedeuten würde. Betreten wir den letzteren Weg, so kommen
                              									wir schliesslich an eine Grenze, wo die Kapazität des Luftleitersystems sich der
                              									Grössenordnung der Kapazität des Flaschenkreises nähert; in diesem Fall wäre aber
                              									der Flaschenkeis nicht mehr imstande, das Leitersystem mit der vollen Spannung zu
                              									laden; es tritt ein bedeutender Spannungsverlust und damit Verschlechterung der
                              									Fernwirkung auf. Man sieht also, dass dieses System eine Grenze besitzt, über die
                              									man nicht hinauskommt.
                           Man braucht indessen weder auf die grosse Energie, noch auf die grosse Wellenlänge zu
                              									verzichten, wenn es gelingt, ein Luftleitersystem zu finden, bei dem unter gewissen
                              									Veränderungen die Kapazität abnimmt, während die Selbstinduktion wächst, das
                              									Abnehmen der Kapazität aber langsamer vor sich geht, als das Wachsen der
                              									Selbstinduktion.
                           Ein solches System giebt esNäheres hierüber
                                    											behalte ich einer späteren Mitteilung vor. und es besitzt
                              									dieselbe Eigenschaft wie das oben beschriebene, nämlich dass mit ihm eine
                              									wesentliche Verkürzung der Resonanzlänge erzielt werden kann. Da es ausserdem sehr
                              									geringe Kapazität besitzt, so ist seine Dämpfung gering und wird nie die
                              									Grössenordnung der Kapazität des Flaschenkreises erreichen, daher die oben genannte
                              									Grenze für die Fernwirkung wegen des Spannungsverlustes bei der Ladung durch den
                              									Kondensator des Flaschenkreises nicht existiert.
                           Marconis System, die Wellenlänge zu vergrössern und die
                              									Resonanzlänge des Luftleiters durch Vergrösserung seiner Kapazität zu verringern,
                              									hat eine praktische Grenze, welche in dem Verhältnis der Kapazität des
                              									Flaschenkreises zu derjenigen des Luftleitersystems gegeben ist und gestattet daher
                              									nicht, unbegrenzte Mengen von Energie in den Raum hinauszusenden, und von dieser
                              									Grenze dürfte Marconi schon nicht mehr sehr weit
                              									entfernt sein, denn wenn man die Kapazität seines Leitersystems auf etwa 5 . 104 schätzt, was der Wahrheit ziemlich nahe kommen
                              									dürfte, so nähert sich diese schon bedenklich der Grössenordnung 9 . 105 seiner Klaschenkapazität, und der oben erwähnte
                              									Spannungsverlust ist schon nicht mehr ausser Acht zu lassen.
                           Mit dem zuletzt genannten System würde man aber nicht nur eine viel geringere
                              									Dämpfung zu erreichen imstande sein, sondern auch die erwähnte Grenze viel weiter
                              									hinausschieben können, sodass hier tatsächlich von einer fast unbegrenzten
                              									Energieaussendung die Rede sein könnte.
                           Ausserdem würde man so mit loser Kopplung jedenfalls eine wirkliche Abstimmung
                              									erreichen können, die bisher von keinem der bis jetzt bekannten Systeme wirklich
                              									erreicht und einwandfrei bewiesen worden ist, worüber auch die Bemühungen der
                              									einzelnen Gesellschaften, die Aufmerksamkeit von dem Kernpunkt der Sache auf andere
                              									Anwendungsgebiete zu lenken, nicht hinwegtäuschen können. Ein Wettbewerb in bezug
                              									auf Störungsfreiheit, bei dem sich die einzelnen Systeme feindlich gegenübertreten
                              									würden, dürfte die Wahrheit dieser Behauptung sehr bald erhärten.