| Titel: | Die elektrochemischen Industrien an den Niagara-Fällen, New York. | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 507 | 
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                        Die elektrochemischen Industrien an den
                           								Niagara-Fällen, New York.
                        Die elektrochemischen Industrien an den Niagara-Fällen, New
                           								York.
                        
                     
                        
                           Von dem Präsidenten der „American
                                       												Electro-chemical Society“, einer erst im Frühling
                              									vorigen Jahres gegründeten Gesellschaft, Dr. Joseph W. Richards,
                              									ist kürzlich in der zu Philadelphia erscheinenden
                              											„Electrochemical Industry“ ein längerer, reich mit
                              									Abbildungen ausgestatteter Aufsatz über die elektrochemischen Anlagen an den
                              									Niagarafällen im Staate New York veröffentlicht worden, welchem die nachfolgenden
                              									Angaben entnommen sind.
                           Die Niagarafälle dürfen sich mit Recht rühmen, die Heimat der amerikanischen
                              									elektrochemischen Industrie zu sein. Neben der gewaltigen Menge der hier zur
                              									Verfügung Gehenden Kraft, die sich halb so billig stellt, als die aus Kohle
                              									erzeugte, sogar wenn die Kohle selbst für nichts zu haben wäre, bieten die Fälle
                              									auch nach anderen Richtungen hin die günstigsten Bedingungen dar: die grossen
                              									Binnenseen, deren Küstenlinie 3600 (engl.) Meilen beträgt, bilden den billigsten
                              									Transportweg nach den grossen Handelsplätzen, von denen fast die halbe Bevölkerung
                              									Nordamerikas versorgt wird, wie auch für die Heranschaffung eines grossen Teiles der
                              									Rohstoffe; auf der Grenze zwischen zwei Ländern gelegen, von denen das eine
                              									Schutzzollpolitik, das andere der Hauptsache nach Freihandel treibt, hat der
                              									Fabrikant die freie Wahl, zu entscheiden, welche Politik für seinen besonderen
                              									Industriezweig mehr nutzbringend ist, ja, er mag es auch vorteilhaft finden, auf
                              									beiden Seiten der Grenze je eine Fabrik zu errichten, um beide Länder zu
                              									versorgen.
                           Obwohl bereits im Jahre 1861 mit der industriellen Ausnutzung der Wasserkraft durch
                              									den Bau eines Kanals begonnen wurde, der im Jahre 1887 von der Niagara Falls Hydraulic Power & Manufacturing Co.
                              									angekauft wurde und von dem aus mehrere Werke gespeist wurden, so bedurfte es doch
                              									erst der in dem letzten Jahrzehnt erfolgten Entwicklung der elektrochemischen
                              									Industrie, um die Erweiterung der Kraftstationen zu veranlassen. In einem Umkreise
                              									von 2 (engl.) Meilen an den Fällen sind auf der amerikanischen Seite im Staate New
                              									York innerhalb des kurzen Zeitraums von 8 Jahren mehr denn ein Dutzend
                              									verschiedenartiger elektrochemischer Industrien begründet worden. Die
                              									hauptsächlichen Kraftgesellschaften auf der amerikanischen Seite sind die schon
                              									erwähnte Hydraulic Power & Mfg. Co. und die Niagara Falls Power Co. Die von der ersteren erzeugte
                              									Kraftmenge beträgt gegenwärtig 35000 PS; die Gesellschaft hat jedoch die Erlaubnis
                              									erhalten, ihren Kanal zu erweitern, Wodurch sich ihre Leistungsfähigkeit auf 100000
                              									PS erhöhen Wird. Die letztere Gesellschaft erzeugt 60000 PS und von dieser ganzen
                              									Menge werden drei Vierteile, also 45000 PS, in elektrochemischen Werken verwertet.
                              									Der kanadische Zweig dieser Gesellschaft, die Canadian
                                 										Niagara Falls Power Co. hat von der Canadian Park
                                 										Commission das Recht erworben, gegen eine jährliche Abgabe von 25000
                              									Dollars 250000 PS zu erzeugen; die gegenwärtig noch im Bau begriffene Station soll
                              									im Juli nächsten Jahres in Betrieb gesetzt werden. Der von der Hydraulic Power & Mfg. Co. für 1 PS f. d. Jahr
                              									berechnete Preis schwankt zwischen 8 Dollars für diesigen Werke, welche nur das
                              									Wasserrecht kaufen und ihre eigenen Maschinen aufstellen, und 20-25 Dollars für
                              									diejenigen, welche den Arbeitsstrom unmittelbar beziehen.
                           
                        
                           
                              Die Castner Electrolytic Alkali Co.
                              
                           Diese Gesellschaft, ursprünglich ein Zweig der Mathiesen
                                 										Alkali Co. zu Providence in Rhode Island, ist gegenwärtig die amerikanische
                              									Vertreterin der Castner-Kellner
                                 										Co. in England; ihr Präsident ist B. F.
                                 										Thurston, ihr Betriebsleiter Max Mauran. Sie
                              									arbeitet nach den Patenten von H. Y. Castner (U. S.
                              									Patent 528322, 1804) und Mox Mauran (U. S. Patents
                              									674927 und (674930-674934) betr. die Elektrolyse von Kochsalzlösung.
                           Die ursprüngliche Castnersche Zelle besteht aus einem
                              									aus Schieferplatten hergestellten Kasten, 4 Fuss breit, 4 Fuss lang und 6 Zoll tief,
                              									dessen Kanten mit Gummizement auslegt sind. Durch zwei Längswandungen, dir bis auf
                              										1/16 Zoll auf
                              									den Boden herabreichen, ist der Kasten in dreiAbteilungen von je 15 Zoll Breite
                              									und 4 Fuss Länge geteilt, die durch Quecksilber auf dem Boden gegeneinander
                              									abgeschlossen sind. Die beiden äusseren Abteilungen bilden die Anodenräume und
                              									enthalten je 12 aus graphitischer Kohle hergestellte, in die Seitenwände eingesetzte
                              
                              									Elektroden von 1 Zoll Durchmesser und 15 Zoll Länge; sie sind mit dichtschliessenden
                              									Deckeln und Abzugsröhren aus Gummi versehen, welch letztere mit Bleiröhren verbunden
                              									sind und dem Chlor den Abzug gestatten. In der inneren Abteilung, dem Kathodenraume,
                              									sind 20 Eisenbleche aufgehängt; sie ist lose mit einem Eisenblechdeckel versehen,
                              									welcher den freiwerdenden Wasserstoff entweichen lässt. Die von Mauran an dieser Zelle angebrachten Verbesserungen
                              									bestehen darin dass die Eisenbleche in dem Kathodenraume durch einen eisernen Rost
                              									ersetzt sind, der aus 20 1 Zoll dicken und ½ Zoll von einander entfernten
                              									Eisenstreifen von der Länge der Zelle gebildet ist, die an den Enden mit einander
                              									und mit den Zellenwänden verbunden sind. Ferner sind an Stelle der in die
                              									Seitenwände eingesetzten graphitischen Kohlenstifte, welche wiederholt Entweichen
                              									der Gase verursachten und auch erheblichen Widerstand leisteten, Blöcke von der Form
                              									einer Eisenbahnschiene eingeführt worden, welche in die Deckel der Abteilungen
                              									eingekittet werden und deren breite untere, bis auf ½ Zoll zu dem Quecksilber
                              									hinabreichende Teile eine grosse Oberfläche darbieten; die oberen über den Deckel
                              									hinausragenden Enden sind durch zickzackige, stark paraffinierte Bleiverbindungen an
                              									einander angeschlossen. AufAnf diese Weise ist der für die Durchführung des Verfahrens erforderliche
                              									Strom um 20 v. H. erniedrigt worden.
                           Die äusseren Räume enthalten die stetig umlaufende starke Lauge; das Rohmaterial wird
                              									aus den Steinsalzlagern zu Retsof im Staate New York bezogen, Reinigung der Lösung
                              									vor ihrem Gebrauche findet nicht statt. Der Kathodenraum enthält reines Wasser. Der
                              									elektrische Strom geht zunächst durch die Lauge, setzt an den Graphitanoden Chlor ab
                              									und ladet das Quecksilber mit Natrium, um darauf die Kathoden zu erreichen, unter
                              									Entwicklung von Wasserstoff und Bildung von Aetznatron. Da der Nutzungsgrad des
                              									Stromes in den äusseren Abteilungen nicht ganz 100 v. H., in den inneren dagegen 100
                              									v. H. und mehr beträgt, so lässt man nur 90 v. H. des anfänglichen Stromes durch die
                              									Kathodenzelle gehen, um eine Oxydation des Quecksilbers, infolge von Mangel an
                              									vorhandenem Natrium, zu verhüten. Es ist dies eine der grössten Schwierigkeiten des
                              									ganzen Verfahrens, wie auch die Rentabilitätsfrage hier eine grosse Rolle spielt, da
                              									jede der Zellen etwa 100 Pfd. Quecksilber enthält, die mehr wert sind, als der ganze
                              									übrige Apparat. Die Aetznatronlösung wird in eisernen Pfannen von 10 Fuss
                              									Durchmesser und 6 Fuss Tiefe eingedampft. Die in der Lauge sich ansammelnden
                              									Schwefelsalze werden entfernt, indem man von Zeit zu Zeit einen Teil der Lösung
                              									ablässt und mit Bariumchlorid reinigt, um sie dann von neuem zirkulieren zu lassen.
                              									Da die Lösung während des Verfahrens stark mit Chlor geladen wird, so erfolgt das
                              									Pumpen mittels irdener Pumpen.
                           Jede der Zellen erhält 630 Amp. und verbraucht 4,3 Volt. Da für die Zersetzung nur
                              									2,3 Volt erforderlich sind, so werden also 53 v. H. der Stromstärke für die
                              									chemische Arbeit verwertet und 47 v. H. oder 1260 Watts in Wärme umgesetzt, wodurch
                              									die Temperatur in der Zelle nur uni einige Grade über die normale Temperatur erhöht
                              									wird. Bei sehr heissem Wetter kann dieselbe allerdings den kritischen Punkt, 40° C,
                              									erreichen und die Bildung von Chlorat zur Folge haben, indessen hat sich bisher noch
                              									kein Erfordernis künstlicher Abkühlung bei den angewendeten Stromdichten – 111 Amp.
                              									f. d. Quadratfuss bei dem Quecksilber und wahrscheinlich 150 Amp. bei den
                              									graphitischen Anoden herausgestellt.
                           Die theoretische Berechnung der Materialmengen für die Zelle und PS für einen
                              									Arbeitstag von 24 Stunden, unter Annahme einer Effektivität von 90 v. H. stellt sich
                              									folgendermassen: 
                           
                              
                                 
                                 f. d. Zelle
                                 f. d. PS
                                 
                              
                                 Zersetztes Rohsalz
                                   65,25 Pfd.
                                 17,6 Pfd.
                                 
                              
                                 Erzeugtes Aetznatron
                                   44,62   „
                                 12,0   „
                                 
                              
                                       „        Chlorkalkenthaltend 36 v. H. Chlor
                                 111,54   „
                                 30,1   „
                                 
                              
                           Die im vergangenen Jahre erweiterten Anlagen besitzen eine Gesamtleistung von 6000
                              
                              									PS, der tägliche Verbrauch von Salz beläuft sich auf über 50 t und die Erzeugung auf
                              									36 t Aetznatron und 90 t Chlorkalk. Die Analyse des Aetznatron zeigt einen Gehalt
                              									von 97-99 v. H. Aetznatron, 1-2 v. H. Carbonat (durch Berührung mit der Luft), 0,3
                              									bis 0,8 v. H. Chlornatrium, 0,03-010 v. H. Natriumsulfat und 0,05-0,10 v. H.
                              									Natriumsilicat. Das Sulfat kommt zum grössten Teile aus dem zur Aufnahme des
                              									Aetznatrons gebrauchten Wasser, das Chlor durch Oeffnungen in den Laugenräumen und
                              									das Silicat ist eine Folge der Corrosion der Schieferwandungen.
                           
                        
                           
                              Die Acker Process Co.
                              
                           erzeugt Aetznatron und Chlorkalk durch Elektrolyse von Kochsalz. Das von Chas. E. Acker und A. E.
                                 										Acker ausgearbeitete Verfahren ist durch U. S. Patente 649565 (vom 15. Mai
                              									1900), 674691 (vom 21. Mai 1901) und 687709 (vom 3. Dezember 1901) geschützt. Eine
                              									ausführliche, von C. E. Acker abgefasste Beschreibung
                              									desselben findet sich gleichfalls in den Transactions of the American
                              									Electrochemical Society, vol. I, 1902.
                           Das Verfahren besteht darin, dass geschmolzenes Kochsalz über geschmolzenem Blei
                              									elektrolysiert wird, wobei das Blei als Kathode dient. Während das freiwerdende
                              									Chlor durch Abzugsröhren entweicht, verbindet sich das Natrium mit dem Blei zu einer
                              									Blei-Natriumlegierung, die mittels Dampf in einer besonderen Abteilung des Apparates
                              									zersetzt wird, wobei sich flüssiges Aetznatron und freier Wasserstoff bildet;
                              									ersteres wird abgezogen, während letzterer alsbald verbrennt.
                           Der Apparat besteht in einem schweren gusseisernen Gefässe von 5 Fuss Länge und 2
                              
                              									Fuss Breite mit einem inneren Hohlraume von 12 Zoll Tiefe. An einem Ende desselben
                              									ist durch eine Wandung, welche in das am Boden befindliche Blei hinabreicht, ein
                              									kleiner Raum abgeteilt. Ueber dem Blei befindet sich das Chlornatriumbad in einer
                              									Hohe von ungefähr 6 Zoll, als Rohmaterial dient ungereinigtes im Staate New York
                              									gefördertes Salz. Die Anoden bestehen in vier graphitischen Kohlenblöcken von 3 Zoll
                              									Dicke, deren untere Oberfläche 14 × 7 ½ Zoll beträgt, und die sich der Bleikathode
                              									bis auf ¾ Zoll nähern: sie werden von je zwei runden fünfzölligen graphitischen
                              									Kohlenstäben, welche oben in Chamotteziegeln befestigt sind, festgehalten. Durch ein
                              									am Boden des abgeteilten Raumes angebrachtes Rohr, welches unterhalb des
                              									Bleispiegels mündet, wird der Dampf zugeführt, welcher das Natrium zu Aetznatron
                              									oxydiert. Dabei sinkt das Blei zu Boden und das Aetznatron fliesst aus dem Ofen ab.
                              									während der frei werdende Wasserstoff durch ein Ventil entweicht, verbrennt und
                              									durch eine sechszöllige eiserne Röhre in einen Schornstein gelangt. Das sich
                              									entwickelnde Chlorgas wird mit Hilfe eines kräftigen Luftfächers von 15 Fuss
                              									Durchmesser, mittels in den Seiten-Wandungen angebrachter Abzugsröhren, durch 30 Hassenclever Absorptionsapparate geleitet und hier
                              									durch gelöschten Kalk zu Chlorkalk umgewandelt.
                           In dem Ofenraum befinden sich im Ganzen 54 Oefen in 4 Reihen, von denen 40–45
                              									jeweilig in Tätigkeit sind, während die anderen instandgesetzt werden. Die zur
                              									Verwendung kommende Kraft von 3000 PS erreicht die Fabrik in finem direkten Strom
                              									von 8200 Amp. mit einer Stärke von 275 Volt, so dass auf den einzelnen Ofen 6-7 Volt
                              									kommen. Die Stromausbeute wird auf 93 v. H. berechnet.
                           Die Erzeugung von Aetznatron wird auf 25 Pfund f. d. Stunde und Ofen, die gesamte
                              									tägliche Erzeugung auf 23000 Pfund angegeben. Der Ertrag an Chlor stellt sich f. d.
                              
                              									Tag auf 21000 Pfund, woraus durch Zugabe von 36000 Pfund Kalk 57000 Pfund Chlorkalk
                              									erzielt werden. Die Gestehungskosten für das Aetznatron werden auf etwa 30 Doll, für
                              									1 t berechnet, wovon 4,50 Doll. auf das Rohmaterial (Salz, zum Preise von 3 Doll.
                              									für 1 t angenommen), 11 Doll. auf die Kraft (bei 15 Doll. f. d. PS und
                              									Jahr),0,50 Doll. auf Dampf und Neuschmelzen und 14 Doll. auf Arbeitslöhne und
                              									Reparaturen entfallen. Durch den aus dem Chlorkalk erzielten Nutzen verringern sich
                              									indessen die Kosten erheblich und zwar durch jeden aus dem Verkauf von Chlorkalk
                              									gewonnenen Dollar um 2,50 Doll, für 1 t.
                           
                        
                           
                              Die National Electrolytic Co.
                              
                           erzeugt Kaliumchlorat durch Elektrolyse von Chlorkalium nach dem Verfahren von W. T. Gibbs (U. S. Patente 665420 und 665427, 8. Januar
                              									1901, betr. die Erzeugung von Chlorsalzen und U. S. Patent 665679, vom selben Datum,
                              									betr. einen elektrolytischen Apparat).
                           Die Zellen bestehen aus rechtwinkligen hölzernen Rahmen von 18 × 26 Fuss lichter
                              									Weite, die mit Bleiplatten abwechseln und von einem gemeinsamen Rahmen ähnlich einer
                              									Filterpresse zusammengehalten werden. Zwischen Rahmen und Platten befinden sich ¼
                              									zöllige Gummipackungen. Die Anoden bestehen in Platinfolie, die über den Platten
                              									angebracht ist. Als Kathoden benutzte man ursprünglich Drahtgaze, die mit Kupferoxyd
                              									überzogen war, in der Erwartung, dass der freigesetzte Wasserstoff diese Oxyde
                              									reduzieren, die Elektroden dadurch depolarisieren und der für die Zelle
                              									erforderliche Strom verringert werden würde. Da sich indessen in der praktischen
                              									Ausführung diese Kathoden nicht bewährten, sind sie durch blosses Kupfer ersetzt
                              									worden. Die beiden Elektroden sind nur 1/64 Zoll von einander entfernt und durch feine
                              									Isolierdrähte von einander getrennt. Der Zwischenraum zwischen je zwei
                              									Elektrodenpaaren beträgt 2 Zoll und reicht aus, um eine genügende Menge des
                              									Elektrolyten aufzunehmen. Die Chlorkaliumlösung, von der alle 30 Minuten ungefähr 1
                              									Kubikfuss durch die Zelle geht, hat bei ihrem Eintritt in dieselbe eine Temperatur
                              									von 20° C.; unter Anwendung einer hohen Stromdichte und unter zweckmässiger
                              									Regulierung des ununterbrochenen zuströmenden Elektrolyten wird die Zelle beständig
                              
                              									über 40° C, durchschnittlich auf 70° C. gehalten. Beim Austreten aus der Zelle
                              									enthält die Lösung reichliche Mengen von Chlorat, das beim Abkühlen-
                              									auskrystallisiert.
                           Die Gesellschaft arbeitet mit 2000 PS. Die Stärke des nacheinander durch die Zellen
                              									gehenden Stromes betragt 1650 Amp., so dass sich die Stromdichte an der Anode auf
                              									500 Amp. f. d. Quadratfuss stellt. Da die Umsetzung des Chlorids in Chlorat 1,4 V.
                              									erfordert, so wird ⅓ der Stromenergie für die chemische Arbeit verbraucht, während
                              									die anderen ⅔ sich in Wärme umsetzen, die theoretisch genügen würde, um die
                              									Temperatur in der Zelle um 5° C i. d. Minute zu erhöhen, würde sie nicht durch den
                              									beständig zuströmenden kühlen Elektrolyten niedergehalten. Nach einem von Kershaw in dem London Electrician veröffentlichten
                              									Bericht hat eine derartige Zelle, für welche Gibbs und
                              										Franchot im Jahre 1893 ein Patent erhalten haben,
                              									während eines im Jahre 1895 angeführten zweimonatlichen Versuches 4386 Pfd. Chlorat
                              
                              									f. d. PS und Tag geliefert, was einem Nutzungsgrad von 67 v. H. entspricht.
                           Die Erzeugung von Kaliumchlorat ist einer der ältesten elektrochemischen
                              									Industriezweige; das Werk der National Electrolytic Co.
                              									darf sich indessen rühmen, sowohl in bezug auf die Anlagen, wie auf den Betrieb von
                              									keinem gleichartigen übertroffen zu werden.
                           
                        
                           
                              Die Niagara Electrochemical Co.
                              
                           Die im Jahre 1895 mit einem Kapital von 100000 Dollars gegründete Gesellschaft
                              									erzeugt in ihrem Etablissement zu Niagara Falls metallisches Natrium und
                              
                              									Natriumperoxyd, und in ihrer Fabrik zu Perth Amboy in New Jersey Natriumcyanid. Die
                              									Hauptaktionäre sind die Aluminum Co, Ltd. zu Oldbury,
                              									England, die Deutsche Gold- und
                                 										Silber-Scheide-Anstalt
                                 										vorm. Rössler zu Frankfurt a. M. und die Rössler
                                 										Hasslacher Chemical Co., 100 William Street. New-York. Ihr Präsident ist
                              										Franz Rössler, ihr Sekretär und
                              									General-Betriebsleiter J. Hasslacher und ihr Chemiker
                              									und Betriebsleiter der Niagara-Fabrik Geo. F. Brindley.
                              									Die Gesellschaft arbeitet nach den Castnerschen
                              									Patenten betr. die Erzeugung von metallischem Natrium (U. S. P. 452030, 12. Mai
                              									1891), von Natriumperoxyd (U. S. Patent 494757, 4. April 1893), von Cyaniden (U. S.
                              									Patents 541066, 18. Juni 1895; 543643, 30. Juli 1895 und 575837, 2. März 1897).
                           
                           Nur das durch das erstgenannte Patent geschützte Verfahren ist ein
                              									elektrochemisches und ist hier von Interesse.
                           Die Hauptschwierigkeit, chemisch reines Natrium durch Elektrolyse von Aetznatron zu
                              									gewinnen, besteht darin, dass bei der hohen Schmelzhitze des letzteren (308° C. in
                              									reinem Zustande) die Gefahr vorliegt, dass sich das Natrium wiederum in diesem unter
                              									Bildung von Natriumoxyd löst. Nach dem Castnerschen
                              									Verfahren ist daher die Temperatur des Elektrolyten stets nur wenig über diesen
                              									Schmelzpunkt zu erhöhen. Hält man sie nur 5° darüber, so beträgt die Ausbeute 90 v.
                              									H., das beste in der Praxis zu erzielende Ergebnis. Ueber 325° darf die Temperatur
                              									nie steigen, soll das Bad nicht „tot“ liegen bleiben.
                           Sobald der elektrische Strom den Elektrolyten passiert, wird zunächst das darin
                              									enthaltene Wasser zersetzt, bis jede Spur aus demselben verschwunden ist. Darauf
                              									erfolgt die Entwicklung von Natrium und Wasserstoff an der Kathode und von
                              									Sauerstoff an der Anode. Um nun zu verhüten, dass der Sauerstoff sich aufs Neue mit
                              									dem leicht oxydierbaren Natrium, sowie auch mit dem Wasserstoff verbindet, umgibt
                              										Castner die Kathode mit einem Gazeschirm, dessen
                              									Maschen zwar weit genug sind, um dem Elektrolyten den freien Umlauf zu gestatten,
                              									indessen zu klein sind, um die Natriumkügelchen oder die Sauerstoff- und
                              									Wasserstoffbläschen durchzulassen.
                           Der Apparat besteht in einem nach unten konisch zurufenden eisernen Kessel, der 18
                              									Zoll Durchmesser und 2 Fuss Tiefe hat und in Ziegelwerk eingesetzt ist. Am unteren
                              									Ende läuft der Kessel in eine 12 Zoll lange Röhre aus. In dieser ist die Kathode,
                              									ein Kohlestab, befestigt, die etwa bis in die Mitte des Kessels reicht und an dem
                              									oberen Ende einen Durchmesser von 4 Zoll hat. Der obere Teil der Kathode ist von
                              									einem 6 zölligen Eisen- oder besser Nickelzylinder der Anode umgeben, und zwischen
                              									dieser und der Kathode befindet sich ein 5 zölliger aus Nickelgaze hergestellter
                              									Zylinder, welcher die Fortsetzung eines festen 5 zölligen Nickelzylinders bildet.
                              									Letzterer reicht nicht vollständig bis zu der Oberfläche des Elektrolyten und ist
                              									oben mit einem eisernen Deckel versehen, in welchem kleine Oeffnungen dem
                              									Wasserstoff das Entweichen gestatten.
                           Der Kessel enthält 250 Pfd. geschmolzenes Aetznatron. Der elektrische Strom hat eine
                              									Stärke von 1200 Amp. bezw. 5 V., die Stromdichte beträgt hiernach ungefähr 2000 Amp.
                              									für den Quadratfuss bei den Kathoden und 1500 Amp. bei den Anoden.
                           Die ganze Fabrik hat 4 Reihen von je 30 Kesseln in Betrieb, sie gebraucht 1000 PS und
                              									erzeugt, unter Annahme einer Stromausbeute von 90 v. H., täglich 52 Pfd.
                              									metallisches Natrium f. d. Kessel oder im Ganzen 6250 Pfd. Das macht etwas weniger
                              									als 4 PS f. d. Stande für 1 Pfd. Natrium, die Kosten belaufen sich hierfür auf nur ½
                              									Cent. Rechnen wir die Kosten für das verbrauchte Aetznatron zu 2 Cents für 1 Pfd.
                              									oder zu 4 Cents für 1 Pfd. daraus gewonnenen Natriums, für Arbeitslohn 3 Cents und
                              									für Abnutzung, Neuschmelzen und Verpacken 2 ½ Cents, so übersteigen die
                              									Erzeugungskosten nicht 10 Cents für 1 Pfd. Der Marktpreis für Natrium betrügt 35
                              									Cents für 1 Pfund.
                           Der grössere Teil des Erzeugnisses wird auf Natriumsuperoxyd verarbeitet, indem man
                              									bei einer bestimmten Temperatur in eisernen Röhren Luft durch das Natrium gehen
                              									lässt. Der so erhaltene Artikel enthält 95–97 v. H. Superoxyd und 3-5 v. H. Carbonat
                              									und Feuchtigkeit und wird in Tonnenlieferungen mit 35 Cents für 1 Pfd. bezahlt.
                           Aus der Tatsache, dass die Niagara Electrochemical Co.
                              									im vergangenen Jahre ihre Leistung verdoppelt hat, scheint hervorzugehen, dass sie
                              
                              									auch das Problem, einen Markt für ihr Produkt zu finden, gelöst hat.
                           
                        
                           
                              Die United Barium Co.
                              
                           hat, ebenfalls von der Ampère Electrochemical Co., das
                              									Verfahren erworben, Bariumsulfat mit Hilfe des elektrischen Stromes in andere
                              									Bariumsalze zu verwandeln. Präsident dieser Gesellschaft ist G. S. Ettla, Betriebsleiter T. L. Wells. Das
                              									von C. S. Bradley und C. B.
                                 										Jacobs ausgearbeitete Erfahren (geschützt durch U. S. Patent 624041, 1899;
                              									rasches Patent 111867, 16. Dezember 1898) besteht darin, in einem elektrischen
                              									Lichtbogenofen (arc furnace) Bariumsulfat mit Kohle zu reduzieren; die verwandte
                              									Kohlemengeentspricht gewöhnlich nur 1/19 des Gewichtes von Bariumsulfat. Es ergeben sich
                              									dabei nachstehende Reaktionen:
                           BaSO4 + 4C = BaS + 4CO
                           3 BaSO4 + BaS = 4 BaO + 4 SO2
                           –––––––––––––––––––––––––––––
                           BaSO4 + C = BaO +
                              										SO2 + CO
                           Die Reaktion ist indessen nicht vollständig, in der Regel werden nur ungefähr ⅔ des
                              									Sulfates zu Oxyd, fast ⅓ bleibt als Sulfid zurück und 1 bis 3 v. H. bleibt
                              									unverändert.
                           Der Ofen ist mit Kohleblöcken ausgelegt. Die geschmolzene Charge wird von Zeit zu
                              									Zeit abgestochen und der Ofen neu aufgefüllt. Durch eine geeignete Kühlvorrichtung
                              									ist der Arbeiter in den Stand gesetzt, seinen Platz in dichter Nähe des Ofens zu
                              									haben. Die Zugabe von neuer Charge muss jedoch allmählich geschehen, da die auch bei
                              
                              									der Reaktion entwickelten Gasmengen sehr bedeutend sind und, falls das Schmelzen zu
                              									schnell erfolgt, heftiges Kochen verursachen. Gegenwärtig ist man mit Versuchen
                              									beschäftigt, um das sich entwickelnde Schwefeldioxydgas aufzufangen und
                              									Schwefelsäure daraus herzustellen: 1 t von verschmolzenem Sulfat liefert genügend
                              									Gas zur Erzeugung von ½ t 50 hundertteiliger Säure.
                           Die abgestochene Schmelze lässt man zu Blöcken von 3 × 4 Fuss × 3 Zoll erkalten, die
                              									darauf aufgebrochen und mit heissem Wasser ausgelassen werden. Beim Abkühlen
                              									krystallisieren etwa 60 v. H. Bariumhydrat aus, Ba(OH)2 + 8 H2O, während in der Mutterlauge etwa 20 v. H.
                              									Bariumsulfid und 20 v. H. Bariumsulfidhydrat zurückbleiben. Die Krystalle werden
                              									mittels einer Centrifuge ausgeschieden, getrocknet und zum Preise von 3 Cents für 1
                              									Pfd. verkauft. Versuche, das in der Mutterlauge zurückgebliebene Barium in Form von
                              									Carbonat, sowie auch den Schwefel zu verwerten, sind zurzeit noch nicht
                              									abgeschlossen.
                           Das Rohmaterial, 90 hundertteiliges Baryt, wurde bisher aus Missouri bezogen, es
                              									kostet am Erzeugungsort 2 Doll. 50 Cts. für 1 t, doch erhöhen die Frachtgebühren den
                              									Preis loco Niagara Falls auf 6 Doll. für 1 t. Neuerdings hat die Gesellschaft an der
                              									nördlichen Küste des Lake Superior eine bedeutende Ablagerung von Baryt in der Nähe
                              									des Silver Island erworben. Die aus reinem weissen Baryt bestehende Ader hat eine
                              									Mächtigkeit von 77 Fuss, ist 600 Fuss weit am Lande verfolgt worden und 30 Fuss weit
                              									unter dem Wasser bemerkbar; die sichtbare Menge ist nach vorsichtiger Schätzung auf
                              									etwa 250000 t angegeben. Die Kosten werden sich natürlich fortan erheblich niedriger
                              									stellen, da das Mineral von der Mine bis an das Dock der Gesellschaft mit dem Schiff
                              									gebracht werden kann.
                           Das Produkt findet in der Industrie mannigfaltige Verwendung. Das Bariumhydrat wird
                              									zur Herstellung von weisser Farbe, in der Zuckerfabrikation (unter Erzeugung von
                              
                              									unlöslichem Bariumsaccharat) und zum Reinigen von Wasser für Dampfkessel verwertet.
                              									Die Mutterlauge dient zum Entfernen der Haare von Häuten (eine 2 ½ hundertteilige
                              									Lösung genügt, um innerhalb 3 ½ Stunden alle Haare zu entfernen, ohne dem Leder
                              									irgendwelchen Schaden zuzufügen); ferner zur Herstellung des neuen Farbstoffes
                              									Lithopone, einer Verbindung von Zinksulfat und Bariumsulfid; auch lässt sie sich in
                              									Bariumcarbonat umsetzen und als solches in der Cyanidindustrie und zur Herstellung
                              									von Ziegeln verwerten. In letzterer Hinsicht soll es insbesondere, in geringen
                              									Mengen mit Ton vermischt, angeblich rote Ziegel verhindern, weiss zu werden, und
                              									weisse Ziegel, grün zu i werden.
                           Die gegenwärtige Erzeugung des Werkes stellt sich auf 12 t Bariumhydrat Ba(OH)2 + 8 H2O für den Tag, doch ist man gegenwärtig mit der
                              									Ausführung von Erweiterungen beschäftigt, welche die tägliche Leistung auf 60 t
                              									bringen werden. Zurzeit sind 3 Oefen von je 400 PS, 2500 Ampère bezw. 120 V. in
                              									Betrieb. Nehmen wir an, dass 60 v. H. des Sulfates zu Oxyd umgewandelt wird, so i
                              									betraut die Stromausnutzung 74 v. H.
                           
                        
                           
                              Die Oldbury Chemical Co.,
                              
                           eine Zweiggesellschaft von Albright
                                 										& Wilson in Oldbury, England, gebraucht 1000 PS zwecks Herstellung von
                              									gelbem Phosphor und Kaliumchlorat. Das Werk nimmt ein Areal von 3 ½ Acres ein und
                              									beschäftigt 60 Arbeiter; der Betriebsleiter ist Hugh H.
                                 										Irvine die Vertreter in New York sind J. L. & D. S.
                                 										Ricker, Cedar Street. Die monatliche Produktion wird auf 30000 Pfg.
                              									Kaliumchlorat und die gleiche Menge Phosphor angegeben.
                           Zur Erzeugung von Phosphor wird nach dem Readman
                                 									–Parkerschen Verfahren gearbeitet, indem natürliches Phosphat, innig mit Kohle
                              									und Sand vermischt, in einem retortenähnlichen Ofen durch den zwischen zwei
                              									Kohlepolen gehenden elektrischen Strom erhitzt wird, wobei der Phosphor
                              									ausdestilliert, um unter Wasser kondensiert zu werden, während
                              									Calciumsilicatschlacke von Zeit zu Zeit abgelassen wird. Nach einem in Mineral
                              									Industry, Bd. VII, veröffentlichten Aufsatze werden 80-90 v. H. des in dem
                              									Rohmaterial enthaltenenPhosphors erzielt, und zwar nur 150 Pfd. für den Tag und
                              									Ofen. Um die oben angegebene monatliche Produktion zu erreichen, würden hiernach 6
                              									Oefen erforderlich sein von je 50 PS.
                           Eine von Irvine erfundene Verbesserung (geschützt durch
                              									U. S.-Patent 681367) besteht darin, den elektrischen Strom in dem Ofen durch einen
                              
                              									aus feiner Kohle gebildeten Kern zu leiten, um welch letzteren die Charge aufgehäuft
                              									wird. Sobald diese schmilzt, steigt die Kohle an die Oberfläche und der Strom geht
                              									nunmehr durch die Schlacke, die sodann zum Schmelzen frischer Charge dient.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)