| Titel: | Moderne Dampfkesselanlagen. | 
| Autor: | O. Herre | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 533 | 
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                        Moderne Dampfkesselanlagen.
                        Von O. Herre, Ingenieur und Lehrer in
                           									Mittweida.
                        (Fortsetzung von S. 518 d. Bd.)
                        Moderne Dampfkesselanlagen.
                        
                     
                        
                           
                              
                              4. Wasserrohrkessel mit geraden Röhren und
                                 										Kapselverbindungen.
                              
                           Bei diesen Kesseln werden immer je zwei aufeinanderfolgende Rohre mit einander durch
                              									Kapselstücke verbunden, sodass eine vollständige Heizschlange entsteht. Der Vorteil
                              									dieser Konstruktion würde darin zu sehen sein, dass sich der Kessel aus
                              									verhältnismässig kleinen und leichten Einzelteilen zusammensetzen lässt, wobei die
                              									letzteren bequem als Massenartikel erzeugt werden können. Auch können diese Kessel
                              									in wenig zugänglichen Bäumen ohne Schwierigkeiten aufgestellt werden. Der
                              									empfindlichste Nachteil ist in der im allgemeinen geringen Wasser Zirkulation und in
                              									der Erzeugung nassen Dampfes zu sehen; die Bildung nassen Dampfes ist auf den
                              									gewöhnlich sehr langen Weg des Dampfes von der Heizfläche bis zum Dampfraum
                              									zurückzuführen. Die Anwendung von Ueberhitzern oder Dampftrocknern ist bei diesen
                              									Kesseln besonders stark zu empfehlen.
                           Der bekannteste Kessel dieser Gruppe ist der Bellevillekessel, der als Schiffskessel besonders in der englischen,
                              									französischen und russischen Marine weite Verbreitung gefunden hat. Neuerdings sind
                              									jedoch in England von berufenster Seite aus erhebliche Bedenken gegen die
                              									Beibehaltung des Bellevillekessels erhoben worden.
                           Die Enden der Wasserröhren sind beim Bellevillekessel
                              									mit Gewinde versehen und werden damit in die Verbindungskapseln eingeschraubt und
                              									durch eine Gegenmutter gesichert. Die vorn liegenden Kapseln sind mit Handlöchern
                              									versehen, deren Verschluss in Fig. 295-297
                              									wiedergegeben ist. Die einzelnen Rohre steigen abwechselnd von links nach rechts.
                              									bezw. von rechts nach links an. Je zwei Rohre sind an den Enden durch eine Kapsel
                              									derartig verbunden, dass jede Senkrechte Rohrreihe eine ununterbrochene Heizschlange
                              									bildet,die oben in den Dampfsammler mündet. Der in den untersten Rohres
                              									entstandene Dampf muss sämtliche darüber liegende Rohre passieren, um in den Sammler
                              									gelangen zu können, ein Umstand, der die Trockenheit des Dampfes und die
                              									Wasserbewegung im Kessel sehr ungünstig beeinflusst.
                           Bei normaler Beanspruchung hat der Bellevillekessel ganz
                              									günstige Betriebsergebnisse geliefert. Steigt jedoch die Beanspruchung, so arbeitet
                              									der Kessel ungünstig, wahrscheinlich infolge der ungenügenden Wasserzirkulation.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 533
                              Handlöcherverschluss am Bellevillekessel.
                              
                           Ein ebenfalls sehr verbreitetes Kessel-System mit Kapselverbindungen ist der Kessel
                              									von de Naeyer & Cie. in Willebrock. Besonders in
                              									Belgien und Frankreich und auch in Russland sind diese Kessel für Landbetrieb
                              									zahlreich in Anwendung. Die Konstruktion ähnelt dem Rootkessel.
                           Fig. 298 und
                              										299
                              									zeigen einen de Naeyerkessel mit Ueberhitzer und
                              									Speisewasservorwärmer. Es sind 8 Horizontalreihen von je 16 Wasserröhren vorhanden.
                              									Die beiden unteren, dem Feuer am meisten ausgesetzten Horizontalreihen sind gemeinsam vorn und
                              									hinten an eine Wasserkammer angeschlossen und erhalten das Wasser unmittelbar vom
                              
                              									Oberkessel, sodass sie hinreichend gekühlt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 534
                              Kessel von de Naeyer & Cie.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 534
                              Rohrverbindung beim Naeyerkessel.
                              
                           Das Speisewasser gelangt bei i in den Vorwärmer, fliesst
                              									bei k ab, durchströmt die Leitung l und gelangt bei g in den
                              									Oberkessel. Aus diesem fliesst es bei a in das Fallrohr
                              										b und gelangt in die hintere Kammer c. Aus dieser Kammer kann das Wasser entweder direkt
                              									durch die unteren Rohre nach der Kammer d und von hier
                              									durch das Steigrohr e (in Fig. 299 weggeschnitten
                              									aber punktiert angedeutet) bei f in den Oberkessel
                              									gelangen, oder es fliesst von der Kammer c den oberen
                              									Rohrreihen zu und steigt durch die Leitung r
                              									gleichzeitig mit dem gebildeten Dampfe in den Oberkessel. Die Wasserbewegung ist
                              									hiernach eine sehr günstige; sie ist auch gegenüber dem Bellevillekessel eine wesentlich bessere, weil das Wasser mit dem Dampfe
                              									nicht alle Rohre einer Vertikalreihe nacheinander durchströmen muss. Die oberen
                              									Rohre sind nämlich zu je zwei Stücken in eine kleine Kammer, Fig. 300 u. 301,
                              									eingewalzt. Erst diese Kammern sind durch Rohrkapseln, Fig. 302 u. 303,
                              									miteinander in einer Weise verbunden, die aus Fig. 298 zu ersehen
                              									ist. Wasser und Dampf brauchen daher nicht in die Rohre zurückzutreten; sie steigen
                              									vielmehr unmittelbar von einer Kammer zur nächst höheren auf, wodurch der Wasser-
                              									bezw. Dampfweg bedeutend abgekürzt wird. Die Rohre des deNaeyer kessels liegen aus diesem
                              									Grunde auch sämtlich von hinten nach vorn ansteigend, während beim Bellevillekessel, wie schon bemerkt, die Hälfte der
                              									Rohre die entgegengesetzte Steigung erhalten muss. Die Wasserbewegung des de Naeyer kessels entspricht etwa derjenigen der
                              									gewöhnlichen Sektionalkessel.
                           Die in Fig.
                                 										300 u. 301 dargestellte Kapselverbindung leidet allerdings an einem
                              									empfindlichen Nachteil, denn die Befestigungsschraube der Rohrkapseln wird durch den
                              									Dampfdruck, der auf beiden Rohrquerschnitten lastet, auf Zug beansprucht. Bei hohen
                              									Dampfspannungen ist diese Verbindung wegen der damit verbundenen Explosionsgefahr
                              									nicht zu empfehlen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 534
                              Rohrkapsel beim Naeyer kessel.
                              
                           Ferner erscheint der Querschnitt der Rohrleitung, der das Rohrbündel vorn mit dem
                              									Oberkessel verbindet, etwas klein; allerdings darf bei der Beurteilung nicht ausser
                              									Acht gelassen werden, dass die beiden untersten Rohrreihen, welche erfahrungsmässig
                              									die wirksamste Heizfläche bilden, eine besondere Verbindung mit dem Oberkessel
                              									haben.
                           Der gesättigte Dampf wird bei m
                              									Fig. 298
                              									dem Dampfdom entnommen und bei n (Fig. 298 u. 299) in den
                              									Ueberhitzer geführt. Der Ueberhitzer liegt hinter dem ersten Feuerzuge und besteht aus engen
                              									Röhren, die zu je 6 Stück in eine Kammer eingewalzt werden. Die Kammern sind dann
                              									wieder in der üblichen Weise durch Rohrkapseln derart verbunden, dass die Rohre
                              									jeder Horizontalreihe vom Dampfe nacheinander durchströmt werden. Der Ueberhitzer
                              									kann beim Anheizen durch eine bei p vom Oberkessel
                              									abgezweigte und bei n anschliessende Leitung mit Wasser
                              									gefüllt werden. Der überhitzte Dampf wird bei o
                              									entnommen.
                           Die Röhren des Vorwärmers liegen im letzten Zuge und sind in solcher Weise
                              									miteinander verbunden, dass sie eine einzige Wärmeschlange bilden; das Wasser geht
                              									zuerst durch die Röhren der untersten Horizontalreihe hintereinander und steigt dann
                              									zur nächst höheren Reihe auf, diese immer in der gleichen Weise durchfliessend.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 535
                              Rootkessel von Walther & Cie.
                              
                           In Deutschland werden Wasserrohrkessel mit Kapselverbindungen nur von der Firma Walther & Cie. in Kalk bei Köln gebaut und zwar nur
                              									dann, wenn die Kessel in oder unter bewohnten Räumen aufgestellt werden sollen, oder wenn der Transport
                              									grösserer Kesselteile Schwierigkeiten bietet, wie z.B. in einigen Gebirgsgegenden
                              									Südamerikas; sonst liefert die Firma Walther & Cie.
                              									den schon früher (S. 395) in Fig. 163 u. 164
                              									dargestellten Zweikammerkessel System Alban.
                           Der Rootkessel der Firma Walther
                                 										& Cie. ist in Fig. 304-307 nach der
                              									neueren Ausführung zur Darstellung gebracht. Gegenüber der früheren Bauweise, die im
                              									Aufsatze des Verfassers: „Die Anwendung des überhitzten Dampfes“ D. p. J.
                              									1899 Fig. 72-81Im Sonderabdruck
                                    											(Polytechn. Buchhandlung R. Schulze. Mittweida) Fig. 82-91 auf S. 29 u.
                                    											30. wiedergegeben worden war, ist hervorzuheben, dass der
                              									Dampfraum nicht mehr durchwagerecht liegende Röhren gebildet wird, und dass der
                              									frühere weniger wirksame Ueberhitzer durch einen engrohrigen, schlangenförmigen
                              									Ueberhitzer wie beim Albankessel der Firma ersetzt
                              									wurde. Die Konstruktion der Rohr verbin düng ist dagegen dieselbe geblieben, sodass
                              									auf die frühere Veröffentlichung in dieser Hinsicht verwiesen werden kann.
                           Der Rootkessel, Fig. 304-307, besteht
                              									aus 42 schrägliegenden Wasserrohren, welche in 7 Horizontalreihen angeordnet sind.
                              									Der niedrigste Wasserstand liegt dabei in solcher Höhe, dass die vorn liegenden,
                              									oberen Enden der vier obersten Rohrreihen mit Dampf gefüllt sind. Ein Erglühen der
                              									Wandungen dieser Rohrenden ist ausgeschlossen, da die Führung der Heizgase durch
                              									eingelegte Platten so geregelt wird, dass zuerst die ganze, wasserberührte
                              									Heizfläche bestrichen werden muss.
                           Das Speisewasser tritt bei a durch eine 40 mm weite
                              									Leitung in den hinten angeordneten Schlammsammler b,
                              									der aus einem gusseisernen 250 mm weiten Rohr besteht und mit einem
                              									Entleerungsstutzen, Fig. 304, versehen
                              									ist.
                           Von dem Schlammsammler steigt das Wasser in die Rohre und gelangt als Dampf in den
                              									vornliegenden Dampfsammler c,
                              									Fig. 305.
                              									Von hier strömt der Dampf durch den Krümmer d in einen
                              									Wasserabscheider e und und von hier wieder entweder bei
                              									geschlossenem Ventil h im gesättigten Zustande durch
                              									das Ventil f zur Maschine, oder wenn f geschlossen, durch h
                              									Fig. 306,
                              									zum Ueberhitzer. Bei g teilt sich die Leitung. Der
                              									Dampf durcheilt die beiden im letzten Zuge liegenden Ueberhitzerschlangen von 57 mm
                              									äusserem Durchmesser, die sich bei k wieder vereinigen.
                              									Wenn auch die Ueberhitzerschlangen mit entsprechend abgekühlten Gasen in Berührung
                              									kommen, so kann doch mindestens auf eine vollständige Dampftrocknung gerechnet
                              									werden, denn auch der Dampfraum in den weiten Röhren wird von den Heizgasen
                              									bestrichen.
                           Der dargestellte Kessel hat eine wasserberührte Heizfläche von 48 qm, eine
                              									dampfberührte Heizfläche von 10 qm, eine Ueberhitzerfläche von 7,75 qm und eine
                              									Rostfläche von 1,38 qm.
                           Der Wasserstandsstutzen liegt vorn rechts, Fig. 305, und steht
                              									durch eine besondere, genügend weit gehaltene Leitung l
                              									mit dem Stutzen des Schlammsammlers b in
                              									Verbindung;eine zweite enge Leitung führt nach oben zum Dampfsammler c.
                           Das Wasser, welches sich im Dampfsammler c
                              									niederschlägt, oder welches in dem Abscheider e
                              									ausgeschieden wird, kann dem Rohre l durch zwei
                              									Leitungen direkt zufliessen.
                           Der gusseiserne Dampfsammler c hat 150 mm lichte Weite
                              									und ist mit zwei Sicherheitsventilen von je 35 mm lichter Weite versehen, die auf
                              									einem gemeinsamen Stutzen von 50 mm lichter Weite sitzen.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)