| Titel: | Eigenschaften und Herstellung der Kalksandsteine. | 
| Autor: | Gustav Rauter | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 558 | 
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                        Eigenschaften und Herstellung der
                           								Kalksandsteine.
                        Von Dr. Gustav Rauter.
                        Eigenschaften und Herstellung der Kalksandsteine.
                        
                     
                        
                           1. Geschichtliches und Theoretisches über
                              
                              									Kalksandsteine.
                           In den letzten Jahren hat die Herstellung der Kalksandsteine sich aus kleinen
                              									Anfängen so rasch und kräftig entwickelt, dass alsbald neben der Ziegelindustrie
                              									eine heute bereits nicht mehr unbedeutende Kalksandsteinindustrie entstellen und für
                              									ihre Erzeugnisse genügenden Absatz finden konnte.
                           War die neue Industrie im Anfang lebhaften Anfeindungen seitens der Ziegelindustrie
                              									ausgesetzt, die einesteils in der einem jeden Neuen entgegengebrachten Scheu,
                              									andererseits in der Furcht ihren Grund hatten, durch ein angeblich viel billigeres
                              									Verfahren verdrängt zu werden, so arbeiten heute schon die Vertreter beider
                              									Erwerbszweige ruhig nebeneinander, nachdem man erkannt hat, dass unter gewissen
                              									Bedingungen zwar die neue Kalksandsteinindustrie vorteihafter zu sein scheine, als
                              									die alte Ziegelindustrie, dass aber unter anderen Umständen wiederum diese auch
                              									ferner die Oberhand behalten müsse. Diese Umstände sind wesentlich wirtschaftlicher
                              									Natur und beziehen sich hauptsächlich. auf die jeweiligen örtlichen
                              									Herstellungskosten des betreffenden Steines, die wiederum in erster Linie von der
                              									Zugänglichkeit und dem Preis der zur Verfügung stehenden Rohstoffe abhängen.
                           Auch die Anfeindungen sind mit der Zeit verstummt. die die Kalksandsteinindustrie aus
                              									dem Grunde zu erfahren hatte, weil man ihre Erzeugnisse nicht sowohl als eine
                              									wirtschaftliche Gefahr, sondern vielmehr nur als einen durchaus minderwertigen
                              									Ersatz für die Erzeugnisse der Ziegelindustrie erklären zu müssen glaubte. Es hat
                              									sich mit der Zeit erwiesen, dass dies durchaus nicht der Fall sei, dass vielmehr
                              									gute Kalksandsteine selbst hinter guten Ziegelsteinen in nichts zurückzustehen
                              									brauchen.
                           Was die Benennung des neuen Erzeugnisses anbetrifft, so hat sich hierfür jetzt wohl
                              									ziemlich allgemein der Name „Kalksandstein“ eingbürgert, da es sich in der
                              									Tat um einen aus Kalk und Sand hergestellten Stein handelt, somit jene
                              									Bezeichnungsweise am genauesten erkennen lässt, um was es sich handelt. Andere Namen
                              									sind noch Kalksandziegel, Sandsteinziegel, Hartstein, Hartziegel oder auch
                              									Kunststein. Namen, die sich aber keine allgemeine Geltung haben verschaffen
                              									können.
                           Die Entstehung der Kalksandsteinindustrie wird gewöhnlich als eine Weiterbildung der
                              									Mörtel industrie bezeichnet, indem es sich auch bei ihr um aus Mörtelmasse geformte
                              									Steine handelt. Jedoch ist diese Annahme nur scheinbar richtig. Allerdings werden
                              									Kalksandsteine, ebenso wie Mörtel, aus Kalk und Sand hergestellt; in der Tat aber
                              									beruht ihreErhärtung auf einer ganz anderen Grundlage, als diejenige des
                              									Mörtels. Es wird deshalb zunächst nötig sein, uns die chemischen Vorgänge bei
                              									letzterer vor Augen zu führen. Aus gelöschtem Kalk und Sand hergestellter Mörtel
                              									stellt sich zunächst als ein mehr oder weniger steifer Brei dar, der erst langsam,
                              									nach einigen Tagen, ein gewisses Abbinden erkennen lässt, indem er sich in eine
                              									festere, aber doch immer noch sehr weiche und zerreibliche Masse verwandelt. Mit der
                              									Zeit nimmt dann die Festigkeit des Mörtels immer mehr zu, bis sie unter Umständen
                              									sogar grösser geworden ist, als diejenige der zu dem betreffenden Bau verwendeten
                              									Steine selber. Bei diesem Erhärtungsvorgange tritt zunächst nur ein einfaches
                              									Eintrocknen des Mörtels durch Wasserabgabe ein, das alsdann von der eigentlichen
                              									Versteinerung des Mörtels durch seine Verwandlung in kohlensauren Kalk abgelöst
                              									wird. Bedingung für beide Vorgänge ist die Möglichkeit des Zutrittes von
                              									atmosphärischer Luft, die einmal die überschüssige Feuchtigkeit aus dem Mörtel
                              									aufnehmen, dann aber auch ihre Kohlensäure an den Kalk abgeben muss. Auch bei dieser
                              									Kohlensäureaufnahme wird Wasser frei, da hierbei das chemisch gebundene Wasser des
                              									Kalkhydrates in Freiheit gesetzt und als solches von der Luft aufgenommen werden
                              									muss. Diese beiden Vorgänge werden durch folgende Gleichungen veranschaulicht:
                           (Ca(OH)2 + aq) =
                              									Ca(OH)2 + aq
                           Ca(OH)2 + CO2= CaCO3 +
                              										H2O
                           Können diese Vorgänge nicht eintreten, was bei Ausschluss der atmosphärischen Luft
                              									der Fall sein wird, so kann auch kein Erhärten des Mörtels stattfinden.
                              									Dementsprechend ist denn auch der im Innern von dicken Mauern befindliche reine
                              									Kalksandmörtel oft selbst nach Jahrhunderten noch weich. So haben z.B.
                              									Untersuchungen des Mörtels an der vor einigen Jahren durch Brand zerstörten
                              									Dresdener Kreuzkirche gezeigt, dass dieser im Innern des etwa 140 Jahre alten
                              
                              									Mauerwerks immer noch nicht erhärtet gewesen war. In Wien zeigte sich der Mörtel im
                              									Innern einer 300 Jahre alten Backsteinmauer noch alkalisch und hatte noch nicht die
                              									Hälfte der theoretisch zu seiner vollständigen Erhärtung erforderlichen Menge an
                              									Kohlensäure aufgenommen.
                           Diese Tatsachen zeigen, dass dickere Mörtelmassen von gewöhnlicher Herstellungs- und
                              									Erhärtungsart keineswegs in dem Sinne zur Festigkeit von Gebäuden mit beitragen, wie
                              									man es wohl öfters annimmt. Insbesondere scheint die Annahme nicht haltbar zu sein,
                              									wonach sich in einem solchen Mörtel mit der Zeit aus der Umsetzung zwischen Kalk und
                              									Sand ein Silikat bilde. Es ist zwar allerdings eine Reihe alter Mörtel untersucht
                              									worden, die einen hohen Gehalt an Silikat und eine sehr grosse Härte aufwiesen; aber
                              									es handelte sich in
                              									diesen Fällen durchaus nicht um alten Kalkmörtel, sondern um Mörtel mit mehr oder
                              									weniger starken Silikatzuschlägen, insbesondere um Trassmörtel. Es ist namentlich
                              									bekannt, dass die Römer und auch die rheinischen Baumeister des Mittelalters sich in
                              									einem sehr weiten Umfange des Trasses als Baustoff bedient haben, wie namentlich
                              									auch die zahlreichen, in Köln noch heute stehenden Bauten zeigen, die aus Basalt,
                              									Tuffstein und Trassmörtel errichtet sind. Aber auch in anderen Gegenden Deutschlands
                              									scheint früher die Benutzung von Silikatzuschlägen zu Mörtel ziemlich weit
                              									verbreitet gewesen zu sein, bis diese in den letzten Jahrhunderten allmählich aus
                              									der Praxis verschwanden und erst in den letzten Jahrzehnten wieder neu eingeführt
                              									wurden.
                           Ganz anders verhält es sich dagegen mit den chemischen Vorgängen, die der Erhärtung
                              									der Kalksandsteine zu Grunde liegen. Hierbei handelt es sich nicht um Sandkörner,
                              									die durch eine als Bindemittel dienende Masse von Kalkhydrat und kohlensaurem Kalk
                              									mechanisch verkittet werden, sondern um Silikate, entstanden durch innige chemische
                              									Wechselwirkung zwischen Kalk und Sand bei Gegenwart von heissem Wasserdampf. Es hat
                              									in dieser Hinsicht kürzlich Professor Rinne in Hannover
                              									(Tonindustriezeitung 1903, No. 16, 192) sehr interessante Aufschlüsse gegeben, die
                              									auf dem Wege gewonnen waren, dass von Kalksandstein Dünnschliffe hergestellt worden
                              									waren. Die so erzielten Präparate gestatteten dann, die genaue Struktur des Steines
                              									zu erkennen und daraus auf die bei seiner Herstellung vor sich gegangenen chemischen
                              									Veränderungen Schlüsse zu ziehen.
                           Es zeigte sich hierbei, dass die künstlichen Kalksandsteine nicht einfach den
                              									natürlichen Steinen mit kalkigem Bindemittel entsprechen, sondern dass sie
                              									Sandsteine mit einem Kalksilikat als Bindemittel
                              									darstellen. Allerdings, sagt Rinne, sei immerhin auch
                              									eine gewisse Menge an kohlensaurem Kalk vorhanden, wie durch eine mikrochemische
                              									Probe an der Möglichkeit des unter Aufbrausen erfolgenden Wegätzens der Teilchen von
                              									kohlensaurem Kalk mit Salzsäure zu erkennen sei. In den Dünnschliffen unterscheide
                              
                              									man zunächst deutlich die einzelnen Sandteilchen in ihrer wechselnden Grösse und
                              									Gestalt. Man sehe auch, wie bei der Wechselwirkung zwischen dem Aetzkalk und dem
                              									Sande die Oberfläche der einzelnen Quarzkörnchen oft unregelmässig zerfressen sei.
                              									Das Bindemittel zwischen den einzelnen Quarzkörnchen stelle im durchfallenden Licht
                              									eine feinkörnige oder feinschuppige Grundmasse von hellem, leicht gelb oder grau
                              									gefärbten Stoff dar. Welche chemische Zusammensetzung ihm zukomme, lasse sich ohne
                              									genauere Untersuchung vorläufig noch nicht angeben; im allgemeinen könne nur soviel
                              									gesagt werden, dass es sich um ein wasserhaltiges Silikat des Kalkes handele. Ausser
                              									diesem seien noch mehr oder weniger zahlreiche Kalkspatkrystalle in der Masse
                              									enthalten, die durch die Einwirkung der Kohlensäure der Luft auf mit dem Sand nicht
                              									in Wechselwirkung getretenen Aetzkalk entstanden seien. Ferner seien auch noch,
                              									falls der verwendete Sand nicht reiner Quarzsand gewesen, Teile von Feldspat,
                              									Glimmer oder dergleichen darin zu finden. Ausserdem seien aber auch noch die
                              									Porenräume der Kalksandsteine deutlich zu erkennen, die im allgemeinen in den
                              									Steinen gleichmässig verteilt seien und keine irgendwie erkennbare Schichtung
                              									aufwiesen. Der Natur des Herstellungsganges entsprechend seien diese Hohlräume
                              									öfters in ihrem Innern mit Kalkspatkrystallen ausgekleidet.
                           Es ist also durch diese Untersuchungen wiederum bestätigt worden, dass das Erhärten
                              									der Kalksandsteine auf einer Umsetzung zwischen Quarz und Kalk beruht, und dass
                              									hierbei eine Karbonatbildung nur insofern als nebenbei verlaufende- Reaktion in
                              									Frage kommt, als der eigentliche Umsetzungsvorgang nicht vollständig verlaufen und
                              									demgemäss noch freies Kalkhydrat übrig geblieben ist.
                           Unter diesen Umständen ist es denn auch ferner nicht angebracht, den Kalksandsteinbau
                              									als eine Fortbildung des Kalk-Piseebaues anzusprechen, welch letzterer nur mit der
                              									Mörtelherstellung, nicht aber mit der Kalksandsteinindustrie in Verbindung stellt.
                              									Beim Kalk-Piseebau wird Kalk durch Zusatz der nötigen Wassermenge in einen dünnen
                              									Brei verwandelt und der Sand diesem nach und nach zugesetzt. Die Formung geschieht,
                              									indem das Gemisch aus Kalk und Sand zwischen Holzwände eingestampft wird. Die
                              									Erhärtung der so hergestellten Mauern erfolgt recht langsam, und zwar
                              									inderselben Weise, wie diejenige von Mörtel. Ein besonderer Nachteil dieser
                              									Bauweise ist es, dass bei starkem Regen nicht nur nicht weiter gebaut werden kann,
                              									sondern auch das bereits fertige Mauerwerk sorgfältig vor Nässe zu schützen ist.
                           Auch die aus Kalk und Sand hergestellten Steine, die man durch blosses Stehenlassen
                              									einer Mörtelmischung an der Luft erhärten lässt, reihen sich dem Kalk-Piseebau an,
                              									und haben mit dem eigentlichen Kaldsandstein nur die Ausgangsmaterialien gemein. Die
                              									Unbequemlichkeiten, die die Notwendigkeit mit sich brachte, die aus Kalk-Pisee
                              									herzustellenden Gebäude in Verschalungen einstampfen zu müssen, und dabei im
                              									weitesten Masse von der Witterung abhängig zu sein, führten zu der Herstellung von
                              									Werksteinen aus der nämlichen Masse in eigens dazu errichteten und auf Vorrat
                              									arbeitenden Anlagen. Die Steine wurden hier unter Dach und Fach hergestellt und auf
                              									Gerüsten getrocknet. Man machte dabei dann auch den weiteren Schritt, von dem
                              									Einstampfen der einzelnen Steine in Formen zu ihrer maschinellen Herstellung mittels
                              									Pressen überzugehen, und hatte so eine Fabrikation ausgebildet, die mit der heutigen
                              									Kalksandsteinindustrie bis auf die Erhärtung der Steine unter Dampf schon alles
                              									gemeinsam hatte. Eine derartige Fabrik arbeitete denn auch vor 10-20 Jahren in Ferch
                              									bei Potsdam mit gutem Erfolge und lieferte nicht nur für private, sondern auch für
                              									verschiedene staatliche Bauten in Potsdam, Berlin und anderswo Steine, die sich sehr
                              									gut bewährt haben. Indessen ging diese Fabrik doch mit der Zeit ein. Wenn auch über
                              									die Gründe dieser Betriebseinstellung nichts weiter bekannt geworden ist, so lässt
                              									sich doch vermuten, dass diese vornehmlich in der Abneigung der Maurer gegen den
                              									Gebrauch dieser Steine und in daraus sich ergebenden Absatzschwierigkeiten gelegen
                              									haben. Denn da die Erhärtung der Mörtelmasse auch beim Vermauern des Steines noch
                              									nicht ganz bis ins Innere fortgeschritten war, so mussten die Maurer bei ihrer
                              									Verwendung sich ganz besonderer Vorsicht befleissigen, und durften namentlich auch
                              									nicht durch Hammerschläge die Steine antreiben.
                           Um nunmehr zum eigentlichen Kalksandstein und seiner Geschichte zu kommen, so wird
                              									gewöhnlich ein von Dr. Zernikow genommenes D. R.-P. 502
                              									vom 2. Juli 1877 als erste Veröffentlichung in dieser Hinsicht angesehen. Der
                              									Erfinder beschreibt sein Verfahren so, dass er zunächst den Kalk für sich mit Wasser
                              									löscht, und zwar in einem mit Rührwerk versehenen und von aussen mit Dampf beheizten
                              									Kessel. Es wurde sodann die nötige Menge an Sand hinzugefügt, heisser Wasserdampf in
                              									den Kessel eingeleitet und das Erhitzen mehrere Tage lang fortgesetzt. So entstand
                              									ein dünner Brei von Kalksilikat, der zunächst zum Steifwerden stehen blieb, bis er
                              									in Formen gepresst oder gegossen wurde. Dieses Verfahren erzielte allerdings eine
                              									genügende Aufschliessung des Sandes und seine Verwandlung in Silikat, war aber doch
                              									für die Praxis viel zu umständlich, und namentlich auch für die Massenherstellung
                              									von Mauersteinen durchaus nicht geeignet.
                           Audi ein Patent von Cressy & Co. in Hastings,
                              									übertragen gewesen auf Hugo Beck in Frankfurt a. M.,
                              									hat sich auf die Dauer nicht in die Praxis einführen können, obschon danach in der
                              									Tat an verschiedenen Stellen gearbeitet worden ist. Nach diesem D. R.-P. 20890 vom
                              									9. Mai 1882 wird eine Masse aus Sand und gelöschtem Kalk in Formen eingestampft und
                              									bleibt hierin einige Zeit stehen, bis die genügende Festigkeit erzielt ist, um die
                              									Steine ohne zu grosse Gefahr handhaben zu können. Sie werden alsdann in einen
                              									Behälter mit Wasser eingesetzt, das allmählich bis fast zum Kochen, jedoch nicht
                              									ganz bis zu diesem Punkt erhitzt wird. Um die Wirkung des Wassers auf den Stein zu
                              									verstärken, schreibt der Erfinder vor, statt reinen Wassers lieber eine Auflösung
                              									von Kalk zu nehmen. Die nach diesem Verfahren hergestellten Steine kamen unter dem
                              									Namen Kunstsandsteine in den Handel, konnten jedoch auf die Dauer nicht einmal gegen
                              									natürlichen Werkstein den Wettbewerb im Preise aushalten. Unangenehm war bei der
                              									beschriebenen Arbeitsweise namentlich das häufig eintretende Zerfallen der Steine in
                              									dem heissen Kalkwasserbad.
                           Blieben diese beiden Verfahren ohne dauernden Einfluss auf die Technik, so war es dem
                              									zeitlich zwischen ihnen liegenden Patent von Michaelis
                              									vorbehalten, der Ausgangspunkt der heutigen Kalksandsteinindustrie zu werden. Dies
                              									Patent führt die Nummer 14195 und datiert vom 5. Oktober 1880. Wie manche andere
                              									bedeutende Erfindung, so hatte auch diese das Schicksal, zunächst unbeachtet zu
                              									bleiben, sodass der Erfinder sich sogar genötigt sah, dass Patent bei dem Mangel
                              									jeglicher Ausnutzung verfallen zu lassen. Es trat hierdurch ein Zustand ein, der es
                              									jedem freistellte, den Hauptgrundsatz der jetzigen Kalksandsteinindustrie, nämlich
                              									die Erhärtung der aus Kalk und Sand geformten Steine, unter hochgespanntem Dampf in
                              									die Praxis überzuführen und von ihm selber etwa damit in Verbindung gebrachte andere
                              									Verfahren als seine eigene Erfindung anzusprechen und nach Belieben auszunutzen.
                              									Dieser Umstand war allerdings für die neue Industrie von gewissem Vorteil, da sie
                              									der Tätigkeit eines Jeden freien Spielraum liess und die Fabriken im allgemeinen von
                              									der Notwendigkeit befreite, für irgend ein von ihnen benutztes Verfahren
                              									Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Demgegenüber trat allerdings auch der Nachteil ein,
                              									dass von allen Seiten Einrichtungen zur Kalksandsteinfabrikation angeboten und
                              									ausgeführt wurden, die namentlich in den ersten Jahren oft viel zu wünschen übrig
                              									liessen. Jedoch ist dieser Uebelstand jetzt wieder ziemlich beseitigt, weil sich auf
                              									Grund der gemachten Erfahrungen und sorgfältiger Durchbildung des ganzen Betriebes
                              									gewisse Normen und Regeln in der Praxis derjenigen Fabriken fast allgemein
                              									eingebürgert haben, die Entwürfe und Maschinen für Kalksandsteinfabriken
                              									liefern.
                           Wir wollen unter diesen Umständen die zahlreichen Verfahren und Patente nicht einzeln
                              									aufführen, die sich auf die Herstellung von Kalksandsteinen und auf die dazu zu
                              									benutzenden Maschinen beziehen. So weit sie für die Ausgestaltung der Fabrikation
                              									von grundsätzlicher Bedeutung sind, kommen hier eigentlich nur drei davon in
                              									Betracht, von denen indessen keines als ein wirklicher Fortschritt auf dem Gebiete
                              									der Kalksandsteinindustrie anzusehen ist.
                           Das erste dieser Verfahren ist das von Simon Neffgen,
                              									auch als Verfahren von Becker u. Klee bekannt, D. R.-P.
                              									76246 vom 6. September 1891, das die Härtung von Kalksandsteinen statt unter
                              									Hochdruck unter einem geringeren Dampfdruck zum Gegenstande hat. Nach diesem
                              									Verfahren werden die Kalksandsteine nicht in Druckkesseln unter Hochdruck einige
                              									Stunden lang, sondern in gemauerten Kammern unter Dampf von nicht viel über 100° C.
                              									einige Tage lang stehen gelassen und so gehärtet. Das Produkt aus Druck und Zeit
                              									steht zwar demjenigen beim Hochdruckhärtungsverfahren nicht viel nach; jedoch
                              									ergeben sich immerhin verschiedene theoretische Unterschiede sowie praktische
                              									Nachteile.
                           Das zweite Verfahren ist durch D. R.-P. 103777 vom 12. Mai 1807 geschützt und unter
                              
                              									dem Namen des Kleberschen Verfahrens bekannt. Es ist
                              									ein Verfahren zur Herstellung von Kalksandstein mittels Druckkessels und überhitzten
                              									Wasserdampfes, wobei das aus ungelöschtem Kalkpulver, Sand u. dergl. bestehende
                              									Gemenge der Steinmasse mit verdünnter Salzsäure von etwa 5-10 v. H. gelöscht wird.
                              									Der Zusatz von Salzsäure zu dem zu löschenden Kalk hat eine Zeit lang viel von sich
                              									reden gemacht, ist aber wohl kaum in der Praxis irgendwie angewendet worden.
                           Ein drittes Verfahren, das von Westphal und Sell, schlägt die Behandlung der frisch geformten
                              									Steine in einer Kohlensäureatmosphäre vor, die derart konzentriert sein soll, dass
                              									die durch die Verbindung der Kohlensäure mit dem Kalk entstehende Wärme genügt, um
                              									den Kalk zu trocknen. Die erforderliche Kohlensäure soll durch Konzentration der aus
                              									den Kalköfen zum Brennen des benötigten Kalkes entweichenden Kohlensäure gewonnen
                              									werden. Dies letztere Verfahren bedeutet, abgesehen von der umständlichen Benutzung
                              									konzentrierter Kohlensäure, nichts weiter, als ein Aufgeben des der heutigen
                              									Kalksandsteinfabrikation zu Grunde liegenden Gedankens und hat in der Praxis, wie
                              									auch von vornherein wohl anzunehmen war, keinen Erfolg haben können.
                           Gehen wir nun auf die eigentliche Herstellung der Kalksandsteine über, so muss
                              									zunächst gefragt werden, welchen Bedingungen die Fabrikation zu genügen hat, um ein
                              									allen Anforderungen entsprechendes Erzeugnis zu liefern. Der Kalksandstein stellt
                              									sich als eine Anhäufung von Sandstücken dar, die durch ein ursprünglich aus Kalk
                              									bestehendes,dann aber sich in chemischer Wechselwirkung mit der Oberfläche des
                              									Sandes in Kalksilikat verwandelndes Bindemittel zusammengehalten werden und ist
                              									ausserdem von zahlreichen Hohlräumen durchsetzt. Es kommen also drei Teile in
                              									Betracht, der Sand, der Kalk und die Hohlräume. Wenn wir vorläufig von letzteren
                              									absehen, so ist von Kalk und Sand der erstere weitaus das kostspieligere Material,
                              									das übrigens auch an und für sich und in seinen Verbindungen eine geringere
                              									Festigkeit besitzt, als der Sand. Es geht daraus die Forderung hervor, so zu
                              									arbeiten, dass möglichst viel Sand und möglichst wenig Kalk verbraucht wird.
                           Nun stellt sich die Entstehung der Kalksandsteine derartig dar, dass die einzelnen in
                              									sie eingebrachten Sandkörner allseitig von einer Schicht Kalk überzogen werden,
                              									welche Kalkschicht unter dem Einflüsse von Hitze und Feuchtigkeit sich in ein
                              									Kalksilikat verwandelt und auf diese Weise einen festen Kitt zwischen den einzelnen
                              									Sandkörnern bildet. Ist die Kalkschicht zu stark, so wird sie nicht leicht in ihrer
                              									ganzen Dicke in Silikat umgesetzt werden können, sondern es wird ein Teil des Kalkes
                              									als solcher bestehen bleiben und mit der Zeit in Wechselwirkung mit der Kohlensäure
                              									der Luft in kohlensauren Kalk übergehen. Hieraus geht zunächst ebenfalls hervor,
                              									dass die die einzelnen Sandkörner einhüllende Kalkschicht möglichst dünn, demgemäss
                              									also auch die Menge des verwendeten Kalkes möglichst gering sein soll. Andererseits
                              									wird es hierdurch auch erklärlich, warum selbst verhältnismässig von vornherein
                              									weniger gute Kalksandsteine doch mit der Zeit an Festigkeit zunehmen. Es ist aber
                              									auch ersichtlich, dass von vornherein vollständig erhärtete Kalksandsteine bei dem
                              									Fehlen von noch freiem Aetzkalk in ihrer Masse keine Gelegenheit, und es allerdings
                              									auch nicht nötig haben, durch Kohlensäureaufnahme weiter zu erhärten. Ob und
                              									inwiefern allerdings auch diese Kalksandsteine etwa durch weitere chemische
                              									Umsetzungen eine zunehmende Erhärtung erfahren können, ist noch nicht aufgeklärt,
                              									und jedenfalls von vornherein nicht zu verneinen.
                           Es ergibt sich aus dem Vorhergesagten nun weiter, dass derjenige Kalk zu der
                              									Verwendung für Kalksandstein der beste sein wird, der die Fähigkeit besitzt, sich am
                              
                              									leichtesten ganz fein zu verteilen. Eine solche Fähigkeit kommt nun aber namentlich
                              									solchem Kalk zu, der von anderen Verbindungen möglichst frei ist, nämlich dem
                              									sogenannten Fettkalk. Dieser gibt beim Löschen ein sehr zartes Pulver, das einen
                              									sehr grossen Raum in Anspruch nimmt und deshalb befähigt ist, eine möglichst grosse
                              									Zahl von Sandkörnern zu überziehen.
                           Es geht aber ferner daraus für den Sand die Forderung hervor, dass seine
                              									Oberflächenbeschaffenheit möglichst derartig sein soll, dass er dem Kalk eine
                              									möglichst grosse Angriffsfläche bietet. Man wird also den Sand nicht gern von allzu
                              									grobem Korn nehmen, und dabei andererseits auf solchen von möglichst kantiger Form
                              									und rauher Oberfläche sehen. Im übrigen ist indessen diese letztere Frage von
                              									verhältnismässig untergeordneter Bedeutung, da sich aus fast jedem Sande gute
                              									Kalksandsteine herstellen lassen, vorausgesetzt, dass er auch wirklich aus Quarz
                              									oder wenigstens aus Silikaten besteht. Ein Sand, der dagegen aus Kalkstein oder
                              									dergl. besteht, ist für die Kalksandsteinfabrikation nicht geeignet, während er für
                              									die Herstellung von gewöhnlichem Mörtel in weitestem Umfange benutzt zu werden
                              									pflegt, wie z.B. in Oberbayern oder in der westlichen Schweiz. Dagegen steht
                              									andererseits nichts im Wege, sich statt natürlichen Sandes zerkleinerter Gesteine
                              									von verschiedener Zusammensetzung zu bedienen. Als solche kommen in erster Linie die
                              									gröberen Beimischungen des Sandes selber in Betracht, wie Kies oder Steine. Ferner
                              									werden auch Quarzitschiefer, sowie sonstige Materialien gelegentlich zur
                              									Kalksandsteinherstellung mit herangezogen. Immerhin sind dies nur Ausnahmefälle, da
                              									im allgemeinen geeigneter Sand billig genug zu haben ist und als solcher keine
                              									weitere Bearbeitung, als höchstens ein Durchsieben erfordert.
                           Was schliesslich den dritten Bestandteil der Kalksandsteine angeht, nämlich die in
                              									ihnen enthaltenen Hohlräume, so teilt er diese Eigenschaft mit fast einem jeden
                              									Baustein, namentlich auch mit den Ziegelsteinen. Die Hohlräume sind einerseits für
                              
                              									den Zutritt der Luft zu allen Teilen des Mauerwerks erwünscht, andererseits auch für
                              									die leichte Annahme des Mörtels wichtig. Man kann übrigens durch geeignete Auswahl
                              										der
                              									Rohmaterialien die verhältnismässige Menge der in den erzeugten Kalksandsteinen
                              									befindlichen Hohlräume entsprechend den jeweilig daran gestellten Forderungen leicht
                              
                              									abändern. Nimmt man gröberen Sand von gleichmässigem Korn, so werden die Hohlräume
                              									verhältnismässig zahlreich und gross sein. Nimmt man feineren Sand, so werden sie
                              									stark verkleinert, und nimmt man ein Gemisch von grobem und feinem Sand, so werden
                              									sie auf das allergeringste Mass herabgedrückt. Man erhält nach dem ersteren
                              									Verfahren einen leichteren, nach dem zweiten einen mittleren und nach dem dritten
                              									einen schweren und dichten Stein. Im allgemeinen bietet es natürlich keine Vorteile,
                              									besonders dichte und schwere Steine herzustellen, schon deshalb nicht, weil
                              									hierdurch das Gewicht des hergestellten Mauerwerks unnötig vergrössert wird, und
                              
                              									weil andererseits auch ein gewisses Mass von Porosität der Steine durchaus nicht
                              									unerwünscht ist.
                           Als mehr oder weniger schwankender Bestandteil in den Kalksandsteinen kommen ferner
                              									noch kleinere Mengen von Ton in Betracht, die namentlich auch aus unreinem Sand oder
                              									Kalk herrühren, manchmal aber auch absichtlich zugesetzt sind. Es hat sich gezeigt,
                              									dass geringe Zusätze an Ton der Kalksandmasse grössere Festigkeit in dem Zeitpunkt
                              									zwischen erfolgter Pressung der Steine und deren Einsetzen in den Härtekessel
                              									verleihen. Durch die Klebekraft des Tones wird der Stein besser zusammengehalten und
                              									dadurch vor Beschädigung während dieses kritischen Zeitraumes geschützt. Jedoch geht
                              									man andererseits aus dem Grunde nicht gerne mit dem Tonzusatz auf einen
                              									nennenswerten Betrag hinauf, weil der Ton eine verhältnismässig grössere Menge von
                              									Kalk zu seiner Aufschliessung erfordert, als es beim Quarzsand der Fall ist. Denn
                              									während letzterer nur auf seiner Oberflächein kieselsauren Kalk verwandelt
                              									wird, so muss der außerordentlich fein verteilte Ton durch und durch in kieselsauren
                              									Kalk und eine Verbindung von Kalk und Tonerde umgesetzt werden. Auch soll ein zu
                              									starker Tonzusatz die Festigkeit der damit hergestellten Steine ungünstig
                              									beeinflussen.
                           Auch die färbenden Bestandteile der Kalksandsteine sind hier zu erwähnen. Im
                              									allgemeinen haben diese entsprechend der Farbe von Kalk und Sand eine rein weisse
                              									Färbung, die unter Umständen je nachdem etwas ins Graue oder Gelbliche übergeht,
                              									Wünscht man gefärbte Kalksandsteine herzustellen, so muss man der Masse einen
                              									färbenden Zusatz von irgend einer Mineralfarbe geben, die man schon wegen ihres
                              									verhältnismässig hohen Preises nicht in zu grosser Menge anwenden wird. Auch kommt
                              									hinzu, dass sich die Farbe in der Regel an den chemischen Vorgängen, die zur
                              									Erhärtung des Steines führen, nicht beteiligt, und schon deshalb nur einen ganz
                              									geringen Prozentsatz bilden darf. Man kommt unter Umständen schon mit etwa ½ v. H.
                              									an Farbzusatz zu der Masse aus. Neuerdings ist übrigens noch ein anderer Weg zur
                              									Erzielung gefärbter Kalksandsteine eingeschlagen worden, nämlich die Verwendung von
                              									zerkleinerten an sich gefärbten Silikaten an Stelle von gewöhnlichem Quarzsand,
                              									wodurch eine durchaus haltbare Färbung erzielt wird, die aber, da das Silikat
                              									überall von Kalk umgeben ist, keine grosse Farbenstärke besitzt. Indessen handelt es
                              									sich hier nicht eigentlich um Erzeugnisse, die absichtlich, sondern vielmehr nur um
                              									solche, die zufällig gefärbt sind, eben infolge der Verwendung gefärbter Rohstoffe.
                              									Man hat so z.B. farbige Abfälle aus Steinbrüchen auf Kalksandstein verarbeitet.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)