| Titel: | Mitteilungen aus dem Eisenbahn-Sicherungswesen. | 
| Autor: | Hans Martens | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 632 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Mitteilungen aus dem
                           								Eisenbahn-Sicherungswesen.
                        Von Regierungsbaumeister Hans
                                 								Martens.
                        Mitteilungen aus dem Eisenbahn-Sicherungswesen.
                        
                     
                        
                           Durch die höhere Fahrgeschwindigkeit und die grössere Zugdichte auf den
                              									Eisenbahnen sind die Anforderungen an die Einrichtungen zur Betriebssicherheit
                              									entsprechend gestiegen. Verfolgt man die Arbeiten der Spezialfirmen, welche
                              									hierhergehörige Apparate und Vorrichtungen bauen, so kann man wohl zu dem Ergebnis
                              									kommen, dass diese ihrer Aufgabe in jeder Weise gerecht werden: Neue Gedanken werden
                              									in die Tat umgesetzt, die Apparate werden nach den Versuchsergebnissen und den dabei
                              									gemachten Erfahrungen fortentwickelt, sodass nie ein Stillstand, sondern ein
                              									stetiges Werden in den Bestrebungen zu erkennen ist. Alle Entwürfe in ihrer
                              									Entwicklung zu verfolgen, hiesse dem Nicht-eisenbahner zu viel zumuten; aber einige
                              									bemerkenswerte Bauarten von Vorrichtungen zur Erhöhung der
                              									Eisenbahnbetriebssicherheit werden bei dem Allgemeininteresse, welches dem
                              									Eisenbahnbetrieb entgegengebracht wird, ihm doch willkommen sein.
                           Das Gefahr erzeugende Element ist die „bewegte Achse“ oder praktisch
                              									gesprochen der fahrende Eisenbahnzug. Deswegen haben von jeher die Erfinder sich
                              									damit beschäftigt, ihn in seinem Lauf entweder an einer ein für allemal bestimmten
                              									oder an einer beliebigen Stelle mit Sicherheit aufzuhalten.So einfach nun der
                              									oft zur Ausführung gebrachte Gedanke erscheint, durch auf der Strecke befestigte
                              									Anläufe oder Schlingen die Bremse der Lokomotive zu betätigen oder ihre Pfeife
                              
                              									ertönen zu lassen, so viele Hindernisse bietet der Betrieb. Alle diese Apparate
                              									haben keinen dauernden, befriedigenden Erfolg gehabt.
                           Auch der Gedanke, sich von der Strecke aus dem fahrenden Zuge verständlich zu machen,
                              
                              									ist frühzeitig genug aufgetaucht und die drahtlose Telegraphie scheint nach den
                              									bisher vorliegenden Versuchen dazu berufen, diese Frage in praktischer Brauchbarkeit
                              									zu lösen.
                           Da die beiden angedeuteten Hilfsmittel zur Erhöhung der Betriebssicherheit noch der
                              									endgültigen Vollendung bedürfen, so geht die Strömung der Eisenbahner zur Zeit
                              									dahin, mittelbar durch Verwendung von Signalen ein Halten des Zuges im Gefahrfalle
                              									an beliebiger und bestimmter Stelle sicher zu erreichen. Man legt deshalb z.B. dem
                              									mit dem Stationseinfahrsignal verbundenen Vorsignal erhöhte Bedeutung bei, welches
                              									bekanntlich, in grösserer Entfernung vor jenem aufgestellt, dessen Stellung
                              									ankündigen soll. Da nun aber zu der Zeit, wo die Signale am meisten von Nöten sind,
                              									bei Nebel, trübem Wetter, Schneetreiben, die sichtbaren Signale ihren Dienst
                              									versagen, so greift man zu dem einzigen Rettungsmittel, mit den Sichtsignalen
                              									hörbare zu verbinden. Die Bedeutung dieser hörbaren Signale – ob unbedingtes Halt
                              									oder nur Warnungszeichen – wird von der betreffenden Verwaltung entschieden, worüber
                              									die Meinungen noch auseinandergehen.
                           Als vornehmstes der hörbaren Signale ist das Knallsignal zu betrachten, das in
                              									neuerer Zeit wieder mehr Verwendung auf den deutschen Bahnen finden wird. Die
                              									Knallkapseln können nach Bedarf vom Bahnbewachungspersonal von Hand oder an
                              									besonders gefährdeten Punkten, wozu die Stellung der Vorsignale rechnet, mechanisch
                              									ausgelegt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 632
                              Fig. 1.
                              
                           Eine von der Georgs-Marien-Hütte ausgeführte, durch Patent geschützte Bauart eines
                              									Knallpatronen –Auflegers zeigt Fig. 1. Mit dem
                              									jedesmaligen Stellen des Vorsignals auf „Halt“ wird eine Patrone auf die
                              									Schiene gelegt. Auf einer parallel zur Fahrschiene gelagerten Schwelle S sind in gleichen Abständen Winkelhebel l, l1, l2, l3 drehbar
                              									angebracht, auf deren in der Längsrichtung der Schwelle liegendem Arme Knallpatronen
                              									aufgesteckt werden. Die anderen Arme dieser Hebel sind durch Federn mit der Schwelle
                              									verbunden.
                           Mit dem Vorsignal ist eine aus Winkelhebel, Gestänge und Drahtzug bestehende
                              									Uebertragungsvorrichtung verbunden, die beim Umstellen der Vorsignalscheibe jedesmal
                              									die neben der Fahrschiene um eine vertikale Achse drehbare Scheibe e mitbewegt. Letztere ist durch die Kurbelstange f mit der Zahnstange g mit
                              									sägeförmigen Zähnen verbunden. Diese ist in einem ⊏-Eisen
                              									gelagert, das zugleich als Führung für den Schlitten h
                              									dient, an dem die Klinke k angelenkt ist. Auf der der
                              									Fahrschiene zugekehrten Seite des Schlittens ist an ihm der Winkel i befestigt.
                           Wird das Signal auf „Halt“ gestellt, so macht die Scheibe e eine Rechtsdrehung und die Kurbelstange f zieht bei der ersten Vierteldrehung die Zahnstange
                              									vor, wobei die Sperrklinke k des Schlittens h mitgenommen wird. Infolgedessen trifft der Winkel i auf den ihm zugekehrten Arm des Winkelhebels l und dieser macht einen Ausschlag, der die auf seinen
                              									andern Arm aufgesteckte Knallpatrone auf die Fahrschiene legt. Weitere Drehung der
                              									Scheibe e infolge durch Wärmeschwankungen veranlasster
                              									Längenänderungen im Drahtzug oder Gestänge bleiben ohne Einfluss. Geht die
                              									Kurbelstange f hierbei über die Mittellage hinaus, so
                              									schiebt sie die Zahnstange g zurück, diese lässt aber
                              									den Schlitten h in seiner Stellung, weil ihre Zähne
                              									leer unter der Klinke hinweggleiten.
                           Wird das Signal zurück auf „Fahrt“ gestellt, so macht die Scheibe e eine Linksdrehung und die Zahnstange g wird bei der ersten Vierteldrehung wiederum
                              									vorgezogen, wobei sie unter Vermittlung der Klinke k
                              									den Schlitten so weit vorbewegt, dass er in eine Lage zwischen den Hebeln l und l1 gelangt. Der Hebel l
                              									wird hierbei durch der ihn mit der Schwelle S
                              									verbindenden Feder in seine durch einen Anschlagstift an der Schwelle bestimmte
                              									Anfangsstellung zurückgedreht.
                           Wird nun das Signal abermals auf „Halt“ gestellt und der Schlitten h hierbei vorbewegt, so trifft er auf den Arm des
                              									Winkelhebels l1 und
                              									dreht diesen so, dass er eine Patrone auf die Fahrschiene legt.
                           Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, bis der Schlitten die letzte Patrone auf
                              									die Schiene gelegt hat. Alsdann stösst er an den an der Fahrschiene befestigten
                              									Rahmen, der zur Stützung des ⊏-Eisens und der Leiste
                              									dient, verhindert dadurch ein weiteres Drehen der Scheibe e und sperrt so das Signal. Der Wärter hat nun den Schlitten h unter Anheben der Klinke k wieder an das Ende der Führung zurückzuschieben und die zerfahrenen
                              									Knallpatronen durch neue zu ersetzen. Ein Verabsäumen des Aufsteckens neuer Patronen
                              									wird kaum zu befürchten sein, da der Wärter sich auf jeden Fall zur Beseitigung der
                              									Sperrung zur Vorrichtung begeben muss. Bei dieser Bauart des Knallpatronenauflegers
                              									sind Mängel in betriebstechnischer Hinsicht nicht zu verkennen.
                           Die Signalsperrung nach Verbrauch der letzten Patrone leistet Bürgschaft dafür, dass
                              									auch wirklich bei jeder Haltstellung des Signals eine Patrone ausgelegt ist. Dies
                              									kann jedoch für dichten Zugverkehr sehr unbequem und störend werden. Deswegen ist
                              									der Ausleger für sich durch einen besonderen Hebel zu bedienen und erst mit dem
                              									Signal bei ungünstigem Wetter, wie Schneetreiben oder Nebel zu kuppeln. Denn erst in
                              									diesem Fall wird das Auslegen von Knallkapseln notwendig. Auch ist es für die
                              									Bedienung der Vorrichtung von Wert, sie in die Nähe eines Wärterpostens zu legen,
                              									dem die Ueberwachung und Instandhaltung zu übertragen ist.
                           Fig. 2 zeigt einen einfachen Knallpatronen – Aufleger,
                              									Bauart Maschinenfabrik Bruchsal. Durch Drahtzug wird
                              									eine Rolle bewegt, die den Ausleger zwangläufig mitnimmt. Die Vorrichtung wird nur
                              									im erforderlichen Falle mit dem Signaldrahtzug gekuppelt. Sie besitzt den Vorzug
                              									grosser Einfachheit.
                           Mit Rücksicht darauf, dass ein oft angewendetes Gefahrsignal an Bedeutung verliert
                              									und dass es im Grundgedanken nicht richtig ist, die Haltstellung eines Vorsignals
                              									durch das – gemäss der Signalordnung vieler Verwaltungen – unbedingtes Halt
                              									gebietende Knallsignal anzuzeigen, ist folgende Konstruktion eines „hörbaren
                                 										Vorsignals“ von der Maschinenfabrik Bruchsal
                              									entworfen worden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 632
                              Fig. 2.
                              
                           Dieses Vorsignal unterscheidet sich von dem gewöhnlichen dadurch, dass die
                              									Signalscheibe durch eine grosse, ziemlich flache Glocke aus Hartguss oder Gusstahl
                              									ersetzt ist, an der der Zug gegebenenfalls selbst läutet. Die in Fig. 3 u. 4
                              									dargestellte Einrichtung wird gebildet durch das eigentliche Signal und den Pedal an
                              									trieb. Ersteres besteht aus dem durch ein ⌶-Eisengerüst
                              									hergestellten Mast mit der Signalstellvorrichtung, der Glocke und der Signallaterne
                              									einerseits und dem Läutewerk mit dem zugehörigen Antriebe andrerseits. Der vom
                              									Hauptsignal kommende doppelte Drahtzug stellt mittels der am Mast angebrachten
                              									Stellvorrichtung und der an dieser angreifenden Zugstange die am oberen Ende des Gerüstes gelagerte
                              									Glocke senkrecht und wagerecht, was dem Signalzeichen „Halt“ oder „freie
                                 										Fahrt“ am Hauptsignal entspricht (Fig. 4).
                              									Durch die Bewegungen der Glocke wird gleichzeitig die am Signalgerüst verschiebbare
                              									Laterne entsprechend geblendet.
                           Der auf der anderen Seite des Signalgerüstes gelagerte Kreuzhebel setzt durch einen
                              									mit der Glocke in gleicher Höhe angebrachten Schieber die Hämmer des Läutewerks in
                              									Bewegung. Durch einen doppelten Drahtzug steht der Kreuzhebel mit der etwa 40-50 m
                              									vor dem Vorsignal aufgestellten Pedalvorrichtung (Fig.
                                 										3) in Verbindung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 633
                              Fig. 3.
                              
                           Diese besteht aus dem 1,5 m langen Pedale P (Fig. 3) und der mit diesem durch den auf dem
                              									gemeinsamen Fundamentgerüst gelagerten Querhebel b
                              									verbundenen Antriebsvorrichtung für die Läutedrähte. Das Pedal ist an der Schiene
                              									drehbar befestigt. Der Querhebel b steht an dem einen
                              									Ende mit dem Kloben c in Verbindung, der unterhalb b einen Bolzen d, oberhalb
                              										b eine Spiralfeder e
                              									hat und mit dem Schalthebel f verbunden ist. Die Rolle
                              										g wird von dem Signaldrahtzuge bewegt und schaltet
                              									dabei mit Stift h und Flansch i den Hebel f ein, wodurch in leicht
                              									ersichtlicher Weise das Pedal gehoben und gesenkt wird. Die Stellrolle g kann aber auch durch einen besonderen Drahtzug bewegt
                              									werden, um das Pedal ein- und auszurücken. Für eingleisige Bahnen wird stets ein
                              									besonderer Stellhebel angewendet, um das Läutewerk nicht durch Züge ertönen zu
                              									lassen, für die das Vorsignal nicht gilt. Mit dem Querhebel b ist noch das Gelenkstück k mit den
                              									Schwingen m und n und dem
                              									Lenker l verbunden. Die beiden Schwingen sind oben
                              									geführt durch die Hebel t und u und tragen daselbst die Sperren o und p, welche auf das Sperrad q einwirken. Das Sperrrad ist mit den Drahtzugantriebhebeln r und s auf derselben
                              									Achse befestigt. Ist das Pedal für die Signalgebung eingeschaltet – wie die gehobene
                              									Stellung derFigur – so wird es von jedem über dasselbe fahrenden Rade
                              									niedergedrückt und von der Spiralfeder des Klobens wieder gehoben. Diese Bewegungen
                              									übertragen sich durch m n, o p und q auf r und s, welche
                              									dabei mit ihrem Drahtzuge an dem Glockensignal läuten, was durch folgende Anordnung
                              									bewirkt wird. Durch den Drahtzug wird mittels der Kreuzhebel die Stange d (Fig. 4) auf- und
                              									abbewegt, welche in dem neben der Glocke angebrachten Gehäuse zwei Zapfen e trägt. Durch diese unter Vermittlung der Knaggen f werden die Hämmer h
                              									gegen die Glocke getrieben. Bei jeder Auf- und Abbewegung der Stange d ertönen vier Schläge.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 633
                              Fig. 4.
                              
                           Diese Vorrichtung wird kaum den durch das Auffahren der Räder verursachten Stössen,
                              									die sich dem ganzen Mechanismus mitteilen, auf die Dauer gewachsen sein. Trotzdem
                              									bleibt sie eine beachtenswerte Erscheinung in der Reihe der vereinigten Sicht- und
                              									Hörsignale.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)