| Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 648 | 
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                        Neuerungen an Fahrrädern.
                        (Fortsetzung von S. 636 d. Bd.)
                        Neuerungen an Fahrrädern.
                        
                     
                        
                           Eine ganz besondere Anordnung des Motors hat das Fahrzeug „Gouverneur“
                              									der Fahrradwerke P. Erbrecht in Schöppenstedt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 648
                              Fig. 63. Motorzweirad von Erbrecht.
                              
                           Wie Fig. 63 zeigt, ist der 2 ¼ PS-Motor im Gegensatz
                              									zu anderen Motor zweirädern in dem von der Hinterradgabel begrenzten Rahmendreieck
                              									untergebracht. Der vordere Rahmenteil kann daher für den Behälter, welcher das
                              									Benzin, den für 1500 km reichenden Akkumulutor, die Induktionsspule, sowie das
                              									Motoröl enthält, vollständig in Anspruch genommen werden, was den Vorteil bietet,
                              									möglichst viel Betriebsmaterial zur Verfügung zu haben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 648
                              Fig. 64. Motorzweirad von Spiess.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 648
                              Fig. 65. Anordnung der Hinterradgabel von Spiess.
                              
                           Durch Drehung des linken Lenkstangengriffes nach vorn wird der elektrische Strom
                              									geschlossen. Eine halbe Drehung des Griffes rückwärts unterbricht den Strom, und der
                              									Motor bremstsich selbst durch die Kompression. Durch volle Rückwärtsdrehung
                              									wird das Auspuffventil geöffnet. Der rechts am Rahmenrohr drehbare Hebel ist mit dem
                              									Unterbrecher verbunden und reguliert, wie bekannt, die Zündung. Der linke Hebel
                              
                              									betätigt den Drosselhahn.
                           Während fast bei allen Motorzweirädern ein besonders starker Rahmen verwendet werden
                              									muss, wird dies bei dem Fahrzeug von O. Spiess in
                              									Spandau durch die neue Anordnung des
                           Motors über-i flüssig. Wie Fig. 64 zeigt, ist zu
                              
                              									diesem Zweck der 5 kg schwere 1 ¾ PS-Motor vom Schwungrad getrennt. Letzteres sitzt
                              									lose auf der Tretkurbelachse, während der Motor am oberen Rahmenrohr aufgehängt ist
                              									und sich unten auf ein Zwischenstück stützt. Durch diese Anordnung soll erreicht
                              									werden, dass die Erschütterungen gleichmässiger auf das gesamte Fahrrad einwirken.
                              										Die Bewegungen
                              									des Motors werden mittels Kette auf das Schwungrad, und die Kraft, wie allgemein
                              									üblich, durch Riemen auf das Hinterrad übertragen. Das. Gewicht dieses Fahrzeuges
                              									beträgt nur 26-29 kg.
                           Eine weitere Neuheit, welche zwar keinen ästhetischen, aber praktischen Vorteil hat,
                              
                              									besteht im Bau der Hinterradgabeln. Bei den bisher bekannten Ausführungen wurde der
                              									eine Schenkel der Hinterradgabel, um Platz für den Antriebsriemen zu gewinnen,
                              									entweder –förmig seitlich abgebogen und dann in gerader Richtung bis zu dem
                              									entsprechend verlängerten Lager fortgeführt oder aber –förmig gekröpft,
                              									sodass der Schenkel die Riemenscheibe umfasst. Diese Anordnungen haben insofern
                              									Nachteile, als sich bei der ersteren eine verhältnisinässig lange Radnabe und somit
                              									eine geringere Festigkeit für die Hinterradlagerung ergibt, während bei der zweiten
                              									das Einsetzen und Abnehmen des Hinterrades durch Entfernen der Riemenscheibe
                              									unbequem und zeitraubend ist. Fig. 65 zeigt die neue
                              									Anordnung, bei welcher nach D. R. G. M. No. 195649 die Gabelschenkel so ausgebogen
                              									sind, dass sie von der Lagerstelle des Hinterrades ab in an sich gerader, zur Ebene
                              
                              									des Rades c jedoch geneigter Richtung bis zu dem durch
                              									den Riemenscheibenkranz d bedingten Abstand geführt und
                              									dann bei a und b so
                              									gebogen sind, dass sich ein Zwischenraum ergibt, der gerade noch hinreicht, um den
                              									Riemenscheibenkranz hindurchzuführen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 649
                              Fig. 66. Nabe für Laufrad- und Riemenlauffelge von Fichtel & Sachs.
                              
                           Ein Uebelstand, der allen Motorfahrzeugen anhaftet, ist der, dass die Riemen- bezw.
                              									Schnurlauffelge an den Speichen des Laufrades befestigt ist, wodurch die Festigkeit
                              									des Rades ausserordentlich beeinträchtigt wird. Um dieses zu beseitigen,ordnen
                              									die Schweinfurter Präzisionskugellager-Werke, Fichtel u.
                                 										Sachs in Schweinfurt a. M. nach ihrem D. R. G. M. No. 194013 auf der Nabe
                              									besondere Flansche für die Speichen der Schnurlauffelge an, sodass diese selbständig
                              									gespannt werden kann, wodurch eine gute Festigkeit des ganzen Rades erzielt
                              									wird.
                           Wie Fig. 66 zeigt, dienen die Speichen a zum Spannen der Laufradfelge, während die Speichen
                              										b zum Spannen der Riemen- bezw. Schnurlauffelge
                              									benutzt werden.
                           Möldner und Skreta in Reichenberg (Böhmen) verwenden an
                              									Stelle des Riemen- oder Riemenschnurantriebes die sonst zum Antreten des Fahrzeuges
                              									übliche Kette (Fig. 67).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 649
                              Fig. 67. Motorzweirad von Möldner & Skreta.
                              
                           Zu diesem Zwecke sitzt auf der Tretkurbelachse ein Zahnrad, mit dem ein kleiner
                              									Kettenkranz parallel verbunden ist. Beim Antreten wird also nicht nur, wie allgemein
                              									üblich, das Hinterrad angetrieben und durch dieses wiederum der Motor angelassen,
                              									sondern das auf der Tretkurbelachse sitzende Zahnrad greift in ein kleineres, das
                              									auf der Motorwelle sitzt, ein, und da mit ersterem der erwähnte Kettenkranz
                              									verbunden ist, so wird auch zugleich das Hinterrad angetrieben.
                           Sobald der Motor läuft, dreht sich durch dessen Kraft das grosse Zahnrad schneller,
                              									als die Tretkurbeln, sodass diese durch die Freilaufeinrichtung selbsttätig
                              									ausgeschaltet werden.
                           Die magnet-elektrische Zündung (System Bosch) befindet
                              									sich in einem Teil des Benzinbehälters, und wird mittels Kegelräder vom Motor aus
                              									angetrieben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 649
                              Fig. 68. Gepäck Motor-Dreirad der Brennabor-Fahrradwerke.
                              
                           Auch hier sind die Ventilkammern, wie bei dem F.-N.-Motor
                              
                              									S. 620, längs des Motors angeordnet. Letzterer wird nur mittels des Bremshebels
                              									betätigt und zwar tritt, wenn derselbe in seiner tiefsten Lage steht, Vorzündung
                              									ein, während beim
                              									leichten Anziehen des Bremshebels Nachzündung erfolgt. Bei kräftigerem Anziehen hebt
                              									sich das Auspuffventil, die Zündung schaltet sich aus, wodurch der Motor zu arbeiten
                              									aufhört, und gleichzeitig treten auch die Bremsen in Tätigkeit.
                           Dieses Fahrzeug entwickelt mit dem 2 ½-3 PS-Motor eine Geschwindigkeit bis zu 50 km
                              									i. d. Std. Das Gewicht beträgt etwa 55 kg.
                           O. Teudeloff in Halle a. S. ersetzt den Antriebsriemen
                              									durch eine Reibungswelle aus Leder, welche auf Kugeln gelagert ist und mittels
                              									Zahnräder vom Motor in Bewegung gesetzt wird. Diese Rolle kann durch einen Hebel
                              									einerseits, um antreibend auf das Hinterrad zu wirken, gegen dessen Reifen gepresst,
                              									andererseits aber, um den Motor unabhängig vom Fahrrad laufen zu lassen, vom
                              									Radreifen abgezogen werden.
                           Die Ingangsetzung des 1 ½ PS-Motors geschieht mittels einer Handkurbel, welche sich
                              									selbsttätig ausschaltet, sobald der Motor läuft.
                           Diese Art der Inbetriebsetzung ist besonders für ältere Fahrer von Vorteil. Die
                              									Zündung ist auch hier magnetelektrisch und befindet sich am Sattelstützrohr.
                           Da, wie eingangs erwähnt, das Geschäftsdreirad immer mehr in den Verkehr tritt, haben
                              									die Brennabor- Fahrradwerke Gebr. Reichstein in
                              									Brandenburg a. H. die Herstellung eines solchen mit Motorantrieb (Fig. 68) aufgenommen und zwar unter Verwendung eines 2
                              									¼ PS-Motors der Aachener Stahlwarenfabrik A.-G. in
                              									Aachen.
                           Da es fast unmöglich ist, ein derartiges Fahrzeug, wenn es schwer beladen ist,
                              									anzutreten und dadurch gleichzeitig den Motor in Tätigkeit zu setzen, so ist der
                              									Motor mit der Hinterräderachse durch eine Reibungskupplung, ähnlich wie bei
                              									Motorwagen, verbunden.
                           Die Ingangsetzung des Motors geschieht nun wie folgt: der Fahrer stellt den Kontakt
                              
                              									ein und lässt den Motor durch Rückwärtstreten der Pedale an. Sobald er läuft, wird
                              									durch Vorwärts treten das Fahrzeug in Bewegung gesetzt und zugleich die
                              									Reibungskupplung eingerückt, worauf der Motor den Antrieb übernimmt. Dieser
                              									entspricht vollständig demjenigen des modernen Motorzweirades und hat mit dem
                              									früheren Motor dreiradantrieb nichts mehr gemein. Der Motor musste naturgemäss etwas
                              									stärker gewählt werden, wodurch die Luftkühlung nicht mehr ausreichend war, und
                              									daher der Zylinderdeckel wassergekühlt ist. Zu diesem Zweck ist vor dem
                              									Benzinbehälter noch ein Kühlwasserbehälter aufgehängt, dessen mit Rippen versehener,
                              
                              									hufeisenförmiger Teil das Steuerrohr umfasst, und dadurch dem zur Abkühlung des
                              									Wassers nötigen Luftstrom ausgesetzt ist.
                           Bei allen vorbesprochenen Motoren öffnet sich das Ansaugventil selbsttätig, und zwar
                              									sobald der äussere Ueberdruck, der durch das Abwärtsgehen des Kolbens hervorgerufen
                              									wird, der Spannung der Ventilfeder gleichkommt. Da dies aber erst geschieht, wenn
                              									der Kolben schon einen Teil seines Weges zurückgelegt hat, und das Ventil sich schon
                              									wieder schliesst, bevor der Kolben seinen Hub vollendet hat, da der äussere
                              									Ueberdruck schliesslich nicht mehr stark genug ist, um die Federkraft des
                              									Ansaugventils überwinden zu können, so ist die Dauer, während der die frischen Gase
                              									in den Zylinder eintreten können, sehr begrenzt, und die Gasmenge, die in den
                              									Zylinder eintritt, nimmt denselben nicht in seinem ganzen Umfange ein.
                           Je kleiner nun die Menge frischen Gases ist, die sich in dem Zylinder befindet, um so
                              									schwächer wird auch die Kompression und naturgemäss auch die Explosion sein.
                           Diesem Uebelstande abzuhelfen, bauen die Minerva-Motorzweiradwerke S. de Jong & Co. in Berchem – Antwerpen
                              									einen 2 PS-Motor mit gesteuertem Ansaugventil. Wie Fig. 69 zeigt, besitzt der Zylinder an seinem unteren
                              									Teil keine Kühlrippen, sondern nur die Explosionskammer und der Ventilkasten sind
                              									mit solchen umgeben. Um Verluste an Kompression durch Undichtigkeiten möglichst zu
                              
                              									vermeiden, ist der Kopf mit dem Zylinder aus einem Stück gefertigt.
                           Der Ansaugventilkasten, sowie der Auspuffventilkasten befinden sich
                              									nebeneinander, und sind durch eine gusseiserne Wand G
                              									vollständig von einander getrennt, wodurch die Zündkerze stets in sauberem Zustand
                              									bleibt. Das explosible Gemisch wird bei H angesaugt,
                              									während die verbrannten Gase durch J nach dem
                              									Auspufftopf gelangen und zwar möglichst ungehindert, indem das Rohr J im Winkel von 45° angeordnet, und vorspringende Ecken
                              									vermieden sind. Das Ansaugventil und das Auspuffventil werden durch die auf ihren
                              									Stangen S und P
                              									befindlichen Federn solange geschlossen gehalten, bis sie unter Vermittlung der
                              									Stifte V und Q durch ein
                              									Hebelwerk, wie folgt, gehoben werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 650
                              Fig. 69. Motor von S. de Jong.
                              
                           Die Achse N, auf welcher die Nockenscheibe M aufgekeilt ist, wird vermittelst zweier Zahnräder,
                              									die sich im Schwungradgehäuse befinden, von der Hauptwelle O so angetrieben, dass sich N halb so schnell
                              									wie O dreht. Hierbei öffnet der Nocken M erstens das Ansaug ventil unmittelbar durch den Stift
                              										V und zweitens das Auspuffventil vermittelst des
                              									winkelförmigen Hebels Y durch den Stift Q. Beim Anfahren dagegen wird das Auspuffventil durch
                              									den kleinen Nocken X angehoben. Letzterer steht
                              
                              									gleichzeitig, um die Geschwindigkeit durch Vor- oder Nachzündung zu regeln, mit dem
                              									Unterbrecher in Verbindung.
                           Die Hauptabmessungen des Motors sind:
                           
                              
                                 Bohrung
                                   66 mm
                                 
                              
                                 Hub
                                   70   „
                                 
                              
                                 Kompression
                                   5,5 Atm.
                                 
                              
                                 Umdrehungen i. d. Min
                                   2000
                                 
                              
                                 Länge der Kurbelachse
                                   26 mm
                                 
                              
                                 Länge des Kurbelzapfens
                                   24   „
                                 
                              
                                 Riemenmittellinie
                                   48   „
                                 
                              
                                 Schwungscheibendurchmesser
                                 172   „
                                 
                              
                                 Grösste Länge
                                 370   „
                                 
                              
                                 Grösste Breite
                                 155   „
                                 
                              
                                 Gesamtgewicht des Motors
                                   15 kg
                                 
                              
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)