| Titel: | Neuerungen an Fahrrädern. | 
| Fundstelle: | Band 318, Jahrgang 1903, S. 680 | 
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                        Neuerungen an Fahrrädern.
                        (Fortsetzung von S. 671 d. Bd.)
                        Neuerungen an Fahrrädern.
                        
                     
                        
                           Vollständig abweichend von der allgemein üblichen Anordnung ist der Motor bei
                              									dem Motorzweirad der Singer Cycle Co. Ltd. in Coventry
                              									(England), samt seinen Zubehörteilen im Hinterrad angeordnet (Fig. 81). Letzteres ist mit Aluminiumspeichen
                              
                              									versehen, welche, um zu dem Motor zu gelangen, leicht abgenommen werden können. Der
                              									Antrieb auf die Treibachse geschieht mittels Zahnräderübersetzung unmittelbar von
                              									der Motorachse aus.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 680
                              Fig. 81. Motorzweirad der Singer Cycle Co.
                              
                           Der Motor und seine Zubehörteile sind auf den engsten Raum zusammengedrängt und zwar
                              									so, dass sich der Motor J (Fig. 82) mit seinem Schwungradgehäuse E in
                              									der Mitte des Rades, der Benzinbehälter A mit dem
                              									Vergaser rechts und der magnet-elektrische Zündapparat R links befindet. Das explosible Gemisch gelangt aus dem Vergaser durch
                              									die Röhre P in den Explosionsraum K des Zylinders, und die verbrannten Gase gelangen
                              									durch den Auspufftopf J1 ins Freie. Der Drosselhahn m sowie das
                              									Auspuffventil werden durch einen an der Lenkstange angebrachten Hebel, welcher mit
                              									dem Hebelchen g verbunden ist, mittels der an der
                              									Stange o drehbar befestigten zwei Hebel betätigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 680
                              Fig. 82. Motor der Singer Cycle Co.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 680
                              Fig. 83. Motordreirad der Singer Cycle Co.
                              
                           Die Anordnung des Motors im Vorderrad eines Dreirades zeigt Fig. 83. Letzteres wird, wie Fig. 84
                              									zeigt, auch mit abnehmbarem Damensitz, sowie mit einem gepolsterten Kutschsitz, der
                              									für mehrere Personen Platz bietet, gebaut. An Stelle des hinteren Sitzes kann auch
                              									ein Koffer oder dergl. treten, sodass dieses Fahrzeug bequem zum Warentransporte
                              									verwendet werden kann.
                           Obgleich die Aluminiumspeichen bei der eben besprochenen Konstruktion an der
                              									einen Seite abnehmbar sind, so scheinen doch die Anforderungen der Praxis bezüglich
                              									leichter Zugänglichkeit aller Teile nicht erfüllt zu sein, denn neuerdings baut
                              									dieselbe Firma eine Konstruktion, bei der die Speichen einseitig angeordnet und so
                              									gekrümmt sind, dass die Mittellinie des Motors mit der des Treibradreifens doch noch
                              									zusammenfällt. Der Benzinbehälter ist ebenfalls aus der Radachse entfernt, und wie
                              									allgemein üblich, am oberen Rahmenrohr aufgehängt. Die Kraftübertragung geschieht
                              									jetzt nicht mittels Zahnrädergetriebe, sondern, wie folgt, durch zwei Ketten (Fig. 85-87):
                           Die Motorachse H (Fig.
                                 									86) ist etwas tiefer als die Radachse b gelagert.
                              									Auf der ersteren ist ein kleines Kettenrad befestigt, von welchem die Bewegungen des
                              									Motors durch eine Kette auf ein grösseres Kettenrad f
                              										(Fig. 87), welches auf der im Tretkurbellager
                              
                              									befestigten Büchse f1
                              									sitzt, ins Langsame übertragen wird. Auf der anderen Seite dieser Büchse sitzt das
                              									kleine Kettenrad f2, das seine von f empfangenen Bewegungen auf
                              									das grössere, auf der Treibradnabe c sitzende Kettenrad
                              										e (Fig. 86), das mit
                              									Freilaufeinrichtung versehen ist, überträgt, wobei zum zweitenmale eine Uebertragung
                              									ins Langsame stattfindet, und das Hinterrad angetrieben wird. Das
                              									Uebersetzungsverhältnis ist 6 ¾ : 1.
                           Um für die Tretkurbeln eine kleinere Umdrehungsgeschwindigkeit als diejenige der
                              									Büchse f1 zu erhalten,
                              									ist an der Tretkurbel h1 (Fig. 87)
                              									ein Planetengetriebe k1, k2,
                              										k3
                              									angeordnet. Das Planetenrad k1 dreht sich frei auf dem an der Tretkurbel
                              									befestigten Bolzen k und greift einerseits in die durch
                              										i mit der Büchse g
                              									fest verbundene Innenverzahnung k3 ein, andererseits in das mit dem kleinen Kettenrad
                              										f2
                              									verbundene Mittelrad k2, wodurch ein Voreilen der Kettenradbüchse
                              										f1 gegen k2 dadurch
                              									stattfindet, dass sich beim Antreten das Mittelrad k2 schneller als die Tretkurbeln dreht, und
                              									somit die Büchse f1 mit
                              									noch höherer Geschwindigkeit in Umdrehung versetzt.
                           Sobald nun der Motor arbeitet, und der Fahrer die Tretbewegungen einstellt, tritt das
                              									Planetengetriebe ausser Tätigkeit.
                           Die oben erwähnte Kettenbüchse f1 dreht sich auf Rollen f3 der Büchse g, welche zwecks Nachspannung der Kette exzentrisch eingesetzt ist.
                           J. Weller in Norwood (England) ordnet nach seinem D. R.
                              									– P. 125566 den Antrieb mittels Vorgeleges so an, dass er die mit dem Fahrradrahmen
                              									fest verbundene Nabe b (Fig.
                                 										88), in welcher zugleich die Motorwelle e
                              									gelagert ist, an einer Seite bei b1 mit einem Ausschnitt versieht, sodass das auf der
                              									Motorwelle e sitzende Rad e1 mit dem grossen Uebertragungsrad f1 in Eingriff kommt.
                              									Letzteres ist mit einem kleinen Rade f2, das sich auf einem am Rahmenrohr d sitzen den Zapfen dreht, fest verbunden. Dieses Rad
                              										f2 greift
                              									nun in die Verzahnung ei des mit dem Hinterrad a starr
                              									verbundenen Rades c ein, und bewirkt so den Antrieb des
                              									Fahrzeuges.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 681
                              Fig. 84. Motordreirad-Tandem der Singer Cycle Co.
                              
                           Um den Motor samt seinen Zubehörteilen leicht aus dem Rade herausnehmen und das
                              									Motorrad so auch als gewöhnliches Fahrrad benutzen zu können, bildet W. Buckley in Sheffield das Hinterrad zu einer
                              									schalenförmigen Blechscheibe d aus (Fig. 89). Letztere ist mit einem Spannring g versehen, der an den Speichen d1 die Felge e trägt (D. R.-P. 133548). Das Ganze stellt eine
                              									einseitig offene Kapsel dar, in welcher der Motor k
                              									untergebracht ist. Dieser sitzt an der parallel zur Radebene gelegenen
                              									Befestigungsplatte i, welche über die Nabe c geschoben und mit Schlitz i1 versehen ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 681
                              Fig. 85. Neuestes Modell des Motorzweirades der Singer Cycle Co.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 681
                              Fig. 86. Antrieb am Hinterrad beim Motorzweirad der Singer Cycle Co.
                              
                           Eine zweite Platte h, die ebenfalls die Nabe c umfasst, ist mittels der Schelle a2 an den
                              									Hinterradgabeln a, a1 befestigt, und ausserdem sind diese beiden Platten bei s miteinander verschraubt.
                           Soll der Motor abgenommen werden, so wird er nach Entfernen der Schrauben s radial nach unten verschoben, wodurch zugleich der
                              									Eingriff des auf der Motorwelle sitzenden Zahnrades k1 mit dem Rade c2, das auf der Nabe
                              										c sitzt, aufgehoben wird. Der Motor kann jetzt,
                              									ohne dass am Fahrrad etwas geändert wird, abgenommen werden.
                           Bekanntlich werden, sobald der Motorin Tätigkeittritt, die Tretkurbeln mit Hilfe des
                              									Freilaufgetriebes ausgeschaltet, und dienen so als Fusstützen. Da dieselben aber um
                              									180° gegeneinander versetzt sind, so steht der eine Fuss hoch, und der andere tief,
                              									oder der eine vor- und der andere rückwärts, was in beiden Fällen eine unangenehme,
                              
                              									gezwungene Stellung ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 681
                              Fig. 87. Antrieb am Tretkurbellager beim Motorzweirad der Singer Cycle
                                 										Co.
                              
                           Um diese zu vermeiden, ordnet J. Soukup in Köln nach
                              									seinem D. R.-P. 135 994 die eine Kurbel auslösbar auf ihrer Achse an, sodass sie um
                              									180° gedreht, also parallel zur anderen Kurbel gestellt werden kann. Fig. 90 bis 95 zeigen die
                              									Einrichtung. Auf der Kurbelwelle a sitzen von links
                              									nach rechts folgend das Kupplungsgehäuse e durch den
                              									Keil f festgelegt, der Kupplungsring g gegen Drehung gehindert aber in der Längsrichtung
                              									verschiebbar, die lose Kurbel b und auf dem Vierkant
                              										d die Schutzscheibe c.
                              									Vom Ringe g aus gehen nach rechts drei Stifte h (Fig. 94) durch den Boden
                              									des Gehäuses e; gegen ihre Stirnflächen ist mit den Schrauben k die Scheibe i geschraubt
                              										(Fig. 90
                              									u. 91). Die
                              									linke Stirnfläche des Ringes g trägt vier Leisten l (Fig. 91 u. 94), denen
                              									die Nuten m (Fig. 91 u. 93) auf der
                              									rechten Stirnfläche der losen Kurbel entsprechen. Die Spiralfeder n (Fig. 90) ist bestrebt,
                              									den Ring g gegen die Kurbel b zu pressen, sodass die Leisten l bei
                              									passender Stellung in die Nuten m hineintreten, wodurch
                              									dann die Kurbel mit dem Gehäuse e gekuppelt ist. Die
                              									Torsionsfeder o, mit dem einen Ende am Gehäuse e mit
                              									dem anderen bei o an der losen Kurbel festgelegt, sorgt
                              									dafür, dass letztere freigelassen, sich selbsttätig unter 180° gegen die feste
                              									Kurbel b1
                              									einstellt. Um die Kurbel b während der Fahrt mit b1 parallel zu
                              									stellen, wird sie zurückgetreten; hierbei gelangt der Auslösehebel r (Fig. 90 u. 95) gegen den
                              									Riegel s, wodurch er den Schieber t in der Richtung des Pfeiles nach rechts verschiebt,
                              									so dass durch die Einwirkung der Rolle u – in Fig. 90 mit
                              										n1
                              									bezeichnet – auf die Scheibe i der Kupplungsring g soweit mitgenommen wird, dass die Leisten l aus den Nuten m
                              									heraustreten und erst wieder einfallen und die Kurbel von neuem kuppeln, wenn sie um 180° gedreht
                              									ist. Die Feder o wird hierbei gespannt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 682
                              Fig. 88. Antrieb von Weller.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 682
                              Fig. 89. Abnehmbarer Motor von Buckley.
                              
                           Sobald jetzt ein neuer Fussantrieb erfolgen soll, wird b
                              									etwas nach vorn gedreht, wodurch der Auslösehebel r
                              									wieder hinter den Riegel s zu liegen kommt. Jetzt
                              									genügt eine kleine Rückwärtsbewegung der losen Kurbel b, um die Kupplung in gleicher Weise, wie schon erwähnt, auszulösen. Nach
                              									diesem übt die Feder o eine Drehbewegung auf das
                              									Gehäuse e und damit auf die Kurbel bi aus, und sobald diese eine Drehung um 180° vollführt
                              									hat, schlägt der Anschlag w (Fig. 92) gegen den losen
                              									Kurbelarm b, der in demselben Augenblick wieder mit dem
                              									Ringe g gekuppelt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 682
                              Vorrichtung zum Parallelstellen der Tretkurbeln von Soukup.
                              
                           Eine andere derartige Vorrichtung, die gegenüber der vorhergehenden den Vorzug
                              									grösserer Einfachheit besitzt, beschreibt Jerzykowski
                              									in der Automobilwelt No. 15 von 1903.
                           Wie Fig. 96
                              									zeigt, ist hier die lose Kurbel mit steilem Gewinde versehen, und wird zwischen zwei
                              									festen Ansätzena und b zwangläufig geführt. Beim Anfahren wird nun diese Kurbel durch Vorwärts
                              									drehen auf 180° gestellt, wobei sie gegen den inneren Ansatz a gedrückt wird und infolgedessen mit der anderen gekuppelt ist. Beim
                              									Rückwärtsdrehen dagegen kommt sie gegen den äusseren Ansatz b zu liegen (Fig. 97) und nimmt daher
                              									dieselbe hängende Lage wie die gegenüberliegende Kurbel ein.
                           Die Neckarsulmer Fahrradwerke A. – G. in Neckarsulm
                              									behalten die festen Tretkurbeln bei, ordnen jedoch, um denselben Zweck zu erreichen,
                              									Fussraster in Verbindung mit einer Felgenbremse an (Fig.
                                 										98). Um erstere in Tätigkeit zu setzen, wird mit dem linken Fuss das vermittelst
                              									einer Feder an das Motorgehäuse gehaltene Ruhepedal a
                              									durch seinen oberen Vorsprang wagerecht gestellt, wodurch eine mit dieser Bewegung
                              									in Verbindung gebrachte Vorrichtung das rechte Tretpedal in derselben Lage wie das
                              									linke abgeklappte Ruhepedal festhält.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 683
                              Vorrichtung zum Parallelstellen der Tretkurbeln.
                              
                           Um die Bremse in Tätigkeit zu setzen, wird mit dem linken Fuss die rechte Seite des
                              									Ruhepedals nach unten gedrückt,wodurch das Gestänge den Bremsschuh in die Rinne
                              									der Riemenfelge einpresst.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 318, S. 683
                              Fig. 98. Fussraster mit Felgenbremse der Neckarsulmer Fahrradwerke
                                 										A.-G.
                              
                           Sobald der Fuss das Ruhepedal verlässt, klappt dasselbe selbsttätig in die Höhe.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)