| Titel: | Der drehende Schneepflug der American Locomotive Company. | 
| Autor: | F. Kerdyk | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 42 | 
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                        Der drehende Schneepflug der American Locomotive
                           								Company.
                        Der drehende Schneepflug der American Locomotive
                           								Company.
                        
                     
                        
                           Die American Locomotive Company, die aus zehn
                              									großen Lokomotivfabriken (Schenectady, Brooks, Richmond,
                                 										Rogers, Pittsburg, Cooke, Rhode Island, Dickson, Manchester und Montreal-Werke) zusammengeschmolzen ist, hat sich seit
                              									längerer Zeit auf die Ausbildung des drehenden Schneepfluges (Fig. 1) verlegt, ohne dessen Anwendung es unmöglich
                              									wäre, viele der amerikanischen Linien, die hoch in die Berge emporsteigen, das ganze
                              									Jahr hindurch in Betrieb zu halten. Der gewöhnliche keilförmige Schneepflug ist nur
                              									bei geringer Schneedicke und bei verhältnismäßig losem Schnee leistungsfähig, dabei
                              									für die Bedienungsmannschaft nicht ganz gefahrlos, jedenfalls aber nicht im
                              									Stande die riesigen Schneemassen wegzuräumen die etwa im Felsengebirge, in den Anden
                              									usw. die Eisenbahnlinien versperren. Zur Entfernung von Schnee, der schon unter
                              									Eisbildung zusammengebackt ist, gehört etwas anderes wie nur starke Kraft und da
                              									kann nur der drehende Pflug helfend eingreifen.
                           Der erste drehende Schneepflug wurde im Jahre 1887 auf die Union Pacific-Linie in
                              									Dienst gestellt, wo er eine seit Wochen bestehende Sperrung aufhob, wobei er an
                              									einzelnen Stellen 4,5 m dicken Schnee zu entfernen hatte und wo die gesamten
                              									Betriebskosten etwa 43 Pfg. f. d. Kilometer betrugen. Die in einem Monat
                              									zurückgelegte Strecke war 4800 km lang. Bald nachher hatte der sich zu dieser Zeit schnell
                              									einführende Schneepflug auf der Northern Pacific-Linie eine schwere Probe zu
                              									bestehen zwischen Pasco Junction am Columbia-Fluß und der westlichen Endstation der
                              									Linie, Tacoma, Washington. Die Linie war vor Ankunft des drehenden Schneepfluges
                              									schon neun Tage vom Schnee gesperrt gewesen, während welcher Zeit der Schnee sich
                              									hier und da in einer Höhe angesammelt hatte, welche diejenige des Pfluges um das
                              									dreibis vierfache übertraf. Die Schwierigkeiten wurden noch erhöht durch eine
                              									zeitweilig hergestellte Spitzkehre, die zur Umgehung eines in Ausführung begriffenen
                              									Tunnels benutzt wurde. Dieser Teil der Linie umfaßte zahlreiche Steigungen um 4 v.
                              									H. und 16 Grad Kurven. Infolge der Höhe der Schneeschicht konnte der Pflug jedesmal
                              									etwa nur um seine halbe Länge vorgestoßen werden, dann mußte man ihn zurückziehen,
                              									um der überlagernden Schneemasse Gelegenheit zu geben, herunter zu gleiten. Bei der
                              									Spitzkehre mußte der Pflug bis zum Fuß des Berges zurückgeholt werden, um ihn
                              									auf einer Drehscheibe kehren zu können. Nichtsdestoweniger wurde die Linie in etwas
                              									über neun Stunden geräumt ohne irgend einen Unfall, und wurde die Linie während der
                              									zwei oder drei folgenden Tage durch einen drehenden Schneepflug freigehalten. Als
                              									dann ein zweiter Pflug ankam, spannte man die beiden Maschinen an beiden Enden eines
                              									aus vier schweren Lokomotiven bestehenden Zuges, und konnte man in dieser Weise
                              									während des übrigen Teiles des Winters die Spitzkehre offen halten, ohne daß ein
                              									einziger Zug ausfiel. Die Northern Pacific-Linie hat gegenwärtig sieben drehende
                              									Schneepflüge im Betrieb und drei weitere in Bestellung gegeben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 42
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 42
                              Fig. 2.
                              
                           Beim Entwurf der Colorado Midland Eisenbahn über das Felsengebirge in Colorado war
                              									man allgemein der Ansicht, daß eine derartige Linie nur während vier oder fünf
                              									Monaten im Jahre betriebsfähig wäre, aber mit Hilfe drehender Schneepflüge, die man
                              									oft wochenlang jedem Zug vorausschicken muß, um die Bahn zu räumen, ist es möglich, längeren
                              									Unterbrechungen des Betriebes vorzubeugen. Fig. 2
                              									zeigt den Schneepflug in Tätigkeit, indem er einen schon früher hergestellten, aber
                              									wieder zugeschneiten Einschnitt neu eröffnet. Der in der Figur nach links
                              									herausgeworfene Schneestrahl ist deutlich sichtbar.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 43
                              Fig. 3.
                              
                           Die Maschine des Schneepfluges (Fig. 3) besorgt nur
                              									die Drehung des Pflugrades, die Vorwärtsbewegung wird durch eine oder mehrere
                              									Schiebelokomotiven erreicht. Die Dampfmaschine des Pfluges umfaßt zwei wagerechte
                              									Zylinder mit Heusinger von Waldegg-Schiebersteuerung.
                              									Sie versetzen eine quer zur Lokomotivachse liegende Welle in Umdrehung, die mittels
                              									konischer Zahnräder die Bewegung auf die Welle des Pflugrades überträgt. Der Kessel
                              									ist von der gewöhnlichen Lokomotivbauart mit Belpaire-Feuerbüchse.
                           Beim Entwurf des Pflugrades (Fig. 4) war man
                              									besonders darauf bedacht, dem Schnee möglichst wenig Widerstand entgegen zu setzen
                              									und es unmöglich zu machen, daß der Schnee stecken bleibt und das Rad verstopft. Das
                              									Rad umfaßt zehn radial angeordnete hohle konische Schöpfer, die mit ihren Spitzen an
                              									der Nabe zusammenstoßen. Sie sind über ihrer ganzen Länge an der Vorderseite offen,
                              									wo der Schnee eintreten kann. Längs jeder Seite dieser Oeffnungen sind stählerne
                              									Messer gelenkartig befestigt, die sich selbsttätig in die richtige Lage zum
                              									Schneiden einstellen.
                           Das ganze Rad wird durch eine aus Blechplatten gebildete Trommel umfaßt, deren untere
                              									etwas vorragende Schneideecken durch am Rahmen befestigte Stangen verstärkt werden.
                              									Die Trommel kommt allein nahe am Boden zuerst mit dem Schnee in Berührung, etwa in
                              									halber Höhe dagegen greifen die Messer zuerst den Schnee an. Der Schneeauslaß oben
                              									in der Trommel ist mit Klappen versehen, die je nach der gewünschten Auswurfrichtung
                              									des Schnees eingestellt werden können.
                           Die Anordnung der Eismesser und Schienenräumer ist am besten aus Fig. 5 ersichtlich, wo das vordere Drehgestell
                              									dargestellt ist. Sie sind drehbar befestigt und können mit Hilfe eines Luftzylinders
                              									gehoben oder gesenkt werden. Sollte die Luftpumpe während des Betriebes des
                              									Schneepfluges in Unordnung geraten, so kann auch Dampf durch eine Hilfsleitung in
                              									den genannten Zylinder eingelassen werden.
                           Ein etwaiges Schadhaftwerden der Eismesser oder Schienenräumer würde die
                              									Betriebsfähigkeit des Schneepfluges sofort ernstlich gefährden, was eine
                              									besondere Sicherheitsvorrichtung nötig machte. Die Eismesser, die sich vor dem
                              									vorderen Drehgestell befinden, bestehen aus zwei Teilen, dem Flügel und dem
                              									Schneider. Der Flügel streicht über die Eisenbahnschiene, der Schneider steht
                              									senkrecht nach unten und bewegt sich an der Innenseite der Schiene entlang.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 43
                              Fig. 4.
                              
                           Die Messer sind mittels je zweier Bolzen an die unteren Arme
                              									eines schmiedeeisernen Rahmens befestigt, von denen jeder untere Bolzen so bemessen
                              									ist, daß er abgeschert wird, wenn die Messer einem Hindernis begegnen sollten, stark
                              									genug, um sie sonst zu beschädigen. Die Messer heben sich dann etwas von der Schiene
                              									ab und streichen frei über das Hindernis hinweg. Um die Eismesser wieder in
                              									betriebsfähigen Zustand zu bringen, braucht man nur die abgescherten Bolzen durch in
                              									Reserve mitgeführten
                              									zu ersetzen; längere Betriebsunterbrechungen sind also verhindert.
                           Die Schienenräumer, die hinten am vorderen Drehgestell befestigt sind, umfassen
                              									ebenfalls zwei Teile, den Flügel und eine nach unten vorragende Spitze an der
                              									Innenseite der Schiene. Diese Spitzen sind ebenfalls mittels leicht abscherbaren
                              									Bolzen mit den Flügeln verbunden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 44
                              Fig. 5.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 44
                              Fig. 6.
                              
                           Der Lokomotivrahmen ist aus schweren ⌶- und ⊏-Eisen mit starker Querversteifung zusammengebaut.
                           Der Schneepflug ist mit einer Westinghouse-Luftbremse
                              									mit 9½'' Pumpe und großem Luftbehälter ausgerüstet, um sowohl die Bremszylinder wie
                              									den Zylinder zum Heben und Senken der Schienenräumer und Eismesser zu bedienen.
                           Da der Schneepflug eine dreiköpfige Bedienungsmannschaft benötigt ist das Führerhaus
                              										(Fig. 1) geteilt. In der vorderen Abteilung über
                              									der mit Eisenplatten abgedeckten Maschine befindet sich der Führer, etwas weiter
                              									nach hinten der Maschinist und hinter dem Kessel der Heizer.
                           Im allgemeinen genügt eine kräftige Schiebelokomotive zum Vorwärtsbewegen des
                              									Pfluges; eine kräftige Lokomotive verdient den Vorzug vor mehreren leichten
                              									Maschinen, da das Manövrieren bei jeder weiteren Lokomotive schwieriger wird.
                              									Niemals sollte ein drehender Schneepflug unmittelbar vor einen Zug gekuppelt werden,
                              									denn infolge der daraus resultierenden Schwierigkeit schnell anzuhalten und
                              									rückwärts zu gehen, könnte der Pflug im Schnee festlaufen und außer Tätigkeit
                              									gesetzt werden. Auch soll der Pflug, um seiner richtigen Wirkung sicher zu sein, nur
                              									langsam (bei losem Schnee mit einer Höchstgeschwindigkeit von 5–6 km i. d. Std.)
                              									vorwärts geschoben werden, und jedenfalls nicht ruckweise.
                           Der ganze Zug des Schneepfluges und der Schiebelokomotiven steht unter Befehl des
                              									Führers im vorderen Abteil des Führerhauses. Er betätigt die Luftbremse, gibt
                              									Zeichen mittels einer Luftpfeife an den Pflugmaschinisten und mit Hilfe einer
                              									Dampfpfeife an den oder an die Lokomotivführer, er hebt oder senkt die Eismesser und
                              									Schienenräumer, ist verantwortlich für deren Betriebsfähigkeit und überhaupt für die
                              									ganze Führung des Zuges.
                           Bevor der Zug in Bewegung kommt, soll das Pflugrad in Umdrehung versetzt werden.
                              									Nähert man sich einer Schneeanhäufung auf etwa 15 m, so soll das Rad mit ungefähr
                              									150 Umdreh. i. d. Min., laufen, welche Geschwindigkeit erhöht wird, sobald der Führer das
                              									Signal gibt in den Schnee einzufahren. Erst wenn der Führer sieht, daß der Pflug den
                              									Schnee gut angreift, gibt er der Schiebelokomotive das Zeichen, mit voller Kraft
                              									vorzustoßen. Sollte die Lokomotive den Pflug zu stark andrücken, so wird zuerst die
                              									Umdrehungsgeschwindigkeit des Pflugrades erhöht, und sollte auch das nicht helfen,
                              									so setzt der Führer die Luftbremse in Tätigkeit, und kann schließlich noch dem
                              									Lokomotivführer das Zeichen geben, anzuhalten. Bevor das Ende einer Schneebank
                              									erreicht wird, hat man die Umdrehungszahl des Pfluges herab zu setzen. Ist es nötig,
                              									den Pflug etwas zurückzuziehen, so sollen zuerst die Schienenräumer gehoben werden.
                              									Niemals soll das Rad in entgegengesetzter Richtung gedreht werden, während es sich
                              									in der Schneebank befindet.
                           Fig. 6 gibt schließlich die Ansicht einer geräumten
                              									Linie, aus der die Form des hergestellten freien Profils deutlich zu ersehen
                              									ist.
                           
                              F. Kerdyk.