| Titel: | Lamellen-Senksperrbremsen. | 
| Autor: | W. Pickersgill | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 81 | 
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                        Lamellen-Senksperrbremsen.
                        Von Prof. W. Pickersgill in
                           									Stuttgart.
                        Lamellen-Senksperrbremsen.
                        
                     
                        
                           Im Nachstehenden sollen die nach dem Vorbilde der Westonschen Senksperrbremse ausgebildeten Sicherheitsgesperre für
                              									langsames, zwangläufiges Lastsenken durch anhaltendes Zurückdrehen der Kurbel bezw.
                              									Durch Umschalten des Antriebmotors besprochen werden. Zugleich soll an einer Anzahl
                              									bekannter Konstruktionen eine vergleichende Zusammenfassung der diese Gesperre
                              									kennzeichnenden Merkmale sowie die ihnen gemeinsame rechnerische Grundlage gegeben
                              									werden. Die letztere ist zwar von A. V. Ernst in dessen
                              									Buche „Die Hebezeuge“, vierte Auflage, S. 283 kurz angedeutet worden, ohne
                              									jedoch daß die für die praktische Ausführung wichtigen Schlußfolgerungen daraus
                              									gezogen worden wären. In dem mit demselben Gegenstande sich befassenden Aufsatze von
                              										A. V. Ernst in der „Zeitschr. Des Ver. Deutsch.
                                    										Ingenieure“ 1901, S. 1081 sowie in den ergänzenden Darlegungen zu demselben
                              									auf S. 294 u. F. Der vierten Auflage der „Hebezeuge“ ist der Versuch gemacht,
                              									die Bedingungen für eine zuverlässig sichere Wirkungsweise des Gesperres
                              									aufzustellen, ohne auch hierbei über die ersten Ansätze einer kritischen
                              									Untersuchung hinauszukommen.
                           Das Sicherheitsgesperre wird zur Klasse der unter der Bezeichnung
                              										„Lastdruckbremsen“ bekannten Vorrichtungen gezählt, zu welchen streng
                              									genommen nur die Beckersche, bei Schneckengetrieben
                              									angewandte Kegelbremse sowie die Abarten derselben gehören, deren Merkmal darin
                              									besteht, daß das zum Lastsenken von außen eingeleitete Drehmoment unmittelbar zum
                              									Ueberwinden des Bremeüberschusses in den unter stetem Lastdruck stehenden
                              									Bremsflächen verwendet und während der ganzen Dauer des Lastsenkens Bremsarbeit
                              									geleistet wird. Hingegen tritt bei dem Sicherheitsgesperre durch die Lastwirkung
                              									zunächst keine Bremsung, sondern eine Sperrung des Rücklaufs ein durch Festklemmen
                              									des Sperrades, das am Rücklauf durch die Wirkung der Sperrklinke gehindert ist. Die
                              									Last kann nur dadurch zum Sinken gebracht werden, daß diese Klemmlage durch eine
                              									äußere Kraft insoweit aufgehoben wird, daß das Lastmoment das Bremsmoment der
                              									Klemmflächen überwinden kann. Die von außen zum Lastsenken zugeführte Arbeit wird
                              									hierbei lediglich auf das teilweise Lösen der Klemmkupplung verwendet, ohne daß
                              									hierbei eine Bremsarbeit geleistet würde.
                           Das wesentliche Merkmal dieses Gesperres besteht in der Anwendung eines
                              									Schraubengewindes, das, durch den Rücklauf des Windwerkes betätigt, eine achsiale
                              									Druckwirkung in der Bremswelle hervorruft und eine oder mehrere als Sperrad
                              									ausgebildeten, auf der Welle lose sitzenden Lamellen mit dem Bremstriebling durch
                              									Reibung kuppelt. Im allgemeinen erhält der Triebling das Muttergewinde, während das
                              									Spindelgewinde in die Bremswelle geschnitten ist; eine Ausnahme davon bildet
                              									die später in Fig. 15 dargestellte Planbremse D. R.
                              									P. 30391 von Mohr & Federhaff in Mannheim, bei welcher die Stirnfläche des Trieblings mit
                              									gewindeförmigen Vorsprüngen versehen ist, deren keilartige Wirkung den achsialen
                              									Druck durch Betätigung der gleichen Vorsprünge an der Klemmscheibe hervorruft. Ein
                              									Vorteil dieser Konstruktion besteht in dem Fortfall eines Zahngesperres mit
                              									Klinkeneingriff sowie deren Steuerung für ihre geräuschlose Wirkungsweise.
                           Anstelle des Trieblings treten bei einfacheren Windenausführungen die Kurbel und das
                              									Haspelrad auf, welche die Bezeichnungen Sicherheitskurbel bezw. Sicherheitshaspel
                              									führen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 81
                              Fig. 1.
                              
                           Fig. 1 läßt eine solche Sicherheitshaspel an einer
                              									Laufwinde von 1500 kg Tragkraft der Duisburger
                                 										Maschinenbau-A.-G. Vormals Bechem & Keetman in Duisburg erkennen. Beim Drehen des Haspelrades im Sinne des
                              									Lastaufwindens bleibt die mit Spindelgewinde versehene Haspelradwelle zunächst
                              									stehen, bis das Haspelrad sich gegen die auf der Welle lose sitzende Sperrlamelle
                              									vorgeschraubt hat und diese durch Reibung mitnimmt, wobei der achsiale Druck des
                              									Schraubengewindes in der Welle selbst aufgenommen und nicht weiter ins Triebwerk
                              									übertragen wird. Zum Lastsenken wird das Haspelrad im umgekehrten Sinne gedreht; die
                              									Welle mit dem Spindelgewinde bleibt im ersten Augenblick infolge der Trägheit der
                              									Massen von Last und Windwerk in Ruhe, infolge davon schraubt sich das Haspelrad
                              									zurück und gibt die Sperrlamelle frei. Dadurch ist die Kupplung zwischen der Welle
                              									und dem am Rücklauf gehinderten Sperrade aufgehoben, die Last sinkt mit zunehmender
                              									Geschwindigkeit. Beginnt die Bremswelle die Winkelgeschwindigkeit des anhaltend
                              									zurückgedrehten Haspelrades zu überschreiten, dann wird das letztere gegen die Sperrscheibe
                              									vorgeschraubt und die Bremse selbsttätig so weit angezogen, bis Welle und Haspelrad
                              									die gleiche Winkelgeschwindigkeit besitzen. Für eine sichere Wirkung beim gebremsten
                              									Lastniedergang ist Bedingung, daß beim Vorlaufen der Welle gegenüber dem Haspelrad
                              									die zum Schließen der Kupplung erforderliche relative Bewegung der Schraubenmutter
                              									gegenüber der Spindel gesichert ist. Es muß deswegen das Moment der Gewindereibung
                              									erheblich kleiner bleiben als dasjenige der Masse im Kranze des Haspelrades. Eine
                              									Anhäufung der Masse im Kranz ist ebenso von Vorteil für die Gleichförmigkeit des
                              									Radumlaufes als für diejenige der Bremswirkung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 82
                              Fig. 2.
                              
                           In Fig. 2 ist die Sicherheitskurbel D. R. P. 59374
                              									der Maschinenballgesellschaft Grafenstaden in Elsaß
                              									dargestellt, welche speziell an Zahnstangenwinden ausgeführt wird. Das
                              									Andruckgewinde ist hier nicht unmittelbar in die Bremswelle sondern in eine die
                              									letztere undrehbar umfassende Stahlhülse geschnitten, die mit einer Scheibe versehen
                              									ist. Zwischen der letzteren und der als Mutter ausgebildeten Kurbelnabe wird die
                              									lose aufsitzende Sperrlamelle durch den Rücklauf der Winde geklemmt. Zum Bremslüften
                              									muß die Kurbel zurückgedreht werden. Die Größe des Lüftspiels wird durch einen in
                              									der Kurbelnabe befestigten Stift begrenzt, welcher in die Nut einer vorgeschraubten
                              									Mutter hineinragt. Diese Nut läßt keine volle Drehung der Spindel gegenüber der
                              									Mutternabe zu, um ein Festklemmen im Gewinde bei einem raschen Rückdrehen der Kurbel
                              									zu verhindern. Die Bedingung für die gesicherte Möglichkeit einer relativen Drehung
                              									von Mutter- und Spindelgewinde gegeneinander, zum selbsttätigen Schließen der
                              									Bremskupplung, muß hier wie bei der vorbesprochenen Sicherheitshaspel erfüllt sein
                              									auch dann, wenn beim Lastsenken die Kurbel plötzlich aus der Hand des Arbeiters
                              									gleiten sollte.
                           Fig. 3 zeigt eine Sicherheitskurbel D. R. G. M. 63109
                              									von Gebr. Dickertmann in Bielefeld, bei welcher eine
                              									schnellere Bremswirkung durch Anwendung von zweifachem Schraubengewinde an der
                              									Kurbelnabe, innen Rechts–, außen Linksgewinde, erzielt wird. Die Bedingung für
                              									gesicherten Lastniedergang ist dieselbe wie oben; zwei durch die Gegenscheibe
                              									hindurch eingelassene Schraubenstifte arretieren die mit linksgängigem Muttergewinde
                              									versehene Andruckmutter.
                           Neben der Anwendung des Sicherheitsgesperres an Winden mit Handbetrieb, bei
                              									welchen dasselbe seit langer Zeit mit Erfolg und mit unbedingter Sicherheit benutzt
                              									wird, macht man von demselben auch bei mechanisch und insbesondere bei elektrisch
                              									betriebenen Hebemaschinen Gebrauch.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 82
                              Fig. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 82
                              Fig. 4.
                              
                           An Hand der Fig. 4 mögen die Wirkungsweise des
                              									Gesperres eingehender besprochen und daran anschließend die rechnerische Grundlage
                              									für Neuentwürfe gegeben sein.
                           A ist die Bremswelle, B das
                              									Lastritzel; beide sind durch Spindel- bezw. Muttergewinde miteinander verbunden. Bei
                              									der Drehung der Welle A im Sinne des Lastaufwindens
                              									führt das Ritzel B, durch die Eigenwiderstände des
                              									Windwerkes zunächst an einer Drehung gehindert, eine achsiale Bewegung gegen die
                              									Sperradlamelle C aus, welche gegen die Gegenscheibe D angepreßt wird. Bei genügend großer Druckwirkung im
                              									Schraubengewinde erfolgt Kupplung zwischen dem Ritzel B
                              									und der Sperrscheibe C einerseits und zwischen B und der Welle A
                              									andererseits.
                           
                           Die Kupplung von B mit C trägt unmittelbar dazu bei, eine Drehung des Ritzels durch die sinkende
                              									Last zu verhindern, weil hierbei die Sperrscheibe C
                              									durch eine Klinke an der Drehung gehindert ist und somit den undrehbaren Teil der
                              									Kupplung darstellt.
                           Die Kupplung von B mit A,
                              									deren Schluß durch die Reibung im Gewinde zustande kommt, enthält an sich noch nicht
                              									die Bedingungen zur Verhinderung der Drehbewegung des Ritzels durch die Lastwirkung.
                              									Die letztere würde eine Drehung von A herbeiführen,
                              									wenn nicht die auf A mittels Keil und Gewinde
                              									befestigte Gegenscheibe D infolge Kuppelns mit der
                              									feststehenden Sperrscheibe C festgehalten würde.
                           Für die Wirkung der Kupplung als Sperrbremse ist Voraussetzung, daß A eine relative Drehung gegenüber B ausführt oder B
                              									gegenüber A, bis die Druckkräfte von B und D gegen C genügend große Reibungsmomente bezüglich C hervorgebracht haben.
                           Beim Beginn des Lastaufwindens führt A gegenüber B eine relative Drehung aus und findet nach erfolgtem
                              									Kupplungsschluß zwischen A, B, C und D eine gemeinschaftliche Drehung dieser Teile im Sinne
                              									des Lastaufganges statt. Während des Lastsenkens muß die Welle A im umgekehrten Sinne gedreht werden. Beim Beginn des
                              									Senkens nimmt B zunächst an der Drehung von A nicht Teil wegen der Massen- und Reibungswiderstände
                              									in der belasteten Winde. Infolge der relativen Drehung von A gegenüber B wird B achsial von C fortgezogen und die Kupplung
                              									gelöst; die freigegebene Last führt alsdann eine beschleunigte Bewegung abwärts aus,
                              									bis das Ritzel B eine größere Winkelgeschwindigkeit als
                              									die Welle A erreicht hat. Die dadurch hervorgerufene
                              									relative Drehung von B gegenüber A führt zum Schließen der Kupplung und zur Verminderung
                              									der Lastsenkgeschwindigkeit bezw. Zur Abnahme der Winkelgeschwindigkeit des Ritzels
                              									bis auf diejenige der Welle. Ueberwiegt nun die letztere die erstere, so erfolgt ein
                              									Oeffnen der Kupplung und eine Zunahme der Lastsenkgeschwindigkeit. Es wechselt somit
                              									das Schließen der Kupplung mit dem Oeffnen derselben ab und ist deswegen diese
                              									Bremse als eine solche mit Lüftspiel bezeichnet worden. Die Größe des Lüftspiels
                              									wird durch Anschläge begrenzt.
                           Zum Lastaufwinden bedarf es des durch die Uebersetzung im Windwerk gegebenen
                              									Drehmomentes
                           M_h=P_1\,\cdot\,r_1=Q\,\cdot\,R\,\cdot\,\frac{r_1}{R_1}\,\cdot\,\eta_w=P_2\,\cdot\,r_2,
                              									. . . 1)
                           worin ηw den Wirkungsgrad des Windwerks bis zur Bremswelle bedeutet, vergl. Fig. 4.
                           Für das Schließen wie für das Oeffnen der Bremskupplung ist von ausschlaggebender Wichtigkeit die Sicherheit in der Hervorbringung der
                                 										erforderlichen Relativbewegung von A gegenüber
                              										B bezw. umgekehrt von B gegenüber A. Diese Sicherheit wird durch
                              									die Gefahr des Klemmens im Gewinde in Frage gestellt.
                           Das Klemmen des Spindelgewindes A im Muttergewinde B läßt zwar im allgemeinen ein zuverlässiges Aufwinden
                              									der Last zu, hingegen keinen sicher gebremsten Lastniedergang, sofern das Klemmen
                              									vor erfolgtem Kupplungsschluß zwischen A, B, C und D stattgefunden hat.
                           Ist ein solches Klemmen eingetreten, dann fehlt nach erfolgtem Aufhören des
                              									treibenden Moments der Welle A die Wirkung der
                              									Bremsmomente von B und D
                              									an C und ein Stürzen der Last ist unvermeidlich, sofern
                              									nicht eine andere, von der Senksperrbremse ganz unabhängige Bremse, z.B. eine
                              									Stoppbremse, rechtzeitig in Tätigkeit gesetzt wird.
                           Das Klemmen im Gewinde wird erfahrungsgemäß vermieden durch Wahl eines den
                              									Reibungswinkel reichlich übertreffenden Steigungswinkels der Schraube sowie durch
                              									reichliche Schmierung des Gewindes. Von Einfluß ist die Genauigkeit in der
                              									Herstellung des Gewindes von Spindel und Mutter sowie deren vollständiges Passen
                              									zueinander. Ein Ineinanderfressen derselben muß außerdem durch eine entsprechend
                              									niedrige Flächenpressung in den Gewindegängen vermieden werden.
                           Zu empfehlen wäre schließlich die Benutzung eines stark abgerundeten, flachen
                              									Gewindequerschnitts, wie ein solcher bei großen Preßschrauben, und, wie in Fig. 3 ersichtlich, bei Zahnstangenwinden mit
                              									Lamellen-Senksperrbremse zur Anwendung kommt.
                           Für eine sanfte Bremswirkung ist es nützlich, die Bremsflächen des Trieblings B und der Gegenscheibe D
                              									mit einer Lage dünner Kupferscheiben zu armieren (siehe später Fig. 6).
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)