| Titel: | Ein neues Zugstabwerk. | 
| Autor: | Oder | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 204 | 
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                        Ein neues Zugstabwerk.
                        Ein neues Zugstabwerk.
                        
                     
                        
                           Ein bekanntes Mittel, um auf einer eingleisigen Strecke z.B. zwischen zwei
                              									Stationen A und B
                              									Gegenfahrten von Zügen zu verhindern, ist der Zugstab. Der Lokomotivführer des
                              									ersten Zuges, der von A abgehen möge, erhält den Stab
                              									ausgehändigt und- gibt ihn nach Ankunft in B ab. Jetzt
                              									erst kann ein Gegenzug von B nach A abgelassen werden, der dann wiederum den Stab nach
                              										A mitnimmt. Kein Lokomotivführer darf die Strecke
                              										A–B befahren, ohne im Besitze des Stabes zu sein. Das gleiche Verfahren wird dann für die
                              									folgenden Strecken B–C, C–D usw. angewandt. Jeder Strecke entspricht ein besonders geformter Stab.
                              									Das Zugstabverfahren ist in erster Linie für solche Strecken zu empfehlen, bei denen
                              									die Züge auf allen Stationen halten. Bei durchfahrenden Zügen ist das Abgeben und
                              									Aufnehmen des Stabes schwierig, sofern nicht die Geschwindigkeit stark vermindert
                              									wird; es werden hierzu besondere Abgabe- und Auffangvorrichtungen nötig.Vgl. L. Troske,
                                    											Allgemeine Eisenbahnkunde für Studium und Praxis, zweiter Teil, S. 390,
                                    											Leipzig, 1907.
                           Weitere Schwierigkeiten entstehen, wenn mehrere Züge hintereinander von A nach B abgelassen
                              									werden, ehe Gegenfahrten stattfinden, sowie ferner dann, wenn die Anzahl der Fahrten
                              									innerhalb eines Tages in beiden Richtungen nicht gleich ist. In diesen Fällen reicht
                              									ein Stab nicht aus; es werden für die Strecke A–B
                              									mehrere Stäbe (z.B. sechs Stück) beschafft und es muß nun dafür gesorgt werden, daß
                              									immer nur ein Stab auf der Strecke sich befindet. Die bekannteste Einrichtung
                              									hierfür ist von Webb und ThompsonEine ausführliche
                                    											Beschreibung der neuesten Ausführungsform findet sich in dem Aufsatze von
                                    											Professor Dr. A. Tobler,
                                    											„Zwei bemerkenswerte Schaltungen zur Sicherung des Bahnbetriebes.“
                                    											Schweizerische Bauzeitung 1907, Bd. I L, No. 4, S. 50. angegeben.
                              									Auf der Station A und B
                              									ist je ein Behälter aufgestellt, in dem die Stäbe untergebracht sind. Die Behälter
                              									sind durch eine elektrische Einrichtung derart miteinander verbunden, daß von der
                              									Gesamtzahl der vorhandenen Stäbe immer nur ein Stab und auch nur mit Zustimmung der
                              									anderen Station herausgezogen werden kann. Ein zweiter Stab kann erst dann entnommen
                              									werden, wenn der erste wieder in einen der Behälter hineingesteckt worden ist. Sind
                              									also im Ganzen sechs Stäbe vorhanden, so müssen sich stets in den Behältern der
                              									beiden Stationen zusammen mindestens fünf Stäbe befinden; es ist aber gleichgiltig,
                              									ob in A ein Stab und in B
                              									vier Stäbe, oder in A zwei und in B drei Stäbe usw. im Behälter liegen.
                           Webb und Thompson benutzen
                              									zu diesem Zweck Apparate, die mit Batteriestrom arbeiten, infolgedessen kann die
                              									Sicherheit leicht durch atmosphärische Entladungen beeinträchtigt werden. Auch
                              									ist die Unterhaltung der Batterien recht kostspielig.Vergl. Maßmann,
                                    											die Webb- Thompsonsche Streckenblockung für
                                    											eingleisige Bahnen. Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverw. 1899, S.
                                    											1597. Dieser Mangel wird bei einer neuen Einrichtung vermieden,
                              									die von Telegrapheninspektor Martin in Dresden erfunden
                              									worden ist. Hierbei werden Siemenssche Blockwerke zur
                              									Verbindung der beiden Stationen benutzt; da diese bekanntlich mit Wechselstrom
                              									arbeiten, und zur Auslösung zwanzig wechselnde Stromimpulse nötig haben, so sind sie
                              									gegen atmosphärische Elektrizität vollständig unempfindlich. Auch sind die
                              									Unterhaltungskosten verschwindend gering. Die Martinsche Einrichtung (D. R. P. 175524) zeigt außer einer geschickten Lösung
                              									der Aufgabe noch eine Reihe von bemerkenswerten Verbesserungen gegenüber den
                              									gewöhnlichen Anordnungen. Ihre Beschreibung dürfte sich daher wohl verlohnen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 205
                              Fig. 1.
                              
                           Die äußere Erscheinung der Stabwerke auf den benachbarten Stationen A und B ist in Fig. 1 dargestellt. In den Behältern f befinden sich zwei senkrechte Schlitze d mit einer oberen Erweiterung b; unten sind sie zunächst wagerecht und dann wieder senkrecht fortgeführt
                              									und hier ebenfalls mit einer Erweiterung c versehen.
                              									Die Stäbe selbst, die senkrecht zur Bildebene liegen, sind durch je vier kleine
                              									Kreise im unteren Teil des Schlitzes angedeutet. Die einzuführenden Stäbe werden in
                              									die Oeffnung b gesteckt und nach unten gedrückt; ihre
                              									Herausnahme auf demselben Wege wird durch ein Sperrad verhindert, das im Innern des
                              									Kastens angebracht ist. Will man einen Stab herausnehmen, so muß man den
                              									Handschieber h nach rechts ziehen; dann wird der
                              									unterste Stab im wagerechten Teil des Schlitzes verschoben und kann mittels Oeffnung
                              										c entnommen werden. Nach Herausziehen des Stabes
                              									wird der Handschieber h wieder in die Anfangslage
                              									gebracht. Auf den beiden Stabwerken f sind Blockwerke
                              										Siemensscher Bauart mit je zwei Feldern
                              									aufgestellt. Feld a (Sperrfeld) ist im Ruhezustand
                              									geblockt, Feld e (Freigabefeld) frei. Außerdem sind je
                              									zwei in der Figur nicht dargestellte Entriegelungstasten vorhanden. Die
                              									Wirkungsweise der Apparate im gewöhnlichen Betrieb soll an einem Beispiel kurz
                              									erläutert werden.
                           Im Ruhezustande sind beide Handschieber durch die Felder a gesperrt. Soll ein Zug von A nach B fahren, so blockt der Fahrdienstleiter in B sein Freigabefeld e;
                              									hierdurch wird das Sperrfeld a in A entblockt. Der Fahrdienstleiter in A zieht den Handschieber h
                              									nach rechts, nimmt einen Stab heraus, schiebt den Schieber zurück, wobei dieser sich
                              									selbsttätig in der Ruhelage sperrt, und blockt darauf das Sperrfeld a. Der entnommene Stab wird dem Lokomotivführer
                              									ausgehändigt und der Zug fährt ab. Nach Ankunft in B
                              									wird der Stab dort in den Kasten gesteckt und mittels einer besonderen
                              									Entriegelungstaste das eigene Freigabefeld e wieder
                              									entblockt.
                           Der Handschieber h ist mit dem Blockfeld a in genau der gleichen Weise verbunden, wie der
                              									Ausfahrsignalhebel der gewöhnlichen Streckenblockung. Er muß einmal hin- und
                              									herbewegt sein, ehe geblockt wird (Druckknopfsperre); andererseits sperrt er sich
                              									selbst nach einmaliger Hin- und Herbewegung in der Ruhelage; er muß dann geblockt
                              									werden und kann nur auf elektrischem Wege wieder freigegeben werden (Hebelsperre).
                              									Sobald Station B das Sperrfeld in A freigibt, kann infolge einer Leitungsunterbrechung
                              									die Station A das Sperrfeld in B nicht mehr verwandeln. Die gleichzeitige Freigabe von zwei Stäben ist
                              									daher ausgeschlossen; die Leitung von A nach B wird erst wieder geschlossen, wenn der auf Station
                              										A entnommene Stab in den Behälter von B eingesteckt worden ist. Es ist selbstverständlich,
                              									daß vor der Bedienung der Blockwerke die Stationen A
                              									und B durch Fernsprecher, Klingelzeichen oder dergl.
                              									sich ins Einvernehmen setzen müssen.
                           Soll ein Zug nicht die ganze Strecke A–B, sondern nur
                              									einen Teil durchlaufen und dann nach A zurückkehren
                              									(sogenannte Teilfahrt), so ist das Verfahren etwas anders. Station B gibt auf Verlangen das Sperrfeld in A frei; hier wird der Stab entnommen und dem Zuge
                              									mitgegeben; nach der Rückkehr des Zuges nach A wird der
                              									Stab dort wieder in den Behälter gelegt und mittels einer besonderen Freigabetaste
                              									das Freigabefeld in B wieder in Ruhezustand versetzt.
                              									Hierbei wird also ausnahmsweise die Verwandlung des Freigabefeldes nicht durch die
                              									Station, die die Freigabe erteilt hat, sondern durch die andere vorgenommen. Das
                              									gleiche Verfahren findet bei sogen, spitzen Kreuzungen statt, d.h. in dem Falle, daß
                              									ein auf der Kreuzungsstation wartender Zug sofort nach Eintreffen des Gegenzuges
                              									abfahren soll. Dann wird der angebrachte Stab nicht in das Stabwerk eingelegt,
                              									sondern dem Lokomotivführer des abfahrenden Zuges ausgehändigt und so der Station
                              									wieder zugeführt, deren Behälter er entnommen war.
                           Werden auf einer Station regelmäßig Schiebelokomotiven den Zügen beigestellt, die,
                              									ohne die Nachbarstation zu erreichen, von der Strecke zurückkehren, so erhält das
                              									Stabwerk ein besonderes Schloß, dessen Schlüssel als Fahrerlaubnis für die
                              									Schiebelokomotive gilt. Nach Herausnahme des Stabes für die Zuglokomotive wird der
                              									Handschieber in Grundstellung durch das Schloß festgelegt der Schlüssel abgezogen
                              									und dem Führer der Schiebelokomotive ausgehändigt. Durch des Verschließen des
                              									Schiebers wird zugleich die Freigabeleitung unterbrochen. Die Strecke kann mithin
                              									für eine zweite Zugfahrt erst wieder freigegeben werden, wenn der Zug auf der
                              									Nachbarstation und die Schiebelokomotive auf der Ausgangsstation wieder eingetroffen
                              									sind.
                           Ueberwiegt der Verkehr in einer Richtung, so häufen sich mit der Zeit an einem
                              									Streckenende die Stäbe an; es muß dann ein Ausgleich stattfinden. Hierfür ist eine
                              									besondere Vorrichtung vorhanden, die von dem Bahnmeister unter Verschluß gehalten
                              									wird; sie ermöglicht es, Stäbe herauszunehmen ohne einen Eingriff in das Blockwerk
                              									vorzunehmen.
                           Um zu verhindern, daß falsche (zu anderen Blockstrecken gehörende) Stäbe eingelegt
                              									werden, erhalten die Stäbe der einzelnen Strecken verschiedenartige Einschnitte,
                              									denen wiederum verschiedene Führungen in den Stabwerken entsprechen.
                           Die erste Zugstabblockeinrichtung der beschriebenen Form, von Max Jüdel & Co. in Braunschweig erbaut,
                              									ist auf der eingleisigen Strecke Lugau – Wüstenbrand in Sachsen seit dem 1.
                              									November 1907 in Betrieb und erfüllt alle an eine eingleisige Streckenblockung zu
                              									stellenden Bedingungen. Trotzdem es sich hier um eine erste Ausführung handelt,
                              									sollen nach einer mir zugegangenen Mitteilung Störungen bisher nicht vorgekommen
                              									sein, gewiß ein Beweis, daß die gelieferten Werke sinnreich erdacht und gut
                              									ausgeführt sind. Sofern sich die beschriebene Anordnung im Dauerbetrieb bewährt, ist
                              									zu erwarten, daß sie in größerem Umfange auf solchen eingleisigen Strecken, die sich
                              									für das Stabverfahren eignen, zur Ausführung kommt.
                           Danzig-Langfuhr.
                           
                              Oder.