| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Autor: | H. | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 221 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Ein neuer Luftschiffmotor.
                           Der im Laufe der letzten Monate auf dem Gebiete der Luftschiffahrt erzielten
                              									Erfolge wären nicht möglich gewesen, wenn die Automobiltechnik nicht in den letzten
                              									Jahren so vorzügliche Explosionsmotoren geliefert hätte, die bei geringem Gewicht eine
                              									bedeutende Kraftleistung ermöglichen.
                           Auf der diesjährigen Berliner Internationalen Automobil-Ausstellung hatten H. & A. Dufaux, Genf,
                              									die durch ihre Versuche mit einem eigenen lenkbaren Luftschiff sowie durch ihre
                              									Motorradkonstruktionen bekannt geworden sind, einen Luftschiffmotor von 100 PS und
                              									verhältnismäßig auffallend niedrigem Gewicht ausgestellt. Diese Leistung wird noch
                              									übertroffen durch das neueste Erzeugnis der beiden Schweizer Ingenieure, den
                              									nachstehend abgebildeten 20zylindrigen Motor von 120 PS, der das außerordentlich
                              									niedrige Gewicht von 85 kg besitzt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 222
                              
                           Die 20 Zylinder des 1500 Touren i. d. Min. machenden Motors sind an einer Kurbelwelle
                              									mit fünf Kurbeln in fünf Gruppen angeordnet; jede einzelne Gruppe besteht aus zwei
                              									in Tandemanordnung montierten doppelt wirkenden Zylindern. Diese Anordnung gestattet
                              									bei sehr geringem Gewicht die Metallteile mit sehr starker Belastung arbeiten zu
                              									lassen.
                           Die KühlangKühlung erfolgt durch Wasserumlauf außerhalb der Zylinder und der Zylinderböden in
                              									angenieteten Kupferkappen.
                           Die Kolben und Kolbenstangen sind hohl; sie werden durch einen sie ständig
                              									durchfließenden Luftstrom gekühlt. Der Wasser- und Luftumlauf erfolgt durch eine
                              									Pumpe und einen Zentrifugalventilator mit sehr hoher Geschwindigkeit.
                           Zur Schmierung sind drei Oelzirkulationspumpen angebracht, die das Oel in einen
                              									gemeinsamen Behälter ansaugen und es in je ein Verteilungsrohr einspritzen, das
                              									einerseits mit regulierbaren Tropfgläsern versehen ist. Die einzelnen Pumpen sind
                              									ferner mit Leistungsregulatoren ausgestattet. Jedes Tropfglas steht durch ein Rohr
                              									mit dem von ihm zu ölenden Maschinenteil in Verbindung.
                           Die Oelrohre sind derartig angebracht, daß die zu schmierenden Maschinenteile nach
                              									dem Druck der in ihnen enthaltenen Gase angeordnet sind. Diese Bedingung ist für
                              									eine regelmäßige Leistung der Tropfgläser unerläßlich.
                           Der Zylinderrahmen besteht aus hartgelöteten Stahlrohren. Die einzelnen Teile, wie
                              									Kurbel, Ventilstangen, Nockenwellen und Nocken, sind hohl.
                           Der Motor ist mit doppelter Zündvorrichtung versehen; die Verteilung des
                              									Sekundärstromes erfolgt auf einer festen Trommel; die Vorzündung wird durch
                              									Verstellen der Antriebswelle der Nocke bewirkt.
                           Dr. Alfred Gradenwitz.
                           
                        
                           Erhöhung eines Gebäudes in Eisenbeton.
                           Das Telephongebäude in Salt Lake City, U. S., bestand aus Keller, Erdgeschoß und zwei
                              									Obergeschossen. Infolge Platzmangels wurde eine Erhöhung um drei weitere Geschosse
                              									erforderlich, von denen zunächst nur zwei Geschosse ausgeführt sind. Da die
                              									Umfangwände des 28,3 m langen und 15,3 m breiten Gebäudes nur 43 bezw. 53 cm stark
                              									und ihre Fundamente nur 106 cm breit sind, da ferner innerhalb des Gebäudes die nach
                              									dem System Golding gebauten Decken ihre Last auf
                              									verhältnismäßig schwache gußeiserne Säulen übertragen, konnte diesen Wänden und
                              									Säulen nur die Last der neuen Decke des dritten Obergeschosses zugemutet werden.
                              									Diese Decke wurde entsprechend der vorhandenen Teilung als Plattenbalkendecke in der
                              									üblichen Weise ausgeführt. Hierbei setzten sich die Eisenbetonsäulen des dritten
                              									Obergeschosses auf die gußeisernen Säulen der unteren Geschosse auf. Zur Erhöhung
                              									ihrer Tragfähigkeit wurde der Hohlraum der gußeisernen Säulen mit Beton ausgefüllt
                              									und durch ein Rundeisen von 12 mm Durchm, bewehrt.
                           Zur Aufnahme der Decke des vierten Obergeschosses wurden neue Eisenbetonsäulen dicht
                              									an den Längsmauern anschließend in Abständen von 3,96 bis 4,57 m auf besonderen
                              									Fundamenten hergestellt. Um ein gemeinsames Setzen des ganzen Gebäudes zu sichern,
                              									wurden die neuen Säulenfundamente mit dem Mauerfundament in der Weise verbunden, daß
                              									man zu beiden Seiten der Mauer Betonklötze von 2,74 . 1,22 bezw. 1,52 . 0,75 m
                              									Grundfläche herstellte und diese durch die Mauer hindurch mit drei Trägern von 42 cm
                              									Höhe verband. Auf diese Träger setzten sich die Eisenbetonsäulen, auf der Seite des
                              									größeren Betonklotzes dicht an die Mauer anschließend. Diese Säulen waren bis zur
                              									vierten Obergeschoßdecke rd. 26 m hoch und hatten rechteckigen Querschnitt mit 61
                              									und 69 cm langen Seitenkanten. Die Eiseneinlage besteht aus vier Rundeisen von 37 mm
                              									Durchm., deren Stöße durch 1,5 m lange Gasrohre gedeckt sind. Je zwei in den
                              									parallelen Längswänden gegenüberstehende Säulen wurden in der Decke des Kellers und
                              									des zweiten Obergeschosses durch Rundeisen von 38 mm Durchm. miteinander
                              									verankert.
                           Die Säulenköpfe sind in der Längsrichtung des Gebäudes durch Frontträger und in der
                              									Querrichtung durch die Plattenbalken der Decke verbunden, so daß die Säulen unter
                              									sich und mit der Deckenplatte durch einen kräftigen wagerechten Rahmen verspannt
                              									sind, was durch die Erdbebengefahr erforderlich war.
                           Die Frontträger sind rd. 30 cm breit und 144 cm hoch und haben eine Einlage von sechs
                              									Rundeisen mit 22 mm Durchm. Die Balken der
                              									Plattenbalkendecke sind 15,5 m lang, 38 cm breit und 122 cm hoch und haben acht
                              									Rundeisen von 36 mm Durchm. als Einlage. Der Anschluß der Balken an die Säulen
                              									geschieht durch eine kräftige Voute von rd. 2,00 m Höhe. Unter sich sind die
                              									Plattenbalken durch zwei Querbalken von 20 cm Breite und 41 cm Höhe mit vier
                              									Rundeisen von 19 mm Durchm. ausgesteift. Die Deckenplatte ist 15 cm stark. Durch
                              									Aufbiegen der Hälfte der Eiseneinlagen an den Balkenenden und durch Einlagen von
                              									Bügeln in Abständen von 10 bis 30 cm Entfernung ist für die Sicherung der
                              									Verbundwirkung gesorgt. Im Innern des vierten Stockwerkes sind keine Säulen
                              									vorhanden.
                           Der Neubau wurde im Winter in einem Monat bei Tag- und Nachtarbeit fertiggestellt,
                              									unter Aufrechterhaltung des Betriebes im alten Gebäudeteil, Um durch Schneefall und Eis nicht
                              									behindert zu werden, wurde der Beton mit kochendem Wasser angemacht und der in die
                              									Schalung fallende Schnee durch Bespritzen mit kochendem Wasser beseitigt. (Mensch.) [Beton und Eisen 1907, S. 299 ff.]
                           Dr.-Ing. P. Weiske.
                           
                        
                           Die Dampfturbinenanlage des Maschinenlaboratoriums der k.
                              									Techn. Hochschule Charlottenburg.
                           Im Maschinenlaboratorium der Technischen Hochschule Charlottenburg wurden vor einem
                              									Jahre zwei Dampfturbinen aufgestellt, die mit Gleichstromdynamos gekuppelt,
                              									elektrische Energie für die Hochschule liefern und zugleich dem Unterricht dienen
                              									sollen. Aus letzterem Grunde hat man auch die benötigte Leistung von 500 KW auf zwei
                              									Aggregate von 300 und 200 KW verteilt und zwei Maschinen verschiedener Bauart
                              									gewählt, eine 300 KW-Brown-Boveri-Parsons-Turbine mit
                              									2400 Umdrehungen i. d. Min. und eine 200 KW-A. E.
                              									G.-Turbine mit 2800 Umdrehungen i. d. Min. Der Dampf von 15 at Spannung wird von
                              									einem Walther-Wasserrohrkessel mit 290 qm Heizfläche
                              									geliefert. Durch einen eingebauten Ueberhitzer von 120 qm Heizfläche kann die
                              									Dampftemperatur auf 350° gebracht werden. Mit Rücksicht auf die große Entfernung
                              									(120 m) zwischen Kessel und Maschine ist die Dampfleitung zur Verringerung der
                              									Abkühlungsverluste mit einer lichten Weite von 100 mm ausgeführt worden. Es ist
                              									beachtenswert, daß der thermische Wirkungsgrad der Rohrleitung, d. i. der Verlust an
                              									verfügbarem Wärmegefälle nach Tab. 1, bei den verschiedenen Dampfmengen nahezu der
                              									gleiche ist, weil der größere Druckverlust durch den geringeren Temperaturabfall
                              									wieder aufgehoben wird.
                           Tabelle 1.
                           
                              
                                 Dampfgeschwindigkeit
                                 43
                                 29
                                 21 m/Sek.
                                 
                              
                                 Druckabfall
                                 2,54
                                 1,46
                                 1,04 kg/qcm
                                 
                              
                                 Temperaturabfall
                                 28
                                 37
                                 45°
                                 
                              
                                 Thermischer Wirkungsgrad    der Leitung
                                 93,9
                                 94,2
                                 93,8 v. H.
                                 
                              
                           Mit der A. E. G.-Turbine wurden nach einjährigem Betrieb
                              									folgende Dampfverbrauchsresultate erzielt: Bei 12 at Anfangsüberdruck, 250°
                              									Dampftemperatur und bei einem Vakuum von 90 v. H. betrug der Dampfverbrauch für die
                              									KW/Std. 9,9, 10,6 und 11,8 kg bei 4/4 bezw. ¾ bezw. ½ Belastung. Um die Vollbelastung
                              									der Turbine auch bei Auspuff zu erhalten, werden in diesem Falle fünf Hilfsdüsen
                              									angestellt, welche das Rad der ersten Druckstufe beaufschlagen. Bei
                              									Kondensationsbetrieb werden diese Hilfsdüsen zur Ueberlastung benutzt. In fünf
                              									Minuten kann die Turbine aus dem kalten Zustand auf volle Tourenzahl und Belastung
                              									gebracht werden. Bei der Parsons-Turbine hat sich die
                              									Anwärmezeit von einer halben Stunde, wie anfangs vorgeschrieben war, schließlich auf
                              									7 ½ Minuten einschränken lassen; die Turbine wird beim Anwärmen langsam gedreht.
                           Die beiden Turbinen sind an je einen Oberflächenkondensator angeschlossen. Der
                              									Kondensator steht unmittelbar unter der Turbine und ist mit deren Austrittsstutzen
                              									durch eine mit Wasser gedichtete Stopfbüchse beweglich verbunden. Die Kühlfläche des
                              									Kondensators der Parsons-Turbine beträgt 89 qm und
                              									reicht für eine Dampfmenge von 3600 kg aus. Eine doppeltwirkende Naßluftpumpe nach
                              									dem Patent Josse hält ein Vakuum von 96 v. H. im
                              									Kondensator. Die mittels Riemen durch einen Elektromotor angetriebene Pumpe macht
                              									300 Umdrehungen i. d. Min. Sowohl Kondensat wie Kühlwasser kann in Meßgefäße
                              									hochgepumpt werden. Der Kondensator der A. E.
                              									G.-Turbine hat für eine stündlich niederzuschlagende Dampfmenge von 2000 kg eine
                              									Kühlfläche von nur 28,5 qm; dabei wird bei 62 cbm stündlicher Kühlwassermenge von
                              									10° Temperatur ein Vakuum von 95 v. H. erzielt. Die Umdrehungszahl der Naßluftpumpe
                              									ist 400 i. d. Min. Sehr bemerkenswert sind die mit diesem räumlich äußerst knapp
                              									bemessenen Kondensator erzielten Resultate, die in Tab. 2 zusammengestellt sind. Der
                              									Kraftverbrauch der Kondensatorpumpe betrug 1,7 KW.
                           Tabelle 2.
                           
                              
                                 
                                 Kondensator mit89,3 qm Kühlfläche
                                 Kondensator mit28,5 qm Kühlfl.
                                 
                              
                                 Vakuum i. Kondens.                         v. H.
                                 96,4
                                 95
                                 93,1
                                 90,2
                                 95,4
                                 93,3
                                 90,7
                                 
                              
                                 Niedergeschl.
                                    											Dampf-    menge.                       kg/Std.
                                 3113
                                 3180
                                 3120
                                 3230
                                 1808
                                 1823
                                 1834
                                 
                              
                                 Kühlwassermenge                       kg/Std.
                                 122100
                                 90500
                                 69050
                                 56250
                                 62500
                                 43800
                                 34350
                                 
                              
                                 Kühlwasser für 1 kg    Dampf
                                 39,3
                                 28,5
                                 22,15
                                 17,4
                                 34,6
                                 24,0
                                 18,73
                                 
                              
                                 Sättigungstemperat.    im Kondensator
                                 27,9°
                                 33,5°
                                 39,0°
                                 45,6°
                                 31,9°
                                 38,8°
                                 44,9°
                                 
                              
                                 Ausgußtemperat. des    Kühlwassers
                                 25,4°
                                 31,3°
                                 37,1°
                                 43,9°
                                 27,3°
                                 34,5°
                                 41,0°
                                 
                              
                           (Josse.) [Zeitschrift f. d.
                              									gesamte Turbinenwesen 1907, S. 509–514 und 525–529.]
                           
                              M.
                              
                           
                        
                           Die Wasserkraftanlage der Stadt München bei Moosburg a. d.
                              									Isar.
                           Bis zum Ende des Jahres 1905 hatte die Stadtgemeinde München zur Versorgung der Stadt
                              									mit elektrischer Energie für Licht- und Kraftzwecke folgende Anlagen in Betrieb: das
                              										Maximilianswerk (Wasserkraft) mit etwa 400 PS, das
                              										Muffatwerk (Vereinigtes Dampf- und Wasserkraftwerk)
                              									mit insgesamt 2000 PS und das Werk a. d. Isartalstraße
                              									(Dampfkraft) mit etwa 6000 PS Leistung. Diesen Anlagen ist, als der Strombedarf
                              									immer höher wurde, um die Mitte des Jahres 1907 ein Wasserkraftwerk hinzugefügt
                              									worden, das nach seinem Erbauer der Name „Uppenborn-Kraftwerk“ gegeben worden ist, und welches etwa 55 km
                              									flußabwärts von München eine Wassermenge von 70 cbm i. d. Sekunde und 8 m nutzbarem
                              									Gefälle verwertet. Das Kraftwasser wird an der alten Moosburger Brücke durch ein 187
                              									m langes Stauwehr gewonnen, das zwei Schleusen für den Hochwasserabfluß, eine
                              									Floßgasse und einen 120 m langen Ueberfall enthält, und wird in einen etwa 4 km
                              									langen Triebwerkskanal geleitet, der eine große Krümmung der Isar abschneidet und in
                              									dessen Mitte etwa das Maschinenhaus angelegt worden ist. Die Turbinen mußten daher
                              									von vorneherein so eingerichtet sein, daß sie zur Hälfte mit Druckgefälle, zur
                              									Hälfte mit Sauggefälle arbeiten konnten. Außerdem war aus praktischen Gründen eine
                              									Teilung der verfügbaren Wassermenge in drei Ströme von je 22 und einen von 4 cbm i.
                              									d. Sekunde und für die Stromerzeuger eine Geschwindigkeit von 150 Umdreh. i. d.
                              									Minute vorgeschrieben worden. Die konstruktive Lösung der Aufgabe ergab sich daher
                              									nur in der Anordnung von je vier Francis-Laufrädern auf
                              									gemeinsamer Achse, die je 5,5 cbm i. d. Sekunde ausnützen und paarweise in einem
                              									gemeinsamen Schacht arbeiten. Diese Zwillings-Doppel-Francis-Turbinen, die mit Finkscher
                              									Drehschaufel-Regulierung versehen sind, treiben mit ihren Wellen unmittelbar die
                              									Drehstromerzeuger von je 1400 KW Leistung bei 5000 Volt Spannung an. Der erzeugte
                              									Strom wird zu einem geringen Teil für den eigenen Gebrauch des Kraftwerkes in
                              									Gleichstrom transformiert, zum größten Teil aber in ruhenden Drehstrom-Umformern auf
                              									50000 Volt Spannung gebracht und in einer blanken Doppelfernleitung längs der Isar
                              									nach München fortgeleitet. Ueber den Umfang dieses Werkes gibt die nachstehende
                              									Aufstellung der Baukosten eine gewisse Uebersicht:
                           
                              
                                 1. Grunderwerb
                                   253400 M.
                                 
                              
                                 2. Wehranlage
                                 1041800  „
                                 
                              
                                 3. Kanal und Turbinenschächte
                                 1019300  „
                                 
                              
                                 4. Hochbauten und Maschinen
                                 1085555  „
                                 
                              
                                 5. Verschiedenes
                                   100000  „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 3500055 M.
                                 
                              
                           (Dantscher.) [Beton und Eisen
                              									1907, S. 276–279, 1908 S. 12–16.]
                           
                              H.
                              
                           
                        
                           Die Urfttalsperre und das Wasserkraft-Elektrizitätswerk bei
                              									Heimbach.
                           Die von der Ruhrtalsperren-Gesellschaft mit einem
                              									Gesamtaufwande von etwa 10 Mill. Mark errichtete Anlage ist dazu bestimmt, den
                              									Niedrigwasserstand des gesamten Gebietes der Urft zu heben, Ueberschwemmungen, wie
                              									sie früher sehr häufig waren, zu vermeiden und gleichzeitig eine Kraftquelle zu
                              									schaffen, die imstande ist, ein großes Gebiet – im Umkreise von etwa 40 km – von
                              									einem gemeinsamen Elektrizitätswerk aus mit Licht und Kraft zu versorgen. Die nach
                              									den Angaben des verstorbenen Dr.-Ing. Otto Jntze
                              									erbaute Talsperre im Urfttale bei dem Orte Gmünd in der Eifel besitzt die größte
                              									Staumauer, die bis jetzt in Deutschland zur Ausführung gelangt ist. Der aus
                              									Bruchsteinen und Beton ausgeführte, am Fuße durch Erdanschüttung verstärkte Wall ist
                              									336 m lang, 5 4 m hoch und erzeugt einen Stausee von 2160000 qm Oberfläche und
                              									45500000 cbm Inhalt, bei einer Wassertiefe an der Mauer von 53 m. Etwas über 1 km
                              									nördlich von der Sperrmauer, die von zwei Ueberlaufkanälen durchbrochen wird, zweigt
                              									der etwa 2800 m lange Stollen ab, der dazu bestimmt ist, das Stauwasser einer bei
                              									Heimbach an der Ruhr gelegenen Wasserkraftanlage zuzuführen. Das zur Umwandlung in
                              									elektrische Energie zur Verfügung stehende Kraftwasser reicht aus, um während 7200
                              									Std. im Jahre 4800 PS zu erzeugen. Da man jedoch als jährliche Betriebsdauer des
                              									Kraftwerkes nur 4000–5000 Std. anzunehmen braucht, so hat man die Maschinenanlage
                              									auf eine bedeutend größere Leistung bemessen. Der Bau des Kraftwasserstollens war
                              									äußerst schwierig und langwierig, insbesondere, da man stellenweise auf blähige
                              									Tonschieferschichten gestoßen war. Es wurde teils von Hand, teils mit
                              									elektrisch betriebenen Bohrmaschinen von beiden Enden des Stollens aus gebohrt. Den
                              									Strom hierfür und für den Bau der Talsperre lieferte eine Kraftstelle mit 1200 Volt
                              									Spannung, die an Ort und Stelle auf 220 Volt erniedrigt wurde. Während des Baues
                              									mußte der Stollen künstlich entlüftet und, da er im ganzen nur 2 m Gefälle hat, auch
                              									von der Gmünder Seite künstlich entwässert werden.
                           Das Turbinenkraftwerk, das nach dem vollständigen Ausbau für 16000 PS bemessen sein
                              									wird, liefert Drehstrom von 34000 Volt Hochspannung an ein die ganzen umliegenden
                              									Städte, insbesondere Aachen und Düren umfassenden Freileitungsnetz, das gegenwärtig
                              									etwa 166 km Länge besitzt. Von den in Aussicht genommenen acht Maschinengruppen sind
                              									sechs bereits aufgestellt und in regelmäßigem Betrieb. Sie bestehen aus 2000
                              									pferdigen Francis-Turbinzn von Escher, Wyß & Co., – eine angesichts des hohen Gefälles von 110 m und
                              									der unvermeidlichen Gefällschwankungen bis zu 30 m ungewöhnliche Bauart –, die
                              									normal mit 500 Umdreh. i. d. Min. laufen und nach den Abnahmebedingungen bei
                              									plötzlichen Gefällschwankungen von 10, 25 und 30 v. H. nicht mehr als 2, 3 und 4 v.
                              									H. größte Geschwindigkeitsänderung ergeben sollen. Die bis jetzt vorgenommenen
                              									Versuche haben ergeben, daß die Turbinen diesen schweren Bedingungen voll
                              									entsprechen und bei Vollbelastung zwischen 81,7 und 86,3 v. H. Wirkungsgrad ergeben.
                              									Diese Turbinen, die durch das von unten her eintretende Wasser radial beaufschlagt
                              									werden, sind durch Lederkupplungen, Bauart Zodel, mit
                              									Drehstromerzeugern der Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerke von 1600 KW Leistung und 5000
                              									bis 5400 Volt Spannung unmittelbar verbunden und werden durch Servomotoren
                              									reguliert, die auf den drehbaren Leitschaufelkranz einwirken. Außer den
                              									Hauptmaschinen sind noch für Erregerzwecke zwei kleinere Turbinen von 900 Umdreh. i.
                              									d. Min. vorhanden, die mit Gleichstrommaschinen von 135 KW Leistung und 225 Volt
                              									Spannung gekuppelt sind. Die Spannung des erzeugten Stromes wird in fahrbaren
                              									Oeltransformatoren mit Wasserkühlung in Sternschaltung auf etwa 35 000 Volt erhöht.
                              									Die Gesamtkosten der Anlage, einschließlich des Talsperrenbaues, der
                              									Wasserkraftanlage und den von den Siemens-Schuckert-Werken gelieferten Stromverteilungs- und
                              									Umformeinrichtungen haben den schon erwähnten Betrag von etwa 10 Mill. Mark
                              									erreicht. Auf 1 cbm der aufgespeicherten Wassermenge betragen die Gesamtkosten
                              									jedoch nur 0,09 Mark gegen 0,54 Mark bei der Remscheider, 0,80 Mark bei der Barmer
                              									und 1,70 Mark bei der Rönsdorfer Talsperre. [Engineering 1907, II, S. 740–742 u.
                              									800–804.]
                           
                              
                                 H.