| Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. | 
| Autor: | Oscar Koch | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 393 | 
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                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        Von Oscar Koch,
                           								Groß-Lichterfelde West.
                        (Fortsetzung von S. 365 d. Bd.)
                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        
                     
                        
                           V. Motordreiräder.
                           
                              a) Personenfahrzeuge.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 323, S. 393
                                 Fig. 56.Motordreirad „Cyklonette“ der Cyklon Maschinenfabrik
                                    											m. b. H.
                                 
                              Wie auf Seite 313 erwähnt, haben verschiedene Firmen den Bau von Fahrzeugen nach
                                 										Art der Cyclonette aufgenommen und dieselben entweder zum Befördern von Personen
                                 										oder Waren eingerichtet. Hauptsächlich zu letzterem Zweck hat das Dreirad
                                 										besonders gute Aufnahme gefunden, da es eine ganze Menge Vorteile dem kleinen
                                 										vierräderigen Wagen gegenüber besitzt. Als solche sind zu nennen leichtere
                                 										Handhabung und größere Betriebssicherheit infolge der einfacheren Mechanismen
                                 										und der leichteren Steuerung, die niemals wie beim Wagen versagen kann. Auch das
                                 										gefürchtete Schleudern ist fast gänzlich ausgeschlossen, da das angetriebene
                                 										Vorderrad die Hinterräder immer wieder in seine Spur hineinzuziehen sucht. Durch
                                 										den Vorderantrieb wird nun auch das beim Hinterräderantrieb nötige
                                 										Differentialgetriebe überflüssig. Weitere Vorteile sind Fortfall des
                                 										Kühlwasserbehälters und die leichte Zugänglichkeit des Motors und des Vergasers.
                                 										Die Betriebskosten sind durch den geringen Benzin- und Pneumatikverbrauch so
                                 										niedrig, daß selbst der kleinste vierräderige Wagen in der Unterhaltung das
                                 										drei- bis vierfache kostet. Auch der Anschaffungspreis ist gegenüber dem Wagen
                                 										ein geringer.
                              Fig. 56 zeigt eine zur Beförderung von zwei
                                 										Personen dienende Cyklonette der Cyklon Maschinenfabrik
                                    											m. b. H. in Berlin. Der 3 ½ PS-Motor überträgt seine Kraft nicht
                                 										unmittelbar auf das Vorderrad, sondern zunächst mittels Flachriemen auf eine
                                 										Scheibe. Mit letzterer ist ein kleines Kettenrad verbunden, das nunmehr mittels
                                 										Kette die Umdrehungen der Riemenscheibe auf das Vorderrad überträgt.
                              
                              Als Leerlaufeinrichtung für den Motor ist neben der festen Riemenscheibe
                                 										noch eine Losscheibe angebracht. Zur Kühlung des Motors dient ein Ventilator,
                                 										der auch bei stillstehendem Fahrzeug in Tätigkeit bleibt.
                              Unmittelbar hinter dem Motor ist im aufsteigenden Teil des Rahmens der
                                 										Oberflächenvergaser (D. p. J. 1905, 320, S. 332 Fig.
                                 										52) gelagert, der für 80 km Fahrt Brennstoff aufnimmt. Ein Reservebehälter, der
                                 										für weitere 150 km Fahrt Brennstoff enthält, ist im unteren Teil des vorderen
                                 										Wagengestelles untergebracht. Aus diesem Behälter wird dem Oberflächenvergaser
                                 										mittels Druckleitung und Pumpe das Benzin nach Bedarf zugeführt.
                              Sämtliche zur Betätigung des Fahrzeuges dienende Hebel sitzen an der einarmigen
                                 										Lenkstange.
                              Die Hauptabmessungen dieses Dreirades sind: Länge 2,50 m, Breite 1,26 m, Höhe
                                 										1,45 m, Spurweite 1,05 m. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt bei Bergfahrt etwa 12
                                 										km i. d. Stunde, in der Ebene dagegen bis zu 35 km, wobei sich der Benzin- und
                                 										Oelverbrauch auf ungefähr 70 Pfg. stellen dürfte. Das Gesamtgewicht beträgt 188
                                 										kg.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 323, S. 394
                                 Fig. 57.Motordreirad „Cyklonette“ der Cyklon Maschinenfabrik m
                                    											b. H.
                                 
                              Dasselbe Fahrzeug wird nach Fig. 57 auch mit
                                 										Verdeck hergestellt, wobei es 15 cm länger, 5 cm höher und 8 kg schwerer wird
                                 										als dasjenige ohne Verdeck.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 323, S. 394
                                 Fig. 58.Motordreirad „Phänomobil“ von Hiller.
                                 
                              Ein ähnliches Dreirad bauen die Phänomen Fahrradwerke
                                    											Gustav Hiller in Zittau (Sachsen) unter dem Namen „Phänomobil“.
                                 										Es ist ebenfalls mit Verdeck ausgestattet und zur Beförderung von zwei Personen
                                 										bestimmt. Zur Anwendung gelangt die Vorderradabfederung nach Fig. 55 S. 365. Im übrigen unterscheidet es sich
                                 										von Fig. 57 lediglich durch seinen
                                 										Doppelzylindermotor von 6 PS. Er hat 82 mm Bohrung und 84 mm Hub. Durch
                                 										versetzte Regulierung wird bewirkt, daß bei jeder Umdrehung der Motorwelle
                                 										annähernd ein Krafthub in einem der beiden Zylinder erfolgt. Durch
                                 										außenliegendes Schwungrad arbeitet der Motor mittels Kette auf das in der
                                 										Vorderradnabe liegende Geschwindigkeitsgetriebe (s. später). Die
                                 										Fahrgeschwindigkeit kann dadurch bis zu 50 km i. d. Stunde gesteigert werden,
                                 										wobei der Benzinverbrauch für 15–18 km 1 l beträgt- Zwei Ventilatoren, die
                                 										mittels 1 Schnürriemen von der Motorwelle angetrieben werden, borgen für
                                 										ausreichende Kühlung der Zylinder. Doppelt hintereinander geschaltete
                                 										Auspufftöpfe dämpfen den Schall der Auspuffgase fast bis zur
                                 										Geräuschlosigkeit.
                              Der Benzinbehälter liegt ebenfalls im aufsteigenden Teil des Rahmens, und zwar
                                 										tiefer als der Motor resp. der Spritzvergaser. Letzterem muß daher das Benzin
                                 										mittels Druckluft zugeführt werden. Diese Druckluft wird durch die an der linken
                                 										Seite des Benzinbehälters befindliche Pumpe erzeugt, die, sobald 0,2 at auf dem
                                 										Benzin im Behälter lasten, mittels Hahn abgesperrt wird. Wird nun der Benzinhahn
                                 										geöffnet, so drängt sich so viel Benzin in den Vergaser, daß der Motor, der
                                 										jetzt angedreht wird, arbeiten kann. Sobald der Druck im Benzinbehälter sinkt –
                                 										was durch ein Manometer angezeigt wird – hat ihn der Fahrer mittels der Pumpe
                                 										wieder auf die Höhe von 0,2 at zu bringen. Die Oelung geschieht selbsttätig
                                 										mittels Tropföler.
                              Vom Magnetapparat ist abgesehen, und mit Rücksicht auf leichtes Ankurbeln des
                                 										Motors Akkumulatoren in Verbindung mit kräftiger Induktionsspule gewählt.
                              Die Regulierhebel für den Motor sowie für das Wechselgetriebe sind auch hier am
                                 										Lenkhebel angebracht. Zum Anhalten des Fahrzeuges dienen, wie bei den
                                 										Cyklonetten, zwei doppelt angeordnete Bremsen, die auf die Naben und die Reifen
                                 										der Hinterräder wirken.
                              
                              Die Länge des Fahrzeuges ist 2,75 m, die Breite 1,40 m, die Höhe 1,20 m, die
                                 										Spurweite 1,30 m und der Radstand 1,90 m. Das Gesamtgewicht beträgt etwa 250
                                 										kg.
                              Zum Befördern von drei Personen dient das Hillersche
                                 										Dreirad (Fig. 58). Der vordere Teil ist derselbe
                                 										wie bei Fig. 56. Der Rahmen ist nach hinten
                                 										verlängert und dadurch für den Halbverdecksitz Platz geschaffen. Trotz der
                                 										Verlängerung des Rahmens beträgt die Länge des Fahrzeuges nur 3,15 m, also nur
                                 										65 cm mehr als bei Fig. 56. Die übrigen
                                 										Abmessungen sind dieselben wie bei dem vorbeschriebenen Hillerschen Fahrzeug; nur das Gewicht steigt auf 300 kg an, und die
                                 										Fahrgeschwindigkeit sinkt auf 35 km i. d. Stunde, auch reicht 1 l Benzin nur
                                 										noch für etwa 12–15 km.
                              Soll dieses Fahrzeug für den Warentransport dienen, so tritt an Stelle des
                                 										Halbverdecksitzes ein Kasten in den Abmessungen von 1,20 m Länge, 0,95 m Breite
                                 										und 0,80 m Höhe.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 323, S. 395
                                 Fig. 59.Motordreirad „Cyklonette“ der Cyklon Maschinenfabrik m
                                    											b. H. 
                                 
                              Für große Leistungen baut jetzt die Cyklon
                                    											Maschinenfabrik m. b. M. in Berlin die 5 ¼ PS-Zweizylindertype (Fig. 59). Die beiden Zylinder stehen senkrecht
                                 										nebeneinander und haben 70 mm Bohrung und 90 mm Hub. Die Saugventile sind
                                 										mechanisch gesteuert und liegen ebenso wie die Auspuffventile vorn am Motor, so
                                 										daß ihre Gehäuse durch den beim Fahren entstehenden Luftzug gut gekühlt werden.
                                 										Um diese Kühlung noch zu unterstützen, ist nicht, wie bei der Fig. 56–58 ein
                                 										Ventilator vorgesehen, sondern auf jeden Zylinder ein sogen. Vakuumkühler
                                 										aufgesetzt. Die mit Kühlschlangen versehenen Rohre a sind etwa halb mit Wasser gefüllt und oben und unten verschlossen.
                                 										Das Wasser nimmt die Hitze von den Zylindern ab. Der sich dabei entwickelnde
                                 										Dampf strömt in den oberen Teil des Kühlers, wo er durch die vorbeistreichende
                                 										Luft kondensiert wird, so daß er als Kondenswasser an den Wandungen des Kühlers
                                 										wieder nach unten zu dem übrigen Wasservorrat zurückläuft.
                              Ebenfalls neu ist die Vorrichtung zum ruhigen und stoßfreien Fahren. Sie besteht
                                 										darin, daß der Wagen gegen das Vorderrad durch ein mittels Gelenke verbundenes
                                 										Parallelogramm b, dessen Verschiebung sich zwei
                                 										nachstellbare Spiraldruckfedern entgegensetzen, abgefedert ist. Stöße, die das
                                 										Vorderrad treffen, können daher den Wagen nicht in Mitleidenschaft ziehen.
                              Die Kraftübertragung geschieht unmittelbar durch Kette, deren Dehnung durch ein
                                 										als Spannrolle wirkendes Kettenrad ausgeglichen wird.
                              Zur Erhöhung der Leistung ist das Geschwindigkeitsgetriebe c mit zwei Uebersetzungen und Leerlauf vorgesehen,
                                 										so daß das Fahrzeug bei voller Belastung und Einschaltung der großen
                                 										Uebersetzung eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km i. d. Stunde erreicht. Bei
                                 										Einschaltung der kleinen Uebersetzung läuft der Wagen etwa mit der halben
                                 										Geschwindigkeit.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 323, S. 395
                                 Fig. 60.Motordreirad „Brennaborette“ der
                                    											Brennabor-Werke.
                                 
                              Von diesen Fahrzeugen unterscheidet sich die „Brennaborette“ (Fig. 60) der Brennabor-Werke Gebr. Reichstein in Brandenburg a. H. durch ihren
                                 										Hinterradantrieb und ihren Rahmen. Letzterer besteht nicht aus Rohre, sondern der Festigkeit
                                 										halber aus ⊏-förmig gepreßten Stahlschienen. Der 3 ½
                                 											PS-Fafnir-Motor (D. p. J. 1906, 321, S. 475) mit zwei verschiedenen Geschwindigkeiten
                                 										arbeitet auf eine Vorgelegewelle mit Reibungskupplung (s. D. p. J. 1906, 321, S. 366, Fig. 78) und befindet sich unter den
                                 										beiden Sitzplätzen, infolgedessen er durch Wasser gekühlt werden muß. Die
                                 										Kühlung erfolgt nach dem Thermosyphon-System durch Radiatoren, die bei a am vorderen Wagenteil sitzen, und so einem
                                 										kräftigen Luftzug ausgesetzt sind, der das bei der Zirkulation sie
                                 										durchströmende Wasser genügend abkühlt. Der hinter den beiden Sitzen befindliche
                                 										Kasten dient zur Aufnahme von Werkzeug, Ersatzteilen usw. und kann nach Oeffnen
                                 										seiner Klappe als dritter Sitzplatz benutzt werden.
                              Das Gesamtgewicht dieses Fahrzeugs beträgt 270 bis 300 kg, seine
                                 										Höchstgeschwindigkeit etwa 30 km i. d. Stunde. Ueber die Vorderradabfederung S.
                                 										D. p. J. 1906, 321, S. 297, Fig. 26.
                              Wie bei den Motorwagen beginnt auch bei diesen Fahrzeugen der Elektromotor mit
                                 										dem Benzinmotor in Konkurrenz zu treten. Die unstreitbaren Vorzüge des erstem
                                 										bestehen in geräuschlosem Fahren und Fortfall der durch den Explosionsmotor
                                 										verursachten Stöße und Erschütterungen, durch die nicht nur der Fahrer, sondern
                                 										auch das -ganze Fahrzeug zu leiden hat, ganz abgesehen von der unverhältnismäßig
                                 										großen Abnutzung der Pneumatikreifen. Der einzige Nachteil, der den elektrisch
                                 										betriebenen Fahrzeugen anhaftet, ist, daß die Akkumulatoren schon nach
                                 										verhältnismäßig kurzer Zeit wieder geladen werden müssen.
                              Die Bedienung des Fahrzeuges selbst ist die denkbar einfachste, denn der Fahrer
                                 										hat nichts weiter zu tun, als den Kontaktschlüssel einzustecken, worauf das
                                 										Fahrzeug sofort anläuft. Nun bleibt nur noch die Einstellung der
                                 										gewünschten Fahrgeschwindigkeit übrig, alles andere besorgt der Motor allein,
                                 										wodurch selbst der Ungeübteste als Fahrer herangezogen werden kann.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 323, S. 396
                                 Fig. 61.Motordreirad von Harhorn.
                                 
                              Ein derartiges Fahrzeug von V. Harhorn in
                                 										Weißensee-Berlin stellt Fig. 61 dar. Der
                                 										Elektromotor ist wie der Benzinmotor über dem Vorderrad angebracht und sein
                                 										Gehäuse mit dem Wagengestell fest verbunden. Der Antrieb erfolgt mittels
                                 										Kegelräder und Welle auf das Vorderrad. Der Motor erhält seine Energie aus
                                 										Akkumulatoren, die im Kasten unter dem Sitz eingebettet sind. Daselbst liegen
                                 										auch die Widerstände, während der Fahrschalter, sowie der Geschwindigkeitsregler
                                 										außerhalb des Kastens angebracht sind und daher vom Sitz aus leicht bedient
                                 										werden können.
                              Zum Anhalten dient der auf der Abbildung ersichtliche Fußbremshebel, der auf die
                                 										Hinterradbandbremse wirkt. Um jede mißbräuchliche Benutzung des Fahrzeuges zu
                                 										verhüten, wird beim Verlassen desselben der Kontaktschlüssel abgenommen.
                              Alle sich drehenden Teile laufen auf Kugeln, die durch konsistentes Fett
                                 										geschmiert werden (2–3 mal im Jahre), so daß auch diese Bedienung nicht nur
                                 										äußerst einfach, sondern auch derart reinlich ist, daß Beschmutzung des Fahrers
                                 										auf der Strecke ausgeschlossen ist.
                              Die Höchstgeschwindigkeit beträgt etwa 28 km i. d. Stunde, und die Akkumulatoren
                                 										reichen mit einer Ladung für 90 km aus.
                              Sämtliche hier beschriebenen Dreiräder können mit Kasten ausgestattet werden, so
                                 										daß sie an Stelle des Personentransportes demjenigen für Ware dienen, was im
                                 										folgenden Kapitel gezeigt werden soll.
                              
                                 
                                    (Fortsetzung folgt.)