| Titel: | Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen Hebezeugtechnik. | 
| Autor: | K. Drews | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 402 | 
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                        Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
                           								Hebezeugtechnik.
                        Von K. Drews, Oberlehrer an der
                           									Königl. höheren Maschinenbauschule in
                              									Posen.
                        (Fortsetzung von S. 358 d. Bd.)
                        Entwicklung und gegenwärtiger Stand der modernen
                           								Hebezeugtechnik.
                        
                     
                        
                           Steuerapparate. Als Steuerapparate finden im
                              									Kranbetriebe fast nur Steuerwalzen, die sogenannten Kontroller (D. p. J. 1906, S. 36
                              									u. 102, Fig. 16 u. 29) Verwendung. Die Kontakte sind auf einer Walze angeordnet;
                              									alle blanken, stromführenden Teile liegen in einem staub- und wasserdicht
                              									geschlossenen Gehäuse. Große Sorgfalt wird auf das Unschädlichmachen der
                              									Unterbrechungsfunken gelegt. Bei den Kontrollern geschieht dies durch kräftige
                              									Blasmagnete, die den sich bildenden Lichtbogen sofort abreißen. Die einzelnen
                              									Funkenstellen sind durch feuerfestes Isoliermaterial voneinander getrennt, so daß
                              									Kurzschlüsse fast ausgeschlossen sind.
                           Für Mehrmotorenkrane wendet man mit Vorteil die sogen. Universalsteuerung an, bei der
                              									zwei Steuerwalzen durch nur einen Hebel bedient werden (D. p. J. 1906, S. 36); dies
                              									hat sich besonders bei Stahlwerkskranen, die öfter sechs und mehr Motoren besitzen,
                              									als zweckdienlich erwiesen. Die Bedienung eines Kranes kann durch diese Anordnung
                              									sehr erleichtert werden.
                           Als Antrieb der Steuerwalzen werden Kurbel, Handrad, Hebel oder wenn die Bedienung
                              									von einem entfernteren Punkte erfolgt, auch Seilscheibe verwendet.
                           Rückschnellfedern, die die Walze beim Loslassen des Handrades in die Nullstellung
                              									zurückdrehen, werden nur bei hochliegenden Steuerwalzen, die mittels Seilzüge von
                              									Flur aus betätigt werden, angeordnet.
                           Die Anlaßwiderstände sind stets so reichlich bemessen, daß sich besondere
                              									Regulierwiderstände zur Veränderung der Umlaufzahl des Motors erübrigen.
                           Die A. E. G. in Berlin wählt als Widerstände für
                              									kleinere Stromstärken Rheotandraht, für größere Stromstärken Gußeisenspiralen. Für
                              									wirksame Wärmeabführung muß stets gesorgt werden.
                           Die Steuerapparate sind mit die wichtigsten und auch die empfindlichsten Teile eines
                              									elektrischen Hebezeuges. Ein Sparen an dieser Stelle ist ganz unangebracht und rächt
                              									sich durch unaufhörliche Betriebsstörungen. Es kommen immer noch Fälle vor, wo auf
                              									diesem Gebiete gesündigt wird. So sind z.B. für die auf S. 338 dieser Zeitschrift
                              									erwähnten zwei elektrischen Wandkrane als Steuerapparate einfache Umkehranlasser mit
                              									blosliegenden auf einer Schieferplatte angeordneten Messingkontakten eingebaut. Das
                              									Aussehen der Schalter nach ein paar Monaten im Betriebe, veranschaulichte recht
                              									deutlich, wie unangebracht derartige Steuerapparate für den Kranbetrieb sind. Vor
                              									den Anfangskontakten sind tiefe Löcher in die Schieferplatte gebrannt; die
                              									Messingkontakte sind angebrannt; oft brechen Stichflammen aus dem Schalter
                              									heraus, die in die nachträglich angebrachten Schutzbleche große Löcher ausgebrannt
                              									haben. Da bei diesen Kranen noch andere grundsätzliche Fehler namentlich bezüglich
                              									des Bremsens gemacht worden waren, so blieb nichts weiter übrig, als die vier
                              									vorhandenen Schalter gegen andere betriebssichere auszuwechseln.
                           Mit der Größe der Motorleistung wachsen auch die Abmessungen der Steuerapparate.
                              									Ueber 100 PS gelangt man bald zu Größen, bei denen der Kontroller schwer zu
                              									handhaben ist. Hier wird man dann mit Vorteil die schon mehrfach bei den
                              									Schrägaufzügen für Hochöfen und bei den Spills erwähnte Schützensteuerung der A. E. G. verwenden.
                           Das Wesen dieser Steuerung besteht darin, daß die Kontakte des Führerkontrollers
                              									nicht den Betriebsstrom, sondern nur Schwachstrom von etwa 0,5 Amp. führen. Das Ab-
                              									und Einschalten der Widerstandsstufen geschieht durch Einzelschalter, die
                              									sogenannten „Schützen“.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 401
                              Fig. 90.Schütz der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft.
                              
                           Fig. 90 zeigt ein solches Schütz. Dieses besteht aus
                              									einem Elektromagneten, dessen Anker mit einem Kontakthammer versehen ist. Für
                              									gewöhnlich hält eine Feder das Schütz geöffnet. Erhält die Spule des Schützen jedoch
                              									Strom, so zieht sie nach Ueberwindung der Federkraft den Anker an, wodurch die
                              									Kontaktflächen des Schützes zur Berührung kommen und zwar sehr schnell und mit
                              									ganzer Fläche. Das macht die Schützen geeignet für große Stromstärken und
                              									angestrengten Betrieb, besonders bei Hebezeugen für Eisenhütten und Stahlwerke.
                           Da der Führerkontroller nur den Schwachstrom für die Schützenspulen führt, so wird er
                              									sehr handlich und seine Kontakte nutzen sich wenig ab.
                           Außer in angestrengten Betrieben und bei großen Stromstärken wird die
                              									Schützensteuerung auch bei Selbstanlassern, wie wir es schon bei Besprechung der
                              									Spills S. 146
                              									erwähnt haben, benutzt; sodann bei selbsttätiger Abstellung in den Endstellungen der
                              									Last, wie bei Gichtaufzügen.
                           Man kann ferner an Leitungsmaterial sparen, wenn der betreffende Motor, wie bei sehr
                              									vielen Kranen, von einer entfernt liegenden Stelle aus gesteuert werden muß. Alsdann
                              									bringt man die Schützen mit den Widerständen in der Nähe des Motors, z.B. auf einer
                              									Laufkatze, unter; von dem Führerkontroller bis zum Motor sind dann nur
                              									Schwachstromleitungen mit geringem Kupferaufwand nötig.
                           Zuweilen muß auch der Steuerapparat durch Seilzüge betätigt werden. Uebersteigt dann
                              									die Motorleistung 20 PS, so wird die Steuerung unsicher; in diesem Falle ist die
                              									Schützensteuerung ebenfalls am Platze.
                           Die Vorteile der Schützensteuerung sind demnach folgende:
                           Uebersichtlichkeit der den Motorstrom unterbrechenden Elemente; bequeme
                              									Zugänglichkeit zum Zweck der Revision; die Kontakte berühren sich sofort in voller
                              									Fläche und jeder hat eine kräftige Funkenlöschung; der Führerkontroller fällt klein
                              									aus und ist leicht zu handhaben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 402
                              Fig. 91.
                              
                           Fig. 91 zeigt ein Schaltungsschema dieser Steuerung.
                              									Auf der Vorwärtsstufe 1 erhält die Spule des
                              									Umsteuerschützen v Strom, wodurch der linke
                              									doppelpolige Schalter A den Motorstromkreis schließt.
                              									Der Stromverlauf ist dann folgender: von der + Schiene über die Widerstände r1
                              									r2
                              									r3, den Umschalter A nach der Bürste A des
                              									Ankers, weiter von der Bürste A A über den Umschalter
                              									ins Motorfeld und von dort zurück zur –Schiene.
                           In den folgenden Stellungen werden die Schützen 2, 3 und
                              										4 nacheinander unter Strom gesetzt, wodurch die
                              									betreffenden Widerstände abgeschaltet werden. In Vorwärtsstellung 3 erhält sowohl das Schütz 2 wie 3 Strom; die Widerstände r1 und r2 werden dann
                              									kurzgeschlossen. Der Strom geht nun von der + Schiene über Widerstand r3 durch die Kontakte
                              									des Schützen 3 zum Umschalter A und nimmt im weiteren Verlauf den schon oben angegebenen Weg zur
                              									–Schiene.
                           Ich sprach oben von verschiedenen Möglichkeiten, die die Elektrizität auch für den
                              									Hebezeugbetrieb noch bereit hielte. Einen sehr wertvollen Beitrag hierzu hat in
                              									letzter Zeit Dr. Kallmann in Berlin mit seinem System
                              									des selbsttätigen Anlassens und Bremsens von Motoren geliefert (s. D. p. J. 1908, S.
                              									57).
                           Das Anlassen von Motoren geschieht bekanntlich in der Weise, daß die Netzspannung
                              									durch dem Motor vorgeschaltete Widerstände abgedrosselt wird. Mit zunehmender
                              									Umlaufzahl des Motors werden diese Widerstände dann abgeschaltet. Das Abdrosseln der
                              									Spannung ist nötig, denn sonst würde der Anfangsstrom beim Einschalten so groß sein,
                              									daß seine Wirkung einem Kurzschlusse gleich käme.
                           Im Beharrungszustand eines Motors besteht die Gleichung
                           E = J w +
                              										e.
                           E Netzspannung, J
                              									Ankerstrom bei Höchstlast, w Ankerwiderstand und e elektromotorische Gegenkraft. Letztere wächst mit der
                              									Umlaufzahl des Motors; bei Stillstand, also auch beim Einschalten ist sie gleich
                              									Null, d.h.
                           E = J .
                                 										w.
                           Da nun aber in der Regel
                           
                              J\,\cdot\,w\,\sim\,\frac{1}{20}\,e,
                              
                           so würde der Ankerstrom beim Einschalten etwa das 20 fache des
                              									normalen betragen, was natürlich unzulässig ist. Wohl muß die Stromstärke in der
                              									Anlaufperiode eine größere als die normale sein, da die Massen ja beschleunigt
                              									werden müssen, aber diese Anlaufstromstärke soll den doppelten Betrag der normalen
                              									nicht überschreiten. Wir müssen also in der Gleichung
                           E = J .
                                 									w
                           durch entsprechende Vergrößerung von w die Stromstärke J auf den noch zulässigen
                              									Wert bringen, was einer Abdrosselung der konstanten Netzspannung E gleichkommt. Das Abschalten der Widerstände nach
                              									Maßgabe der steigenden Umlaufzahl geschieht stufenweise. Bei jeder neuen Stufe
                              									erhält der Motor einen Stromstoß, der ihn von neuem beschleunigt. Es ist nun Sache
                              									des Kranführers, das Tempo des Schaltens so zu halten, daß die Stromschwankungen
                              									beim Anlassen nicht zu groß werden. Am vorteilhaftesten wäre es, den Anlaufstrom
                              									unveränderlich etwa gleich dem doppelten Normalstrom zu halten, alsdann wäre die
                              									Beschleunigung eine nahezu gleichförmige. Dies läßt sich aber bei der gebräuchlichen
                              									Anlaßmethode nur angenähert erreichen. Der Motor ist bestrebt, sich auf eine der
                              									jeweiligen Widerstandsstufe entsprechende Umlaufzahl einzulaufen, die er erst
                              									ändert, wenn der Schalthebel weitergeführt wird, da ja der Widerstand seinen Wert
                              									innerhalb der zulässigen Temperaturerhöhungen nicht ändert.
                           Hier setzt nun das selbsttätige Anlaßverfahren Dr. Kallmanns ein, das dadurch gekennzeichnet ist, daß der Anlaßwiderstand
                              									sich selbsttätig ändert, bis der Motor seine der Belastung entsprechende normale
                              									Umlaufzahl erreicht hat, und zwar geht diese Widerstandsänderung nicht wie oben
                              									stufenweise, sondern kontinuierlich vor sich. Diese
                              									selbsttätig mit der Spannung sich ändernden Widerstände nennt Kallmann Variatoren. Dem Aeußern nach gleichen solche
                              									Variatoren Glühlampen. In einer Glasbirne sind Eisendrähte eingeschmolzen; die Birne ist nach Austreiben der
                              									atmosphärischen Luft mit Wasserstoff unter Druck gefüllt.
                           Der Widerstand eines Eisendrahtes wächst nun mit der Temperatur. Bei Rotglut ist er 8
                              									bis 10 mal so groß als im kalten Zustand. Eisen zeigt hier das umgekehrte Verhalten
                              									wie Kohle, deren Widerstand mit der Temperatur abnimmt; Eisen besitzt einen
                              									positiven, Kohle hingegen einen negativen Temperaturkoeffizienten.
                           Nun liegt ja ein gewisser Widerspruch darin, daß der vorgeschaltete Widerstand, der
                              									Variator, entgegen den Erfordernissen beim Anlauf anfänglich einen kleinen Wert
                              									besitzt.
                           Hier spielt aber die Zeit als Faktor hinein, indem die Erhitzung des Variators bis
                              									auf Rotglut in sehr kurzer Zeit vor sich geht. Kleinere Variatoren, deren
                              									Eisendrähte eine Stärke von 0,1 mm haben, werden schon in 0,1 Sek., d.h. schneller
                              									als der Kohlenfaden einer Glühlampe, in Rotglut versetzt.
                           Aus der Charakteristik eines Variators (S. 57, Fig.
                                 										36 dieses Bandes) sieht man, daß er innerhalb eines Spannungsbereiches von
                              									10–42 Volt den Strom von 2 Amp. unveränderlich erhält, indem die Temperatur, d.h.
                              									der Widerstand der Eisendrähte momentan der Klemmenspannung des Motors folgt.
                           Je stärker nun die Eisendrähte des Variators sind, um so träger sind sie, d.h.,
                              									um so mehr Zeit brauchen sie zur Erhitzung auf Rotglut. Die größten bis jetzt
                              									ausgeführten Variatoren, die bei 220 Volt Spannung mit 5 Amp. f. d. Draht belastet
                              									werden können, werden erst nach etwa 1 Sek. in Rotglut versetzt. Der Stromstoß beim
                              									Anlauf würde hier schon zu heftig sein und zu lange andauern, auch würde die
                              									selbsttätige Widerstandsänderung nicht schnell genug der sich entwickelnden
                              									Umlaufzahl folgen. Für größere Stromstärken schaltet man daher mehrere gut
                              									ansprechende Variatoren parallel.
                           Um die Stromstöße bei den größeren trägen Variatoren abzuschwächen, schaltet man
                              									ihnen auch einen Widerstand von unveränderlichem Wert, den Schwächungswiderstand, gewöhnlich Nickelin, vor.
                           Bei 220 Volt schaltet man zwei, bei 440 Volt vier Variatoren hintereinander. Die A. E. G. baut Variatoren bis etwa 2 KW
                              									Aufnahmefähigkeit bei vorübergehender Belastung; diese größeren Typen erhalten
                              									gewöhnlich einen Oelmantel zur wirksameren Wärmeabführung; zu diesem Zwecke sind
                              									auch die Birnen mit Wasserstoff gefüllt.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)