| Titel: | Die Festigkeitsberechnung der Schwungräder. | 
| Autor: | Joh. Heinrich Bauer | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 404 | 
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                        Die Festigkeitsberechnung der
                           								Schwungräder.
                        Von Joh. Heinrich Bauer in Brackwede
                              									i. W.
                        (Schluß von S. 393 d. Bd.)
                        Die Festigkeitsberechnung der Schwungräder.
                        
                     
                        
                           Mit Hilfe der entwickelten Formeln und der Tabelle über die Winkelwerte hat es
                              									keine Schwierigkeit mehr, die Materialspannungen in irgend einem Teile des
                              									Rades zu berechnen. Zu den berechneten Spannungen
                           Tabelle der Winkelwerte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 403
                              Anzahl der Arme;Halber Winkel
                                 										zwischen den Armen
                              
                           gesellen sich aber noch solche, deren Größe sich jeder Schätzung entzieht.
                              									Diese sind bedingt teils durch ungleiches Abkühlen und Schrumpfen beim Gießen
                              									(Gußspannungen) und teils durch Unvollkommenheit des Gusses und Bildung blasiger,
                              									poröser Stellen in Kranz, Armen und Nabe, die selten äußerlich erkenntlich sind.
                              									Diese Umstände sowie die Möglichkeit einer zeitweisen Erhöhung der Umdrehungszahl
                              									zwingen den Konstrukteur bezüglich der zulässigen Größe der berechneten
                              									Materialspannungen vorsichtig zu sein. Bei dem Entwürfe muß es das Streben des
                              									Konstrukteurs sein, die Gußspannungen nach Möglichkeit zu beschränken. Dies kann
                              									geschehen durch gleichmäßige Materialverteilung in Kranz, Armen und Nabe.
                              									Abkühlungsvolumen und abkühlende Oberfläche sollen möglichst in allen Teilen in
                              									einem gleichen Verhältnis zueinander stehen. Materialanhäufungen sind zu vermeiden.
                              									Außerdem muß nach dem Gießen für gleichmäßige Abkühlung Sorge getragen werden. Zu
                              									frühzeitiges Biosiegen der Arme kann eine wesentliche Erhöhung der Gußspannungen
                              									verursachen. Die Gußspannungen können verglichen werden mit jenen Spannungen, die in
                              									einem Rade entstehen, wenn Kranz und Arme verschiedene Temperaturen haben. Da solche
                              									Temperaturverschiedenheiten bei Bremsscheiben, den Rädern von Schwungraddynamos usw.
                              									vorkommen können, soll die Berechnung der Spannungen noch angefügt werden.
                           
                        
                           4. Die Beanspruchung bei
                                 										Temperaturverschiedenheiten in Kranz und Armen.
                           Zunächst habe das Schwungrad in allen Teilen die Temperatur t0. Durch irgend einen Umstand erwärme
                              									sich der Kranz gleichmäßig und nehme die Temperatur t1 an, während die Arme die Temperatur t2 annehmen. Die höhere
                              									Kranztemperatur bewirkt eine stärkere Ausdehnung des Kranzes, der das Rad nicht
                              									folgen kann, da die Arme die Weitung des Kranzes beschränken. Es entsteht in den
                              									Armen eine unbekannte Zugkraft X.
                           Betrachtet man wieder einen durch die Symmetriewinkel a
                              									begrenzten Schwungradsektor mit dem Arm als Mittellinie, so ergibt sich gemäß Fig. 2 die Normalkraft im Schnittquerschnitt nach
                              									Gleichung 1:
                           
                              N_{1,0}=-\frac{X}{2\,\sin\,\alpha}.
                              
                           Da das Rad bei dieser Untersuchung im Ruhezustand gedacht ist,
                              									muß
                           K = F1 . γ1 . R2w2 = 0
                           sein.
                           In einem Querschnitt unter dem Winkel φ ist nach
                              									Gleichung 2:
                           
                              N_{1,\varphi}=-\frac{X}{2}\,\frac{\cos\,\varphi}{\sin\,\alpha}.
                              
                           Ebenso ist das Biegungsmoment im gleichen Querschnitt nach
                              									Gleichung 5:
                           
                              M_{1,\varphi}=\frac{X\,R}{2}\,\left(\frac{1}{\alpha}-\frac{\cos\,\varphi}{\sin\,\alpha}\right),
                              
                           für φ = 0
                           
                              M_{1,0}=-\frac{X\,R}{2}\,\left(\frac{1}{\sin\,\alpha}-\frac{1}{\alpha}\right)
                              
                           
                              
                              M_{1,\alpha}=\frac{X\,R}{2}\,\left(\frac{1}{\alpha}-\frac{\cos\,\alpha}{\sin\,\alpha}\right).
                              
                           Bei Aufstellung der Formänderungsarbeit soll die Nabe vernachlässigt und angenommen
                              									werden, daß der Arm bis zum Radmittel durchgehe. Die Berücksichtigung der Nabe hat
                              									zwar keine Schwierigkeit, bringt aber, weil untergeordnet, keinen Vorteil.
                           Die Normalkraft N1,φ
                              									leistet bei der Ausdehnung des Bogenelements R d φ um
                              										R d φ at (t1 – t0) die Arbeit:
                           N1,φR d φ at (t1
                              									– t0)
                           Hierin ist at der
                              									Wärmeausdehnungskoeffizient des Materials. Das Gleiche gilt sinngemäß von der
                              									Armkraft X.
                           Die Formänderungsarbeit für den Sektor (2 a) ist:
                           
                              \begin{array}{rcl}A&=&2\,\int_0^\alpha\,\frac{{M^2}_{1,\varphi}\,R\,d\,\varphi}{2\,E\,J_1}+2\,\int_0^\alpha\,\frac{{N^2}_{1,\varphi}\,R\,d\,\varphi}{2\,E\,F_1}+\int_0^R\,\frac{X^2\,d_\varrho}{2\,E\,F_a}\\&+&2\,\int_0^\alpha\,N_{1,\varphi}\,R\,\alpha_t\,(t_1-t_0)\,d\,\varphi+\int_0^R\,X\,\alpha_t\,(t_2-t_0)\,d_\varrho.\end{array}
                              
                           Bei der Erwärmung des Rades wird die unbekannte Armkraft X jenen Wert annehmen, der die Formänderungsarbeit A zu einem Minimum macht, d.h.
                           
                              \frac{\partial\,A}{\partial\,X}=0.
                              
                           Die Aufgabe löst sich in der gleichen Weise wie die früheren und bringt unter
                              									Uebergehung der Zwischenrechnung das Ergebnis:
                           
                              X=\frac{\alpha_t\,E\,[R\,(t_1-t_0)-R\,(t_2-t_0)]}{\frac{R^3}{J_1}\,\left(\frac{1}{2\,\sin^2\,\alpha}\,\left(\frac{\sin\,2\,\alpha}{4}+\frac{\alpha}{2}\right)-\frac{1}{2\,\alpha}\right)+\frac{R}{F_1}\,\frac{1}{2\,\sin^2\,\alpha}\,\left(\frac{\sin\,2\,\alpha}{4}+\frac{\alpha}{2}\right)+\frac{R}{F_a}}
                              
                           Nach Vereinfachung und Berücksichtigung der früher gewählten Schreibweise geht X über in
                           X=\frac{\alpha_t\,E\,R\,(t_1-t_2)}{\frac{R^3}{J_1}\,f_2\,(\alpha)+\frac{R}{F_1}\,f_1\,(\alpha)+\frac{R}{F_a}}
                              									. . . . 28) 
                           Die Armkraft X und damit die Beanspruchung des Rades ist nur abhängig von den
                              									Temperaturen t1 und t2, die Kranz und Arme annehmen und unabhängig von der
                              									Ausgangstemperatur t0. Ist t1 = t2, d.h. erwärmt sich das Rad gleichmäßig, so bleibt
                              									es spannungslos.
                           Weiter ist X abhängig von dem Material (at E). Mit X ist der Belastungszustand des
                              									Rades bekannt. Die Materialspannungen können für jeden Querschnitt mit Hilfe der
                              									Formel für N1,φ und M1,φ in der bekannten Weise berechnet werden.
                           Es ist zwar nicht statthaft, aus der Formel 28 einen Schluß auf die Gußspannungen
                              									eines Rades zu ziehen, weil Gleichung 28 ein in sich geschlossenes Rad voraussetzt,
                              									während die Schwungräder meist zeitweilig gegossen werden, die vorausgesetzte
                              									Symmetrie der Belastung also nicht vorhanden ist. Doch darf wohl ausgesprochen
                              									werden, daß die Gußspannungen um so kleiner sein werden, je geringer die Armzahl
                              									ist. Ebenso sind diesbezüglich Räder im Vorteil, bei denen die Teilfuge in der Mitte
                              									zwischen zwei Armen liegt, gegenüber jenen mit Teilung durch den Arm. Diese bieten
                              									dafür die Möglichkeit einer besseren Verbindung der Teilstelle.