| Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. | 
| Autor: | Oscar Koch | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 492 | 
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                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        Von Oscar Koch,
                           								Groß-Lichterfelde West.
                        (Schluß von S. 477 d. Bd.)
                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        
                     
                        
                           Eine recht einfache Antriebskupplung mit Leerlauf, bei der weder Federn noch
                              									sonst leicht zugrunde gehende Teile in Anwendung kommen, baut die Düsseldorfer Werkzeugfabrik A. Herzer.
                           Die ganze Vorrichtung ist nicht breiter als eine gewöhnliche Riemenscheibe und hat
                              									noch den Vorzug, daß das Tretwerk in Fortfall gebracht werden kann, da die Kupplung
                              									gestattet, den Motor mittels Handkurbel anzudrehen.
                           Wie aus Fig. 104 ersichtlich, ist der Kupplungskonus
                              										a auf die Motorwelle f
                              									aufgekeilt, während sich die Riemenscheibe b frei
                              									drehen kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 491
                              Fig. 104.Kupplung von Herzer.
                              
                           Beim Andrehen des Motors wird zunächst die Scheibe c
                              									mittels Hemmvorrichtung d festgehalten, wobei die
                              									schiefen Flächen e die Riemenscheibe b an ihrer Umdrehung verhindern.
                           Beim Anfahren wird die Hemmvorrichtung d durch einen an
                              									der Lenkstange befindlichen Hebel ausgelöst, Scheibe c
                              									kann sich jetzt drehen, wobei ihre schiefen Flächen e
                              									immer mehr und mehr auf diejenigen der Riemenscheibe aufsteigen und sie so fest
                              									gegen den Kupplungsteil a pressen.
                           Die Doppelübersetzung mit Leerlauf (Fig. 105) der Köln-Lindenthaler Metallwerke A.-G., ist in der
                              									Hinterradnabe untergebracht und mit der Riemenscheibe o
                              									derart verbunden, daß diese sich bei ausgeschalteter Klauenkupplung g g1 frei drehen kann.
                              									Die Riemenscheibe, das Zahnrad l sowie der
                              									Freilaufzahnkranz p sind auf der Nabenhülse q befestigt und stehen durch vier Planetenräder
                              										k mit dem lose drehbar auf Hülse q sitzenden Zahnrad m in
                              									Eingriff.
                           Da diese Planetenräder paarweise einmal unter sich und außerdem das eine mit Zahnrad
                              										m und das andere mit Zahnrad l in Eingriff stehen, so treibt, wenn der Motor in
                              									Tätigkeit tritt, die mit der Riemenscheibe o fest
                              									verbundene Hülse q Zahnrad l an. Hierdurch drehen sich die mit ihm im Eingriff stehenden
                              									Planetenräder k und zwingen Zahnrad m, sich in entgegengesetzter Richtung zu drehen.
                           Wird mittels Hebels c und Spreizring b die auf der Nabe des Rades m fest sitzende Bremsscheibe a festgehalten,
                              									so wickeln sich die Planetenräder k auf m ab und treiben durch Zahnrad l das Nabengehäuse d, mit halb so großer
                              									Geschwindigkeit an, als wenn die Riemenscheibe o mit
                              									der Nabe d unmittelbar gekuppelt wäre. Die Kupplung
                              									erfolgt durch Freigeben der Bremsscheibe a und Anziehen
                              									des Schubhebels f, wobei unter Zusammenpressen der
                              									Federn h die verschiebbare Scheibe n und der mit ihr verbundene Kupplungsteil g mit demjenigen g1 in Eingriff gebracht wird. Da jetzt o und d ein Stück bilden,
                              									so wird die Nabe unmittelbar von der Riemenscheibe angetrieben, wobei sämtliche
                              									Zahnräder außer Tätigkeit sind. (Große Geschwindigkeit.)
                           Der Spreizring dient gleichzeitig als Bremse zum Anhalten des Fahrzeuges; er ist
                              									staubdicht eingeschlossen und wird durch Hebel e
                              									betätigt. Zu erwähnen ist noch, daß dadurch, daß die Riemenscheibe nicht starr,
                              									sondern unter Zwischenschaltung eines Freilaufes auf der Nabe sitzt, bei Talfahrten
                              									der Motor abgestellt werden kann.
                           Vorteilhafte Verwendung findet bei den Hillerschen
                              									Dreirädern (Fig. 58 S. 394) die Nala-Differentialnabe (Fig.
                                 										106) von Heinle & Weiß in Oberhausen-Augsburg. In konstruktiver Beziehung unterscheidet sie
                              									sich von der Nala-Nabe (D. p. J. 1906, 321, S. 491, Fig. 151) dadurch, daß das
                              									Keilbackenbremsband durch das flache Band a und die
                              									Klauenkupplung, die zur Herstellung der großen Uebersetzung dient, durch die
                              									Reibungskupplung b d ersetzt ist. Die neue Nabe ist in
                              									allen ihren Teilen verstärkt und besteht der Hauptsache nach aus dem Kettenteil c, dem Bremsteil d sowie
                              									dem Mittelteil e. Letzterer trägt an zwei kräftigen
                              									Schrauben k die beiden kleinen Kegelräder g, während die erstgenannten Teile c und d je ein Kegelrad
                              										f des Differentialgetriebes tragen.
                           Da die Nabe bei den genannten Dreirädern im Vorderrad eingebaut ist, muß der Motor
                              									mit Handankurbelung versehen sein, ein Umstand, der den Freilaufzahnkranz überflüssig macht.
                           Der Antrieb erfolgt durch Kette, und ist demzufolge bei c an Stelle der Riemenfelge ein Kettenrad aufgeschraubt, das beim Andrehen
                              									des Motors durch Ausrücken der Kupplung b d auf
                              									Leerlauf gestellt wird. Sobald der Motor läuft, wird durch allmähliches Anziehen des
                              									Bremsbandes β, dessen eines Ende an der Vorderradgabel festgelegt ist, der
                              									Kupplungsteil d, der sich bei Leerlauf durch die
                              									kleinen Kegelräder g in entgegengesetzter Richtung
                              									dreht, festgehalten, so daß der mit dem Laufrad durch Speichen verbundene Mittelteil
                              										e gezwungen ist, sich auf den Kegelrädern f abzuwickeln und so das Uebersetzungsverhältnis auf
                              									etwa 1 : 2 zu bringen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 492
                              Fig. 105.Kupplung mit Doppelübersetzung der Köln-Lindenthaler Metallwerke
                                 										A.-G.
                              
                           Beim Umschalten auf die große Geschwindigkeit wird das Bremsband a sowie ein bei h
                              									angreifender Hebel freigegeben, wobei die auf Bolzen i
                              									aufgesteckten Spiralfedern den Reibungskonus b in
                              									denjenigen der Bremsscheibe d hineinpressen und so
                              									eine starre Verbindung der Teile c d e herstellen. Das
                              									Differentialgetriebe f g ist jetzt außer Tätigkeit
                              									gesetzt und das Ganze wirkt wie eine gewöhnliche Nabe, wodurch gerade bei der
                              									größten Kraftleistung des Motors das Getriebe keiner Abnutzung unterworfen ist.
                           
                        
                           XI. Bremsen.
                           Zum Anhalten der Fahrzeuge dient meist die Bandbremse nach Fig. 107. Die
                              									Bremstrommel a ist auf die Hinterradnabe aufgeschraubt
                              									und von dem mit Leder oder Kupfer gefütterten Stahlband b umgeben. Letzteres ist mit seinem einen Ende bei c festgelegt, während sein anderes Ende mittels Stellschraube d an die Zugstange e
                              									angreift, die mit dem Bremshebel in Verbindung steht. Sobald durch letzteren Zug auf
                              									Stange e ausgeübt wird, legt sich Bremsband b fest an Trommel a an.
                              									Tritt an Stelle der Zugstange e das Bowden-Kabel (D. p. J. 1906, 321, S. 511, Fig. 156–158), so erhält das Bremsband b zwei Ansätze f f1 (Fig. 108), durch
                              									deren Augen der Zugdraht geführt ist. Dieser ist durch Stellschraube d am Ansatz f des
                              									Bremsbandes befestigt, und trägt zwischen den Ansätzen die Feder A, welche das
                              									Bremsband auseinander hält.
                           Beim Anziehen des Bremshebels stützt sich das Kabel auf den festgelegten Ansatz f1, wobei sein Zugdraht
                              									den Ansatz f gegen f1 zieht, und somit das Bremsband zur Anlage bringt.
                              									Die Befestigungsschraube d dient noch zum genauen
                              									Einstellen der Bremse.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 492
                              Fig. 106.Differentialnabe von Heinle & Weiß.
                              
                           Trotzdem diese Art Bremsen das Fahrzeug bei größter Fahrgeschwindigkeit zum Stehen
                              									bringen, können sie doch vollkommen versagen, wenn Oel oder Schmutz zwischen Trommel
                              									und Band kommt. Da sich dieses aber bei derartig ungeschützten Bremsen schwer
                              									vermeiden läßt, hat man in letzter Zeit Innenbremsen nach Fig. 109 konstruiert.
                              									Die Bremstrommel a ist auch hier mit der Hinterradnabe
                              									verbunden, aber an Stelle des Bremsbandes treten die beiden im Innern der Trommel a liegenden Bremsbacken b.
                              									Letztere sind bei c gelenkig miteinander verbunden, so
                              									daß sie mittels der an Hebel d sitzenden Nockenscheibe
                              										e auseinander getrieben werden können, wobei sie
                              									sich fest gegen die Wandungen der Trommel a legen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 493
                              
                           Beim Freigeben des Bremshebels zieht Feder f die
                              									beiden Backen von der Trommel ab.
                           Als zweite sogen. Sicherheitsbremse bringen einige Firmen entweder eine weitere auf
                              									das Vorderrad wirkende Bandbremse nach Fig. 107 oder eine
                              									Zangenbremse, welche an die Radfelge des Vorder- oder Hinterrades angreift, in
                              									Anwendung (D. p. J. 1904, 319, S. 46, Fig. 181). Andere
                              									benutzen wieder eine Freilaufrückdruckbremse, wie sie bei Treträdern mit Freilauf
                              									üblich ist.
                           Am besten dürfte sich jedoch die Riemenfelgenbremse (D. p. J. 1903, 318, S. 683, Fig. 98) eignen, bei der durch Druck auf
                              									eine Fußraste der Bremsschuh angedrückt wird. Sie hat nebenbei den Vorteil, daß sie
                              									an fast allen Motorradsystemen auch nachträglich angebracht werden kann.
                           Neuerdings ist die Betätigung dieser Bremse dadurch vereinfacht worden, daß ähnlich
                              									wie bei der Cito-Bremse (D. p. J. 1903, 318, S. 790, Fig. 125) durch Rückwärtsdrücken der
                              									Tretkurbel der Bremsschuh in Tätigkeit tritt, der aber nicht wie dort auf den
                              									Gummireifen, sondern auf die Riemenfelge wirkt.