| Titel: | Lokomotivbekohlung. | 
| Autor: | Lutz | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 689 | 
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                        Lokomotivbekohlung.
                        Von Reg.-Baumeister Lutz,
                           								Kiel.
                        Lokomotivbekohlung.
                        
                     
                        
                           Von den verschiedenen Zweigen des Kohlentransportwesens ist die
                              									Lokomotivbekohlung derjenige, dem bei uns von den waltenden Umständen das Drängen
                              									nach der Sonne bisher am schwersten gemacht wurde. Wenn er auch vielleicht schon
                              									mehr Früchte getragen hat als der eine oder andere seiner Nebenzweige, so fand er
                              									doch noch nicht die Aufmerksamkeit aller in Betracht kommender Kreise im selben Maße
                              									wie z.B. die Bekohlung von Kesselhäusern, Gaswerken, großen Seeschiffen und dergl.
                              									oder der Kohlentransport auf Lager- und Umschlagplätzen. Und doch ist das rationelle
                              									Bekohlen der Lokomotiven in seinem Bereich seit ungefähr ebenso vielen Jahren von
                              									nicht geringerer Bedeutung als die rationelle Gestaltung jener anderen Gebiete in
                              									ihren Bereichen. Dies beweist schon äußerlich die Beachtung, die man ihm jetzt in
                              									den Kreisen der Eisenbahnfachleute allgemein widmet, in denen bereits von einer
                              										„Frage der Lokomotivbekohlung“ gesprochen wird.
                           Wenn in den nach den Eisenbahnfachleuten am meisten beteiligten Kreisen der Erbauer
                              									von Kohlentransporteinrichtungen die Beachtung noch nicht eine ebenso allgemeine
                              									geworden ist, so liegt dies daran, daß der naturgemäß von den Eisenbahnen
                              									ausgegangene Anstoß bei uns erst in den letzten Jahren mit einigem Nachdruck
                              									erfolgte. Auf kleineren, ruhigen Bahnhöfen kann noch heute der reine Handbetrieb mit
                              									Vorteil in Anwendung bleiben. Die größeren Bahnhöfe entwickelten sich fast alle aus
                              									ebensolchen Zuständen. Die zweckmäßige Entwicklung hatte aber vielfach unter
                              									erheblichen Platzschwierigkeiten zu leiden; deshalb war der Einbau einer neuen
                              									Bekohlungsanlage in einen in Betrieb befindlichen Bahnhof meistens nicht möglich
                              									oder er verursachte sehr hohe Kosten und vor allem empfindliche Betriebsstörungen.
                              									Auf manchen Bahnhöfen vermochte man die Anzahl der Bekohlungsstellen, der Ladebühnen
                              									und dergl. zu vermehren, so daß verschiedene Lokomotiven gleichzeitig Kohlen fassen
                              									konnten; die Bekohlungszeit der einzelnen Lokomotiven wurde dadurch aber nicht
                              									herabgesetzt. War dies auch nur ein Notbehelf, dessen Unzulänglichkeit sich auf die
                              									Dauer besonders dann fühlbar machte, wenn die Nebenstellen an entfernten und
                              									unbequem gelegenen Orten untergebracht werden mußten, so wurde dem früheren Zustand
                              									gegenüber doch wenigstens eine gewisse Erleichterung geschaffen. Die Projektierung
                              									neuer Bekohlungsanlagen blieb deshalb mit einigen Ausnahmen auf solche Fälle
                              									beschränkt, bei denen es sich um den Umbau, die Vergrößerung oder den Neubau eines
                              									ganzen Bahnhofes handelte. Diese Einzelfälle waren es bis jetzt auch allein, die
                              									einigen Erbauern von Kohlentransportanlagen Gelegenheit gaben, der Frage der
                              									Lokomotivbekohlung näher zu treten.
                           Während in Amerika schon viel früher die hohen Löhne zu erhöhter Aufmerksamkeit
                              									gegenüber der Lokomotivbekohlung drängten, taten dies bei uns hauptsächlich erst die
                              									fortwährend sich steigernden unmittelbaren Anforderungen des Verkehrs: Die Züge
                              									folgten in immer kürzeren Zwischenräumen; die einzelnen Lokomotiven waren deshalb an
                              									den Bekohlungsstellen in immer kürzeren Zwischenräumen abzufertigen, wenn keine
                              									Zugverspätungen eintreten sollten. Gleichzeitig wurden auch die Zuggeschwindigkeiten
                              									immer größer und damit die Lokomotiven und ihre mitzuführenden Vorräte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 689
                              Fig. 1.
                              
                           Es entwickelten sich schließlich Verhältnisse, denen die alten Einrichtungen selbst
                              									durch Vermehrung der Arbeitskräfte nicht mehr gerecht werden konnten. Außerdem
                              									gewann auch bei uns die Frage nach den Betriebskosten, d.h. den Kosten für das
                              									Befördern und Lagern von 1 t Kohle von der Ankunft im Güterwagen bis zur Abgabe an
                              									die Lokomotiven einschließlich der Kosten für Abschreibung, Verzinsung und
                              									Unterhaltung der ganzen Bekohlungsanlage an Bedeutung, denn die Löhne stiegen und
                              									die Mittel des modernen Kohlentransportwesens waren bereits derart, daß sie unter
                              									Umständen bedeutende Ersparnisse an Betriebskosten erbrachten. Dazu kam noch des
                              									Bestreben, sich von den Arbeitern nach Möglichkeit unabhängig zu machen. Wenn auch
                              									schon früher einige Anlagen entstanden, die in manchen Fällen noch jetzt vorbildlich
                              									sein können, wie z.B. die aus dem Jahre 1879 stammende Anlage in Hannover (Fig. 1), so blieb das Interesse doch nur auf einige
                              									kleine Bahnbezirke beschränkt, in denen es durch besondere Umstände wachgerufen
                              									worden war. Heute aber, da die Eisenbahnverwaltungen mehr und mehr an den Umbau und
                              									die Erweiterung von Bahnhofsanlagen herantreten müssen und zugleich auch bestrebt sind,
                              									bestehende und bereits ausgebaute Bahnhöfe, wenn irgend möglich mit leistungsfähigen
                              									und billig arbeitenden Bekohlungseinrichtungen auszurüsten, werden sich außer ihnen
                              									auch die Erbauer von Kohlentransportanlagen über kurz oder lang veranlaßt sehen, die
                              									Frage der Lokomotivbekohlung im Ganzen zu erfassen.
                           
                              Im Folgenden sind die wesentlichsten Eigenheiten der
                                 										Lokomotivbekohlung herausgegriffen, die sich zwar teilweise auch bei anderen
                                 										Anlässen zum Verladen von Kohlen und ähnlichen stückigen Gütern finden, hier
                                 										aber besonders typisch sind und je nach ihrem Zusammentreffen mehr oder weniger
                                 										eigenartige Aufgaben stellen.
                              
                           Vorher sei noch auf die Verschiedenheit der Wege hingewiesen, die die Entwicklung des
                              									Baues von Lokomotivbekohlungseinrichtungen in Amerika und bei uns einschlug. Diese
                              									Wege berührten sich zwar bisweilen, in der Hauptsache liefen sie aber getrennt
                              									nebeneinander her. Dies liegt vor allem daran, daß seither in Amerika größere
                              									Kohlenmengen am Platze nicht gestapelt wurden, während in Deutschland diese Maßnahme
                              									von jeher gebräuchlich war. Der Umstand, daß neuerdings auch in Amerika das Lagern
                              									größerer Bestände auf den Lokomotivstationen sich einbürgert, scheint weitere
                              									Berührungspunkte herbeizuführen. Die nachstehenden Betrachtungen umfassen deshalb
                              									vor allem deutsche Verhältnisse und Einrichtungen; fremde sind nur insoweit
                              									hereingezogen, als sie auf die angedeuteten Berührungspunkte hinweisen, oder für den
                              									Zusammenhang sonst ein besonderes Interesse bieten.
                           Von grundlegender Bedeutung für den Entwurf einer Lokomotivbekohlungsanlage ist die
                              									Menge der im Höchstfalle aufzustapelnden Kohlen. Sie ist bedingt durch die in
                              									normalen Zeiten herrschende mehr oder weniger große Regelmäßigkeit und
                              									Zuverlässigkeit in der Anlieferung der Kohlen, durch die Regelmäßigkeit des
                              									jeweiligen Verbrauchs oder die Möglichkeit seiner rechtzeitigen Vorherbestimmung,
                              									sowie durch die Größe des sogen, eisernen Bestandes, der für außerordentliche Fälle,
                              									wie Bergarbeiterstreiks, unvorhergesehene große Truppentransporte usw. zu halten
                              									ist.
                           Je nach der Lage und Entfernung des Bahnhofs gegenüber den in Frage kommenden
                              									Grubenbezirken und je nach der Art und Weise, wie die Kohlen von der Grube zum
                              									Bahnhof befördert werden, kann entweder mit fortwährend gleichmäßiger, d.h. täglich
                              									ungefähr gleiche Mengen bringender Zufuhr gerechnet werden, oder sie erfolgt
                              									wenigstens innerhalb größerer Zeitabschnitte nach einer bestimmten Regel oder aber
                              									die Anlieferung ist eine unregelmäßige und unbestimmte. Liegt der Bahnhof in der
                              									Nähe des Grubenbezirks, so ist, abgesehen vom eisernen Bestand eine größere
                              									Aufspeicherung am Platze nicht erforderlich; ein erhöhter Bedarf läßt sich im
                              									allgemeinen noch rechtzeitig durch größere Zufuhr decken. Mit dem Wachsen der
                              									Entfernung des Bahnhofs vom Kohlengebiet sinkt der Grad der Regelmäßigkeit und
                              									Zuverlässigkeit in der Ankunft der Kohlen; für unvorhergesehene
                              									Verkehrssteigerungen, wie sie auch in normalen Zeiten vorkommen, müssen Vorräte
                              									gehalten werden. Erfolgt die Beförderung teilweise auf einem Wasserwege, der nicht
                              									das ganze Jahr hindurch schiffbar ist und will man mit Rücksicht auf die höheren
                              									Kosten die Zuhilfenahme der Eisenbahn vermeiden, so stockt die Zufuhr zu Zeiten der
                              									ungünstigen Wasserverhältnisse. Der Ausfall an Kohlen ist in den Zeiten der offenen
                              									Schiffahrt zu decken und oft für mehrere Monate auf Stapel zu halten.
                           Zu diesen Vorräten kommt der in Europa allgemein übliche „eiserne Bestand“,
                              									der vielfach bis zur Höhe des halben Jahresbedarfs gehalten wird und sich dabei
                              									selbst bei mittleren Bahnhöfen auf 20000 t und mehr belaufen kann.
                           Es würde die Lokomotivbekohlungsanlagen wesentlich vereinfachen, wenn man den
                              									eisernen Bestand abseits für sich liegen lassen könnte. Bei gleichmäßiger
                              									Kohlenzufuhr brauchte man dann lediglich unmittelbar von den Güterwagen auf die
                              									Tender zu verladen und falls neben dem eisernen Bestand eine Aufspeicherung auch für
                              									normale Zeiten erforderlich ist, hätte sich der Bereich der Anlage über einen viel
                              									kleineren Stapel zu erstrecken.
                           Dem steht aber der Umstand entgegen, daß die Kohlen bei längerem Lagern an der Luft
                              									auffallend an Heizwert verlieren. Sie verwittern; der Sauerstoffgehalt nimmt zu und
                              									bindet einen immer größer werdenden Teil des Kohlen- und besonders Wasserstoffs, der
                              									somit für die Heizung verloren ist. Mit der Zunahme des Sauerstoffs wächst auch die
                              									Gefahr der Selbstentzündung. Eine Ueberdachung und dichte Umschließung des
                              									Kohlenlagers kann zwar den Verwitterungsprozeß wesentlich verlangsamen, aber nicht
                              									verhindern. Die Oxydation schreitet dabei langsamer vorwärts; ist sie aber einmal so
                              									weit vorgeschritten, daß die chemischen Vorbedingungen zur Selbstentzündung gegeben
                              									sind, so wird diese beim geschlossenen Lager infolge der mangelhafteren Kühlung
                              									früher eintreten als beim offenen. Bis zum Verbrauch des eisernen Bestandes können
                              									aber Jahrzehnte vergehen und so lange hält auch das völlige Umschließen und Bedecken
                              									des Lagers die Verwitterung der Kohlen nicht auf. Dabei kann die Inanspruchnahme des
                              									eisernen Bestandes durch Umstände veranlaßt werden, die gerade gute Kohlen
                              									erfordern.
                           Der eiserne Bestand ist deshalb fortwährend zu erneuern.
                           Es wirft sich nun die Frage auf: Bringt man ihn besser unmittelbar in den Bereich der
                              									eigentlichen Bekohlungseinrichtungen oder nicht? Für die allermeisten Fälle dürfte
                              									diese Frage aus Gründen der Rentabilität der Gesamtanlage zu bejahen sein, besonders
                              									dann, wenn man neben den eigentlichen Betriebskosten auch die durch das Lagern und
                              									häufige Umladen entstehenden Verluste einigermaßen bei der Rentabilitätsrechnung
                              									berücksichtigt. Bringt man den eisernen Bestand in den Bereich der
                              									Bekohlungseinrichtungen, so daß er mit den auch für gewöhnliche Zeiten noch auf
                              									Lager zu haltenden Vorräten einen einzigen großen Stapel bildet, so wird seine
                              									Erneuerung völlig in den normalen Tagesbetrieb hineingeflochten. Die Entnahme aus
                              									dem Stapel beginnt an der Stelle, wo die ältesten Kohlen liegen und schreitet dem
                              									Alter nach fort; die frisch zugeführten Kohlen werden, soweit sie ins Lager und
                              									nicht unmittelbar von den Güterwagen auf die Lokomotiven kommen, in die entstandenen
                              									Lücken entladen. Die gesonderte Behandlung des eisernen Bestandes muß entweder
                              									derart erfolgen, daß ein Teil der täglich zu versorgenden Lokomotiven, etwa alle
                              									Güterzuglokomotiven von ihm aus bekohlt werden oder es werden dort von Zeit zu Zeit
                              									Kohlen auf Güterwagen geladen und zur eigentlichen Bekohlungsanlage geschafft. Der
                              									Abgang muß so bald als möglich durch frische Kohlen wieder ersetzt werden.
                           Die Notwendigkeit der Aufspeicherung und die Rücksichtnahme auf Brauchbarerhaltung
                              									des gesamten Vorrats durch seine stetige Erneuerung bringen es mit sich, daß die
                              									ankommenden Kohlen zu einem großen Teil zwei Wege durchlaufen müssen: vom Güterwagen
                              									in das Lager und später wieder vom Lager auf den Lokomotivtender. Andererseits
                              									machen es aber außer Rücksichten auf die Wirtschaftlichkeit der Bekohlungsanlage
                              									auch Rücksichten auf die Schonung der Kohlen erwünscht, daß die Verausgabung an die
                              									Lokomotiven unmittelbar vom Güterwagen aus erfolgt; denn jede Umladung, jeder
                              									einzelne Transportweg unterwirft die Kohlen mechanischen Einwirkungen, die zu
                              									Zerbröckelung, Grus- und Staubbildung führen und somit Gewichts- und
                              									Heizwertverluste verursachen. Grus wird leicht vom Winde entführt; als Brennstoff
                              									für die Kesselheizung ist er minderwertig, besonders bei Lokomotiven, wo er infolge
                              									der Blasrohrwirkung fortgerissen wird.
                           Durch zahlreiche Versuche ist festgestellt,Siehe
                                    											die Berichte zu der für den IX. internationalen Schiffahrtskongreß in
                                    											Düsseldorf 1902 gestellten Frage 3 über „Wertverminderung von Kohle und
                                       												Koks bei der Schiffsbeförderung“. daß die Kohle durch
                              									ein- bis zweimaliges Umladen auf übliche Weisen von der Bahn ins Schiff und
                              									umgekehrt je nach ihrer Härte, je nachdem sie eine Fett-, Flamm- oder Magerkohle,
                              									eine grob- oder eine feinstückige Kohle ist, infolge Grusbildung bis zu 8 v. H.
                              									ihres ursprünglichen Wertes verliert. Diese Zahl stellt allerdings einen ungefähren
                              									Höchstwert für weiche Kohlen dar. Inwieweit die Behandlung der Kohlen auf den
                              									verschiedenen Lokomotivstationen mit derjenigen in den Umschlaghäfen und
                              									Lagerplätzen verglichen werden kann, in denen jene Versuche stattfanden, läßt sich
                              									nur von Fall zu Fall feststellen. Eingehende Sieb- und Wiegeversuche, die ähnliche
                              									Verlustberechnungen für verschiedene Bekohlungseinrichtungen gestatten, sind mir
                              									weiter nicht bekannt. Welchen Wert solche Versuche für die Beurteilung von
                              									Bekohlungsanlagen hätten, geht aus der folgenden Betrachtung hervor. Die
                              									Betriebskosten der neueren Lokomotivbekohlungseinrichtungen betragen 0,10 bis 0,30
                              									M. für 1 Tonne verausgabter Kohlen; unter der Annahme, daß bei einem Preis von z.B.
                              									16 M/t nur 1 v. H.
                              									Wertverminderung auf der Bekohlungsstation entsteht, ergibt sich schon ein Verlust
                              									von 0,16 M. f. d. Tonne, also ein Verlust, der unter Umständen mehr ausmacht, als
                              									die Betriebskosten der Anlage selbst. Einigermaßen zuverlässige Angaben ließen sich
                              									unmittelbar in die Rentabilitätsberechnung der verschiedenen Anlagen einfügen.
                           Die obige Rechnung weist gleichzeitig darauf hin, welche Rücksicht die Schonung der
                              									Kohlen auch innerhalb einer Lokomotivstation verdient. Die Gewichtsverluste werden
                              									deutlich fühlbar beim Zusammenrechnen der in einem gewissen Zeitabschnitt
                              									verausgabten Kohlenmengen; trotz sorgfältigsten Wiegens wird sich stets eine Zahl
                              									ergeben, die weit geringer ist als diejenige, die den angekommenen Mengen
                              									entspricht. Dabei ist in dem Verlust, den dieser Ausfall anzeigt, noch nicht der
                              									Heizwertverlust der wirklich verausgabten Kohlen infolge Zerbröckelung
                              									enthalten.
                           Von ähnlichem Einfluß wie die Schonung der Kohlen auf die Wirtschaftlichkeit einer
                              									Bekohlungsanlage ist das rasche Entladen der Güterwagen. Der Schaden, der täglich
                              									entsteht, wenn eine Anzahl Wagen längere Zeit dem Verkehr entzogen werden oder etwa
                              									zu bezahlende Standgelder lassen sich unmittelbar in die Rentabilitätsberechnung
                              									einsetzen. Solche Wagen, von denen aus die Kohlen unmittelbar an die Lokomotiven
                              									verausgabt werden, müssen solange stehen, bis sie an die Reihe kommen. Die
                              									Forderung, daß die Wagen möglichst rasch zu entleeren und wieder abzuschieben sind,
                              									bezieht sich somit zunächst nur auf diejenigen, die in den Stapel entladen werden;
                              									weiter unten ist jedoch erörtert, wie diese Forderung durch Anordnung von
                              									Sammelrümpfen, besonders von Hochbehältern, aus denen die Kohlen auf die Tender
                              									rutschen, weiter ausgedehnt werden kann. Am leichtesten kommen dieser Forderung die
                              									Selbstentlader nach, sofern die ganze Anlage auf ihre Verwendung zugeschnitten ist;
                              									sie bedingen entweder erhöhte Gleise, die über den Stapel führen oder einen unter
                              									Schienenoberkante liegenden Stapel oder aber geeignete Vorrichtungen zum raschen
                              									Entfernen der aus ihnen fallenden Kohlen. Solche Vorrichtungen, sowie erhöhte Gleise
                              									oder Gruben werden sich aber nur dann als wirtschaftlich erweisen, wenn sie zugleich
                              									noch anderen Zwecken der Anlage dienen; lediglich die Verwendung von
                              									Selbstentladern kann ihre Anordnung innerhalb einer Lokomotivbekohlungsanlage nicht
                              									rechtfertigen; dazu ist im allgemeinen die Menge der bewegten Kohlen zu gering.
                              									Hochbahnrampen können bedeutende Vorteile bringen, wenn sie außer zum Entleeren der
                              									Selbstentlader auch noch zum unmittelbaren Bekohlen der Lokomotiven vom
                              									Selbstentlader aus zu benutzen sind, was sich z.B. bei einer Einrichtung nach Fig. 1 leicht durchführen ließe. Gruben werden bei
                              									den weiter unten erwähnten Huntschen Anlagen in
                              									vorteilhafter Weise zum Speisen von Becherwerken benutzt, die die Kohlen in
                              									Hochbehälter schaffen.
                           Wichtiger noch als das rasche Entladen der Güterwagen ist das rasche Bekohlen der
                              									einzelnen Lokomotiven. Wie schon oben ausgeführt ist, hat diese Bedingung
                              									hauptsächlich zu der Beachtung gedrängt, die man jetzt der Lokomotivbekohlung
                              									schenkt. Wie schnell die Kohlen verausgabt werden müssen, hängt von den
                              									Betriebsverhältnissen des Bahnhofs ab: ob der Bedarf einigermaßen gleichzeitig über
                              									den Tag verteilt ist oder ob eine größere Zahl von Lokomotiven zu derselben Zeit
                              									versorgt werden muß; ob hauptsächlich große Schnellzuglokomotiven mit großem Vorrat
                              									und scharf abgemessenen Fahrpausen oder etwa Vorortlokomotiven mit kleineren
                              									Vorräten in Betracht kommen und ob der Bahnhof für die Mehrzahl der Lokomotiven
                              									Ausgangs- oder nur Zwischenstation ist; ferner ist maßgebend, wieviel Lokomotiven
                              									gleichzeitig Kohlen nehmen können. Als ungefährer Maßstab sei hier angeführt, daß
                              									man mit einigen neueren Anlagen, die in dieser Hinsicht den an sie gestellten
                              									Forderungen leicht gerecht werden, im stande ist, eine Lokomotive mit ungefähr 5 t
                              									Vorrat in durchschnittlich zwei bis fünf Minuten zu bekohlen, gerechnet von ihrem
                              									Anhalten bei der Verausgabungsstelle bis zum Beginn der Abfahrt von da, einschl.
                              									Wiegen oder Messen der verausgabten Kohlenmenge in Stufen von 300–1000 kg. Beim
                              									reinen Handbetrieb ist mit allermindestens ebensovielen Viertelstunden zu
                              									rechnen.
                           Die Zeitdauer des Bekohlens wird beeinflußt durch die hin und wieder aufgestellte
                              									Bedingung, daß die Kohlen in Stufen von nur einigen hundert Kilogramm auf den Tender
                              									gegeben werden, damit das Lokomotivpersonal in der Lage ist, die großen Stücke
                              									auszusondern und für sich zurechtzulegen, um sie vor dem Einsetzen besonderer
                              									Leistungen, wie z.B. Bergfahrten, für die Gründung eines gut durchgebrannten Feuers
                              									zur Hand zu haben. Wenn diese Forderung auch nur selten eine ganz unbedingte ist, so
                              									erfordert sie doch für viele Stationen möglichste Berücksichtigung. Welchen Einfluß
                              									sie auf den Entwurf einer Bekohlungsanlage haben kann, deren besondere Bedingung es
                              									ist, die einzelnen Lokomotiven rasch zu versorgen, möge z.B. eine Einrichtung mit
                              									Selbstgreifer zeigen, bei der die Kohlen vom Greifer auf den Tender fallen. Je
                              									größer die Stufen sind, in denen die Kohlen an eine Lokomotive verausgabt werden, um
                              									so schwieriger ist das Aussuchen der großen Stücke und um so länger dauert es;
                              									andererseits gehen die Vorteile des Selbstgreifers zum größten Teil verloren, wenn
                              									er nur etwa 300–600 kg faßt. Ein befriedigender Vergleich für beide Ansprüche ist
                              									nicht zu finden; denn aus Greiferladungen von 1000 kg und mehr kann das Aussuchen
                              									der großen Stücke nicht hinreichend erfolgen, wenn nicht zwischen den einzelnen
                              									Ladungen so große Pausen gemacht werden, daß wieder die Schnelligkeit im Versorgen
                              									einer Lokomotive um so mehr leidet.
                           Von ähnlichem Einfluß auf die Dauer des Bekohlens ist die Forderung des Messens oder
                              									Wiegens der verausgabten Kohlen. Beim Messen haben sie Gefäße von bekanntem Inhalt
                              									zu durchlaufen. Die Ergebnisse sind abhängig von der jeweiligen Stückgröße und dem
                              									spezifischen Gewicht. Genauere Angaben erhält man im allgemeinen durch Wiegen;
                              									allerdings leidet diese Genauigkeit bei manchen ausgeführten Anlagen dadurch, daß
                              									Transport- und Konstruktionsteile mitgewogen werden, deren abzuziehendes Gewicht ein
                              									Vielfaches von demjenigen der Kohlen beträgt. Für einen flotten Verladebetrieb muß
                              									die Wage ebenfalls auf Kosten der Genauigkeit grob ausgeführt sein, wenn sie nicht
                              									häufige Reparaturen verursachen soll. Einige gebräuchliche Meßgefäße haben ferner
                              									noch den Nachteil, daß sie beim Schließen Kohlenstücke zerschneiden und zur Seite
                              									drücken müssen und deshalb einen ziemlichen Kraftaufwand erfordern; dafür hält das
                              									Wiegen wieder viel mehr auf als das Messen.
                           Zur Vermeidung des jedesmaligen zeitraubenden und unzuverlässigen Aufschreibens der
                              									abgegebenen Kohlenmenge durch das Personal und zu dessen Kontrolle empfiehlt es
                              									sich, die einzelnen Abgaben selbsttätig und fortlaufend anzumerken. Bei Meßgefäßen
                              									ist dabei lediglich die Anzahl der Füllungen, beim Wiegen auch noch das jeweilige
                              									Gewicht aufzuzeichnen. Werden diese Aufzeichnungen doppelt gemacht und zwar das eine
                              									Mal etwa auf eine abnehmbare Karte, so kann dem Lokomotivpersonal durch deren
                              									Auslieferung ein Beleg für die empfangene Kohlenmenge gegeben werden.
                           Eine vielfach aufgeworfene Bedingung ist auch die, daß die Lokomotiven verschiedene
                              									Kohlensorten in einem bestimmten Verhältnis gemischt oder auch ungemischt mitführen.
                              									Die Mischung ist schon vor oder während des Bekohlens herzustellen, nicht erst auf
                              									dem Tender. Meistens ist hierbei die Anordnung so zu treffen, daß ein Teil der
                              									Lokomotiven eine Mischung, der andere Teil nur eine der Kohlensorten erhält. Es kann
                              									z.B. der Fall vorliegen, daß zur Hauptsache Ruhrkohlen verbraucht werden und daß die
                              									Güterzuglokomotiven mit ihren geringer beanspruchten Kesseln auch nur Ruhrkohlen
                              									erhalten, während man bei den Schnellzuglokomotiven, deren Höchstleistung auf die
                              									Dauer lediglich durch die Kesselleistung begrenzt wird, einen gewissen Prozentsatz
                              									der stückreicheren und großflammigeren Saarkohle zugibt. Dazu kommt noch die
                              									Verwendung von Preßkohlen, sogenannten Kohlenziegeln. Wegen ihres geringen
                              									Raumbedarfs im geschichteten Zustande benutzt man sie gerne zur Bildung eines großen
                              									Teiles des eisernen Bestandes. Das Fördern und Verausgaben der Kohlenziegel auf den
                              									Tender ist noch ein wunder Punkt in der Frage der Lokomotivbekohlung. Bei
                              									Verwendung von geringen Mengen ist das Bieten von Hand zu Hand völlig ausreichend;
                              									bei größeren Mengen kostet es aber zuviel Zeit, besonders wenn es aus großen Lagern
                              									erfolgt. Eine befriedigende Lösung durch mechanische Mittel ist bis jetzt nicht
                              									gefunden worden; die meisten Erfolge errang noch der Selbstgreifer, trotzdem er sich
                              									schlecht füllt und ihm die Kohlenziegel zum Fassen erst umständlich vorgehäufelt
                              									werden müssen.
                           Erwähnt sei ferner wegen seines Einflusses auf die Ausgabevorrichtungen der Umstand,
                              									daß außer Lokomotiven mit angehängtem Tender auch Tenderlokomotiven zu bekohlen
                              									sind. Die Kohlenkasten der Tenderlokomotiven besitzen verhältnismäßig schmale,
                              									teilweise durch die Wände des Führerstandes begrenzte Oeffnungen, die das
                              									Einschütten der Kohlen sehr erschweren. Liegt der Vorratskasten auf einer Seite vor
                              									dem Führerstand, so ist der Bereich der Bekohlungseinrichtung auf beide Seiten
                              									auszudehnen; falls aber die Zahl dieser Tenderlokomotiven gering ist, kann das
                              									Hinüberschaffen der Kohlen von Hand nach der abgelegenen Seite in Kauf genommen
                              									werden, zumal das Fassungsvermögen dieser Seitenkasten klein ist.
                           In den meisten Fällen wird die Platzverteilungsfrage von einschneidender Bedeutung
                              									für den Entwurf einer Bekohlungsanlage sein. Je nach der Lage des in Betracht
                              									kommenden Raumes innerhalb des Bahnhofs und je nach dessen Art überhaupt kann in die
                              									Breite oder zur Hauptsache nur in die Länge gegangen werden; der letztere Fall ist
                              									wohl der häufigere, da lange und schmale Stapel für den Entwurf der
                              									Gleisdurchführungen weniger hinderlich sind als kurze und breite. Die Form der
                              									Stapel ist aber auch wieder von besonderem Einfluß auf die Wahl der Vorrichtungen
                              									zum Entladen der Güterwagen und zum Verausgaben der Kohlen an die Lokomotiven.
                              									Bereits vorhandene natürliche Bodenerhöhungen oder Gruben können u. U. in
                              									vorteilhafter Weise ausgenutzt werden.
                           Die folgende Besprechung der grundsätzlichen Anordnung ausgeführter Anlagen gibt noch
                              									zur Erörterung weiterer, teils allgemeiner, teils örtlicher Eigenheiten Gelegenheit.
                              									Von einer ausführlichen Beschreibung der einzelnen Anlagen ist Abstand genommen und
                              									dafür auf andere Literaturstellen verwiesen.
                           Konstruktive Einzelheiten sind herangezogen, sofern sie von Einfluß sind auf den Wert
                              									der Gesamtanordnung.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)