| Titel: | Neuere Industriebahn-Lokomotiven. | 
| Autor: | M.Erb | 
| Fundstelle: | Band 323, Jahrgang 1908, S. 740 | 
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                        Neuere Industriebahn-Lokomotiven.
                        Von Dipl.-Ing. Dr. M.Erb, Frankfurt a.
                              								M.
                        (Schluß von S. 723 d. Bd.)
                        Neuere Industriebahn-Lokomotiven.
                        
                     
                        
                           Fig. 7 und 8
                              									stellen einen ganz modernen Grubenlokomotivtyp dar. Dieses Fahrzeug findet auf der
                              										Charlottengrube in Czernitz (O.-S.) Verwendung. Die
                              									Lokomotive ist eine zweiachsige gußeiserne Lokomotive mit zwei seitlich angeordneten
                              									Führerständen. Sie ist für 420 mm Spur gebaut und mit zwei Motoren von normal je 12
                              									PS Stundenleistung ausgerüstet, die mit einfachem Vorgelege auf die Achsen arbeiten.
                              									Die Laufräder haben einen Durchmesser von 680 mm. Die größte Breite der Lokomotive
                              									beträgt 820 mm und ist so bemessen, daß die Lokomotive ohne weiteres auf den
                              									Förderkorb geschoben werden kann. Diese Eigenschaft ist besonders wertvoll, da
                              									sie bei größeren Reparaturen gestattet, die Lokomotive ohne große Schwierigkeiten
                              									über Tag zu befördern und die Demontage bequem über Tag vornehmen zu können. Die
                              									Lokomotive wiegt 5 t und ist zum Transport von 40 Kohlenwagen mit je 1 t Bruttolast
                              									auf wagerechter Strecke bestimmt. Ihre mittlere Geschwindigkeit beträgt etwa 3 – 3,3
                              									m i. d. Sekunde. Die Stromabnahme erfolgt mittels eines selbsttätig umlegbaren
                              									Spezial-Bügelstromabnehmers. Da die Fahrdrahthöhe in der Grube im Mittel nur 1700 mm
                              									beträgt und stellenweise sogar auf 1500 mm heruntergeht, war eine besondere
                              									Konstruktion des Bügelstromabnehmers erforderlich, die aus Fig. 9
                              									hervorgeht. Auf der
                              									mit Filz unterlegten Holzplatte A ist mittels der
                              									Schrauben S1 der
                              									gußeiserne Lagerbock B befestigt, in dem eine den
                              									Stromabnehmer tragende Schwinge mittels des Zapfens C
                              									drehbar gelagert ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 741
                              Fig. 7.
                              
                           Die Drehung des ganzen Systems um den Drehpunkt O kann nur aus der Horizontalebene in der Pfeilrichtung
                              										1, also nach unten erfolgen, ist dagegen nach oben
                              									durch den Anschlag D begrenzt. Diese eine Bewegung des
                              									Stromabnehmers ist erforderlich, damit er sich der um 20 cm schwankenden
                              									Fahrdrahthöhe jeweilig anpassen kann. Der Anpressungsdruck wird durch die beiden
                              									Federn F1 und F2 bewirkt. Der
                              									Stromabnehmer selbst ist ferner in der Schwinge mittels des Zapfens E mit dem Drehpunkt O1 frei drehbar gelagert, so daß er sich in den
                              									Pfeilrichtungen 2 bewegen kann, wobei der
                              									Anpressungsdruck gegen den Fahrdraht durch die Feder F3 bewirkt wird. Wechselt die Lokomotive
                              									die Fahrtrichtung, so wird das ganze System mittels der Feder F1 und F2 gegen den Fahrdraht
                              									gedrückt, während sich der Bügel der Fahrtrichtung entsprechend selbsttätig
                              									umlegt.
                           Das Scheifstück des Stromabnehmers ist aus Magnalium
                              									hergestellt. Der zur Steuerung dienende Kontroller ist ein
                              									Serien-Parallel-Kontroller ohne Kurzschlußbremsung und speziell für
                              									Grubenlokomotiven entworfen. Er ist außerordentlich gedrängt gebaut. Von der
                              									Anordnung einer besonderen Umschaltwalze wurde abgesehen, vielmehr ist der
                              									Kontroller nach Art der Wendekontroller ausgeführt, so daß bei Drehung der
                              									Fahrkurbel nach rechts auf Vorwärtsfahrt und bei Drehung nach links auf
                              									Rückwärtsfahrt geschaltet wird. Der mechanische Teil dieser Lokomotive stammt
                              									gleichfalls von der Karlshütte A-G., Altwasser.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 741
                              Fig. 8.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 741
                              Fig. 9.
                              
                           Einen Grubenlokomotivtyp, den man auch sehr häufig antrifft, zeigen die Fig. 10 und 11. Die
                              									dargestellte Lokomotive findet in größerer Anzahl auf der Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Langend rahm, Essen-Rüttenscheid,
                              									Verwendung. Sie ist zweiachsig, für 650 mm Spurweite gebaut und mit zwei Motoren von
                              									je 13,5 PS Leistung bei 220 Volt Spannung ausgerüstet, welche die Räder mittels
                              									Stirnradvorgeleges 1: 5,75 antreiben. Die Motoren sind ebenso wie bei
                              									Straßenbahnwagen an einem Ende schwingend auf der Lokomotivachse gelagert und am
                              									anderen Ende am Lokomotivuntergestell federnd aufgehängt. Um die vorgeschriebene
                              									größte Breite der Lokomotive nicht zu überschreiten, war eine besondere Anordnung
                              									der Laufräder notwendig.
                           
                           Das Lokomotivgestell erhielt nämlich doppelte Längswangen aus Schmiedeeisen,
                              									also einen Innen- und einen Außenrahmen. Der Innenrahmen ist mit gehobelten
                              									Aussparungen versehen, in denen die Achslagerkästen gleiten; die Laufräder liegen
                              									also zwischen Innen- und Außenrahmen. Der Laufkreisdurchmesser der Räder beträgt 680
                              									mm. Die Laufachsen sind 19 mm stark und bestehen aus Siemens-Martin-Stahl. Der Radstand der Lokomotive beträgt 1040 mm.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 742
                              Fig. 10.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 742
                              Fig. 12.
                              
                           Das eine Ende der Lokomotive ist zu einem Führersitze ausgebildet und mit einem
                              									Blechdache, dessen größte Höhe 1300 mm über Schienenoberkante beträgt, versehen. Der
                              									Führerstand wird nach der Mitte durch eine Blechwand mit großen Fenstern
                              									abgeschlossen. Die für das Steuern der Lokomotive erforderlichen Fahr- und
                              									Bremshebel sind so angeordnet, daß der Führer von seinem Sitze aus den Fahrschalter
                              									mit der linken Hand und den Hebel einer Spindelbremse mit der rechten Hand bedienen
                              									kann. Der Fahrschalter mit magnetischer Funkenlöschung ist für Reihen- und
                              									Parallelschaltung der Motoren eingerichtet. Außerdem kann man mit ihm jeden Motor
                              									einzeln abschalten. Das Führerhaus enthält noch eine von Hand abschaltbare
                              									Schmelzsicherung, die Hebel zu dem für beide Fahrtrichtungen getrennt wirkenden
                              									Sandstreuer, den Hebel für die Alarmglocke, endlich Schalter und Sicherungen für die
                              									Beleuchtungseinrichtung. Der Rollenstromabnehmer ist an dem dem Führersitze
                              									entgegengesetzten Ende der Lokomotive angeordnet; er hat eine Länge von 1430 mm
                              									für eine zwischen 1900 mm und 1500 mm über Schienenoberkante wechselnde
                              									Fahrdrahthöhe.
                           Der Lokomotivrahmen mit einer Höhe von 920 mm über Schienenoberkante wird durch
                              									Eisenplatten abgedeckt. Diese lassen sich leicht abheben, so daß das ganze Triebwerk
                              									bequem zugänglich ist. Der mechanische Teil der Lokomotive stammt ebenso wie
                              									derjenige der in Fig. 6 dargestellten Lokomotive von
                              									der Firma Hermann Heinrich Böker & Co., Remscheid.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 742
                              Fig. 11.
                              
                           Endlich sei noch eine Akkumulatoren Gruben-Lokomotive erwähnt, deren Ausführung man
                              									direkt als Standardtype bezeichnen kann, und die als solche bereits auf einer großen
                              									Anzahl von Zechen, z.B. Vereinigte Magarethe, Solde i.
                              									W., Grube Alexandria, Höhn i. Westerwald, Gewerkschaft Dorstfeld i. W., Zeche Werne i. W. und noch anderen Verwendung findet. Wie Fig. 12 zeigt, besteht die Lokomotive aus einem
                              									einfachen, schmiedeeisernen Rahmengestell, mit drei oder vier Reihen von je vier
                              									Tragrollen, deren Drehachse der Längsache der Lokomotive parallel sind. An den
                              									Stirnseiten der Lokomotiven sind ferner Seil- oder Kettenrollen angebracht, die auf
                              									gemeinsamer Welle aufgekeilt sind, und durch eine am rückwärtigen Ende der
                              									Lokomotive aufzusetzende Kurbel betätigt werden können. Diese Einrichtungen
                              									bezwecken, den Batteriekasten mit der Batterie, die an bestimmten Ladestellen
                              									geladen wird, leicht und schnell auf die Lokomotive aufsetzen zu können. Die sogen.
                              									Ladetische, die die entladene und wieder aufzuladende Batterie aufnehmen, sind in
                              									genau gleicher Weise wie die Lokomotive mit Tragrollen, Seil- oder Kettenrollen und
                              									Kurbel ausgerüstet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 323, S. 743
                              Fig. 13.
                              
                           Soll nun die auf der Lokomotive befindliche erschöpfte
                              									Batterie gegen eine frisch aufgeladene Reservebatterie ausgewechselt werden, so wird
                              									die Lokomotive vor den unbesetzten Ladetisch gefahren, die beiden Seile oder Ketten
                              									der Ladetische werden in zwei an den Stirnwänden des Batteriebehälters angeordnete
                              									Haken eingehängt, und die Batterie wird mit 2 – 3 Kurbeldrehungen von der Lokomotive
                              									auf den Ladetisch abgerollt (vergl. Fig. 13). In
                              									analoger Weise wird die auf dem anderen Ladetische stehende aufgeladene
                              									Batterie auf die Lokomotive abgesetzt. Der Batteriekasten wird auf der Lokomotive in
                              									einfachster Weise durch zwei Stifte, die in Winkeleisen an den Stirnseiten des
                              									Batteriebehälters greifen, arretiert und so gegen jede Verschiebung gesichert. Wird
                              									dann der doppelpolige Stecker, der an einem flexiblen Panzerkabel auf der Lokomotive
                              									angebracht ist, in die Steckdose des Batteriebehälters eingeführt, so ist die
                              									Lokomotive betriebfertig. Das Fahrzeug wiegt brutto mit Batterie etwa 5,5 t, ist mit
                              									zwei Gleichstrommotoren von zusammen 19 PS Leistung ausgerüstet und für 580 mm Spur
                              									gebaut. Auf die Batterie selbst entfallen von dem Bruttogewichte etwa 2,5 t. Die
                              									Batterie besteht aus 84 Elementen der Type III 100 der Akkumulatorenfabrik A.-G. Berlin und besitzt für einstündige Entladung
                              									eine Kapazität von 74 Amp./Std. bei Langsamaufladung, und 60 Amp./Std. bei
                              									Schnellaufladung. Die Lokomotive schleppt 25–30 beladene Kohlenwagen von je etwa
                              									0,92 t Bruttogewicht bei einem Gefälle von 3 – 4 ‰ mit einer Geschwindigkeit von 3
                              									m/Sek. und ist imstande, mit einer Batterieladung etwa drei Fahrten mit beladenem
                              									Zuge, und ebenso viele mit leerem Zuge bei 1 km einfacher Streckenlänge
                              									zurückzulegen.
                           Die elektrische Ausrüstung der beschriebenen Lokomotiven wurden von den Feiten & Guilleaume-Lahmeyerwerken, Dynomowerk,
                              									Frankfurt a. M., geliefert.