| Titel: | Die Herstellung großer nahtloser Rohre. | 
| Autor: | F. Lichte | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 43 | 
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                        Die Herstellung großer nahtloser
                           								Rohre.
                        Von F. Lichte.
                        (Schluß von S. 13 d. Bd.)
                        Die Herstellung großer nahtloser Rohre.
                        
                     
                        
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 43
                              Fig. 5. Verbindung vermittels nahtloser Ringlasche.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 43
                              Fig. 6. Verbindung vermittels Ueberlappung.
                              
                           Bezüglich der Zusammensetzung der einzelnen Kesselschüsse sind zwei Arten im
                              									Gebrauch. Die eine Verbindungsweise besteht darin, daß die Schüsse dicht
                              									aneinandergestoßen werden und über den Stoß von je zwei Schüssen ein nahtloses Band,
                              									eine sog. Ringlasche, gelegt wird, dessen Kanten dann verstemmt werden. Diese
                              									Verbindung ist aus Fig. 5 zu ersehen, welche
                              									letztere dabei gleichzeitig zu erkennen gibt, daß eine derartige Zusammensetzung nur
                              									für nahtlose Ringe in Frage kommt, während genietete Schüsse stets in- bezw.
                              									übereinandergeschoben verbunden werden. Für die Verbindung mittels besonderer
                              									nahtloser Bänder ist es also nur erforderlich, den Schuß einfach gerade abzustechen. Die andere
                              									Verbindung ist die durch Ueberlappung, wie sie in ähnlicher Weise auch bei der
                              									Herstellung des Kessels aus genieteten Schüssen zur Ausführung kommt. Bei der
                              									Zusammensetzung der einzelnen Blechringe in dieser Art wird je ein engerer Ring
                              									genau in den anderen weiteren hineingepaßt, so daß ebenfalls eine gute, dichte
                              									Rundnaht entsteht, welche sich leicht verstemmen läßt, was bei genieteten
                              									Kesselschüssen aber schwierig ist. In Fig. 6 ist
                              									diese Art der Verbindung mittels Ueberlappung näher gekennzeichnet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 44
                              Fig. 7. Nahtlose Turbinenmäntel und Zylindereinsatz.
                              
                           
                              
                                 Ueber-druckAt
                                 Heizflächeqm
                                 Kesselgewicht ohne Armat.
                                 Mindergewichtder Kessel
                                    											mitnahtlosemSchußv. H.
                                 
                              
                                 Schuß geniet.kg
                                 Schuß nahtloskg
                                 
                              
                                   8
                                   80
                                 15490
                                 12770
                                 17,4
                                 
                              
                                 10
                                 18820
                                 15390
                                 18,2
                                 
                              
                                 12
                                 20370
                                 16710
                                 18,2
                                 
                              
                                   8
                                 100
                                 18390
                                 14980
                                 18,5
                                 
                              
                                 10
                                 22160
                                 17890
                                 19,2
                                 
                              
                                 12
                                 26120
                                 21030
                                 20,2
                                 
                              
                           Das Gewicht der Kessel aus nahtlosen Schüssen, gegenüber denjenigen aus
                              									längsgenieteten Schüssen, stellt sich um etwa 15 bis 20 v. H. niedriger, dabei ist
                              									eine Verschwächung durch Längsnähte nicht vorhanden, sondern es kann das volle Blech
                              									in Rechnung gezogen werden. Zum kurzen Vergleich der Gewichtsunterschiede von z.B.
                              									Zweiflammrohrkesseln, deren Typus auch in den Fig. 5
                              									und 6 dargestellt ist, diene die vorstehende
                              									Tabelle.
                           Mit dem Dampfdruck und der Größe des Kessels wächst natürlich dieser Gewinn an
                              									Gewicht, wie auch die Tabelle zeigt.
                           In bezug auf Größenverhältnisse der nahtlosen Kesselschüsse bewegt sich die
                              									Fabrikation in den für Kessel üblichen Grenzen. Als normale Dimensionen gelten die
                              									lichten Durchmesser von 1100–2400 mm bei einer Wandstärke von 10–18 mm und mehr; die
                              									erreichbaren Maximallängen sind hierbei 1500–2500 mm. Außer diesen Normalgrößen sind
                              									bereits Dimensionen bis 3500 mm lichten Durchmessers erreicht.
                           Das verwendete Material der nahtlosen Kesselschüsse ist bestes Siemens-Martin-Flußeisen entweder nach den Würzburger
                              									oder Hamburger Normen, oder aber nach den Bedingungen des englischen Lloyds; auch
                              									lassen sich noch härtere Qualitäten walzen.
                           Mit Vorteil finden die nahtlosen Rohre auch Verwendung als Feuerrohre. Als solche
                              									bieten sie im Vergleich mit den bis jetzt hauptsächlich verwendeten geschweißten
                              									Rohren eine größere Festigkeit und unbedingte Sicherheit; besonders unzuverlässig
                              									wird nämlich eine Schweißnaht, wenn sie noch Formänderungen erfährt, wie es beim
                              									Wellen und Bördeln der Feuerrohre geschieht. Die Feuerrohre der in den Fig. 5 und 6
                              									dargestellten Zweiflammrohrkessel sind nahtlose Wellenrohre. Die Verbindungsart der
                              									Rohre ist auch hier verschieden. In Fig. 5 sind die
                              									Wellrohre stumpf gestoßen und der Stoß mit Ringlasche versehen, genau in derselben
                              									Weise, wie bei den Schüssen dieser Figur. Dagegen zeigt Fig. 6 die ineinander geschobenen Wellrohre nach Art der Verbindung der
                              									hierzu gehörigen Kesselschüsse. Außer diesen beiden Formen der Enden lassen sich die
                              									Wellrohre auch flanschen, sowie der Oeffnung im Kesselboden anpassen. Die nahtlosen
                              									Wellrohre lassen sich in beliebiger Länge herstellen, wobei man im allgemeinen 3500
                              									mm als Maximallänge annimmt; der lichte Durchmesser beträgt bis zu 2000 mm und in
                              									der Regel nicht unter 700 mm, und die Wellenhöhe gewöhnlich 50 mm. Auch die
                              									Wellrohre sind vor der Verwendung unbedingt zu glühen, um einem späteren Verziehen
                              									im Feuer entgegenzuwirken.
                           Nachdem im Dampfkesselbau schon reichlich gute Erfahrungen mit der Verwendung der
                              									großen nahtlosen Rohre vorliegen, kann man annehmen, daß sie hier bald allgemein zur
                              									Einführung gelangen werden. Nach Ansichten von Fachmännern stehen Bedenken dieser
                              									Anwendung heute nicht mehr entgegen, ja sogar andere Industrien, wie hauptsächlich
                              									der Maschinenbau, machen sich bereits die Vorteile des nahtlosen Hohlmaterials
                              									dieser Art zu nutze. Bezüglich des Materials ist es auch bei der Herstellung der
                              									Ringe gleichgültig, welche Festigkeit es hat; man ist daher nicht auf ein bestimmtes
                              									Material angewiesen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 44
                              Fig. 8. Trockenzylinder mit nahtlos gewalzten Mänteln für Dampfwäschereien und
                                 										Papierfabriken.
                              
                           Aus dem sehr umfangreichen Anwendungsgebeit des nahtlosen Hohlfabrikats im
                              									Maschinenbau seien nachstehend einige Verwendungsfälle der Preß- and Walzwerk-A.-G. aufgeführt. In Fig.
                                 										7 sind 2 nahtlose Turbinenmäntel und ein nahtloser Dampfzylindereinsatz
                              									bildlich wiedergegeben. Der größte Durchmesser dieser Turbinenmäntel ist 2400 mm bei
                              									einer Länge bis zu 2600 mm. Bei längeren Turbinenringen werden zwei Ringe durch eine
                              									ebenfalls nahtlos hergestellte Lasche von entsprechender Breite miteinander
                              									verbunden. Die Grössenverhältnisse der nahtlos gewalzten Zylindereinsätze ist
                              									gleichfalls bis 2400 mm Durchmesser und 2600 mm Länge in beliebiger Wandstärke. Die
                              									Qualitätsgrenzen des für diese Fabrikation verwendeten Materials liegen in bezug auf
                              									Festigkeit zwischen 35 und 90 kg/qmm, je nach dem Zweck, für welchen das Fabrikat
                              									bestimmt ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 45
                              Fig. 9. Nahtlos gewalzte Zentrifugenmäntel, nach innen umgebördelt.
                              
                           In der Herstellungsmöglichkeit solcher Erzeugnisse liegt ein besonderer Vorzug.
                              									Früher hat man sich bei einem Materiale von geringer Festigkeit – etwa bis 40 kg/qmm – mit einer
                              									Schweißnaht behelfen müssen, trotz der mehrfach erwähnten Unzuverlässigkeit
                              									derselben, und die Herstellung von Zylindern aus härterer Qualität ließ sich nur
                              									durch Ausbohren geschmiedeter Blöcke erreichen, da ein Schweißen von derartig
                              									härterem Material unmöglich ist. Außerdem kommt aber noch hinzu, daß geschmiedete
                              									und ausgebohrte Zylinder die hauptsächlichste Verarbeitung in der Längsrichtung
                              									haben und dementsprechend in dieser Richtung stets höhere Festigkeit und Dehnung
                              									besitzen als in der Querrichtung, in welcher meist die größte Beanspruchung
                              									sattfindet. Demgegenüber ist die Verarbeitung des Materials in der oben
                              									beschriebenen Weise eine wesentlich intensivere und zweckentsprechendere, denn
                              									dieselbe erfolgt sowohl in der Längsrichtung wie auch in der Querrichtung.
                           Fig. 8 zeigt die Anwendung der großen nahtlosen Rohre
                              									als Heißzylinder oder Trokkentrommeln für Dampf Waschanstalten, Papierfabriken usw.
                              									Der Vorteil der nahtlosen Heißzylinder gegenüber den gußeisernen und geschweißten
                              									Zylindern besteht in der Hauptsache darin, daß sie bei erhöhter Betriebssicherheit
                              									wesentlich leichter sind und ein Undichtwerden ausgeschlossen ist. Sodann bietet der
                              									nahtlose Mantel eine äußerst glatte Oberfläche, wie solche bei gegossenen oder
                              									geschweißten Zylindern nicht erzielt werden kann; auch bleibt die Oberfläche
                              									bei längerer Betriebsdauer bestehen. Die gepreßten Böden werden mittels Wassergas
                              									oder auf Koksfeuer in die nahtlosen Mäntel eingeschweißt und die Lagerzapfen mit
                              									Schraubenbolzen unter Mitbenutzung von geeignetem Dichtungsmateriale befestigt. Die
                              									gangbarsten Größen der nahtlosen Heißzylinder bewegen sich zwischen 500–1250 mm
                              									Durchmesser und einer Länge von 1500–3500 mm; als Maximaldurchmesser anderer Größen
                              									ist 2400 mm gesetzt.
                           Fig. 9 bringt die Abbildung von drei nahtlos
                              									gewalzten und nach innen umgebördelten Zentrifugenmänteln, welche für alle Arten von
                              									Zentrifugen hergestellt werden. Bei einer Länge im allgemeinen bis zu 1500 mm kommen
                              									diese Zentrifugenmäntel von 450 mm–2300 mm Durchmesser vor und entsprechend dem
                              									jeweiligen Durchmesser steigt die Wandstärke von 8 mm an aufwärts.
                           Fig. 10 zeigt einige spezielle Ausführungen von
                              									Windkesseln und Hochdruckluftbehältern für hydraulische Preßpumpanlagen und
                              									Luftdruck-Akkumulatoren. Diese Behälter halten einen Druck bis zu 400 at aus.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 45
                              Fig. 10. Windkessel und Druckluftbehälter für hohen Druck (300–400 at).
                              
                           Im Walzwerksbau finden nahtlose Mäntel eine sehr geeignete Verwendung für die
                              									Herstellung von Rollgangsrollen. Diese leichten Rollgangsrollen aus nahtlos
                              									gewalzten Stahlzylindern geben ein Mittel an die Hand, die für den Antrieb der
                              									Rollgänge aufzuwendende Kraft nach Möglichkeit zu verringern. Während z.B. die
                              									bisher aus Gußeisen oder Stahlguß angefertigten Rollen von 2,5 m Länge und mehr für
                              									Rollgänge vor und hinter den Walzen eines größeren Walzwerkes wohl kaum unter einer
                              									Wandstärke von 30 bis 40 mm verwendet werden können, einerseits, weil sonst die
                              									notwendige Haltbarkeit nicht erreicht würde, andererseits, weil das Abgießen von
                              									derartigen Rollen in Stahlguß für die Wandstärken eine gewisse Grenze nach unten
                              									vorschreibt, so genügt bei den nahtlosen Rollen für diesen Fall schon eine
                              									Wandstärke, welche eine Gewichtsverringerung der Rollen von etwa 30–40 v. H.
                              									herbeiführt. Der zum Betriebe einer solchen Anlage notwendige Kraftverbrauch wird
                              									sich, wie die Versuche gezeigt haben, bei Anwendung dieser Rollen um 20 bis 25 v. H. vermindern,
                              									wobei die Widerstandsfähigkeit der letzteren gegenüber den Gußrollen sich um etwa
                              									30–40 v. H. erhöht. Die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Rollen ist ebenso
                              									wichtig, wie die Verminderung des Kraftverbrauchs, da mit der Widerstandsfähigkeit
                              									der Rollen die Betriebssicherheit der ganzen Rollgangsanlage wächst; natürlich trägt
                              									eine geringere Beanspruchung der Antriebmechanismen auch zur Erhöhung der
                              									Betriebssicherheit bei. Die Befestigung der Rollen auf den Achsen geschieht in
                              									verschiedener Weise und sind Fig. 12. einige
                              									Beispiele der Befestigung in den Fig. 11, 12 und 13
                              									wiedergegeben. Die Größe und Wandstärke der Rollgangsrollen mit nahtlosen Mänteln
                              									sind in den hierfür in Frage kommenden Grenzen beliebig auszuführen.
                           Endlich lassen sich noch für den heute so sehr in der Entwicklung stehenden
                              									Automobilbau nahtlose Fabrikate mit besonderem Vorzug als Stahlfelgen, Bänder und
                              									Reifen verwenden.
                           Mit diesen angezogenen wenigen Beispielen ist also gezeigt, daß bei dem heutigen
                              									Stande der Technik, bei welchem die Ansprüche an alle Konstruktionsteile und
                              									Materialien immer höher werden, die oben beschriebene Walzungsweise großen
                              									nahtlosen Hohlmaterials – besonders für den modernen Dampfkesselbau – von großer
                              									Wichtigkeit und als ein bedeutender Fortschritt zu bezeichnen ist; man hat durch
                              									dieses Verfahren ein weit widerstandsfähigeres Material zur Verfügung als
                              									bisher.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 46
                              Rollgangsrollen aus nahtlos gewalztem Material.