| Titel: | Luftseilbahn zum Transport von Versatzmaterial. | 
| Autor: | P. Stephan | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 65 | 
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                        Luftseilbahn zum Transport von
                           								Versatzmaterial.
                        Von P. Stephan,
                           								Dortmund.
                        Luftseilbahn zum Transport von Versatzmaterial.
                        
                     
                        
                           Infolge der dichten Bebauung des westfälischen Kohlenbezirkes sind die dortigen
                              									Zechen gezwungen, alle abgebauten Grubenstrecken wieder mit Versatzmaterial
                              									auszufüllen, um die häufig zu sehr hohen Ersatzansprüchen führenden Bodensenkungen
                              									zu vermeiden. Natürlich werden dafür in erster Linie die eigenen Berge jeder Zeche
                              									benutzt, und. so kommt es, daß die das Landschaftsbild gerade nicht verschönernden
                              									großen Halden allmählich wieder verschwinden. Viele Zechen bringen jetzt von dem
                              									beim Durchbruch von Stollen weggearbeiteten Gestein überhaupt nichts mehr nach oben
                              									und schaffen auch alle Steine, die sich bei der Wäsche und Auslese der Kohlen
                              									finden, sogleich wieder nach unten. Immerhin genügt das so gewonnene Material nicht
                              									für den tatsächlich riesigen Bedarf großer Bergwerke, und verschiedene neu angelegte
                              									Gruben sehen sich deshalb genötigt das erforderliche Versatzmaterial zum Teil
                              									fremden, älteren Halden zu entnehmen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 65
                              Fig. 1. Lageplan der Luftseilbahn.
                              
                           So hat z.B. die Harpener Bergbau-Aktiengesellschaft für
                              									ihre beiden bei Dortmund gelegenen Zechen Scharnhorst und Courl einen Vertrag mit
                              									dem Hoerder Bergwerks- und Hüttenverein, jetzt Phoenix-Aktiengesellschaft, abgeschlossen dahingehend,
                              									daß diese eine etwa 4 km von jeder Zeche entfernte, bei der Zeche Schleswig gelegene
                              									Halde des Hoerder Vereins allmählich abbauen und vor
                              									allen Dingen die dorthin abgefahrene frische Schlacke und Asche des Hoerder Hochofenwerkes usw. verbrauchen. Fig. 1 gibt nach einem Ausschnitt aus der
                              									Generalstabskarte einen Ueberblick über die Lage der drei Stellen zueinander und
                              									zeigt ferner, daß bei der intensiven Bebauung des Geländes und der notwendig
                              									werdenden Kreuzung von Eisenbahnen und Hauptverkehrswegen in der Nähe großer
                              									Ortschaften trotz des nahezu ebenen Geländes kein anderes Transportmittel als die
                              									Luftseilbahn in Frage kommen konnte.
                           Die Beladestation bei Zeche Schleswig hätte sehr einfach ausfallen können, wenn man
                              									nur die vorhandene Halde hätte abbauen wollen. Es hätte dann der kleine in Fig. 2 ganz links bezw. ganz rechts angegebene Teil
                              									der Anlage genügt, wo die leer ankommenden Grubenwagen auf leicht verlegbare und so
                              									dem Abbau der Halde folgende Schmalspurgleise gesetzt und die gefüllten Wagen wieder
                              									an dem Seilbahngehänge befestigt werden. Zu dem Zweck läßt man die Schmalspurgleise
                              									an den betreffenden Stellen einige cm so hoch ansteigen, daß die an Ketten der
                              									Seilbahngehänge sitzenden Haken dann in Aussparungen der Grubenwagenkasten
                              									eingreifen können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 65
                              Fig. 2. Beladestationen der Seilbahnen bei Zeche Schleswig.
                              
                           Ganz wesentlich größere und kostspieligere Einrichtungen erforderte die Verladung der
                              									frischen von Hoerde kommenden Schlacke usw.: Die nach
                              									Zeche Schleswig gehende normalspurige Eisenbahn wurde auf die Halde hinaufgeführt
                              									und endet an deren Nordseite in mehreren Verschiebe- bezw. Entladegleisen. Eins davon geht
                              									über eine Reihe von 22 großen, gemauerten Füllrümpfen hinweg, die, wie Fig. 2 darstellt, an die Halde herangebaut sind.
                              									Jeder Füllrumpf besitzt ein Fassungsvermögen von 150 cbm, so daß insgesamt 3300 cbm
                              									Versatzmaterial hier aufgespeichert werden können, eine Menge, die zum Ausgleich der
                              									Schwankungen in An- und Abfuhr gerade ausreicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 66
                              Fig. 3. Füllrumpfanlage bei der Zeche Schleswig, Beladestelle der beiden
                                 										Seilbahnen nach Zeche Scharnhorst und Zeche Courl.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 66
                              Fig. 4. Beladen der Wagen aus den Füllrümpfen.
                              
                           Die Bewegung der Wagen auf diesen Verschiebe- und Entladegleisen erfolgt durch ein
                              									Seil, das von einer elektrisch angetriebenen Winde angezogen wird, so daß dort oben
                              									außer dem Maschinenwärter und dem den Seilhaken anlegenden und die Verschiebung
                              									überwachenden Mann nur noch die Entladearbeiter tätig sind, da selbstentleerende
                              									Wagen nicht in genügender Menge zur Verfügung stehen. Um zu verhüten, daß etwa zu
                              									große Stücke in die Füllrümpfe gelangen, die nicht durch die unteren
                              									Verschlußschurren gehen, ist die Einschüttöffnung noch durch einen groben, aus
                              									Profileisen bestehenden Rost abgedeckt. Eine Gesamtansicht der Anlage gibt Fig. 3 wieder, die im Vordergrunde auch eine Reihe
                              									von Grubenwagen zeigt, die nach der Rückseite der Halde zur Beladung herumgeführt
                              									werden. Die im Hintergrunde sichtbare Seilbahn nach Zeche Scharnhorst überschreitet dort einen tief eingeschnittenen Fahrweg,
                              									der von einer hölzernen Schutzbrücke überdeckt ist.
                           Vor den Entladeschurren der Füllrümpfe laufen zwei getrennte Hängebahnanlagen
                              									entlang, wie Fig. 2 andeutet. Auch dort hat man nach
                              									Möglichkeit an Bedienung zu sparen gesucht und leitet deshalb die Wagen selbsttätig
                              									mit Hilfe eines Knotenseiles langsam herum. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt etwa
                              										0,15m/Sek. Die
                              									Antriebsvorrichtungen der beiden Knotenseile sind in die verlängerten Endstationen
                              									der Luftseilbahnen eingebaut worden. Die ziemlich langen Grubenwagen werden nun während der Fahrt beladen dadurch, daß ein
                              									Bedienungsmann die Abschlußklappe des Füllrumpfes vermittels einer Zugkette für
                              									wenige Sekunden öffnet (Fig. 4). Allerdings häuft
                              									sich die Ladung dann gewöhnlich in dem vorderen Teile des Wagens etwas an, während
                              									der hintere nicht ganz voll wird. Um das auszugleichen, ist jetzt eine
                              									Abstreichvorrichtung eingebaut worden, die die Ladung gleichmäßig verteilt. Sie
                              									besteht im wesentlichen aus zwei kräftigen Besen, die von beiden Seiten über den
                              									Wagen reichen und um senkrechte Achsen drehbar sind. Die Arme sind durch Gewichte
                              									derartig belastet, daß die Besen bei großem Widerstände, wenn also ein sehr großes
                              									Stück obenauf liegt, nachgeben, sonst aber die Oberfläche der Ladung glätten und abstreichen.
                              									Die beiden Zubringegleise mit dem Knotenseilbetrieb sind von C. W. Hasenklever Söhne in Düsseldorf, die eigentlichen Seilbahnen nach
                              									den Zechen von Adolf Bleichen & Co. in Leipzig erbaut worden. Letztere Firma hat auch
                              									die Entwürfe für die Füllrümpfe geliefert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 67
                              Fig. 5. Drahtseilbahnlinie Schleswig-Courl, Entladestation beim
                                 										Schachtgebäude.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 67
                              Fig. 6. Schräge Schutzbrücke.
                              
                           Zuerst wurde die Luftseilbahn nach Zeche Courl angelegt, die eine Länge von 4610 m
                              									bei einem Gesamtgefälle von 22,3 m hat. Man ersieht aus Fig. 1, daß die Bahn nicht in der sonst üblichen Weise geradlinig
                              									ausgeführt worden ist, wobei fremde Grundstücke hätten überschritten werden müssen,
                              									deren Besitzer sich ablehnend verhielten, sondern daß sie vielmehr in der Mitte der
                              									Strecke nach Norden herumschwenkt. Bei dem verhältnismäßig geringen Ablenkungswinkel
                              									hat man keine Winkelstation eingebaut, sondern die Bahn einfach mit einem
                              									Halbmesser von allerdings 20 km gebrochen. Es haben sich daraus bei dem recht kurzen
                              									Wagenabstand von durchschnittlich 42 m nicht die geringsten Anstände ergeben.
                           Die Wagen hängen, wie schon erwähnt wurde, vermittels Ketten an je zwei Seilbahnwagen
                              									(vergl. Fig. 5). Nur der vorderste Wagen wird mit
                              									dem Zugseil in bekannter Weise gekuppelt, dagegen sind die Kupplungsklauen des
                              									zweiten Wagens so ausgebildet, daß sie das Seil nur lose umfassen, damit je nach den
                              									besonderen Verhältnissen kleine Verschiebungen beider Wagen gegeneinander
                              									stattfinden können, die zum sicheren Betrieb nötig sind.
                           Die verschiedenen von der Bahn überschrittenen Eisenbahngleise und Straßen sind
                              									sämtlich von eisernen Schutzbrücken überdeckt. Am Ende geht die Seilbahn über die
                              									Verladegleise und Koksöfen der Zeche Courl hinweg; dort ist die ganze Strecke mit
                              									einem Schutznetz abgedeckt (Fig. 5), das auf zwei
                              									Tragseilen und den dazwischen angebrachten Versteifungseisen liegt. Die Tragseile
                              									des Schutznetzes sind ihrerseits wieder an besonderen Auslegern der Seilbahnstützen
                              									befestigt und in den Endpunkten entsprechend verankert.
                           Die zweite, etwas später gebaute, nach der Zeche Scharnhorst gehende Bahn ist
                              									geradlinig und besitzt eine Länge von 3970 m bei 22,5 m Gefälle. Da sie mehrere Straßen in recht
                              									spitzem Winkel schneidet, so mußten die Schutzbrücken zum Teil ganz eigenartig
                              									ausgebildet werden, wie z.B. Fig. 6 darstellt.
                           Ursprünglich war die Seilbahn so projektiert, daß sie direkt in die Vorderseite des
                              									auf Fig. 7 sichtbaren Schachtgebäudes eintritt.
                              									Später wurde beschlossen, sie von der anderen Seite in das Gebäude einzuführen, so
                              									daß eine zweimalige Ablenkung, einmal nach rechts und dann in einem Bogen von etwa
                              									90° nach links, stattfinden mußte. Auch diese Umführung erfolgt völlig selbsttätig
                              									durch zwei Reihen hintereinander liegender Seilscheiben, ohne daß überhaupt jemand
                              									zur Ueberwachung dabei ist. Fig. 7 gibt einen
                              									Gesamtüberblick darüber. Man erkennt, daß die fragliche, ganz in Eisen konstruierte
                              									Strecke ein die mechanische Werkstätte enthaltendes Gebäude gerade mitten in der
                              									Krümmung überdeckt und dann hinter dem Schachtgebäude weiterläuft bis zu dem
                              									erhöhten Teil, wo sich die Hängebank des zweiten Schachtes befindet. Der vordere
                              									Teil dieser Hängebahnanlage war deshalb besonders kräftig auszuführen, weil dort die
                              									Tragseile für den übrigen Teil der Bahn verankert sind.
                           Am Ende der ganzen Bahn laufen die Grubenwagen mit ihren Rädern wieder auf
                              									ansteigende Schienen auf, nachdem die Seilbahnlaufwerke bereits vorher vom Zugseil
                              									abgekuppelt sind. Sie rollen dann entweder im Gefälle dem benachbarten Schacht zu
                              									oder werden dem zweiten dahinter befindlichen vermittels einer Kettenbahn
                              									zugeschleppt. Die Gehänge der Luftseilbahn werden, nachdem die Wagen abgenommen
                              									sind, von dem Zugseil wieder ergriffen und nach der Beladestelle geschafft, wo die
                              									leeren Grubenwagen in derselben Weise angehängt werden.
                           Man wählte für jeden Grubenwagen zwei Gehänge, um nicht einen zu großen Raddruck auf
                              									das Tragseil zu erhalten. Da das spez. Gewicht der Ladung sehr verschieden ist, je
                              									nachdem nur Erde, Asche oder granulierte Schlacke gefördert wird, so kommt in einen
                              									Grubenwagen eine Nutzlast von 800–1300 kg; dazu tritt noch das Gewicht der schweren
                              									Grubenwagen selbst, so daß der Raddruck auf 400 kg und mehr steigt. Eine noch höhere
                              									Einzellast würde bei der kurzen Wagenfolge selbst die patentverschlossenen
                              									Tragseile mit völlig glatter Oberfläche zu schnell verschleißen.
                           Die Leistung beider Bahnen ist eine recht bedeutende. Da stündlich 170 Wagen
                              									gefördert werden mit durchschnittlich 1000 kg Inhalt, so kommt man auf eine
                              									Fördermenge von 170 t i. d. Stunde, deren Fahrtgeschwindigkeit 2 m/Sek.
                              									beträgt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 68
                              Fig. 7. Kurven vor der Einmündung in Station Schamhorst.
                              
                           Die Förderkosten für 1 t belaufen sich bei dem Transport von der Halde nach Courl
                              									für
                           
                              
                                 Anfuhr des Materials zur Halde, Entladung
                                    											derEisenbahnwagen, Beladung der Seilbahnwagenaus den Füllrümpfen,
                                    											Aufsicht und Amortisationder Füllrümpfe auf
                                 11
                                 Pf.
                                 
                              
                                 Transport der Wagen bis Courl einschließlichBewegung in
                                    											der Belade- und Entladestation,Schmierung und Unterhaltung der
                                    											Förderwagenund der Luftseilbahn, Aufsicht und Amor-tisation
                                    											auf
                                 23
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 also insgesamt auf
                                 34
                                 Pf.
                                 
                              
                           Da für die Linie nach Zeche Scharnhorst die Kosten der Füllrümpfe etwas geringer sind
                              									(vergl. Fig. 2), so stellt sich der Förderpreis
                              									dorthin noch etwas niedriger. Er steigt allerdings infolge der größeren Arbeitslöhne
                              									in beiden Fällen, wenn das Material nicht aus den Füllrümpfen, sondern von der Halde
                              									genommen wird.
                           Das Beispiel zeigt, zu welchen Mitteln der Kohlenbergbau greifen muß und welche
                              									Kosten dabei aufzuwenden sind, um überhaupt eine dem Außenstehenden ganz
                              									nebensächlich erscheinende Aufgabe lösen zu können.