| Titel: | Eine Beziehung zwischen den physikalischen Eigenschaften der Metalle und ihrem Atomgewicht. | 
| Autor: | H. Sieglerschmidt | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 138 | 
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                        Eine Beziehung zwischen den physikalischen
                           								Eigenschaften der Metalle und ihrem Atomgewicht.
                        Von Dr.-Ing. H.
                                 								Sieglerschmidt.
                        Eine Beziehung zwischen den physikalischen Eigenschaften der
                           								Metalle und ihrem Atomgewicht.
                        
                     
                        
                           Das Studium der physikalischen Eigenschaften der Metalle, wie Elastizität,
                              									Wärmeausdehnung, Wärmekapazität, legt den Gedanken nahe, die Möglichkeit eines
                              									gesetzmäßigen Zusammenhangs zwischen diesen Eigenschaften zu untersuchen.
                           Die Beschäftigung mit dieser Frage führte mich auf empirischem Wege zur Auffindung
                              									einer Regel, die dem Verhalten der Metalle nach Maßgabe des folgenden
                              									Zahlenmaterials gut zu entsprechen scheint.
                           Bezeichnet:
                           ß den linearen
                              									Ausdehnungskoeffizienten, d.h. den Längenzuwachs in cm eines Stabes von 1 cm Länge
                              									bei einer Temperaturerhöhung um 1° C,
                           E den Elastizitätsmodul in kg/qcm,
                           w die spezifische Wärme in g kal,
                              									d.h. die einem g der Substanz für 1° C Temperaturerhöhung zugeführte Wärme in
                              									kal,
                           s das spezifische Gewicht in g/ccm,
                           A das Atomgewicht,
                           so ist nach meiner Ermittelung
                           \beta\,.\,E=\mbox{ Konstante
                                 										}.\,\frac{w\,s}{\sqrt[3]A} . . . . . . 1)
                           und zwar ist der Wert der Konstanten gleich rund 100.
                           In Worten lautet die Regel: Der Kraftzuwachs ß E, welcher zur
                                 										linearen Verlängerung eines Würfels von 1 ccm um ß cm (entsprechend einer
                              									Temperaturerhöhung um 1° C) erforderlich ist, ist
                                 										proportional der dem Würfel bei der Temperaturerhöhung um 1° C zugeführten
                                 										Wärmemenge w. s und umgekehrt proportional der dritten Wurzel aus dem
                                 										Atomgewicht.
                           Nach der Regel von Avogadro entspricht bei Metalldämpfen
                              									das Atomgewicht A der Menge der Moleküle in der
                              									Volumeinheit, ∛A also der linearen Dichte der
                              									Moleküle.
                           Bei Metallen im festen Aggregatzustande tritt an die Stelle von ∛A die dritte Wurzel aus dem Atom- volum
                              										\sqrt[3]{\frac{A}{s}}. Diese Größe läßt sich indessen nach
                              									meiner auf Grund des vorliegenden Zahlenmaterials angestellten Untersuchung nicht in
                              									so guten Zusammenhang mit den übrigen Größen bringen, wie ∛A (Regel 1).
                           Tabelle I (Elemente).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 138
                              Metall; Elastizitätsmodell;
                                 										Ausdehnungszahl; Spezif. Wärme; Spezif. Gewicht; Atomgewicht; Abweichung von
                                 										100; Vergl. auch Tab. III; E schwer zu ermitteln; Nur eine Bestimmung von
                                 										E.
                              
                           Tabelle II (Legierungen)
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 138
                              Metall; Elastizitätsmodul;
                                 										Ausdehnungszahl; Spezif. Wärme; Spezif. Gewicht; Atomgewicht; Abweichung von
                                 										100; Messing; Bronce; Phosphorbronce; Gußeisen; Flußeisen; Schmiedeeisen; Stahl;
                                 										Gewalzt.
                              
                           In Tabelle I bis III habe ich für die Elemente Al, Mg, Fe, Ni, Cu, Zn, Pd, Ag, Cd,
                              									Sn, Pt, Au, Pb, Bi und für die Legierungen Messing, Bronce, Phosphorbronce,
                              									Stahl, Flußeisen und Gußeisen die nach „Landolt-Börnstein, Physikalisch-Chemische Tabellen“ für ß, E, w, s und A auf dem
                              									Versuchswege gefundenen WerteVergl. auch: „Die
                                       												elastischen Konstanten der Metalle bei kleinen Deformationen. Von B.
                                       												Grüneisen. Annalen der Physik 1908, Nr. 5, S. 825.„Ueber die thermische Ausdehnung und die spezifische Wärme der Metalle.
                                       												Von E. Grüneisen. Annalen der Physik 26, 1908, S. 211“.
                              									und die hieraus für
                           
                              \frac{\beta\,E}{w\,.\,s}\,\sqrt[3]A
                              
                           sich ergebenden Werte zusammengestellt. Man erkennt, daß die
                              									Konstante der Gleichung 1 nahe um den Wert 100 schwankt (Spalte 8 u. 9 der Tab. I u.
                              									II, Spalte 6 der Tab. III).
                           Bei Legierungen tritt an Stelle von A in Gleichung
                              									1:
                           Σ A G = A1– G1+ A2 . G2 + . . .
                           wo A1, A2 . . .
                              									die Atomgewichte der einzelnen Bestandteile und G1, G2 . . . die
                              									Prozentgehalte bedeuten, in denen sie in der Legierung vorkommen.
                           Zur Berechnung von Σ A G wurde die folgende
                              									Zusammensetzung der Legierungen vorausgesetzt:
                           Messing:
                           73,7 Cu + 24,2 Zn + 1,5 Sn + 0,6 Pb
                           Bronze:
                           81,2 Cu + 8,6 Zn + 9,9 Sn + 0,2 Pb
                           Phosphorbronce:
                           97,6 Cu + 2,2 Sn + 0,2 P.
                           Auch w wurde, wo die Werte fehlten, nach dem
                              									Mischungsgesetze berechnet.
                           Die Abweichungen der Beobachtungen, insbesondere der für den Elastizitätsmodul E gefundenen Werte, entstehen hauptsächlich durch Verunreinigungen der Metalle und durch den Zustand des Materials – ob gegossen, gehämmert, gewalzt,
                                 										ausgeglüht usw. Bei den weichen und brüchigen Materialien stößt eine genaue
                              									Bestimmung von E auf außerordentliche Schwierigkeiten.
                              									Besonders auffällig sind die Schwankungen in dem Werte von E beim Zinn (weich und sehr dehnbar), Zink und Cadmium (brüchig).
                           Die in den letzten Spalten der Tabellen angegebenen Unterschiede des Ausdruckes
                           
                              \frac{\beta\,.\,E}{w\,.\,s}\,\sqrt[3]A
                              
                           von dem Werte 100 sind teils positiv, teils negativ und in Anbetracht der erwähnten Unregelmäßigkeiten
                                 										verhältnismäßig gering.
                           Erhebliche Abweichungen zeigen sich außer bei den oben angeführten weichen und
                              									brüchigen Metallen nur beim Mg (– 22 v. H.) und Gußeisen (– 48 v. H.).
                           Für Mg lag nur eine Beobachtung von E vor.
                           Das abweichende Verhalten des Gußeisens beruht auf der außerordentlich starken
                              									Herabsetzung von E infolge des Kohlezusatzes und kann
                              									auf chemische Aenderungen (Bildung von Eisenkarbid), auf Spannungen im Material
                              									infolge ungleicher Zusammenziehung der Bestandteile während der Abkühlung, sowie auf
                              									die Querschnittsverringerung durch die eingelagerte brüchige Kohle zurückzuführen
                              									sein.
                           Eine Untersuchung der Frage, ob und in welcher Weise
                           
                              \frac{\beta\,.\,E}{w\,.\,s}\,\sqrt[3]A
                              
                           durch eine Aenderung der Temperatur beeinflußt wird, führte zu
                              									der Erkenntnis, daß diese Größe mit wachsender Temperatur
                                 										abnimmt.
                           Nach den in der Tabelle III für die Elemente Al, Fe, Cu, Ag, Pt für verschiedene
                              									Temperaturen zusammengestellten Werten hat es den Anschein, daß diejenigen Metalle,
                              									welche – wie Platin – dem obigen Gesetze bei Zimmertemperatur nicht vollständig
                              									entsprechen, eine genaue Uebereinstimmung bei etwas
                                 										abweichender Temperatur zeigen.
                           Aehnliches gilt bekanntlich bezüglich des Gesetzes, nach dem die Atomwärme für alle Elemente eine annähernd gleiche ist.
                           (A w = ∾ 6, 4).
                           Die Aenderung des Wertes von
                           
                              \frac{\beta\,E}{w\,.\,s}\,\sqrt[3]A
                              
                           Tabelle III (Einfluß der Erwärmung).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 139
                              Metall; Temperatur;
                                 										Elastizitätsmodell; Ausdehnungszahl; Spezif. Wärme; Beobachter; nach Slotte;
                                 										nach Dittenberger; nach Bontschew; nach Lorenz (Gußeisen); nach Naccari; nach
                                 										Wertheim; nach Holborn und Day; Violle und nach Behn; Die nicht fettgedruckten
                                 										Werte wurden aus den fettgedruckten Beobachtungswerten durch Interpolieren
                                 										gefunden; A und s nach Tabelle I.
                              
                           
                           mit der Temperatur ist, soweit die Versuchsergebnisse
                              									Tabelle 3 zuverlässige sind, beim Platin und Silber besonders groß, beim Platin 22 v. H.
                              									zwischen 4 und 70° C, beim Silber 17 v. H. zwischen 15 und 200° C. Beim Eisen und Kupfer sind die Aenderungen erheblich
                              									geringer.
                           Die obige Untersuchung läßt erkennen, daß der Versuch, dem gesetzmäßigen Zusammenhang
                              									der physikalischen Eigenschaften der Metalle auf empirischem oder theoretischem Wege
                              									näher zu kommen nicht aussichtslos ist. Die von mir gefundene Regel ist voraussichtlich nur eine Annäherung an das tatsächlich vorliegende Gesetz. Die
                              									weitere Untersuchung, insbesondere eine unter gleichen Vorbedingungen (gleicher
                              									Materialzustand) angestellte genauere Bestimmung von E, ß,
                                 										w und s wird ergeben, ob dem Atomgewicht A oder den anderen Größen tatsächlich die ihnen in der
                              									Regel Gl. 1 zugewiesene Bedeutung zukommt.