| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 300 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Ueber das zurzeit zweckmäßigste Lohnsystem für
                              									gewerbliche Arbeiter.
                           Hierüber verbreitet sich in einem lesenswerten Aufsatz der
                              										„Werkstatts-Technik“
                              									Fr. Selter. Er bespricht zunächst die verschiedenen zur
                              									Anwendung gekommenen Systeme, Zeitlohn, Stücklohn, Kontraktstücklohn, Prämienlohn in
                              									seinen verschiedenen Formen, Differentiallohnaufteilung von Taylor, und die Gewinnbeteiligung. Da seine Ausführungen sich ungefähr mit
                              									dem decken, was hierüber an dieser Stelle erst kürzlich berichtet ist,Siehe D. p. J. 1909, Bd. 324. 24.Nur in einer Beziehung weicht Selter entschieden
                                    											von den a. a. O. wiedergegebenen Anschauungen ab, nämlich in seinem Urteil
                                    											über das System von Taylor. Dessen Grundgedanke
                                    											ist ihm meines Erachtens unverständlich geblieben, da er sonst nicht den
                                    											Satz hätte niederschreiben können: „Wenn Taylor behauptet, daß es (nämlich sein System) vollkommen sei,
                                       												so hat er allerdings darin recht, daß es vollkommen für den Arbeitgeber
                                       												ist. Für den Arbeiter ist es aber um so ungerechter.“ so
                              									kann auf ein nochmaliges Eingehen darauf verzichtet werden. Nur der damals nicht
                              									behandelten Gewinnbeteiligung mögen ein paar Worte gewidmet sein.
                           Von dieser unterscheidet Selter vier verschiedene
                              									Arten:
                           1. diejenige, die man als eine Art von Wohlfahrtseinrichtung bezeichnen kann und die
                              									sich in der Gründung von Kranken-, Pensions- und Unterstützungskassen sowie der
                              									Schaffung besserer Wohnräume für die Arbeiter mit Hilfe eines Teiles des
                              									Unternehmergewinns ausdrückt. Trotzdem sie dem Geiste der heutigen, den früheren
                              									patriarchalischen Verhältnissen fast völlig entwachsenen Zeit nicht mehr ganz
                              									entspricht, kann man diese Art noch als zweckmäßig bezeichnen;
                           2. diejenige, die die privatrechtliche Wirtschaftsreform in eine genossenschaftliche
                              									hinüberleiten soll. Diese Art der Gewinnbeteiligung ist für gewerbliche Betriebe
                              									fast bedeutungslos;
                           3. diejenige, die ein sparsames Umgehen mit Zeit und Arbeitsmitteln dadurch erreichen
                              									will, daß als Lohn hierfür nach bestimmten Regeln der Arbeiter einen, meist sehr
                              									bescheidenen, Teil des Gewinnes erhält. Hier handelt es sich im Grunde genommen um
                              									ein unvollkommenes Prämiensystem;
                           4. diejenige, die man als die eigentliche Gewinnbeteiligung betrachten muß, um die
                              									der Widerstreit der Meinungen so heftig tobt, die auf der einen Seite als die Lösung
                              									der sozialen Frage, auf der anderen Seite als der Ruin der heutigen Industrie
                              									gekennzeichnet wird. Ihrem begeistertsten Verteidiger, dem Berliner Fabrikanten Freese, können die Ansichten so bedeutender Männer wie
                              									des Professor Abbe, des Gründers und Leiters der Zeißwerke in Jena, und von Alfred Krupp entgegengehalten werden. Es kann diese Art der
                              									Gewinnbeteiligung bei der heutigen Bildung unseres Arbeiterstandes noch nicht als
                              									die geeignete Lohnform bezeichnet werden, da er in seiner großen Masse eine
                              									Steigerung seines Einkommens gern hinnimmt, bei einem Niedergange aber meist nicht
                              									objektiv genug sein wird, nicht der Leitung des Unternehmens, sondern den
                              									Zeitverhältnissen Schuld zu geben. Wenn überhaupt, so muß also das Ziel sein, ihn
                              									nicht am ganzen Gewinn zu beteiligen, sondern nur an demjenigen, der aus seiner Tätigkeit
                              									fließt, während er keinen Teil haben sollte an dem Teile, der von dem schwankenden
                              									Wert der Rohstoffe und von den Unkosten abhängt, und gegebenenfalls in Verlust
                              									umschlagen kann.
                           Ueberblickt man die ganzen gekennzeichneten Lohnsysteme, so findet man, daß von allen
                              									das Stücklohnsystem doch noch das vorteilhafteste ist. Und wenn man dann näher auf
                              									die Nachteile eingeht, die mit ihm verbunden sein sollen, so zeigt sich, daß sie
                              									sich durch zweckmäßige Anordnungen wenn nicht vermeiden, so doch erheblich
                              									vermindern lassen. Seine Fehler liegen hauptsächlich:
                           1. in der geringen Stetigkeit des Systems, beruhend auf ungenauer Festsetzung des
                              									Stücklohns;
                           2. in der häufig ungerechten Verteilung des Stücklohnverdienstes.
                           Von diesen beiden Fehlern wird der erste hauptsächlich dadurch hervorgerufen, daß in
                              									den meisten Werken die Festlegung der Stücklöhne in der Hand der Meister liegt. Er
                              									setzt den Preis auf Grund einer ähnlichen Arbeit willkürlich fest, oder er schätzt
                              									ihn „aus dem Handgelenk“ ab, oder im allerschlimmsten Falle nennt er ihn
                              									nachträglich auf Grund einer ersten Ausführung. Der Willkürlichkeit ist Tür und Tor
                              									geöffnet, der Meister wird erfahrungsgemäß stets geneigt sein zunächst hohe Akkorde
                              									zu zahlen, um Streitigkeiten mit den Arbeitern zu vermeiden, diese müssen dann auf
                              									Druck von „Oben“ verkleinert werden, was stets böses Blut macht, und der
                              									Arbeiter, der alle diese Ungerechtigkeiten einmal an sich erfahren hat, hält von
                              									vornherein mit seinen Leistungen zurück, die Maschinen werden nicht voll ausgenutzt,
                              									kurz alle jene Nachteile sind da, von denen man behauptet, daß sie mit dem Stücklohn
                              									unzertrennlich verbunden seien. Sie verschwinden aber, oder werden wesentlich
                              									geringer, wenn man an die Stelle des Meisters ein besonderes Bureau setzt, das, mit
                              									allen Zahlen und Tabellen über die vorhandenen Maschinen ausgerüstet, imstande ist,
                              									die Stücklöhne von vornherein so genau zu berechnen, den einen aus dem anderen
                              									logisch so zu entwickeln, daß eine Aenderung nachher nie oder nur äußerst selten
                              									nötig wird.
                           Den zweiten der oben erwähnten Fehler, der in der ungerechten Verteilung des
                              									Stücklohns begründet ist, vermeidet man am einfachsten, wenn man an die Stelle des
                              									Gruppenstücklohns, bei dem jene Verteilung einzig in Betracht kommt, den
                              									Einzelstücklohn setzt. Die Fälle, in denen sich das nicht durchführen läßt, sind
                              									sehr selten. (Fr. Selter.) [Werkstattstechnik, Januar
                              									1910.]
                           
                              F. Mbg.
                              
                           
                        
                           Die Anwendung der Elektrizität zur Fortbewegung von
                              									Seeschiffen.
                           Zwei Einrichtungen, die eine direkte Anwendung des Elektromotors zum Schiffsantrieb
                              									gestatten, bespricht W. L. R. Emmet. Die erste ist für
                              									ein Doppelschraubenschiff gedacht. Auf jeder Schraubenwelle sitzt eine
                              									Niederdruck-Dampfturbine und ein Elektromotor, im Maschinenraum befindet sich
                              									außerdem noch eine Schnellauf ende Dampfturbine mit einer Dynamomaschine direkt
                              									gekuppelt. Diese Generatorturbine hat zwei Dampfausströmungsöffnungen, die eine
                              									befindet sich hinter der zweiten Druckstufe, die andere hinter der fünften. Bei
                              									einer Schiffsgeschwindigkeit von 20,5 Knoten in der Stunde geht der gesamte Dampf
                              									durch die erste Oeffnung der Generatorturbine zur Niederdruckturbine auf der
                              									Schraubenwelle; für geringere Geschwindigkeiten, unter 15 Knoten, wird diese
                              									Niederdruckturbine ausgeschaltet, die Antriebskraft für die Schrauben wird dann
                              									allein durch die Elektromotoren geliefert. Zwischen 15 und 20,5 Knoten geht ein Teil
                              									des Dampfes durch die Niederdruckturbine, der übrige Teil durch die weiteren
                              									Druckstufen der Generatorturbine zum Kondensator. Generator und Motoren erzeugen bei
                              									einer Geschwindigkeit von 20,5 Knoten etwa ⅖ der notwendigen Antriebskraft, die
                              									restlichen ⅗ werden von der Niederdruckturbine erzeugt, die mit dem Abdampf der
                              									Generatorturbine gespeist wird. Die Niederdruckturbine ist mit einer zweistufigen
                              									Rückwärtsturbine vereinigt, auch kann sie hochgespannten Dampf verarbeiten; für
                              									diesen Zweck sind besondere Düsen eingebaut. In letzterem Falle, wenn also die
                              									Niederdruckturbine Kesseldampf direkt bekommt, wird eine Höchstgeschwindigkeit von
                              									etwa 19 Seemeilen bei demselben Dampfverbrauch erzeugt, der bei der kombinierten
                              									Antriebsmethode 20,5 Knoten ergab.
                           Bei der zweiten der besprochenen Einrichtungen sollten auf jede Schraubenwelle zwei
                              									Elektromotoren gesetzt werden, der eine mit einer Umschaltvorrichtung, um ihn für
                              									kleinere Geschwindigkeiten geeignet zu machen, der andere lediglich für die hohen
                              									Geschwindigkeiten. Die höchste Spannung, die für die Motoren in Anwendung kommt, ist
                              									etwa 2200 Volt; hierbei dient also der elektrische Teil der Einrichtung lediglich
                              									zur Reduktion der Umlaufszahlen der Generatorturbinen. Die Gründe, die zur Anwendung
                              									der Elektrizität führen, sind folgende: Erstens kann mit Hilfe derselben die
                              									Umlaufszahl der Generatorturbine in ausgedehntem Maße reduziert werden, im
                              									vorliegenden Falle wie 50 : 6; zweitens wird auch die Oekonomie der Anlage bei den
                              									verschiedensten Umlaufszahlen der Schraubenwellen nicht beeinträchtigt, und drittens
                              									bringt ein Wechsel in der Umlaufszahl keine Komplikation oder Unsicherheit des
                              									Betriebes mit sich. Der Wirkungsgrad dieser Kombination ist bei allen
                              									Geschwindigkeiten 92 v. H. Das Gewicht einer solchen Anlage, etwa von der Größe der
                              									Antriebsmaschinen der amerikanischen Schlachtschiffe „Wyoming“ und
                              										„Arkansas“, beträgt insgesamt etwa 520 t für die erste, 354 t für die
                              									zweite Antriebsart. [The Times Engineering Supplement vom 15. Dezember 1909.]
                           
                              D.
                              
                           
                        
                           Dichtungsarbeiten am Marne-Saône-Kanal.
                           Bei dem Bau des Marne-Saône-Kanales sind bemerkenswerte Dichtungsarbeiten des
                              									Kanalbettes vorgenommen.
                           In den im Felsen gelegenen Einschnitten wurden im Anfang die Seitenwände durch
                              									Bruchsteinmauerwerk mit der Böschung 1 : 20, die Sohle durch eine 20 cm starke
                              									Betonplatte geschützt. Diese Ausführung wurde zu teuer, da bei voller Dichtigkeit
                              									die Seitenwände zu stark wurden. Später wurde der Kanalboden durch 10–15 cm starke
                              									Betonlagen geschützt, die einen doppelten Anstrich mit Zementmilch und einem
                              									einfachen oder doppelten Ueberzug mit Asphalt erhielten. Die Ueberzüge bewährten
                              									sich gut. Jedoch erfordern derartige dünne Betonlagen eine sehr sorgfältige
                              									Zurichtung des darunter gelegenen Bodens, wenn sie nicht infolge ungleicher
                              									Druckverteilung reißen sollen. Diese Zurichtung verteuert die Herstellung des
                              									Betonbettes sehr.
                           Jacquinot empfiehlt die Auskofferung des Kanalprofiles
                              									mit reichlich großen Abmessungen vorzunehmen und vor der Betonierung die Oberfläche
                              									der Böschungen und der Sohle mit einer festgestampften Schicht aus mit Sand
                              									vermengten Erde, dem sog. Erdmörtel zu bedecken. Auf diese vollständig gleichmäßige
                              									und nicht nachgiebige Schicht halten sich selbst dünne Betonlagen rissefrei. Die
                              									Dichtung des Kanalbettes im Auftrage geschah zuerst durch Herstellung eines Kernes
                              									in der Mitte des Dammes, der von Hand gestampft wurde, diese Bauweise hat sich nicht
                              									bewährt. Daher wurden in den letzten Baujahren folgende Maßnahmen getroffen.
                           
                           
                              1. Die Dichtungsschicht wurde unmittelbar an die
                                 										Wasserseite als Begrenzung gegen das Wasser verlegt.
                              2. Die dichtende Erdmasse wurde nicht gestampft, sondern durch
                                 										eine Walze geknetet.
                              3. Die zur Dichtung geeigneten Bodenarten sind schon bei dem
                                 										Bodenaushub vom übrigen Boden abgesondert worden.
                              
                           Der Dichtungskörper ist also ein Teil des Dammes und begrenzt seitlich unmittelbar
                              									das Kanalbett; seine Oberkante liegt über dem höchsten Wasserstand. Da an der
                              									Trennungsebene zwischen dem Dichtungskörper und dem gewachsenen Boden besonders
                              									leicht Undichtigkeiten eintreten, ist der gewachsene Boden auf 20 cm Tiefe
                              									abzugraben und von Wurzeln und Pflanzen zu reinigen. In der Mitte der Lagerfläche
                              									für den Dichtungskörper wird ein keilförmiges Bett ausgehoben, das gleichfalls mit
                              									Dichtungsmasse ausgefüllt wird, so daß sich der Dichtungskörper mit einer Art
                              									Herdmauer an den gewachsenen Boden anschließt. Die einzelnen Lagen des dichtenden
                              									Erdkörpers werden durch mit Rillen versehene Walzen zusammengeknetet und verdichtet.
                              									Hierbei wurde zuerst Pferdebetrieb, später mit dem größten Erfolge
                              									Petroleummotorbetrieb angewendet. Diese 2,5 t schwere Motorwalzen hatten eine
                              									Arbeitsbreite von 1,2 m und walzten täglich bis 2400 cbm ein. Hierbei wurde der
                              									Boden bis auf ein Gewicht von 2000 kg/cbm und mehr verdichtet.
                           Wenn das Kanalbett durch einen derartigen dichten Damm von durchlässigen
                              									Felsschichten getrennt ist, können mit der Zeit Wasserverluste eintreten, da das
                              									allmählich durchsickernde Wasser Erdteilchen aus dem Damm in die Felsspalten abführt
                              									und den Damm undicht macht. Dieser Vorgang wird durch eine dünne Betonschale
                              									zwischen dem dichten Damm und dem Felsboden verhindert.
                           Als Dichtungsboden ist Ton mit 30–70 v. H. Sand geeignet.
                           Jacquinot empfiehlt in geeigneten Fällen die
                              									Dichtungsarbeiten erst nach Fertigstellung der Dämme herzustellen und zu diesem
                              									Zweck die Böschungen mit einer 1 m starken, durch Motorwalzen zusammengepreßten
                              									Dichtungsschicht zu bekleiden. Hierdurch werden die Bauarbeiten sehr
                              									vereinfacht.
                           Gedichtete Kanaldämme sollen nicht bepflanzt werden, da die Wurzeln zur Bildung von
                              									Wasseradern Anlaß geben. [Zentralblatt der Bauverwaltung 1910, S. 4–8.]
                           Dr.-Ing. Weiske.
                           
                        
                           Die Turbinen Versuchsanstalten und die Wasserkraftwerke mit
                              									Wasserkraftspeicher der Firma J. M. Voith.
                           Anfangs 1907 hat die Firma J. M. Voith eine größere
                              									Wasserkraft in Hermaringen an der Brenz erworben und hier in Verbindung mit einem
                              									für die Versorgung der etwa 12 km entfernten Fabrik in Heidenheim bestimmten
                              									Wasserkraft-Elektrizitätswerk eine umfangreiche Versuchsanlage errichtet, die zum
                              									Prüfen von zeitgemäßen Schnellläuferturbinen sowie zu eingehenden Forschungen über
                              									rechnerisch schwer zu behandelnde Fragen, z.B. über den Einfluß des Einbaues, der
                              									Wasserzu- und -Abführung, des Gefälles usw. auf den Wirkungsgrad der Turbinen dienen
                              									soll. Der Anlage steht eine mittlere Wassermenge von 4,2 cbm i. d. Sek. zur
                              									Verfügung, die auf einen Mindeswert von 2,0 cbm i. d. Sek. zurückgehen, aber auch
                              									bis auf 8 cbm i. d. Sek. steigen kann, und sie nutzt ein teilweise durch Höherstauen
                              									des Oberwasserspiegels und Anlage eines tiefen Abwassergrabens gewonnenes
                              									Höchstgefälle von 5,41 m aus. Das Maschinenhaus befindet sich an einer
                              									Verbreiterung des Flusses und ist zum Teil in den Fluß hineingebaut, wodurch
                              									besonders kurze Zuleitungen zu den Turbinen gewonnen werden. In Verbindung mit dem
                              									Maschinenhaus, welches zwei Francis-Zwillingsturbinen
                              									mit wagerechter Welle für je 3,5 cbm i. d. Sek. und 200 PS bei 215 Umdrehungen i. d.
                              									Min. und dem Normalgefälle von 5,41 m enthält und durch eine Hochspannungsleitung
                              									für 10000 Volt an ein Transformatorenwerk in Heidenheim angeschlossen ist, steht die
                              									eigentliche Versuchsanstalt. Diese ist mit Rücksicht auf das geringe vorhandene
                              									Gefälle in erster Linie auf Niederdruck-Francis-Turbinen beschränkt, innerhalb der hierdurch sowie durch die
                              									verfügbare Wassermenge gezogenen Grenzen aber für die verschiedensten Bauarten von
                              									Turbinen geignet. An den von dem Einlaufgerinne abgezweigten, gleichzeitig als
                              									Wassermeßkanal dienenden Einlauf der Versuchsanstalt schließt sich der von oben her
                              									zugängliche, mit Hilfe eines Kranes leicht bedienbare Versuchsschacht, der gegen den
                              									seitlich anstoßenden Brems- und Meßraum so abgedichtet ist, daß die Welle der zu
                              									prüfenden Turbinen hindurchgefühlt und außerhalb des Versuchsschachtes belastet
                              									werden kann. Senkrechte Turbinenwellen werden von oben her abgebremst. Als besonders
                              									vorteilhaft für die Zwecke der Versuchsanstalt ist anzusehen, daß man das nutzbare
                              									Gefälle der Anlage durch künstliches Aufstauen des Wassers im Abwasserkanal bis auf
                              									1,6 m vermindern, jede Turbine also unter stark wechselnden Gefälleverhältnissen
                              									untersuchen kann.
                           Wichtig sind ferner die verwendeten Meßvorrichtungen: Das nutzbare Gefälle wird durch
                              									zwei Schwimmer aus Kupferblech bestimmt, die an Drähten aus Siliziumbronze
                              									aufgehängt und durch Gewichte gespannt sind. Diese Drähte kommen oben im Meßraum
                              									zusammen, wo der eine mit einem Meßstab, der andere mit je 1 m voneinander
                              									entfernten Zeigern versehen ist. Außerdem wird durch eine Anordnung von
                              									kommunizierenden Röhren auch ein unmittelbares Ablesen der Höhenunterschiede
                              									zwischen Ober- und Unterwasser ermöglicht. Zum Messen der verbrauchten Wassermenge
                              									wird nach dem bekannten Verfahren von Schmitthenner ein
                              									in das bereits erwähnte Meßgerinne passender, auf Rollen fahrbarer Schirm benutzt,
                              									dessen Geschwindigkeit mittels einer elektrischen Kontaktvorrichtung genau
                              									beobachtet werden kann. Von dem 20 m langen Meßkanal dienen nur 10 m für die
                              									Messungen. Der Kanal ist 3,5 m breit und hat bei normalem Oberwasserstand 2,2 m
                              									Wassertiefe, so daß sich bei einem Höchstverbrauch von 8 cbm i. d. Sek. eine höchste
                              									Geschwindigkeit des Schirmes von 1,04 m i. d. Sek. ergibt. Außer der
                              									Wassergeschwindigkeit muß zur Bestimmung der Wassermenge auch die Wassertiefe
                              									gemessen werden. Die Leistungen der Turbinen werden durchweg mit dem Pronyschen Zaum gemessen, der sich bei den hier in
                              									Frage kommenden Leistungen und Umdrehungszahlen als einfach und zweckmäßig erwiesen
                              									hat. Für Turbinen mit stehender Welle ist eine Bremsvorrichtung mit 2200 mm
                              									Scheibendurchmesser und 340 mm Backenbreite vorhanden, auf der bei 30 bis 40
                              									Umdrehungen i. d. Min. noch etwa 150 PS abgebremst werden können. Der Bremszaum
                              									besteht aus einem gußeisernen Balken und einem Bremsband, die beide mit Holzklötzen
                              									gefüttert sind. Der Balken überträgt die Umfangskraft durch einen Winkelhebel auf
                              									eine Dezimalwage. Die Bremse wird von innen mit Wasser gekühlt, wobei das Wasser
                              									tangential gegen den Scheibenkranz geführt wird.
                           Für Hochdruckturbinen und Regulatoren in Verbindung mit Hochdruckturbinen, welche an
                              									lange Rohrleitungen angeschlossen sind, hat die Firma J. M.
                                 										Voith eine zweite Versuchsanstalt Brunnenmühle in der Nähe der Fabrik in
                              									Heidenheim errichtet. Diese wird aus einer Quelle gespeist, welche im
                              									Jahresdurchschnitt 1500 l i. d.
                           
                           Sekunde liefert, und ist besonders durch die Anlage des Wasserkraftspeichers
                              									bemerkenswert, der die bei Nacht ungenutzt abfließende Wassermenge verwertet. Der
                              									runde Hochbehälter ist auf einen Hügel von 97,5 m Höhe über dem Wasserspiegel der
                              									benachbarten Brenz aus Eisenbeton gebaut und hat 7000 cbm Inhalt bei 36 m
                              									Durchmesser und 7 m Wassertiefe. An der Stelle, wo die Rohrleitung austritt,
                              									befindet sich ein Schieberturm mit elektrisch verstellbarem Absperrschieber und
                              									ebensolcher Drosselklappe sowie einem Rohrbruchventil. Die 1 m tief im Boden
                              									verlegte Rohrleitung aus hauptsächlich schmiedeeisernen Teilen ist 400 mm weit und
                              									320,5 m lang und ist in dem Maschinenhause zunächst an zwei Sulzer Kreiselpumpen angeschlossen, welche bei einer größten Förderhöhe
                              									von 102 m 89 und 43 l i. d. Sek. fördern und 1500 Umdrehungen i. d. Min. machen.
                              									Jede Pumpe wird von einem eigenen Drehstrommotor für 500 Volt angetrieben. Die
                              									Ausnutzung des aus dem Hochbehälter abfließenden Wassers erfolgt in einer
                              									Freistrahlturbine mit ellipsoidförmigen Schaufeln und zwei Einlaufdüsen, die bei 500
                              									Umdrehungen i. d. Min. normal 240 PS leistet, aber bis zu 290 PS überlastet werden
                              									kann und durch Nadelregulierung verbunden mit einer zum Schutz der Rohrleitung
                              									bestimmten Druckregelung beeinflußt wird. Das Abwasser dieser Turbine wird in einer
                              									Niederdruckturbine noch weiter ausgenutzt. Neben dem Maschinenraum liegt der
                              									Versuchsraum, in welchen die ankommende Rohrleitung abgezweigt ist. Die hier
                              									vorzunehmenden Versuche erstrecken sich auf Teile von Rohrleitungen für
                              									Turbinenanlagen, Regulatoren für Turbinen mit langen Rohrleitungen, Hochdruck-,
                              									Spiral- und Freistrahlturbinen und Einrichtungen für Holzschleifereien und
                              									Papierfabriken. (Oesterlen.) [Zeitschrift d. Ver.
                              									deutscher Ingenieure 1909, S. 1829 bis 1836, 1875 bis 1879, 1919 bis 1926 und 1958
                              									bis 1961.]
                           
                              H.
                              
                           
                        
                           Ausnutzung der Rjukan-Wasserfälle in Norwegen.
                           Eine in jeder Hinsicht großartige Wasserkraftanlage, die in manchen Einzelheiten das
                              									berühmte Trollhättan-Wasserkraftwerk des schwedischen Staates übertreffen dürfte,
                              									ist an den Rjukan-Fällen im Westfjord bei Jelamarken im Entstehen begriffen. Durch
                              									Entnahme des Wassers oberhalb dieser Fälle wird ein Nutzgefälle von 550 m Höhe
                              									verfügbar gemacht, welches in zwei Stufen, entsprechend den Kraftwerken Rjukan I und
                              									Rjukan II ausgenutzt werden soll.
                           Die Fälle liegen am Maane-Fluß, einem 32 km langen Wasserlauf, welcher zwei Seen, den
                              									Moes-See und den Tinn-See, miteinander verbindet und auf dieser kurzen Strecke einen
                              									Höhenunterschied von 700 m aufweist. Davon können 500 m bereits auf einer Länge des
                              									Wasserlaufes von 9 km verfügbar gemacht werden. Der erste Schritt zur Nutzbarmachung
                              									dieser Wasserkraft ist bereits in den Jahren 1904–1906 durch Anlage eines
                              									Regulierwehres an der Abflußstelle des Tinn-Sees mit öffentlichen Mitteln geschehen,
                              									wodurch der See, der eine Oberfläche von 56,5 qkm besitzt, zu einem Staubecken
                              									ausgebildet wurde. Der hierfür erbaute Staudamm von 17,6 m größter Höhe und 130
                              									m Länge aus Stampfbeton mit Granitverkleidung ergab bei einer größten
                              									Wasserspiegelhöhe von 10 m über dem Niedrigwasserspiegel eine Stauwassermenge von
                              									560000000 cbm.
                           Mit der endgültigen Inangriffnahme der Wasserkraftanlagen ergab sich jedoch die
                              									Notwendigkeit, den Ausbau des Staubeckens auf 14,5 m zu erhöhen und damit den
                              									verfügbaren Inhalt auf 790000000 cbm zu steigern, wodurch es möglich wurde, die
                              									mittlere Abflußmenge des Maane-Flusses bei niedrigem Wasserstand von 6 auf 47 cbm in
                              									der Sekunde zu steigern.
                           Der Einlauf für die Wasserkraftanlage befindet sich etwa 8 km unterhalb des
                              									Staubeckens an einem quer über das Bett des Maane-Flusses gelegten 90 m langen, bis
                              									zu 12,8 m hohen und an der Sohle 11 m breiten Betonstaudamm, welcher das Wasser in
                              									einem 4,2 km langen, mit 1 : 466 Neigung angelegten Stollen von 26 qm lichtem
                              									Ouerschnitt ableitet. Der ganz in den gewachsenen Felsen gebohrte Stollen, an
                              									welchem gegenwärtig von 20 Punkten aus gearbeitet wird, mündet in ein ebenfalls
                              									ausgesprengtes Wasserschloß von 16000 cbm Inhalt, und von diesem aus soll das Wasser
                              									durch 5 Druckstollen von je 24,4 m und 10 Druckleitungen von je 700 m Länge dem
                              									Kraftwerk zugeführt werden. Die Druckleitungen werden aus nahtlos gewalzten
                              									Stahlrohren von 10–25 mm Wandstärke hergestellt werden und erfordern wegen ihrer bis
                              									zu 72 v. H. betragenden Neigung besonders sorgfältige Verankerungen.
                           An dem zunächst im Bau befindlichen Kraftwerk Rjukan I wird nach Abzug aller
                              									Leitungswiderstände eine Druckhöhe von 275 m verfügbar sein, womit bei einer
                              									Wassermenge von 47 cbm i. d. Sek. 130000 PS erzielt werden können.
                           Dieses Kraftwerk wird an einer Stelle errichtet, welche 140 m über dem Flusse gelegen
                              									ist und erhält 10 Pelton-Turbinen von je 14500 PS, die
                              									bereits bei J. M. Voith in Heidenheim und Escher, Wyß & Co. in Zürich bestellt worden sind.
                              									Die bei Brown, Boveri & Co. bestellten Drehstromerzeuger sollen 11000 Volt Spannung ergeben und
                              									die Fortleitung des Stromes ohne Zuhilfenahme von Transformatoren gestatten.
                           Die Inbetriebnahme dieser seit etwa zwei Jahren im Bau befindlichen Anlage ist gegen
                              									Ende des nächsten Jahres zu erwarten. Bis zur Fertigstellung des Werkes Rjukan II,
                              									welchem das Abwasser des Werkes Rjukan I durch einen Stollen von 5,45 km Länge und
                              									26 qm lichtem Querschnitt mit einer nutzbaren Druckhöhe von 240 m zugeführt werden
                              									soll, so daß es weitere 117000 PS liefern kann, wird das Wasser aus dem Kraftwerk
                              									Rjukan I unmittelbar in den Maane-Fluß abgeleitet werden.
                           Unternehmerin der ganzen Bauten ist die Norsk
                                 										Kraftaktieselskab, die bereits seit längerer Zeit in Notodden eine Fabrik
                              									für Luftsalpeter mit 35 Birkeland-Eyde-Stickstofföfen
                              									betreibt und 30000–40000 PS in Form von elektrischem Strom aus dem
                              									Wasserkraft-Elektrizitätswerk Svaelgfos bezieht. Die
                              									hier beschriebenen Anlagen sind zur Versorgung einer großen Salpeterfabrik bestimmt,
                              									welche die Gesellschaft etwa 5,6 km flußabwärts vom Werke Rjukan I zu errichten
                              									beabsichtigt. Brofos. [Electrical World 1909 II, S.
                              									1411 – 1412.]
                           H.