| Titel: | Pneumatische Getreideförderung. | 
| Autor: | M. Buhle | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 374 | 
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                        Pneumatische Getreideförderung.Vergl. des Verf. Aufsätze: „Ueber pneumatische
                                       											Getreideelevatoren“, Z. d. V. d. I. 1898, S. 921 ff.; 1909, S. 354 ff.
                                 										sowie Glasers Annalen 1899, I, S. 59 und 82; ferner
                                 											Lufft, D. p. J., S. 35 ff. d.
                                 									Bandes.
                        Von M. Buhle, Professor in
                           									Dresden.
                        Pneumatische Getreideförderung.
                        
                     
                        
                           Zur Beförderung von losem Getreide bedient man sich bekanntlich schon seit
                              									vielen Jahren mechanischer Fördermittel und zwar für die senkrechte Richtung der Becherwerke, für die
                              										wagerechte oder schwachgeneigte Richtung der Gurtförderer oder der Förderschnecken. Diese Vorrichtungen sind im Laufe der Zeit immer mehr
                              									vervollkommnet worden, und man vermag heute mit ihnen unter einem sehr geringen
                              									Aufwand von motorischer Kraft Getreide von einem Punkte nach einem beliebigen, etwa
                              									100 m weit entfernten Lagerplatz zu befördern.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 373
                              Fig. 1.
                              
                           Trotz der technischen Vollkommenheit dieser Fördermittel haftet ihnen aber doch ein
                              									Nachteil von grundsätzlicher Bedeutung an, nämlich, daß die Förderung nur in gerader Linie vor sich gehen kann. Sobald die
                              									Förderrichtung gewechselt wird, muß ein neues Förderelement eingeschaltet werden, so
                              									daß man bei Anlagen mit wenig einfachem Grundriß oft einer unverhältnismäßig
                              									großen Anzahl von Maschinen bedarf, um die Förderung zu ermöglichen.
                           Unter diesen Umständen lag es nahe, daß man darauf bedacht war, eine Förderungsart
                              									ausfindig zu machen, bei der die Förderrichtung
                              									belanglos, d.h. beliebig ist. Man wandte sich deshalb
                              									der Förderung durch Saugluft oder Druckluft zu, und man
                              									glaubte, damit die mechanische Förderung bald vollständig zu überwinden und sich
                              									ihrer entäußern zu können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 373
                              Fig. 2.
                              
                           Diese Hoffnung hat sich jedoch nicht erfüllt, trotzdem die pneumatische
                              									Getreideförderung bereits seit etwa 30 Jahren angewendet wird, denn ein sehr
                              									empfindlicher Mangel, der ihr von jeher anhaftete, nämlich der unverhältnismäßig
                              									große Kraftaufwand, dessen man bedarf, um eine gewisse Kornmenge auf einer geraden
                              									Strecke zu fördern, konnte bisher weder beseitigt, noch in wünschenswertem Maße
                              									gemildert werden.
                           Als die pneumatische Förderung noch wenig ausgebildet war, betrug der Arbeitsaufwand
                              									das Sechs- bis Zehnfache dessen, was bei Elevatoren und Förderbändern gebraucht
                              									wird. Dieses Verhältnis hat sich jedoch in neuerer Zeit mit den Fortschritten der Technik
                              									wesentlich günstiger gestaltet, so daß der Arbeitsaufwand, wenn er auch noch, wie
                              									gesagt immer nicht als „angemessen“ bezeichnet werden darf, doch nicht mehr
                              									so hoch ist, daß er eine häufigere Anwendung des pneumatischen Förderverfahrens mit
                              									seinen unbestreitbar großen Vorzügen ausschlösse.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 374
                              Fig. 3.
                              
                           Unter diesen Umständen wächst das Interesse an der pneumatischen Förderung
                              									offensichtlich von Jahr zu Jahr, und in der Tat sind mit ihr unter gewissen
                              									Voraussetzungen und in bestimmten Fällen so mannigfaltige Vorteile verbunden, daß
                              									sie der mechanischen Förderung oft vorzuziehen ist.
                           Insbesondere trifft das zu, wenn die Entladung von Schiffen in Frage kommt. Die
                              									Uferverhältnisse sind oft so beschaffen, daß sich die Schiffe dem Lande nicht weit
                              									genug nähern können, sondern eine gewisse Strecke vom Ufer entfernt Anker werfen
                              									müssen. Wollte man nun in solchen Fällen die Entladung durch mechanische
                              									Fördermittel bewirken, also einen Schiffselevator dazu benutzen, so müßte dieser
                              									unter Umständen ganz außergewöhnliche Größenverhältnisse aufweisen, und er würde
                              									infolgedessen großer Stützgerüste bedürfen, die sehr kostspielig sind. Auch starke
                              									Schwankungen des Wasserstandes erschweren die Bauart von Schiffselevatoren ungemein,
                              									wogegen sich eine pneumatische Förderanlage dank den dabei zur Verwendung kommenden
                              									biegsamen Rohren jedem Wasserstande ohne weiteres anpaßt.
                           Typisch für den hier geschilderten Fall ist die nachstehend beschriebene, von Amme, Giesecke & Konegen,
                                 										A.-G., Braunschweig, erstellte Anlage. Das Lagerhaus ist 15 m vom Ufer
                              									entfernt, und es handelte sich in diesem Falle um die Aufgabe, das Getreide in
                              									möglichst einfacher Weise aus dem Schiffe nach den einzelnen Schüttböden zu
                              									befördern.
                           Zu diesem Zwecke wurde auf einem der oberen Böden ein Kapselgebläse aufgestellt,
                              									das die Luft aus einem auf dem höchsten Punkte des Speichers aufgestellten
                              									Rezipienten von zylindrischer Form ansaugt. Das hierbei im Behälter entstehende
                              									Vakuum zwingt die Luft, sich mit großer Geschwindigkeit durch das Saugrohr zu
                              									bewegen, das über die Bahngleise hinweg bis in den Schiffskörper reicht. Das zwei-
                              									oder mehrästige Ende dieses Saugrohrs trägt eine sogen. Saugdüse, die in den
                              									Getreidehaufen versenkt wird. Die in die Düse eintretende Luft reißt nun das in die
                              									Rohrleitung eintretende Getreide mit sich fort und befördert es mit großer
                              									Geschwindigkeit in den Rezipienten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 374
                              Fig. 4. Der pneumatische Heber „Hamburg D“ im Augenblick der Durchfahrt
                                 										unter der bei Kiel über den Kaiser-Wilhelm-Kanal führenden Hochbrücke von
                                 										Levensau.
                              
                           Die innere Einrichtung des Behälters ist so beschaffen, daß die mit Getreidekörnern
                              									gefüllte Luft in ihre Bestandteile getrennt wird, also nur die von Getreide befreite
                              									Luft in das Gebläse eintritt, während sich das Korn selbst im tiefsten Punkte des
                              									Rezipienten ansammelt. Von dort aus wird es von Zeit zu Zeit durch eine luftdicht
                              									abgeschlossene Schleuse in einen darunter stehenden Behälter abgelassen. Dieser
                              									dient als Vorbehälter einer selbsttätigen Wage, von der aus die Frucht unter
                              									Benutzung von Elevatoren und Bändern in den Speicher verteilt werden kann.
                           
                           Bei der hier beschriebenen Anlage vollzieht sich die Weiterbeförderung jedoch
                              									ebenfalls pneumatisch, und zwar durch Druckluft; Saugluft- und Druckluftverfahren
                              									ergänzen sich also in diesem Falle.
                           Der Behälter unter der selbsttätigen Wage bringt die gewogene Frucht über einen
                              									Zuführungsapparat, der sie seinerseits in die Druckrohrleitung fallen läßt; aus
                              									dieser gelangt das Getreide nach einem der verschiedenen Ausläufe, die unmittelbar
                              									unter dem Dache in den Rohrstrang eingeschaltet sind.
                           Am Ufer selbst bedarf man im Gegensatz zu Schiffs elevatoren nur eines sehr leichten
                              									Standgerüstes, um die Saugrohre mehr oder weniger weit in den Schiffskörper durch
                              									dessen Luken einzuführen. Da die Saugdüsen leicht von einer Stelle zur anderen und
                              									überallhin geführt werden können, so ist kein Zuschaufeln des womöglich in
                              									unzugänglichen Winkeln liegenden Getreides nötig.
                           Bei der großen Geschwindigkeit, mit welcher das Korn durch die Rohrleitungen strömt,
                              									reiben sich die einzelnen Körner natürlich kräftig an den Rohrwänden, wobei der an
                              									ihnen haftende Staub zu einem großen Teile losgelöst wird. Das ist für
                              									Mühlenbetriebe recht erwünscht, weil dadurch die Reinigungsmaschinen wesentlich
                              									entlastet werden. Der Staub kann am Rezipienten in Säcke abgelassen werden;
                              									geeignete Vorkehrungen verhindern, daß er in das Gebläse gelangt.
                           Wünscht man. jedoch den Gewichtsverlust zu vermeiden, der durch die Absonderung des
                              									Staubes entsteht, was beispielsweise für solche Speicherbetriebe gilt, die dem
                              									öffentlichen Verkehr dienen, so kann der Staub dem Getreide auch wieder gleichmäßig
                              									beigemischt werden. Die Mühlenbauanstalt Amme, Giesecke
                              									& Konegen A.-G., Braunschweig, hat eine ganze Reihe
                              									pneumatischer Förderanlagen ausgeführt. Unter ihnen ist besonders eine zu erwähnen,
                              									deren Förderstrecke 300 m lang ist, deren Rohrleitungen in den mannigfaltigsten
                              									Krümmungen verlaufen, und die auch in ihrer Höhenlage sehr häufig wechseln.
                           Die älteste Firma, die sich auf dem europäischen
                              									Festland mit allerbestem Erfolg der Einführung, Verbreitung und dauernden
                              									Verbesserung der pneumatischen Getreideheber gewidmet hat, ist die Lizenzträgerin
                              									des auf den Millwall-Docks in London tätigen Pioniers auf diesem Gebiet, F. E. Duckham, die rühmlichst bekannte Aktiengesellschaft G. Luther in Braunschweig, über
                              									deren neuerdings für eine Reihe namhafter Häfen gebaute derartige Elevatoren
                              									nachstehend berichtet werden soll. Doch sei zuvor kurz noch folgendes, zum
                              									Verständnis grundsätzlich Wichtige ausgeführt:
                           Saugluft wird im allgemeinen angewendet, wenn von verschiedenen Stellen aus das Gut nach einem Ort gefördert wird (Entladung von Schiffen
                              									gleichzeitig durch mehrere Schläuche), Druckluft zur
                              									Verteilung von einem Orte nach mehreren (auch
                              									hochgelegenen) Stellen.
                           In einem Behälter v (Fig.
                                 										1) wird durch Kolbenluftpumpen die Luft dauernd stark verdünnt; die äußere
                              									Luft dringt durch den Mantel der in das Korn hineingehängten Saugrüssel (Fig. 2) und reißt die Frucht durch das Kernrohr mit
                              									nach v, wo sie in den Trichterboden und von hier in
                              									eine Luftschleuse (Pendelkasten, Zwillingswieger, Fig.
                                 										3) fällt. Letztere besteht im wesentlichen aus zwei Gefäßen R R1, die abwechselnd
                              									unter die Oeffnung von v gebracht werden, indem sie um
                              									eine wagerechte, seitlich gelagerte Achse T schwingen.
                              									Wenn das mit v in Verbindung stehende Gefäß sich
                              									gefüllt hat, überwiegt es in einem bestimmten Augenblick das Gewicht der andern nun
                              									entleerten Kammer (der Schwerpunkt des Systems ändert sich fortwährend) und fällt
                              									nach der entgegengesetzten Seite, wodurch das andere leere Gefäß in die
                              									Füllstellung gelangt. Das volle Gefäß, jetzt ohne Verbindung mit v, öffnet sich nun infolge der oben einströmenden
                              									atmosphärischen Luft, so daß das Getreide durch eine Klappe S S1 am Boden des Gefäßes in eine Kammer
                              										O (Fig. 1) fällt,
                              									aus der sie vermöge der Druckluftzuführung durch d in
                              									Röhren r hinausgedrückt wird (1,2 m Wassersäule
                              									Unterdruck in v sind mit 2 m Druck in O vereinbar).
                           Bezeichnet v die Luftgeschwindigkeit in m/Sek., p den Luftdruck auf runde oder spitze Körper in g f. d.
                              									Quadratmillimeter, so gehören zusammenBaumgartner, Mühlenbau und Müllerei, I. Band,
                                    											1. Teil, Berlin 1900, S. 28.
                           
                              
                                 v =
                                 4
                                 6
                                 8
                                 10
                                 12
                                 14
                                 16
                                 
                              
                                 p =
                                 0,00098
                                 0,002
                                 0,0039
                                 0,0061
                                 0,0088
                                 0,012
                                 0,0155
                                 
                              
                                 v =
                                 18
                                 20
                                 22
                                 24
                                 26
                                 28
                                 30
                                 
                              
                                 p =
                                 0,0198
                                 0,0245
                                 0,0296
                                 0,0353
                                 0,0414
                                 0,0481
                                 0,0551
                                 
                              
                                 v =
                                 32
                                 34
                                 36
                                 38
                                 40
                                 
                                 
                                 
                              
                                 p =
                                 0,0627
                                 0,0706
                                 0,0792
                                 0,0835
                                 0,098
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 375
                              Fig. 5. Schwimmender pneumatischer Elevator im Hafen von Rotterdam, Leistung
                                 										150000 kg i. d. Std.
                              
                           Ein Weizenkorn von 3,5 qmm Querschnitt und 0,0411 g wird also getragen von Luft mit v = 14 m; zum Heben gehören mindestens Geschwindigkeiten ≧ 20 m
                              									(Auftrieb bei 20 m: 0,0245 . 3,5 – 0,0411 = 0,0436 g).
                           
                              
                                 Bei h =
                                 1200 mm1500   „2000   „
                                 Wassersäule Unterdruck bezw. Druck
                                 
                              
                           ist nach v. Ihering die
                              									theoretische Luftgeschwindigkeit
                           
                              
                                 v = 3,961 √h =
                                 137,21 m/Sek153,41    „175,05    „
                                 
                              
                           
                           d.h. bei der Ausflußzahl 0,65 ist
                           
                              
                                 v' =
                                 89,1999,72113,78
                                 m/Sek.„„
                                 
                              
                           (durch Röhren, Krümmungen usw. natürlich noch bedeutend
                              									vermindert).
                           Während die ersten schwimmenden Saugluftförderer von dem
                              									Hause G. Luther, A.-G., nach eigenen wie nach Duckham-PatentenVergl. auch des Verfassers Buch
                                       													„Massentransport“, Stuttgart 1908, S. 241 ff.
                              									für den Norddeutschen Lloyd nach Bremerhaven geliefert
                              									wurden, arbeiten zurzeit außer den schon früher für die Hamburg-Amerika-Linie gebauten derartigen Hebern zehn solche Elevatoren
                              										(Fig. 4), die der dortigen Getreideheber-Gesellschaft gehören, im Hamburger
                              									Hafen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 376
                              Fig. 6. Zwei schwimmende pneumatische Heber im Hafen von Rotterdam den Dampfer
                                 											„Vaglianos“ löschend.
                              
                           Ferner sind gegenwärtig acht derartige pneumatische Elevatoren (Fig. 5 und 6) im
                              									Hafen von Rotterdam im Betrieb bezw. für die Maatschapij tot
                                 										Exploitatie van Drijvende Elevators im Bau.
                           Die Durchschnittsleistung beträgt 150 t/Std., während die stündliche Höchstleistung zu 225 t
                              									angegeben wird.
                           Die gesamte Einrichtung eines derartigen schwimmenden pneumatischen Hebers ist im
                              									Rumpf und auf Deck eines pontonartigen eisernen Fahrzeuges untergebracht. Der
                              									Rumpf ist durch wasserdichte Schottwände in mehrere Abteilungen getrennt, die den
                              									Kessel zum Betriebe der Hauptdampfmaschine, die Luftpumpen, die Dampfpumpen für die
                              									Kondensation und die Kesselspeisung, die Dampfmaschine zur Erzeugung des
                              									elektrischen Lichtes, ferner Ketten, Seile und sonstige Gegenstände sowie
                              									Mannschaftskabinen, die Küche usw. aufnehmen.
                           Auf Deck befindet sich ein turmartiges Gerüst, das oben eine zylindrische Kammer
                              									trägt. Vom Kopf dieser Kammer geht die Saugrohrleitung zu den Luftpumpen, während
                              									die mit Düsen versehenen Getreidesaugrohre am Fuße der Kammer angeschlossen und an
                              									kleinen Masten aufgehängt sind; sie können um etwa 180° geschwenkt werden.
                           An dem unteren, trichterförmigen Teil der Kammer ist eine Vorrichtung angebracht, die
                              									den Austritt des Getreides unter Luftabschluß in einen Sammelbehälter ermöglicht,
                              									aus dem es in pendelnd aufgehängte selbsttätige Wagen fällt. Das gewogene Korn
                              									fließt in einen zweiten Behälter, um aus diesem durch ein mit Drosselklappe
                              									versehenes Teleskoprohr in den Leichter geführt zu werden.
                           Im unteren Teil des Turmgerüstes ist eine Staubkammer angeordnet, in welche die
                              									Luftpumpen den mit dem Getreide fortgerissenen Staub ausstoßen.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)