| Titel: | Die Motoren auf der Internationalen Motorboot-Ausstellung Berlin 1910. | 
| Autor: | J. Küster | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 386 | 
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                        Die Motoren auf der Internationalen
                           								Motorboot-Ausstellung Berlin 1910.
                        Von J. Küster, Patent- und Zivil-Ingenieur,
                           									Berlin.
                        Die Motoren auf der Internationalen Motorboot-Ausstellung Berlin
                           								1910.
                        
                     
                        
                           Nach etwa 2½ Jahren zum ersten Male waren in beiden Ausstellungshallen am
                              									Zoologischen Garten wieder Fahrzeugmotoren in größerer Anzahl und geschmackvollem
                              									Gewande ausgestellt – in letzterer Beziehung allerdings insofern gegen früher
                              									verändert, als früher vorwiegend. (bezw. zeitlich während der größeren ersten Hälfte
                              									der Ausstellung) Automobile das Interesse des großen Publikums an den
                              									Vervollkommnungen der Klein-Motoren heranziehen sollten, diesmal Wasser- und
                              									Luft-Fahrzeuge. Es war demnach eine große Anzahl Motorboote, von den kleinsten
                              									Yacht-Beibooten und Ruderbooten mit Hilfsmotor bis zu den größten und schwersten
                              									seegehenden und Marine-Beibooten ausgestellt, neben ein paar Luftfahrzeugen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 385
                              Fig. 1. Klein-Motor von Diesel & Co.
                              
                           Die Motoren selbst lehnten sich teils in hohem Maße hinsichtlich ihrer Bauart, Stärke
                              									usw. an die früher ausgestellten Automobilmotoren an, darunter Typen mit gut
                              									durchgearbeiteten Spezial-Ausrüstungen für den Verwendungszweck auf
                              									Wasserfahrzeugen, wie dies bei dem Leiter unten beschriebenen Dixi-Bootsmotor der Fall ist, Zuweise aber waren die
                              									Konstruktionen auch dem Groß-Gasmotorenbau entlehnt und hinsichtlich
                              									Gewichtsverminderung und ähnlichen Anforderungen des Boots-Betriebes für diesen
                              									Spezialzweck zugeschnitten, insbesondere auch hinsichtlich der seit langem
                              									gesuchten, früher praktisch weniger bewährten Umsteuerbarkeit des Drehungssinns der
                              									Motoren selbst, also ohne Zwischenschaltung eines Reversiergetriebes.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 385
                              Fig. 2 und 3. Vierzylinder-Klein-Dieselmotor.
                              
                           Verfasser sah zwar schon vor acht Jahren auf einer Pariser Ausstellung einen
                              									amerikanischen umsteuerbaren Dreizylindermotor im Betriebe, welcher tadellos dem
                              									Umsteuer-Manöver gehorchte; auch sind in den letzten Jahren die amerikanischen
                              									kleinen Zweitakt-Bootsmotoren vielfach umsteuerbar hergestellt worden, doch
                              									erfordert die Umsteuerung derselben eine erhebliche Geschicklichkeit, oft auch wiederholtes
                              									Manövrieren, wie denn auch bei diesen Motoren wenig Rücksicht auf geringen
                              									Betriebsstoffverbrauch und Haltbarkeit genommen wird, weil im Lande der
                              									Petroleumquellen der Preis für dieses ungleich niedriger ist und der Verbrauch daher
                              									eine erheblich geringere Rolle spielt.
                           Eigenartig jedoch ist der Umstand, daß auf der diesjährigen hiesigen Ausstellung zwar
                              									mehrere größere inländische Firmen umsteuerbare Verbrennungsmotoren, insbesondere
                              									Zweitaktmotoren, ausstellten, jedoch lediglich ein dänisches derartiges Fabrikat,
                              									der Bolinder-Motor im Betriebe vorgeführt wurde, mit im
                              									Wasser rotierender Bootsschraube. Es mag dies zum Teil darauf zurückzuführen sein,
                              									daß schwedische und dänische Motoren in der Verwendung an Hochseefischereibooten wie
                              									auch seefahrenden Segel-Yachten als Hilfsmotoren zeitlich mit praktischen
                              									Erfahrungen einen gewissen Vorsprung vor inländischen Fabrikaten haben können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 386
                              Fig. 4. Umsteuerbare „Nürnberger Oel-Schiffsmaschine“.
                              
                           Erfreulich ist die zunehmende Zahl von Konstruktionen, welche zwischen dem schweren,
                              									langsamlaufenden Verbrennungsmotor mit auf dem Gasmotor basierenden
                              									Konstruktions-Prinzipien einesteils, und den schnell laufenden Automobilmotoren
                              									andererseits unter Ausnutzung der großen in bezug auf die letzteren gesammelten
                              									Erfahrungen die Mitte halten. Es entstehen hierdurch Mitteltypen für solche Boote,
                              									bei welchen das Gewicht nicht eine gar so große Rolle spielt wie die Regelmäßigkeit
                              									des Dauerbetriebes und schließlich auch die Oekonomie desselben, besonders bei
                              									gewerblicher Benutzung. In letzterer Beziehung ist bei diesen Motoren durch
                              									Verwendung von billigen Betriebsstoffen, insbesondere Rohöl, unter unmittelbarer
                              									Einspritzung desselben in den Verbrennungsraum viel erreicht worden, und es
                              									erregte daher auch der auf weiterer Durchführung dieses Prinzips beruhende Klein-Diesel-Motor Interesse. Während die meisten
                              									angedeuteten Typen zur Zündung einen beim Anlassen mittels Lötlampe oder dergl.
                              									angewärmten, im Betriebe sich selbst warm haltenden Glühkopf verwenden, arbeitet der
                              										Diesel-Kleinmotor nach demselben
                              									Selbst-Zünde-Prinzip mit höherer Kompression wie der bekannte große Motor desselben
                              									Konstrukteurs und es dürften noch weitere Konstruktionen dieser Richtung wegen
                              									Ablaufs des prinzipiellen Diesel-Patentes zu erwarten
                              									sein.
                           Wie für die meisten ausgestellten schweren Rohölmotoren, werden auch für den Diesel-Kleinmotor als Betriebskosten etwa 2 Pfg. für
                              									die Pferdestärkestunde angegeben, bei einem Preise von 8 bis 10 Pfg. f. d. kg für
                              									die verwendeten schwer entzündbaren Mineralöle, insbesondere Rohöle, Zwischenöle,
                              									Destillationsrückstände.
                           Wie die Abbildung eines Einzylinder-Diesel-Kleinmotors
                              										(Fig. 1) sowie der Grundriß und Aufriß (Fig. 2 u.
                              										3)
                              									eines Vierzylindermotors zeigen, ist außer den Arbeitszylindern ein von der
                              									Kurbelwelle angetriebener Kompressor vorgesehen, welcher den Vorrat einer
                              									Druckluftflasche stets selbsttätig ergänzt. Letztere dient zum Anlassen des Motors
                              									ohne Ankurbelung nach beliebig langem Stillstand.
                           Beim Einzylinder ist der Luftpumpenzylinder mit dem Arbeitszylinder in einem
                              									hergestellt. Derselbe wird ebenfalls durch das durch den Motorzylinder zirkulierende
                              									Kühlwasser gekühlt. Durch ein Reguliersystem wird eine Ueberschreitung des
                              									vorgesehenen Maximaldruckes verhindert. Die Schmierung erfolgt durch Schleuderöl im
                              									Kurbelkasten, und der Brennstoff wird bekanntlich ohne Vergaser eingespritzt.
                           
                           Als „Nürnberger Oelmaschine“ bezeichnet die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg ihre ausgestellte Schiffsmaschine,
                              									welche bei 600 Umdrehungen 150 PS leistet. Die Abbildung (Fig. 4) zeigt an der Kopfseite oben links den Umsteuerhebel. Die Maschine
                              									arbeitet im Zweitakt und zwar nach dem vom Diesel-Motor
                              									her bekannten Gleichdruckverfahren. Bei einem Hub wird die durch eine Spülpumpe
                              									eingeblasene Luft stark komprimiert und dadurch hoch erhitzt, im Hubwechsel wird der
                              									Brennstoff eingespritzt, der unter gleichmäßiger vollkommener Verbrennung im
                              									Arbeitshub den Kolben abwärts treibt, bis die Auspuffgase durch die frei werdenden
                              									Auspuffschlitze, wobei Spülluft nachbläst, entweichen. Der Motor ist insbesondere
                              									für schwer entzündbare Oele, wie Parafinöl, Rohpetroleum usw. bestimmt.
                           Die Zylinder nehmen im oberen Teil die Arbeitskolben, im unteren Teil die Kolben der
                              									Spülpumpen auf. Die Steuerung der Einlaß-, Brennstoff- und Anlaßventile im
                              									Zylinderkopf erfolgt durch eine oben gelagerte Steuerwelle, die Umsteuerung mittels
                              									Druckluft. Das Schwungrad kommt infolge der Anwendung vieler Zylinder in
                              									Fortfall.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 387
                              Fig. 5. Bronsmotor der Gasmotorenfabrik Deutz.
                              
                           Bei einem ausgestellten umsteuerbaren Körtingschen
                              									100–120 PS-Sechszylinderrohölmotor, welcher nach dem Diesel-System arbeitet, erfolgt die Umsteuerung nach Patent 195559. Da der
                              									Motor im Viertakt arbeitet, erhält jeder Zylinder ein Einlaß- und Auspuffventil,
                              									welches am oberen Totpunkt den Brennstoff, Naphtha, Petroleum oder Rohöl einspritzt.
                              									Außerdem besitzt jeder Zylinder noch ein gesteuertes Luftdruckanlaßventil, welches
                              									dazu dient, den Motor in Betrieb zu setzen. Außer den drei Blockzylinderpaaren
                              									besitzt der Motor noch einen Hochdruckkompressor, welcher die nötige Luft für die
                              									Zerstäubung und Einblasung des Brennstoffes, sowie für die Inbetriebsetzung und
                              									Reversierung liefert. Die Schmierung des Motors geschieht durch eine Schmierölpumpe,
                              									welche den sämtlichen Lagern der hohlgebohrten Welle, sowie den Pleuelzapfen des
                              									Kolbens das Schmieröl zuführt. Das Prinzip der Umsteuerung beruht darin, daß die
                              									Ventile und die Brennstoffpumpen nicht direkt durch die Nocken der Steuerwelle
                              									durch Zwischenhebel wirken, welche die Bewegung der Nocken auf die verschiedenen
                              									Organe übertragen. Diese Hebel ruhen mit ihren Stützpunkten auf einer zweiten Welle,
                              									welche durch das Handrad verdreht wird und z.B. in der Stoppstellung sämtliche Hebel
                              									soweit hebt, daß die Nocken nicht mehr in Berührung mit den Hebeln kommen. Je nach
                              									dem Winkel, unter welchem diese Welle verdreht wird, werden auch die
                              									Brennstoffpumpen mehr oder weniger betätigt und die Druckluftanlaßventile ein- oder
                              									ausgeschaltet. Der Mechanismus zum Verdrehen der Hilfswelle ist nun so mit der
                              									eigentlichen Steuerwelle gekuppelt, daß in der Stoppstellung die Steuerwelle
                              									verschoben werden kann, um je nach Wunsch die Nocken für die Vorwärts- oder
                              									Rückwärtsbewegung der Maschine mit den Ventilbewegungsübertragungshebeln in Einklang
                              									zu bringen.
                           Im Zweitakt mittels Preßluft angelassen wird der im Viertakt arbeitende Brons-Motor der Gasmotorenfabrik Deutz, und zwar mittels eines Druckluftbehälters von nur
                              									6 at. Der luftgekühlte Kompressor zur Erzeugung der Druckluft ist in Fig. 5 links zu sehen (außer diesem einzylinderigen
                              									8pferdigen Brons-Motor war auch ein 24-pferdiger
                              									Zweizylindermotor desselben Systems ausgestellt, letzterer mit Kupplung für
                              									Schrauben- und Windenantrieb). Die Gasmotorenfabrik
                                 										Deutz baut nämlich diesen mit Lampenpetroleum (bei 22,– M für 100 kg werden
                              									5,5 bis 6,2 Pf/PS-Std. Brennstoffkosten angegeben) insbesondere für gewerbliche Zwecke
                              									bezw. Lastfahrzeuge.
                           Der Arbeitsvorgang sei an Hand der in Fig. 6 und 7 dargestellten Schnitte durch den Zylinderdeckel und
                              									der Ansicht von oben (Fig. 8) erläutert.Fig. 6–8 folgen in Heft 26.
                           Beim Abwärtsgang des Kolbens wird durch das Ventil e
                              										(Fig. 7) reine Luft angesaugt, während
                              									gleichzeitig durch das Ventil b (Fig. 6) der Brennstoff in die Brennstoffkapsel c strömt. Durch deren enge Oeffnungen tritt nun ein
                              									Bruchteil des Brennstoffes in Dampfform in den Zylinderraum und wird bei der
                              									darauffolgenden Aufwärtsbewegung des Kolbens mit der angesaugten Luft zusammen
                              									komprimiert. Infolge der Verdichtung tritt eine Entzündung ein, die sich aus dem
                              									Kompressionsraum auch auf den in der Kapsel gelagerten Brennstoff fortpflanzt.
                              									Alsdann folgen der Arbeitshub und endlich das Ausstoßen der Verbrennungsprodukte
                              									durch das Ventil a (Fig.
                                 										7).
                           Der Brennstoff fließt aus einem erhöht aufgestellten Behälter einem den Druck
                              									regelnden Schwimmergefäß und von da aus der Brennstoffnadel zu. Falls die gesamte
                              									Anlage ein Tieflegen des Brennstoffbehälters bedingt, wird dem Motor durch eine
                              									besondere Pumpe der Brennstoff zugepumpt. In diesem Falle wird das Schwimmergefäß
                              									durch einen gewöhnlichen kleinen Behälter mit Ueberlauf ersetzt. Die Brennstoffnadel
                              									wird vom Regler eingestellt und dadurch das bei jedem Saughub durch das Ventil b (Fig. 6) in die
                              									Kapsel übertretende Brennstoffquantum der Belastung entsprechend bemessen.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)