| Titel: | Neuere Erfahrungen in Groß-Gasmaschinen-Betrieben. | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 418 | 
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                        Neuere Erfahrungen in
                           									Groß-Gasmaschinen-Betrieben.Vortrag, gehalten auf
                                 										dem V. internationalen Kongreß für Bergbau, Hüttenwesen, angewandte Mechanik und
                                 										praktische Geologie zu Düsseldorf 1910.
                        Von Professor Langer,
                           								Aachen.
                        Neuere Erfahrungen in Groß-Gasmaschinen-Betrieben.
                        
                     
                        
                           Mit beispielloser Raschheit hat sich die Viertakt-Großgasmaschine in Deutschland
                              									verbreitet, seitdem im Jahre 1902 durch den „Nürnberger Typ“ die richtige
                              									Grundlage für ihre bauliche Gestaltung gegeben war. Ihrer einfachen und
                              									übersichtlichen Bauart und Wirkungsweise wegen wurde sie sofort der um mehrere Jahre
                              									älteren Zweitakt-Großgasmaschine vorgezogen. Das Anwendungsgebiet der
                              									Zweitaktmaschine beschränkte sich in der Folge fast ausschließlich auf das Feld des
                              									Gebläseantriebs, in welchem ihr eine, wenn auch bescheidene, so doch stetige
                              									Entwicklung zuteil wird (Fig. 1). Erst vier Jahre
                              									später als in Europa setzte der Bau von Großgasmaschinen in den Vereinigten Staaten
                              									ein. Gegenwärtig befinden sich in Amerika Großgasmaschinen von rund 500000 PS
                              									Leistung in Bau und Betrieb, gegenüber rd. 1000000 PS in Europa. Ohne Zweifel hat
                              									der vollständige Mißerfolg der im Jahre 1902 in den Lackawanna-Stahlwerken in
                              									Buffalo in Betrieb gesetzten Zweitaktmaschinen (rd. 40000 PS) die Einführung der
                              									Großgasmaschine in Amerika stark verzögert und weiter zur Folge gehabt, daß seitdem
                              									Zweitaktmaschinen in Amerika nicht mehr zur Anwendung gekommen sind und
                              									ausschließlich Viertaktmaschinen in Betracht gezogen werden.
                           Die wirtschaftliche Berechtigung der Gasmaschine auf Hüttenwerken und Zechen geht
                              									daraus zur Genüge hervor, daß eine gegebene Gasmenge in der Gasmaschine ausgenutzt,
                              									rd. 2,5 mal so viel Energie erzeugt als auf dem Umwege über Dampfkessel und
                              									Dampfturbine, und daß bei der hohen Ausnutzung (bis zu 70 v. H.) der Maschinen in
                              									Zechen- und Hüttenkraftwerken Ersparnisse in den einmaligen Anlagekosten gegenüber
                              									den fortlaufenden Ausgaben für Brennstoff eine durchaus untergeordnete Rolle
                              									spielen. Die rasche Entwicklung der Großgasmaschine, die trotz mancher
                              									Betriebsschwierigkeiten stetig geblieben ist, zeigt deutlich, daß die
                              									Großgasmaschine nicht nur wirtschaftlich berechtigt, sondern unentbehrlich geworden
                              									ist.
                           Von verfehlten Anfangskonstruktionen, wie z.B. dem Zwischenstück mit den weit
                              									ausholenden Flanschen, abgesehen, waren die hohen Dauerbelastungen der Maschinen die
                              									Hauptursache der Betriebsschwierigkeiten. Während bei der Dampfmaschine sich eine
                              									Ueberlastbarkeit ganz von selbst dadurch ergibt, daß die wirtschaftlich günstigste
                              									Füllung beträchtlich unter der Vollfüllung bleibt, Hegen die Verhältnisse bei der
                              									Gasmaschine scheinbar so, daß der Betrieb bei höchster Ausnutzung der Maschine der
                              									wirtschaftlich günstigste wird. Sowohl die Berücksichtigung des
                              									Maschinenpreises als auch des Wirkungsgrades scheinen gleichzeitig dafür zu
                              									sprechen, da selbst eine geringe Verschlechterung der indizierten thermischen
                              									Ausnutzung durch die Verbesserung des mechanischen Wirkungsgrades bei höherer
                              									Leistung ausgeglichen werden kann. Derartige Erwägungen haben dazu geführt, daß bei
                              									den ersten Maschinen die Nennleistungen auf Grund mittlerer Kolbendrucke von 5–5,5
                              										kg/qcm
                              									angegeben wurden und ein Unterschied zwischen der Nennleistung und Höchstleistung
                              									praktisch nicht vorhanden war.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 417
                              Fig. 1. Entwicklung der Großgasmaschine in Europa.
                              
                           Solche Maschinen Wärtern überlassen, welche die Eigenschaft
                              									der Ueberlastbarkeit der Maschine als selbstverständlich annahmen, konnten zu keinem
                              									Erfolge führen. Die Unfähigkeit dieser Maschinen, zufällige Mehrbelastungen auch nur
                              									vorübergehend aufzunehmen, und die kurze Lebensdauer der den Verbrennungsgasen
                              									ausgesetzten Teile ließ ihre Betriebsbrauchbarkeit fraglich erscheinen. Doch wäre es
                              									verfehlt, aus diesen Mißerfolgen zu hoch belasteter Maschinen ganz allgemein auf
                              									eine mangelhafte Betriebstüchtigkeit der Gasmaschinen zu schließen. Ebenso wie bei
                              									der Festlegung der Dauerleistung des Drehstrommotors die Rücksicht auf
                              									Betriebssicherheit und Ueberlastbarkeit ganz wesentlich mitspricht, darf auch bei
                              									der Gasmaschine der Maschinenpreis für die Leistungseinheit und der Wirkungsgrad
                              									nicht allein maßgebend sein. Die Erkenntnis dieser Tatsache wurde durch den
                              									Vergleich der Betriebsergebnisse der Dynamoantriebmaschine mit den viel günstigeren der
                              									niedriger belasteten Gebläseantriebmaschine bald gewonnen und führte dazu, daß die
                              									Dauerbelastungen herabgesetzt wurden. Die mittleren Kolbendrücke betragen heute im
                              									Dauerbetrieb höchstens 4,5 kg/qcm.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 418
                              Fig. 2.
                              
                           Von allen betriebstechnischen Maßregeln, die getroffen wurden, um eine Besserung in
                              									den Gasmaschinenbetrieben herbeizuführen, war die Entlastung die wichtigste, da erst
                              									durch sie der Eintritt des labilen Betriebszustandes, in welchem der Regler die
                              									Maschine im Gas ersticken läßt, vermieden werden konnte. Großer Luftüberschuß ist
                              									ein Lebenselement der Gasmaschine, da zu gasreiche Gemenge Verbrennungstemperaturen
                              									zur Folge haben, denen weder die Baustoffe noch die Schmiermittel gewachsen
                              									sind.
                           Auf die richtige Beherrschung der Gemengebildung durch den Regler muß daher im
                              									Interesse nicht nur einer ruhigen Regelung, sondern auch einer langen Lebensdauer
                              									der von den Verbrennungsgasen berührten Teile besonderer Wert gelegt werden.
                              									Betrachtet man zunächst eine Maschine ohne Ladepumpen, bei der der Arbeitskolben Gas
                              									und Luft parallel ansaugt, so findet man die Schwierigkeit der richtigen
                              									Gemengebildung darin, daß von den zwei für die angesaugte Gas- und Luftmenge
                              									maßgebenden Faktoren: Einströmquerschnitt und Einströmgeschwindigkeit in den
                              									Mischraum, nur der erste durch den Regler unmittelbar beherrscht wird, während der
                              									zweite, die Einströmgeschwindigkeit, durch unvermeidbare und unregelmäßige
                              									Druckschwankungen dynamischer oder statischer Art in den Zuleitungen vor dem
                              									Mischventil beeinflußt wird. Der Einfluß dieser Druckschwankungen auf die
                              									Zusammensetzung des angesaugten Gemenges wird um so größer sein, je geringer der für
                              									die Erzeugung der normalen Eintrittsgeschwindigkeiten erforderliche Druckabfall im
                              									Mischventil ist. Mit Hilfe der Gleichung:
                           
                              F_D\,\sqrt{2\,g\,H_D}+F_G\,\sqrt{2\,g\,(H_G+x)}=C
                              
                           läßt sich dieser Einfluß der Gasdruckschwankungen vor dem
                              									Mischventil unter der Annahme gleichmäßiger Strömung, verlustfreier
                              									Geschwindigkeitserzeugung und gleichbleibender spezifischer Gewichte
                              									rechnerisch einfach verfolgen. In der Gleichung bedeuten:
                           F die freien Querschnitte,
                           H die die
                              									Eintrittsgeschwindigkeit erzeugenden Drücke,
                           x die Gasdruckschwankung,
                           C eine Konstante, die der
                              									sekundl. Saugmenge proportional ist.
                           Der Index G bezieht sich auf Gas,
                              									der Index L auf Luft.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 418
                              Fig. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 418
                              Fig. 4.
                              
                           Die Schaulinien in Fig. 2 und 3 geben die Ergebnisse der Rechnung wieder, die für
                              									den besonderen Fall eines gewünschten Mischungsverhältnisses von 1 : 1 bei 20 v. H.
                              									Luftüberschuß und gleicher spez. Gewichte des Gases und der Luft für verschiedene
                              									Normalgeschwindigkeiten durchgeführt wurde. Fig. 2
                              									gilt für den Fall, daß Gas und Luft unter gleichem Druck vor dem Mischventil
                              									anlangen, Fig. 3 für den Fall, daß das Gas vor dem
                              									Mischventil bei x = O einen Ueberdruck von 200 mm WS
                              									besitzt. Wenn auch die vereinfachenden Annahmen eine unmittelbare Anwendung der
                              									errechneten Zahlenwerte nicht gestatten, so muß das Ergebnis doch als Beweis dafür
                              									angesehen werden, daß die Eintrittsgeschwindigkeiten des Gases und der Luft in das
                              									Mischventil möglichst groß gewählt werden müssen, um eine einigermaßen genaue Beherrschung der
                              									Gemengebildung durch den Regler zu erzielen. Ohne eine Zuführung von Gas und Luft
                              									unter bedeutendem Ueberdruck zu bedingen, oder die Saugwiderstände im Zylinder zu
                              									erhöhen, läßt sich eine genügende Erhöhung der Geschwindigkeiten und des
                              									Druckabfalls im Mischventil dadurch erreichen, daß die verwickelten und engen
                              									Querschnitte sowie die scharfen Richtungswechsel in den Gas- und Luftkanälen vor und
                              									hinter dem Mischventil vermieden werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 419
                              Fig. 5.
                              
                           Größere Schwierigkeiten als die Regelung und Beherrschung der Gemengebildung bei
                              									gleichbleibender Drehzahl der Maschine, auf die sich das eben Besprochene bezieht,
                              									bereitet die Regelung der Drehzahl der Viertaktmaschine, besonders in dem stets
                              									zutreffenden Falle, daß das Gas mit Ueberdruck vor dem Mischventil anlangt. Da die
                              									Lufteintrittgeschwindigkeit, für deren Erzeugung nur die Saugwirkung des Kolbens zur
                              									Verfügung steht, bei sinkender Drehzahl rascher als die Gaseintrittgeschwindigkeit
                              									abnimmt, welche außer von der Saugwirkung des Kolbens von dem gleichbleibenden
                              									Ueberdruck in der Gasleitung abhängt, wird häufig schon bei wenig verminderter
                              									Drehzahl nicht mehr eine genügende Luftmenge in die Maschine gelangen und die
                              									Verbrennung erersticken. Die Schaulinien der Fig. 4,
                              									welche die Abnahme der Gas- und Luftgeschwindigkeiten sowie des Luftüberschusses des
                              									angesaugten Gemenges bei abnehmender Drehzahl zeigen, sind auf Grund der oben
                              									aufgehellten Gleichung gerechnet. Der Annahme des gleichbleibenden Gasdrucks (200 mm
                              									WS) entsprechend ist X = O gesetzt. Der Einfluß
                              									der verminderten Saugwirkung bei niedrigerer Drehzahl kommt in der Konstanten C zum Ausdruck. Daß bei abnehmender Drehzahl unter dem
                              									Einfluß der Druckschwankungen in der Gasleitung der Luftmangel und das Stehenbleiben
                              									der Maschine noch früher eintreten kann, als es das Schaubild zeigt, geht aus dem
                              									früher Gesagten hervor. Auch hier wird eine Erhöhung der normalen Gas- und
                              									Lufteintrittgeschwindigkeiten von großem Nutzen sein und eine selbsttätige Regelung
                              									der Drehzahl in praktisch meist ausreichenden Grenzen ermöglichen. Es liegt kein
                              									zwingender Grund vor, Viertaktgebläsemaschinen, wie das meistens geschieht, von Hand
                              									zu regeln, sie können ohne weiteres dem Leistungsregler überlassen werden, sofern
                              									durch genügende Drosselung im Mischventil der Eintritt des Luftmangels bei niedriger
                              									Drehzahl ausgeschlossen wird.
                           Von Haus aus besser geeignet für die Regelung der Drehzahl ist die Zweitaktmaschine
                              									mit Ladepumpen, welche Gas und Luft unabhängig von Drehzahl und Druck in den
                              									Arbeitszylinder überschieben. Gewisse Ungenauigkeiten in der Gemischbildung, die
                              									hierbei infolge der mechanisch stark begünstigten Diffusion zwischen der in den
                              									Gaskanal vorgeschobenen Luft und dem Gas eintreten, werden für den Betrieb kaum
                              									fühlbar sein, solange man es mit hohen Füllungen und armem Gas zu tun hat, das
                              									spezifisch gleich schwer ist wie die Luft. Ob diese Vorteile der Zweitaktmaschine so
                              									groß sind, daß es berechtigt ist, die Betriebsüberwachung durch die Verwendung von
                              									zwei grundsätzlich verschiedenen Maschinen-Bauarten zu erschweren und die
                              									Unbequemlichkeit doppelter Ersatzteile in Kauf zu nehmen, hängt im wesentlichen
                              									davon ab, in welchen Grenzen die Regelung der Drehzahl erwünscht ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 419
                              Fig. 6.
                              
                           Trotzdem die Zylinderrisse einerseits durch die Entlastung der Maschinen, anderseits
                              									durch konstruktive und gußtechnische Vervollkommnung seltener werden, ist der
                              									Zylinder noch immer der schwächste Teil der Maschine. Während sich bei den meisten
                              									Einzelheiten Normalkonstruktionen eingebürgert haben, die den Anforderungen voll
                              									entsprechen, weichen die Zylinderkonstruktionen stark voneinander ab. Die Tatsache,
                              									daß Konstrukteure nach eingehenden Versuchen vom Zylinder mit unterbrochenem
                              									Außenmantel zum einteiligen Zylinder übergegangen sind, andere jedoch, ebenfalls
                              									nach eingehenden Versuchen, den gerade entgegengesetzten Weg beschritten haben und
                              									nicht nur den Außenmantel, sondern auch den Innenzylinder teilen, kennzeichnet die
                              									Unsicherheit in der Beurteilung der Ursachen, die zu Rissen führen. Der mehrteilige
                              									Zylinder entstand hauptsächlich aus dem Wunsche, die Gußspannungen in achsialer
                              									Richtung möglichst zu vermeiden, die infolge der späteren Erstarrung des inneren
                              									Zylinders nach dem Gießen diesen auf Zug beanspruchen, nebenbei auch aus dem
                              									Bestreben, in den Einlaß- und Auslaßstutzen möglichst dichten Guß zu erhalten. Die
                              									Einfachheit und die bessere Uebertragung der Kräfte zwischen Zylinder und Rahmen
                              									oder Zwischenstück spricht dagegen für den einteiligen Zylinder mit ununterbrochenem
                              									Außenmantel. Während in Deutschland der einteilige Zylinder von Anfang an weitaus
                              									vorherrschte, haben in Amerika immerhin rd. 40 v. H. der Großgasmaschinen senkrecht
                              									zur Achse geteilte Zylinder. Tatsächlich sind die mehrteiligen Zylinder von Rissen
                              									infolge achsialer Zugspannungen verschont geblieben, während die einteiligen
                              									Zylinder in Amerika ebenso wie in Deutschland nicht selten Risse zwischen der
                              									Deckeldichtungsleiste und dem Zylinderflansch aufweisen („Rundrisse“), die am
                              									häufigsten an der in Fig. 6 eingezeichneten Stelle
                              									vorkommen. Diese Erscheinung führt leicht dazu, die achsialen Gußspannungen in ihrer
                              									Wirkung zu überschätzen. Tritt man der Sache näher, so findet man zunächst, daß in
                              									dem Bestreben, die Federung der breiten Stirnflanschen bei einteiligen Zylindern
                              									nicht zu beeinträchtigen, die gefährlichen Biegungsbeanspruchungen übersehen wurden,
                              									die jede im Innenzylinder achsial wirkende Kraft an der scharf abgerundeten
                              									Uebergangsstelle vom Zylinder zum Flansch hervorrufen muß. Diese Schwäche, die nicht
                              									durch die Einteiligkeit bedingt wird, wiesen die mehrteiligen Zylinder von Anfang an
                              									nicht auf, da die gefährliche Uebergangsstelle mit Rücksicht auf die Uebertragung
                              									der Triebwerkdrücke auf die Zylinder ganz von selbst kräftig ausgebildet und
                              									außerdem jede gefährliche Verspannung zwischen Deckel und Zylinder durch geeignete
                              									Anordnung der Dichtung unmöglich gemacht wurde (Fig.
                                 										5). Die Biegungsbeanspruchungen an der gefährlichen Stelle waren bei
                              									einteiligen und mehrteiligen Zylindern zufällig so verschieden, daß das Auftreten
                              									der Risse an den einteiligen Zylindern eine Beweiskraft für die Gefährlichkeiten der
                              									Gußspannungen nicht besitzt. Die Untersuchung der Bruchstücke von mehreren
                              									einteiligen Zylindern, die nach Außerbetriebsetzung unter dem Fallbär zerschlagen
                              									wurden, brachte einen Unschuldsbeweis der achsialen Gußspannung. Es zeigte sich
                              									nämlich, daß die Risse stets dort aufgetreten waren, wo eine bedeutende
                              									Kernverlegung eine weitere Schwächung des inneren Zylinders und der Uebergangsstelle
                              									verursachte. Obwohl die Gußspannungen an der Seite des inneren Zylinders, an der das
                              									Material infolge der Kernverlegung dicker war, jedenfalls erheblich stärker sein
                              									mußten, da die Erstarrung nach dem Gießen mit noch größerer Verspätung erfolgte,
                              									beschränkte sich der Riß stets auf jenen Teil des Umfanges, der die geringere
                              									Wandstärke aufwies und rein mechanisch zu hoch beansprucht war. Es soll damit nicht
                              									behauptet werden, daß der einteilige Zylinder überhaupt gußspannungsfrei ist,
                              									sondern es soll nur die Unschädlichkeit der Gußspannungen gekennzeichnet werden.
                              									Auch die zweite Rücksicht, die zur Teilung des Zylinders führte, nämlich die
                              									Erzielung gleichmäßig dichten Gusses an den beiden Zylinderenden, kann die
                              									Umständlichkeit der Teilung nicht berechtigen, da sich eine Verschiedenheit der
                              									Widerstandsfähigkeit des oberen und unteren Gußteiles kaum feststellen läßt.
                           Während die im vorstehenden besprochenen Risse ihre Ursache in Zerrungen hatten, die
                              									durch irgend eine gegenseitige Verspannung von zwei Wänden entstehen, und es möglich
                              									ist, durch gußtechnische und konstruktive Maßnahmen die Zerrungen zu beseitigen oder
                              									doch unschädlich zu machen, sind die Ursachen und damit die Mittel zur Bekämpfung
                              									der Risse, die in den Wandungen des Verbrennungsraumes entstehen, wesentlich anderer
                              									Art. Die Tatsache, daß diese Risse immer an jenen Stellen der Wände des
                              									Verbrennungsraumes beginnen, an denen der Wärmeübergang zum Kühlwasser durch irgend
                              									einen Umstand beeinträchtigt wird (Fig. 7),
                              									läßt darauf schließen, daß die unmittelbare Ursache dieser Risse in den Spannungen
                              									zu suchen ist, die durch die ungleichen Temperaturen in den Schichten ein und
                              									derselben Wand entstehen. Während in der glatten, metallisch homogenen und die Wärme
                              									gut leitenden Wand die Temperaturunterschiede in den einzelnen Wandschichten nicht
                              									groß sind, da der Wärmeübergang von den Verbrennungsgasen in die innere
                              									Wandoberfläche mit großem Temperaturunterschied stattfindet, nach außen in das
                              									Kühlwasser jedoch gewissermaßen ungedrosselt vor sich geht, stellt sich die
                              									Temperaturverteilung wesentlich anders, wenn durch eine Beeinträchtigung der
                              									Wärmeleitfähigkeit der Wand oder der Wärmeabgabefähigkeit der Wandoberfläche an das
                              									Kühlwasser eine erhebliche Temperaturdrosselung in das Wandinnere oder an die
                              									Kühloberfläche der Wand verlegt wird. Jedenfalls steigen an diesen Stellen die
                              									Höchst-Temperaturen während des Ausdehnungs- und Auspuffhubes in den dem
                              									Verbrennungsraum zunächst liegenden Wandschichten ganz wesentlich über das normale
                              									Maß. Entsprechend der mittleren Temperatur der Wand wird das Material sich
                              									auszudehnen trachten und dies ungehindert tun können, da es in kaltem Zustand
                              									infolge der Gußspannungen unter Zugbeanspruchung stand. Gleichzeitig bestehen aber
                              									wegen der ungleichmäßigen Temperaturen in den einzelnen Wandschichten
                              									Materialspannungen, und zwar Druckspannungen in den heißeren, Zugspannung in den
                              									kälteren Schichten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 420
                              Fig. 7.
                              
                           Der Spannungszustand, in welchem sich das Material während des
                              									Ausdehnungs- und Auspuffhubes befindet, ist dem im Querschnitt eines Stabes
                              									herrschenden vergleichbar, der gegen das Zylinderinnere zu verbogen wird. Nun öffnet
                              									das Einströmventil. Kalte Luft tritt in den Zylinder ein und kühlt die Oberfläche
                              									des Verbrennungsraumes ab. Die weiter innen liegenden Schichten der Wand können der
                              									Abkühlung nicht so rasch folgen, daß sich augenblicklich ein dieser Abkühlung
                              									entsprechender Beharrungszustand der Wandtemperaturen einstellen könnte. Es wird
                              									vielmehr die mittlere Wandungstemperatur und damit die mittlere Dehnung im ersten
                              									Augenblick der inneren Abkühlung durch das einströmende Gemenge nur in ganz
                              									verschwindenden! Maße vermindert werden, so daß das plötzlich unter die mittlere
                              									Wandungstemperatur abgekühlte Material an der Wandoberfläche eine erhebliche
                              									Zugspannung erleiden muß. Dieser Temperatursprung wirkt auf das Material ganz
                              									ebenso, wie eine plötzliche Verbiegung von innen nach außen. Mithin ist die den
                              									Temperatursprüngen des Arbeitsvorganges in der Gasmaschine ausgesetzte innere Oberfläche der Wand
                              									des Verbrennungsraumes ebenso beansprucht, wie die Außenfaser eines Stabes, der
                              									durch Stöße andauernd bald in der einen, bald in der anderen Richtung verbogen wird.
                              									Das Maß der Verbiegung ist annähernd proportional dem Produkte aus dem größten
                              									augenblicklichen Temperaturunterschied (Temperatur an der inneren Wandoberfläche –
                              									mittlere Wandtemperatur) und aus der Wärmeausdehnungsziffer des Materiales, die
                              									Spannungen dem Produkt aus Temperaturunterschied × Wärmeausdehnungszahl ×
                              									Elastizitätsmodul.
                           Es dürfte kaum ein zweites Beispiel eines so ungünstigen Beanspruchungsfalles geben;
                              									denn wenn auch Materialspannungen infolge plötzlicher Temperaturschwankungen (z.B.
                              									bei Kesseln durch das Eintreten kalter Zugluft in den Verbrennungsraum während der
                              									Beschickung) im allgemeinen nicht so selten sind, so dürften die Verhältnisse beim
                              									Gasmaschinenzylinder wegen der raschen Aufeinanderfolge der zerstörenden
                              									Temperatursprünge am ungünstigsten liegen. Eine rechnungsmäßige Bestimmung der Höhe
                              									dieser Materialspannungen ist wegen der Unmöglichkeit, halbwegs genaue Angaben über
                              									die augenblicklichen Temperaturverteilungen in den Wänden während der verschiedenen
                              									Zeiten des Arbeitsvorganges in der Gasmaschine durch Messung zu gewinnen,
                              									ausgeschlossen. Bedenkt man aber, daß einem Temperaturunterschiede von 100° C bei
                              									gehinderter Längenänderung des Materiales Spannungen von rd. 1000 kg/qcm
                              									entsprechen, so muß man sich nur wundern, daß die Risse sich nicht häufiger
                              									bemerkbar machen, als dies tatsächlich der Fall ist. Es scheint, daß durch den
                              									Eintritt des Risses, der in seinen Anfängen nur einige Millimeter tief eindringt,
                              									eine Entlastung eintritt, so daß dann nur das natürliche Bestreben des Materiales,
                              									weiter zu reißen, in Verbindung mit äußeren Kräften den Bruch vervollständigt.
                              									Tatsächlich wird, wenn der Riß rechtzeitig bemerkt wurde, ein Ausmeißeln, Abbohren
                              									und dichtes Verstemmen mit weichem Kupfer den Schaden beheben. Ist der Riß einmal
                              									tiefer vorgedrungen, so wird das Verstemmen kaum mehr von Nutzen sein, da die
                              									größere Wärmeausdehnung des Kupfers eine beträchtliche Sprengwirkung auf das
                              									Gußeisen ausübt. Die rechtzeitige Entdeckung des Risses ist jedoch recht schwierig,
                              									da der Riß in der gleichmäßig erkalteten Wand meist keinen Anlaß zum Klaffen hat.
                              									Die Bekämpfung dieser Risse muß zunächst darin bestehen, die eigentlichen Ursachen,
                              									d. i. die Temperaturunterschiede in den Wandschichten, auf ein unschädliches Maß zu
                              									bringen. Da Temperatursprünge durch den Arbeitsvorgang der Gasmaschine bedingt
                              									werden, so muß man sich darauf beschränken, einerseits alle unregelmäßigen Zündungen
                              									und unvollkommenen Verbrennungen zu vermeiden, durch welche die Temperaturen
                              									des Arbeitsvorganges über das normale Maß erhöht werden, anderseits für gute
                              									Wärmeleitfähigkeit der Wände zu sorgen, damit die unvermeidlichen Temperatursprünge
                              									des Arbeitsvorganges für das Material weniger fühlbar werden. In diesem Sinne wird
                              									jede Materialanhäufung, die zur Lunkerbildung und Verschlechterung der Wärmeleitung
                              									führen muß, zu vermeiden sein. Schädlich sind ferner alle gegen das Zylinderinnere
                              									stark konvexen Uebergänge, in denen Wärmestauungen die ganz natürliche Folge der
                              									unvollkommenen Wärmeableitung nach dem Kühlraum sind, außerdem aber in
                              									hervorragendem Maße der Kühlung durch die einströmende kalte Luft ausgesetzt werden
                              									und durch das Zusammenwirken dieser beiden Umstände für die Rißbildung geradezu
                              									voraus bestimmt sind. Es geht daraus hervor, daß die Zwiebelform der Einlaß- und
                              									Auslaßstutzen mit ihren konvexen Uebergängen zum Zylinder, die lediglich unter dem
                              									Gesichtspunkte der günstigen Aufnahme der Explosionsdrücke und der kurzen Baulänge
                              									der Zylinder entstanden ist, sich für den Verbrennungsraum wenig eignet.
                           Unter dem Eindruck der heutigen Erfahrung läßt sich jedoch nicht die Ueberzeugung
                              									gewinnen, daß diese einseitige Bekämpfung der Risse zu einem vollen Erfolge führen
                              									wird, da sie in anbetracht einerseits der unvermeidlichen Temperatursprünge des
                              									Arbeitsvorganges in der Gasmaschine und anderseits der Unmöglichkeit, in allen
                              									Teilen der Wandung des Verbrennungsraumes einen gleichmäßig günstigen Wärmeübergang
                              									nach dem Kühlwasser zu schaffen, stets sehr unvollkommen bleiben muß. Es stellt sich
                              									die Notwendigkeit heraus, der Materialfrage näher zu treten und diese Risse auch
                              									durch eine Erniedrigung der maßgebenden Materialkonstanten (Wärmeausdehnungszahl ×
                              									Elastizitätsmodul) zu bekämpfen. Sobald es gelingt, ein Material zu schaffen, bei
                              									dem diese Konstante gegenüber Gußeisen bei gleicher Festigkeit wesentlich geringer
                              									ist, so ist die Aufgabe gelöst, und dem Gasmaschinenzylinder eine Lebensdauer
                              									verliehen, die der von Dampfmaschinenzylindern nicht nachsteht.
                           Daß die Wahl von Stahlguß, zu dem in der Verzweiflung vielfach gegriffen wird, keine
                              									Besserung, sondern eine Verschlechterung bringt, ist durch die Erfahrung erwiesen
                              									und geht ohne weiteres aus der Ueberlegung hervor, daß die Materialkonstante
                              									(Wärmeausdehnungszahl × Elastizitätsmodul) und damit die Spannungen gegenüber
                              									Gußeisen rd. viermal so groß werden, während die Widerstandsfähigkeit des
                              									Stahlgusses gegen die wechselnden Beanspruchungen kaum das Dreifache beträgt.