| Titel: | Neuerungen in der Ziegelindustrie. | 
| Autor: | G. Benfey | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 428 | 
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                        Neuerungen in der Ziegelindustrie.
                        Von G. Benfey,
                           								Lauban.
                        (Schluß von S. 413 d. Bd.)
                        Neuerungen in der Ziegelindustrie.
                        
                     
                        
                           In ähnlicher Weise arbeitet auch die Ziegelschlagmaschine „System J. Welz“ der Passauer
                                 										Maschinenfabrik und Eisengießerei, die ebenfalls zur Herstellung aller
                              									Sorten Ziegel dient, welche mit Handschlag angefertigt werden können, also von
                              									Vollziegel, Kaminziegel usw. Das nebenstehende Bild (Fig.
                                 										10) zeigt zunächst einen stehenden zylindrischen Tonmischer, der sich nach
                              									unten zu in den Preßraum erweitert, dem das Gemenge mittels Elevators zugeführt
                              									wird, worauf es im oberen Teil des Zylinders, im eigentlichen Tonschneider, nach
                              									bekannter Weise aufbereitet wird. Ein drehbar angeordneter Schlagarm bewegt sich
                              									kreisbogenförmig durch eine Seitenwand des Preßraums und drückt den Lehm zeitweise
                              									durch einen formgebenden Rost in die darunter befindlichen, mehrteiligen
                              									Ziegelschlagformen; der Schlagarm soll demnach die gleiche Tätigkeit wie der
                              									Handschläger verrichten, wenn er einen Ballen Lehm mit seinen Händen in die
                              									Schlagform wirft.
                           Um den Austritt von Material an der Uebergangsstelle des Schlagarmes in den Preßraum
                              									zu verhindern, sind leicht nachstellbare Schaber vorgesehen; die Lagerung des
                              									drehbaren Schlagarmes ist vollkommen getrennt vom Preßraum angeordnet, so daß kein
                              									Material die Lager verunreinigen kann. Ist die Form gefüllt, so entweicht der
                              									Ueberschuß an Material in den Mischungsraum zurück, Hub und Weg des Schlagarmes
                              									können während des Ganges der Maschine beliebig geregelt werden.
                           Durch einen von der Maschine mechanisch angetriebenen Wagen werden die vollen Formen
                              									in entsprechenden Zeitabschnitten unter dem Rost weggeschoben, um in bekannter Weise
                              									auf den Trockenplätzen entleert zu werden. Bei einer Betriebskraft von 2–4 PS soll
                              									diese Maschine in der Stunde 1350–1650 Ziegel N-Format, bei 3–6 PS 2500–2600 Ziegel
                              									fertigstellen.
                           In einem gewissen Gegensalz zu diesem, mit Erfolg gekrönten Bestreben, aus sehr
                              									weichem Tongemenge auf maschinellem Wege Ziegel zu pressen, stehen die Bemühungen
                              									aus grubenfeuchten oder wenig angenäßtem Tone Ziegel durch direkte Pressung
                              									herzustellen. Diese Bemühungen sind um so gerechtfertigter, als bis jetzt die
                              									Strangpresse zwar billig und in großen Mengen Formlinge lieferte, aber nur,
                              									wenn dem dazu erforderlichen Gemenge Wasser in größerem Maße, bis durchschnittlich
                              									25 v. H., zugesetzt wurde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 427
                              Fig. 10. Ziegelschlagmaschine, System Welz.
                              
                           Ferner mußte diese Zusetzung möglichst innig, teilweise recht
                              									schwierig und kostspielig durch Aufbereitungsmaschinen geschehen. Die auf solche Weise hergestellten
                              									Formlinge müssen natürlich zunächst vor jedem rauhen Anfassen und vor jeder
                              									Erschütterung bewahrt werden, da sie sonst ihre gradlinige Gestalt verlieren und
                              									unansehnlich wurden, etwas, was sich bei der rauhen Handhabung des Massenbetriebes
                              									kaum vermeiden läßt. Ein weiterer Nachteil der Naßpressung ist, daß die Formlinge,
                              									bevor sie gebrannt werden konnten, erst einen langwierigen Trockenprozeß durchmachen
                              									mußten. Demgegenüber stand die Arbeit der schon früher von mir geschilderten
                              									Trockenpressen, s. D. p. J. Bd. 322 Heft 31, die gleichmäßig Winter und Sommer
                              									hindurch einen sauberen, gradkantigen Formung lieferten, der sofort in den Ofen
                              									eingesetzt werden konnte. Und wenn es in dem letzten Jahrzehnte den Kalksandsteinen,
                              									den Schlackensteinen und sonstigen Surrogaten des Mauerziegels gelungen ist, diesen
                              									mit einem gewissen Erfolge zu bekämpfen, so lag das nicht zum wenigsten an dem
                              									gleichartigen, gradkantigen, bestechenden Aussehen jener Kunststeine gegenüber dem
                              									in Gestalt und Maß meist recht vernachlässigten Mauerziegel.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 428
                              Fig. 11. Rotations-Trockenpresse (System Saint Hubert) von Becker.
                              
                           Das Bestreben, Ziegel auf halbtrockenem Wege, d.h. direkt aus grubenfeuchtem Ton,
                              									worunter wir den Ton, wie er mit einem geringen Zusatz von Feuchtigkeit in der Natur
                              									vorkommt, verstehen, direkt zu verpressen, war bis jetzt von keinem rechten Erfolg
                              									gekrönt und zwar weil sowohl die Tone wie seine Grubenfeuchtigkeit sehr
                              									verschiedenartig auftreten. Das Wechseln der letzteren macht sich besonders bei den
                              									Oberschichten der Tonlager unangenehm bemerkbar, da sie im weitesten Maße und
                              									ungeschützt den Einflüssen der Witterung wie Sonne, Wind, Frost und allen
                              									Niederschlägen ausgesetzt sind. Die Trockenpresse „Saint
                                    											Hubert“ der Firma Hermann Becker jr., Mühlheim a. d. Ruhr, scheint
                              									nach ihren bisherigen Erfolgen dazu berufen, hier Wandel zu schaffen. Fig. 11 gibt uns ihr äußeres Ansehen. Die mit ihr
                              									hergestellten Ziegel sind leicht zu behauen und zu vermauern und sind in ihrem
                              									äußeren Ansehen mindestens eben so exakt und scharfkantig, wie die nach dieser
                              									Richtung hin gepriesenen Kalksandsteine, dabei liefert diese Trockenpresse bei einem
                              									Kraftbedarf von höchstens 8–10 PS ungefähr 2500 Formlinge stündlich.
                           Die Maschine besteht hauptsächlich aus einer sich drehenden Trommel, welche die
                              									Ziegelformen enthält, deren Verschlußdeckel und den Preßkolben. Die Trommel ruht auf
                              									einer gußeisernen Platte, welche auch das Gestell der ganzen Maschine trägt.
                              									Seitlich der Trommel befinden sich die Antriebsscheiben nebst Schwungrad. Durch ein
                              									Zahnradgetriebe wird die Trommel in drehende Bewegung gesetzt. Auf der Presse sind
                              									ferner noch angebracht: Ein Kasten für selbsttätige Sandstreuung, eine ebenfalls
                              									selbsttätige Schmiervorrichtung, sowie zwei Antriebsscheiben für eine noch zur
                              									Presse gehörige Zerkleinerungsmaschine nebst Elevator. Die Arbeitsweise der Presse
                              									ist einfach und zweckmäßig. Der Ton wird, wie er aus der Grube kommt, also in
                              									grubenfeuchtem Zustande, in die Mühle geworfen, diese, in Art wie eine
                              									Schleudermühle gebaut, zerreibt ihn zu einem feinen Pulver, welches dann vermittels
                              									des Elevators durch einen Trichter zur Presse befördert wird. Diese vorherige
                              									Verarbeitung gewährleistet eine große Gleichmäßigkeit des Gemenges vor seiner
                              									Verformung. Die weitere Verarbeitung auf der Presse geschieht wie folgt: Bei
                              									entsprechender Drehung der Trommel befindet ihre eine Form sich unter dem Trichter,
                              									um mit Ton gefüllt zu werden, die voraufgehende Form unter einer Führung, welche den
                              									Deckel der Form schließt, eine dritte befindet sich unter Druck, der Deckel der
                              									vierten Form öffnet sich selbsttätig, und aus der fünften werden die fertig
                              									gepreßten Ziegel entfernt und gelangt sie dann wieder unter den Trichter ohne
                              									jegliche Unterbrechung. Durch besondere Vorrichtungen ist die Zuführung des
                              									Materials in jede Form genau begrenzt. Infolgedessen werden alle Ziegel völlig
                              									gleichmäßig in bezug auf Festigkeit, Dichtheit und Dicke, welch letztere verstellbar
                              									ist. Die erwähnte selbsttätige Sandstreuvorrichtung gibt etwas Sand in die leere
                              									Form, damit sich kein Material an den Wänden festsetzen kann. Die der Presse
                              									entnommenen Formlinge sind so steif, daß sie von der Presse kommend zu acht über
                              									einander aufgesetzt werden können, um zu trocknen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 428
                              Fig. 12. Schnitt und Grundriß für die Temperierung zur Halbtrockenpresse
                                 										System Saint Hubert.
                              
                           Um den Rohstoff in bezug auf Grubenfeuchtigkeit möglichst gleichmäßig zu erhalten, bedient sich Becker des folgenden sehr einfachen Verfahrens.
                           In der Tongrube (Fig. 12) werden von Norden nach
                              									Süden lange parallele Gräben ausgeworfen, die zum raschen Abzug der Feuchtigkeit
                              									etwas Gefälle haben. Die dazwischen stehen bleibenden Tonbänke werden mittels
                              									transportabler Dächer gegen Niederschläge geschützt und sonst von Wind und Sonne
                              									ausgetrocknet.
                           Ein sehr gewinnbringender Zweig der baukeramischen Technik ist im letzten Jahrzehnt
                              									die Herstellung der sogen. Deckenziegel geworden, d.h. Ziegel, die durch ihre
                              									besondere Gestaltung in der Lage sind, größere Räume ohne weitere Unterstützung zu
                              									überdecken und dabei doch selbst eine größere Belastung auszuhalten. Die Ziegel
                              									erhalten besondere Gestaltung, die das Zusammenhalten der Ziegel und Dichten der
                              									Fugen mit Mörtel ermöglicht, und werden ferner hohl hergestellt, was einer solchen
                              									Decke gegenüber anderen Deckenarten den wesentlichen Vorzug großer Leichtigkeit und
                              									geringerer Wärme, wie Schalleitung gibt. Allerdings bieten die bisher verwendeten
                              									hohlen Deckenziegel beim Vermauern einige Schwierigkeit, und zwar dadurch, daß der
                              									Zementmörtel in die Löcher des Ziegels abfließt, so daß viel Zement verschwendet
                              									wird.
                           Das dagegen angewendete Hilfsmittel, Papierhülsen in die zusammenstoßenden Löcher der
                              									einzelnen Deckenziegel einzuziehen, gab keine genügende Sicherheit, kostete
                              									auch zuviel Arbeit und Stoff. Man versuchte verschiedentlich jene Löcher schon
                              									während der Fabrikation zu schließen, indem man sie nach der Formgebung mit weichen
                              									Tonplatten oder durch Tonstöpsel verschloß. Doch bewährte sich dies Verfahren nicht,
                              									da sich die später zugefügten Tonteile beim Trocknen und Brennen meist wieder
                              									lösten. Besser scheint sich hier der allseitig geschlossene
                                 										Hohlziegel (System Balg) zu bewähren, bei dem der Abschluß der Löcher schon
                              									während des Pressens auf sehr einfache Weise geschieht. Der Apparat, der zur
                              									Herstellung des Balgziegels erforderlich ist, unterscheidet sich von einem einfachen
                              									Mundstück, wie es vor jeder Strangpresse benutzt wird, nur durch Beigabe von zwei
                              									eisernen Schiebern, die vermittels eines Hebelgestänges durch einfachen Druck in
                              									Bewegung gesetzt werden. Die Schieber treten von oben und unten in das Mundstück
                              									ein, vereinigen sich zwischen dem, die Hohlräume bildenden Kern und der
                              									Austrittsöffnung des Mundstücks soweit, daß der hohle Strang kurze Zeit in seiner
                              									Fortbewegung gehemmt wird und in ihm eine geschlossene Wand entsteht. Nach Aufhebung
                              									des Verschlusses geht der Strang sofort weiter. Die ganze Handhabung des Apparates
                              									sowie die Herstellung der allseitig geschlossenen Ziegel ist hierdurch eine sehr
                              									einfache ohne besondere Unkosten.