| Titel: | Zwei Versuche über den Einfluß des Gegendruckes auf die Wirtschaftlichkeit der Kolbendampfmaschine. | 
| Autor: | Carl Fred Holmboe | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 514 | 
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                        Zwei Versuche über den Einfluß des Gegendruckes
                           								auf die Wirtschaftlichkeit der Kolbendampfmaschine.
                        Von Carl Fred Holmboe,
                           									Kristiania.
                        Zwei Versuche über den Einfluß des Gegendruckes auf die
                           								Wirtschaftlichkeit der Kolbendampfmaschine.
                        
                     
                        
                           Für eine große Anzahl industrieller Anlagen wie Brauereien, Papier-, Zellstoff-,
                              									Schokoladefabriken usw. wird Dampf für Koch-, Trocken- und Heizzwecke in zum Teil
                              									ganz bedeutenden Mengen verwendet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 513
                              Fig. 1.
                              p2 Gegendruck in at (abs.). p1 = 11
                                 										at (abs.). t1 = 300° C; Theoretischer Dampfverbrauch. f. d. PSe/Std.
                              
                           Je nach Art des Betriebes wird ein Dampfüberdruck von 0,1–1,5, ausnahmsweise 2 at
                              									verlangt. Dieser Dampf wird entweder in Niederdruckkesseln erzeugt oder man schaltet
                              									ein Druckverminderungsventil zwischen dem Hochdruckkessel und der Heizanlage ein, da
                              									letztere in den weitaus meisten Fällen für geringen Druck konstruiert ist.
                           Bei größeren Anlagen läßt man zweckmäßig den hochgespannten Kesseldampf erst in einer
                              									Kolbendampfmaschine oder Dampfturbine auf einen gewünschten, der Heizanlage
                              									entsprechenden Enddruck expandieren.
                           Es ist eine altbekannte Tatsache, daß diese Vereinigung von Heiz- und Kraftanlage von
                              									außerordentlich großer wirtschaftlicher Bedeutung ist, da die Dampfmaschine nur
                              									einen geringen Bruchteil von dem Wärmeinhalt des Dampfes in mechanische Arbeit
                              									umsetzt.
                           Besonders bei großen Anlagen für Papier- und Zellstoff-Fabrikation werden für die
                              									Trockenmaschinen mehrere Tonnen Dampf i. d. Stunde bei einem Druck von 1–2 at
                              									verwendet und wird dann an den Maschinenlieferanten die Frage gestellt, wie viele
                              									PS-Std. er für seine Maschine bei einem bestimmten stündlichen an die Heizanlage
                              									abzugebenden Dampfgewichts garantieren kann.
                           Während die Garantiezahlen der verschiedenen Fabrikanten bei Maschinen mit
                              									Kondensationsbetrieb auf Grund reichen Erfahrungsmaterials meist nur um einige
                              									hundert Gramm für die PSe-Std. voneinander
                              									abweichen, so erhält man, sobald es sich um Maschinen für Gegendruckbetrieb handelt,
                              									weit auseinander liegende Werte, die deutlich auf eine auf diesem Gebiet herrschende
                              									Unsicherheit hindeuten.
                           Um zunächst einen ganz allgemeinen Ueberblick über den Einfluß des Gegendruckes auf
                              									den Dampfverbrauch einer Maschine zu bekommen, ist es von Interesse, die Kurven des
                              									Dampfverbrauches der verlustlosen Kolbendampfmaschine oder Dampfturbine
                              									aufzuzeichnen.
                           In Fig. 1 ist der Dampf verbrauch einer verlustlosen
                              									Maschine als Funktion des Gegendruckes aufgezeichnet unter Voraussetzung eines
                              									Anfangsdruckes p1 von
                              									11 at (abs.) und einer Anfangstemperatur von 300° C.
                           Die Kurve ist nach den Mollierschen Wärmetafeln für
                              									adiabatische Expansion entworfen und zeigt deutlich den raschen Zuwachs des
                              									Dampfverbrauches mit zunehmendem Gegendruck.
                           Ferner ist es noch interessant, den Einfluß des Anfangsdruckes auf den theoretischen
                              									Dampfverbrauch einer Gegendruckmaschine unter Voraussetzung konstanten Gegendruckes
                              									graphisch darzustellen.
                           In Fig. 2 sind einige Kurven des Dampfverbrauches als
                              									Funktion des Anfangsdruckes für verschiedene Größen des Gegendruckes
                              									dargestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 513
                              Fig. 2.
                              p1 Anfangsdruck in at (abs.). p2
                                 										Gegendruck in at (abs.). Anfangstemperatur t1 = 300° C; Theoretischer
                                 										Dampfverbrauch f. d. PSe/Std.
                              
                           Wenn man nun von den theoretischen Zahlen auf den wirklichen Dampfverbrauch einer
                              									Dampfmaschine zurückschließen will, so ist es einleuchtend, daß man vor allen Dingen
                              									den Einfluß des Gegendruckes auf die in der Maschine auftretenden Wasserverluste
                              									näher betrachten muß.
                           Das Folgende enthält eine kurze Betrachtung hierüber nebst Messungsresultate,
                              									die dem Untersuchungsmaterial für zwei Kolbendampfmaschinen entstammen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 514
                              Fig. 3.
                              
                           Die Verluste, die in der Kolbendampfmaschine auftreten, sind bekanntlich:
                           
                              1. Arbeitsverluste auf Grund unvollkommener Expansion,
                              2. Abkühlungsverlust des Admissionsdampfes der zum Teil mit 1
                                 										zusammenhängt,
                              3. Wärmeverluste durch Strahlung und Leitung,
                              4. Undichtigkeitsverluste,
                              5. mechanische Verluste.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 514
                              Fig. 4.
                              Hochdruckzylinder;
                                 										Niederdruckzylinder; Gegendruck = 1,01 at; Gegendruck = 2,55 at.
                              
                           Wenn wir von den mechanischen Verlusten ganz absehen und nur die Dampfarbeit in der
                              									Maschine betrachten, so hat der unter 2 genannte Verlust den weitaus größten Einfluß
                              									auf den Dampfverbrauch der Maschine, da der Abkühlungsverlust bis 80 v. H. und mehr
                              									der Gesamtverluste ausmachen kann.
                           Der Abkühlungsverlust ist von dem Temperatur- und Wärmegefälle durch die
                              									Maschine bezw. den einzelnen Zylindern abhängig und wird somit mit zunehmendem
                              									Gegendruck abnehmen.
                           Dasselbe ist mit den Undichtigkeiten der Kolben der Fall, da diese von dem
                              									Druckunterschied auf beiden Seiten des Kolben abhängig ist.
                           Hieraus geht hervor, daß der thermische Wirkungsgrad der Kolbendampfmaschine, bezogen
                              									auf das Wärmegefälle, günstiger wird, wenn die Maschine als Gegendruckmaschine als
                              									wenn sie im Kondensationsbetriebe arbeitet.
                           In beiden Fällen wird vorausgesetzt, daß die Bemessung der Zylinder usw. dem Zweck
                              									der Maschine entspricht.
                           Die in dem Folgenden mitgeteilten Versuchsergebnisse zeigen zahlenmäßig die
                              									Steigerung des thermischen Wirkungsgrades im Verhältnis zu dem Gegendruck.
                           Bezeichnen wir den Wärmeinhalt des Dampfes, am Absperrventil gemessen, mit i1 und den Wärmeinhalt
                              									nach vollkommener adiabatischer Expansion auf den Gegendruck p2 mit i2, so ist der thermische Wirkungsgrad der Maschine,
                              									bezogen auf den Anfangszustand des Dampfes
                           
                              \eta_1=\frac{632}{C_1\,i_1},
                              
                           worin C1 den Dampfverbrauch der Maschine in kg f. d. PSi-Stunde bedeutet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 514
                              Fig. 5.
                              
                           Der thermische Wirkungsgrad, bezogen auf die Arbeit der vollkommenen Maschine, ist
                              									für die ind. PS
                           
                              {\eta_1}'=\frac{632}{C_1\,(i_1-i_2)}
                              
                           und bezogen auf die effektive Leistung
                           Tabelle 1.
                           
                              
                                 Ver-suchNr.
                                 GebremsteLeistungPSe
                                 IndizierteLeistungPSi
                                 Abs Dampfdruck inkg/qcm
                                 Dampf-temperaturam
                                    											Absperr-ventilC°
                                 Dampf-verbrauchf.
                                    											d.PSe/Std.
                                 WEi1
                                 i1–i2
                                 Thermischer Wirkungsgrad. bezw. auf die
                                    											eff.Leistungv. H.
                                 Theoretisch.Damf-verbrauchfür75 kgm/Sek.
                                 Mecan.Wirkungs-gradv. H.
                                 Therm.Wirkungs-grad bezw.auf
                                    											die ind.Leistungv. H.
                                 
                              
                                 p1
                                 p2
                                 
                                    η
                                    1
                                    
                                 
                                    η
                                    2
                                    
                                 
                              
                                 1
                                 200
                                 214
                                 11,9
                                 2,55
                                 252
                                 112
                                 706
                                   72,5
                                   8
                                 77,9
                                 9,3
                                 93,5
                                 83,3
                                 
                              
                                 2
                                 200
                                   214,5
                                 11,2
                                 1,01
                                 251
                                   8,1
                                 706
                                 107,0
                                 11
                                 73,0
                                   5,97
                                 93,4
                                 78,2
                                 
                              
                                 3
                                 200
                                 214
                                 11,5
                                 0,17
                                 253
                                   6,5
                                 706
                                 166,0
                                     13,75
                                 58,7
                                   3,81
                                 93,5
                                 62,8
                                 
                              
                           ηe = η'1 . ηm,
                           worin ηm den mechanische Wirkungsgrad der Maschine bedeutet.
                           Die Tab. 1 enthält die Hauptergebnisse eines Versuches an einer besonders für den
                              									Gegendruckbetrieb gebauten Verbundmaschine. (Fig.
                                 									3). Die Maschine ist ein Schnelläufer mit Kolbenschieber für Hoch- und
                              									Niederdruckzylinder. Die Regelung erfolgt mittels eines Achsenregulators, der ein
                              									entlastetes Drosselventil betätigt.
                           Die während der Versuche 1 und 2 genommenen Diagramme sind in Fig. 4 und 5
                              									wiedergegeben, in letztem Falle rankiniziert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 515
                              Fig. 6.
                              Gegendruck in at (abs.). M =
                                 										Mechanischer Verlust; Thermischer Wirkungsgrad in v. H.
                              
                           In Fig. 6 sind die Werte von η'1 und ηe als Funktion des Gegendruckes aufgetragen und
                              									erkennt man deutlich, wie rasch ηe mit zunehmendem Gegendruck wächst. Der thermische
                              									Wirkungsgrad η1,
                              									bezogen auf dem Anfangszustande des Dampfes, dagegen sinkt, was auch ohne weiteres
                              									verständlich ist.
                           Tab. 2 enthält weitere Versuche an einer Verbundmaschine gleicher Bauart (Fig. 3).
                           Tabelle 2.
                           
                              
                                 Gebremste Leistung in PS
                                 300
                                 
                              
                                 Indiz. Leistung des Hochdruckzylinders
                                 172,5
                                 
                              
                                    „           „         „  Niederdruckzylinders
                                 148,5
                                 
                              
                                    „           „       der Maschine
                                 321
                                 
                              
                                 Mechanischer Wirkungsgrad in v. H.
                                 93,6
                                 
                              
                                 Dampfverbrauch f. d. PSe/Std.
                                 10,6
                                 
                              
                                 Anfangsdruck in at abs.
                                 13,65
                                 
                              
                                 Gegendruck in at abs.
                                 3,0
                                 
                              
                                 Dampftemperatur am Absperrventil in°C.
                                 251,0
                                 
                              
                                 i1=
                                 705,5
                                 
                              
                                 i1– i2=
                                 61,0
                                 
                              
                                 Thermisch. Wirkungsgrad bez. auf d. Anfangszustand η1
                                 6,56
                                 
                              
                                         „                  „              „     „  
                                    												„  Wärmegefälle  η'1
                                 76
                                 
                              
                                         „                  „              „    und die ind.
                                    												Leistung  ηe
                                 81,2
                                 
                              
                           Der Grund, warum der thermische Wirkungsgrad bei dieser Maschine kleiner ist als der
                              									der erst untersuchten Maschine, trotzdem diese kleiner war, mag zum Teil daran
                              									liegen, daß Verbundmaschinen, die mit hohem Gegendruck arbeiten, ein höheres
                              									Druckgefälle p1/p2 besser ausnutzen
                              									als ein niederes.
                           Aus diesen Versuchen geht hervor, daß der thermische Wirkungsgrad der
                              									Verbund-Kolbendampfmaschinen bezogen auf die ind. Leistung über 80 v. H. liegt, wenn
                              									der Gegendruck 2 at (abs.) überschreitet.
                           Es gibt nun selbstverständlich eine Grenze, bei der die Verbundmaschine
                              									unwirtschaftlicher arbeitet als eine Einzylindermaschine. Dies gilt besonders, wenn
                              									der Anfangsdruck klein ist im Verhältnis zu dem Gegendruck.