| Titel: | Bemerkenswerte Verlade- u. Transportanlagen für Massengüter der Firma Adolf Bleichert & Co. in Leipzig-Gohlis. | 
| Autor: | K. Drews | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 522 | 
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                        Bemerkenswerte Verlade- u. Transportanlagen für
                           								Massengüter der Firma Adolf Bleichert & Co. in Leipzig-Gohlis.
                        Von K. Drews, Oberlehrer an der Kgl.
                              									höh. Maschinenbauschule in Posen.
                        (Fortsetzung von S. 449 d. Bd.)
                        Bemerkenswerte Verlade- und Transportanlagen für Massengüter
                           								usw.
                        
                     
                        
                           Als Beispiel einer Verladeanlage mit reinem Elektrohängebahnbetrieb möge das
                              									neuerbaute städtische Gaswerk in Bromberg dienen. Fig. 5 zeigt
                              									den Grundriß der Anlage, Fig. 6 die Stationen am
                              									Wasser und an der Eisenbahnzufuhrstelle, Fig. 7 einen
                              									Querschnitt durch den Lagerplatz und Fig. 8 eine
                              									photographische Aufnahme der Entlade Vorrichtung am Hafen.
                           Die Kohlen kommen zu Schiff auf der Brahe oder mit der Eisenbahn an. Mittels der
                              									Elektrohängebahn wird das Material nun entweder auf den Lagerplatz, oder nach den
                              									Brechern, oder nach dem Kohlenschuppen gebracht. Ebenso nimmt sie das Material
                              									wieder vom Lagerplatz auf und schafft es zu den Brechern oder in den
                              									Kohlenschuppen.
                           Wie aus den Figuren ersichtlich, ist die Hängebahnlinie am Hafen in einer
                              									Schleife über ein eisernes Gerüst geführt. Die Breite des Gerüstes parallel zur
                              									Kaikante beträgt 15 m. Nach der Wasserseite besitzt es einen aufklappbaren Ausleger
                              									von derselben Breite. Die Hängebahnlaufkatzen bestreichen demnach etwa 15 m
                              									Schiffslänge, ohne daß das Schiff verholt zu werden braucht. Von der festen
                              									Hängebahnstrecke längs des Kohlenlagerplatzes werden die Wagen über eine diesen
                              									Platz bestreichende fahrbare Absturzbrücke geführt, wo ihre Fördergefäße zum Kippen
                              									gebracht werden. Fig. 9 zeigt die Absturzbrücke.
                           In die Winkelstation ist nach Fig. 5 eine
                              									Umkehrschleife eingebaut, damit die Windenwagen beim Entladen von Eisenbahnwagen
                              									nicht den unnötig langen Weg über das Gerüst am Hafen zu nehmen brauchen.
                              									Hubbewegungen sind
                              									auszuführen auf dem letztgenannten Gerüst, an der Umkehrschleife und auf der
                              									Absturzbrücke, wenn die Kohle wieder vom Lagerplatz aufgenommen werden soll.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 523
                              Transportanlage des städtischen Gaswerkes in Bromberg.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 523
                              Fig. 8. Städtisches Gaswerk in Bromberg: Entlade Vorrichtung am Kanal.
                              
                           Die Steuerung des Windenwagens erfolgt selbsttätig durch ein elektromagnetisches
                              									Schaltwerk (D. R. P. 167893), das alle Schaltungen der Fahr- und Hubmotoren in der
                              									Reihenfolge ausführt, wie es der Betrieb der Anlage bedingt. Zu seiner Betätigung
                              									wird an Stellen, wo ein Senken, Heben und Umkehren der Fahrtrichtung erfolgen soll,
                              									außer dem Fahrdraht eine zweite Kontaktleitung angebracht, die sich durch einen
                              									Taster unter Strom setzen läßt. Beim Schließen des Tasters führt das Schaltwerk die
                              									der nächstfolgenden Bewegung entsprechende Einstellung aus. Das Einstellen und
                              									Abstellen der Bewegung erfolgt durch einen mit dem Taster kombinierten
                              									Anlaßkontroller. Gewöhnlich geschieht die Schaltung von der Beladestelle aus. Bei
                              									längeren Beladestrecken oder mehreren Beladestellen macht man den Kontroller
                              									transportabel. Er wird dann mittels eines beweglichen Kabels an Anschlußkästen
                              									angeschlossen, die längs der Beladestelle in angemessenen Abständen verteilt sind.
                              									An jedem Punkte der genannten Gleise kann der Wagen beliebig auf Senken, Heben
                              									und Fahren gesteuert werden mit Hilfe des an der nächsten Anschlußstelle
                              									befindlichen Anlassers: er kann auch auf den Haltestrecken nach Belieben verschoben
                              									werden.
                           Das Verfahren der Absturzbrücke erfolgt durch einen Elektromotor.
                           Es sind vier Windenwagen vorhanden, die stündlich 20 t Kohle vom Schiff auf den
                              									Lagerplatz bringen können. Durch Vermehrung der Windenwagen kann man die Leistung
                              									der Anlage bis auf 40 t i. d. Std. steigern.
                           Ein Wagenkasten faßt 850 kg Kohle. Das Heben des gefüllten Kastens geschieht mit
                              									einer sekundlichen Geschwindigkeit von 0,15 m. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt 1 m
                              									i. d. Sek. Nach den Berechnungen der Firma beläuft sich der Energieverbrauch für 20
                              									t vom Schiff aufs Lager etwa 5 KW/Std.
                           Aehnliche Anlagen haben Adolf Bleichert & Co. u.a. für die Kohlenlagerplätze von Hugo Stinnes in Mühlheim-Ruhr und von F. W. Scholten in Groningen (Holland) ausgeführt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 523
                              Fig. 9. Städtisches Gaswerk in Bromberg: Absturzbrücke auf dem
                                 										Kohlenlagerplatz.
                              
                           Gelegentlich der Besprechung von Transportanlagen für Gaswerke möge hier kurz das
                              									Kohlenlösch- und Transportverfahren, System Jllig, für dessen
                              									Ausführung Adolf Bleichert & Co. alle Rechte erworben haben, beschrieben werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 524
                              Fig. 10. Kokslösch- und Transportvorrichtung System Illig im Gaswerk zu
                                 										Stuttgart.
                              
                           Fig. 10 zeigt eine solche Anlage im Gaswerk
                              									Stuttgart, links das Ofenhaus, rechts der Lagerplatz. Vor den Ofenreihen befindet
                              									sich ein fahrbarer Wasserbehälter. In diesen taucht bis etwa zur Hälfte ein
                              									Kokskasten mit gelochten Wandungen, in den der ausgestoßene Koks fällt und sofort
                              									abgelöscht wird. Eine Hängebahn durchzieht das ganze Ofenhaus; die Wagen sind wieder
                              									mit elektrischen Hubwerken versehen. Ein Windenwagen hebt nun den Kokskasten
                              									zunächst aus dem Wasserbehälter, wobei das Wasser in letzteren abläuft. Dann fährt
                              									der Wagen den Koks auf den Lagerplatz oder zur Aufbereitung. Den Lagerplatz
                              									überspannt eine fahrbare Absturzbrücke. Die Wiederaufnähme des Koks vom Lagerplatz
                              									geschieht ebenfalls mittels der Windenwagen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 524
                              Fig. 11. Kokswagen für das Stuttgarter Gaswerk.
                              
                           Fig. 11 zeigt einen der Windenwagen mit Kokskasten
                              									des genannten Gaswerks. Der Hubmotor und die empfindlicheren Teile sind durch eine
                              									Blechplatte gegen die strahlende Hitze des aus den Retorten fallenden Koks
                              									geschützt. Die Hauptvorteile des Jlligschen Verfahrens
                              									sind folgende:
                           
                              1. Der Koks wird sofort, wie er aus den Retorten kommt,
                                 										abgelöscht; es findet mithin kein Abbrand statt.
                              2. Der Koks bleibt nicht länger als nötig im Wasser.
                              3. Der Koks wird sehr geschont, da er bis zum Lagerplatz nicht
                                 										mehr angerührt wird.
                              4. Zur Bedienung ist nur ein Arbeiter erforderlich.
                              5. Der Koks kommt vollständig trocken an der Aufbereitung oder
                                 										auf dem Lager an.
                              
                           Auch für das Braunschweiger Gaswerk und andere haben Adolf
                                 										Bleichert & Co. eine solche Anlage geliefert.
                           Ein ganz hervorragendes Werk neuzeitlicher Transporttechnik soll an dieser Stelle in
                              									knappen Zügen geschildert werden, nämlich die Verladeanlage für Nickelerze in Thio
                              									auf Neukaledonien, die die Firma Bleichert für die
                              									Gesellschaft „Le Nickel“ in Paris geliefert
                              									hat.
                           Die Erze werden etwa 15 km landeinwärts im hohen Gebirge durch Tagbau gewonnen.
                              									Mittels einer Drahtseilbahn von etwa 2 km Länge werden die Erze aus dem Grubengebiet
                              									zu einer Eisenbahnstation geschafft. Der Höhenunterschied der beiden
                              									Drahtseilbahnstationen beträgt 200 m. Die tägliche Fördermenge beläuft sich auf 120
                              									t.
                           Die von Artur Koppel in Berlin gebaute Eisenbahn von 12
                              									km Länge schafft dann die Erze in täglich zwei Fahrten an das Meeresufer nach Thio,
                              									wo sie entweder gelagert oder gleich in Schiffe verladen werden. Die Verhüttung der
                              									Erze kann nicht am Fundorte, sondern muß in Europa geschehen. Natürliche Häfen sind
                              									an den in Betracht kommenden Stellen der Insel nicht vorhanden, auch ist die Küste
                              									zur Anlegung eines solchen nicht geeignet. Die Schiffe müssen draußen im Meere vor
                              									Anker gehen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 524
                              Fig. 12. Lageplan der Erzverladeanlage auf Neukaledonien.
                              
                           Der Transport der Erze zu den Schiffen geschah früher durch flachgehende Schuten, aus
                              									denen Eingeborene sie mit Körben oder Kübeln in den Schiffsraum schafften, eine
                              									umständliche und oft auch gefährliche Arbeit. Für den gesamten Umschlag brauchte man
                              									etwa 400–500 Arbeiter. Unter günstigen Verhältnissen war ein 300 t-Schiff in 50–60
                              									Tagen wieder segelfertig, unter ungünstigen konnte die Liegezeit sogar 120 Tage
                              									dauern. Die Transportkosten der Erze bis zu den europäischen Häfen waren daher enorm. Um
                              									sie zu vermindern und auch andere Schwierigkeiten zu beseitigen, entschloß man sich
                              									zum Bau einer leistungsfähigen maschinellen Verladevorrichtung für den Erzumschlag,
                              									deren Ausführung Adolf Bleichert & Co. übertragen wurde.
                           Die Firma hatte folgende Aufgaben zu lösen. Die mit der Eisenbahn ankommenden Erze
                              									müssen entweder auf einen Lagerplatz oder zu den im Meere ankernden Schiffen
                              									gebracht werden; sie müssen zur Schiffsverladung vom Lager wieder aufgenommen
                              									werden. Ferner müssen die ankommenden Schiffe gelöscht, Ballast, Kohlen und auch
                              									Stückgüter an Land gebracht werden. Außer anderen Nebenarbeiten hat die
                              									Transportanlage auch den Personenverkehr zwischen Land und Schiff zu vermitteln.
                           Die Fig. 12–16 zeigen
                              									nun, wie die Firma diese zum Teil sehr schwierige Aufgabe gelöst hat. Die ganze
                              									Anlage besteht aus drei Teilen, nämlich aus einer Hängebahn auf dem Lagerplatz, der
                              									Verladeanlage im Meer und, als Verbindung beider, einer Drahtseilbahn.
                           Fig. 12 zeigt zunächst den Lageplan. Rechts bemerkt
                              									man das Erzlager, eine Halde von 20 m Schütthöhe. Es wird von einer Drahtseilbahn II
                              									überspannt, die dazu dient, das von der Eisenbahn in die Füllrümpfe der
                              									Zentralstation geschüttete Erz auf das Lager zu bringen. Durch zwei Bagger an den
                              									Längsseiten des Lagers wird das Erz wieder aufgenommen und der Hängebahnlinie III übergeben, von der die Wagen über die
                              									Zentralstation auf die Drahtseilbahn IV nach der
                              									Verladebrücke gelangen. Hängebahnlinie I dient zum
                              									Transport der Kohlen auf das Lager und des Sandballastes von Schiff an Land.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 525
                              Fig. 13. Erzlager und Zentralstation.
                              
                           Fig. 13 zeigt eine Aufnahme des Erzlagers vom Meere
                              									aus; im Vordergrunde bemerkt man die Zentralstation mit den Erzfüllrümpfen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 525
                              Fig. 14. Drahtseilbahn nach der Landungsbrücke im Meer.
                              
                           Die Drahtseilbahn nach der Landungsbrücke im Meere hat eine Länge von 1 km (Fig. 14). Die Seilbahnstützen stehen in Entfernungen
                              									von 120 m. Sie stehen auf Pfählen, die in den weichen Meeresboden eingerammt und durch
                              									Querverbände zu einem festen Gerüst vereinigt sind, Dieses ist bis an den
                              									Meeresspiegel mit Bruchsteinen umschüttet. Zur Beleuchtung der Strecke hängt, wie
                              										Fig. 14 erkennen läßt, an jeder Stütze eine
                              									Bogenlampe.
                           Fig. 15 und 16 zeigen
                              									die Landungsbrücke im Meere mit den Verladekranen. Sie ruht auf drei Senkkästen von
                              									14 m ⌀; diese stehen auf einer 3–4 m hohen Schüttung von schweren Bruchsteinen. Die
                              									Entfernung von Mitte zu Mitte Pfeiler beträgt 30 m. Die Brücke besteht aus zwei
                              									Fachwerkträgern, auf deren Obergurten die Fahrschienen für die Verladekrane
                              									befestigt sind. Die nach oben verlängerten Querverbände der Hauptträger nehmen die
                              									Schienen der Hängebahn auf, die die Fortsetzung der Drahtseilbahn bildet.
                           Die Schiffe werden nicht an der Landungsbrücke befestigt, sondern an Bojen, die mit
                              									15–20 t schweren Betonklötzen auf dem Meeresgrunde verankert sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 526
                              Fig. 15. Landungsbrücke im Meer mit den Verladekranen.
                              
                           Figur 15 und 16
                              									lassen auch die Form der beiden Verladekrane erkennen. Es sind Auslegerkrane mit
                              									doppelten, aufklappbaren Auslegern und Zweiseillaufkatzen.
                           Die Hauptabmessungen der Krane sind folgende:
                           
                              
                                 Gesamte Katzenbahn über die beiden Ausleger
                                 45
                                 m
                                 
                              
                                 Radstand
                                 10
                                 „
                                 
                              
                                 Spurweite
                                 11
                                 „
                                 
                              
                                 Höhe von Oberkante Kranschiene bis
                                    											Oberkante    Katzenschiene
                                   9,23
                                 „
                                 
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 526
                              Fig. 16. Landungsbrücke im Meer mit den Verladekranen.
                              
                           Für die Krane ist Dampfantrieb gewählt worden, der sich hier wegen der exponierten
                              									Lage zweckmäßiger als elektrischer Antrieb erwies. Der Dampfkessel ist ein liegender
                              									Feuerröhrenkessel von 20 qm Heizfläche. Das Speisewasser wird von Land ebenfalls mit
                              									der Drahtseilbahn in besonderen Wagen herangeschafft.
                           Die Betriebsmaschine ist eine Zwillingsmaschine ohne Umsteuerung. Die Ableitung der
                              									verschiedenen Arbeitsbewegungen, Heben, Senken und Katzefahren, geschieht
                              									mittels Bandreibungskupplungen. Das selten vorkommende Verfahren der Krane
                              									geschieht von Hand. Beim Beladen der Schiffe mit Erz arbeiten die Krane mit Kübeln,
                              									die aus den Füllrümpfen am Kranportal gefüllt werden (in Fig. 16 die unteren). Das Löschen der Schiffe von Sandballast und Kohlen
                              									kann auch durch Zweiseilselbstgreifer geschehen, die ihren Inhalt in die oberen
                              									Füllrümpfe entleeren, von wo das Material in die an Land gehenden Hängebahnwagen
                              									abgezogen wird. Mittels der Krane können selbstverständlich auch Stückgüter
                              									umgeladen werden. Zum Hochziehen der Ausleger sind über dem Maschinenhause zwei
                              									Winden eingebaut, die von der Dampfmaschine der Hauptwinde durch Treibketten
                              									angetrieben werden.
                           Die Tragfähigkeit der Krane beträgt 5,5 t, die Leistung eines jeden beim Erzverladen
                              									100 t/Std., beim
                              									Löschen der Schiffe 60 t Sand und 40 t Kohle. Dem entspricht auch die Leistung der
                              									Drahtseilbahn mit 100 t nach jeder Richtung, also zusammen 200 t/Std. Um die
                              									Standfestigkeit der Krane selbst bei den dort herrschenden schweren Stürmen zu
                              									sichern, sind sie symmetrisch ausgeführt und können miteinander verankert werden,
                              									wie es ihre gestrichelt gezeichnete Stellung in Fig.
                                 										15 erkennen läßt. Für diese Ausführung sprach auch der Umstand, daß die
                              									Krane zeitweilig aus nur einer Schiffsluke fördern sollten.
                           Durch diese bemerkenswerte Transport- und Verladeanlage ist es jetzt möglich, ein 300
                              									t-Schiff, das früher einer Liegezeit von mindestens 20 Tagen, in der Regel aber von
                              									40–60 Tagen zum Beladen bedurfte, heute in 2–3 Tagen zu beladen. Und wenn früher
                              									mehrere hundert Arbeiter für den Umschlagsverkehr nötig waren, so genügen heute
                              									einige Dutzend zur Bedienung der ganzen Anlage.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)