| Titel: | Zur kalorimetrischen Theorie der Dampfmaschine. | 
| Autor: | A. Rotth | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 545 | 
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                        Zur kalorimetrischen Theorie der
                           								Dampfmaschine.
                        Von A. Rotth.
                        Zur kalorimetrischen Theorie der Dampfmaschine.
                        
                     
                        
                           Der Schwerpunkt der physikalischen Theorie der Kolbendampfmaschine liegt in der
                              									Ergründung des Wärmeaustausches zwischen dem arbeitendem Dampfe und den
                              									Zylinderwänden. Der ausströmende feuchte Dampf bespült überall Flächen, die vorher
                              									mit heißerem Dampfe in Berührung waren, er nimmt daher Wärme von den Flächen auf und
                              									entweicht weniger feucht, als seiner vorhergehenden Arbeit entsprechen würde. Diesen
                              									Wärmeabgang muß der Frischdampf decken, der unter teilweiser Verdichtung an die
                              									Zylinderwände Wärme wieder abgibt, von der er während seiner Ausdehnung nach
                              									Abschluß der Einströmung bei sinkender Temperatur einen kleineren Teil unter
                              									wärmetheoretisch ungünstigeren Bedingungen zurückerhält. In der Füllzeit strömt also
                              									dem Zylinder tatsächlich mehr Dampf zu, als sich aus dem Indikatordiagramme
                              									entnehmen läßt, und dieser reine Verlust kann bei Einfach-Expansionsmaschinen
                              									mittlerer Größe und üblicher Bauart etwa zu 30–50 v. H. angenommen werden.
                           Daß der Verlust so beträchtlich ist, also der Austausch von Wärme zwischen Wand und
                              									Dampf so ausgiebig, ist eine Folge erstens der lebhaften Bewegung des Dampfes an den
                              									berührten Flächen, da die an ihnen kondensierenden Dampfteile einen leeren Raum
                              									hinter sich lassen, in den andere Dampfteile hineinstürzen, zweitens der großen
                              									Verdampfungswärme des Wassers und drittens des großen Leitvermögens und
                              									Aufnahmevermögens der Metalle für die Wärme. Der auf die Pferdestärke entfallende
                              									schädliche Dampfverbrauch wächst natürlich unter sonst gleichen Umständen mit
                              									abnehmender Maschinengröße wegen der relativen Zunahme der dampfberührten Flächen.
                              									Infolge der genannten Ursachen ist bei Dampfmaschinen der Unterschied im
                              									Dampfverbrauche für die Pferdestärke für Maschinen verschiedener Größe
                              									beträchtlicher, als der entsprechende Unterschied bei Gasmaschinen. Aus dem gleichen
                              									Grunde sind aber auch schon einfache Gegenmittel wirksam. So zeigte R. R. Werner (Darmstadt) den vorteilhaften Einfluß von
                              									Luft, die dem Dampfe beigemengt wurde. Ebenso ist erwiesen, daß hinreichende Oelung
                              									des Dampfes den schädlichen Dampfverbrauch schon merklich vermindert, der Fetthauch
                              									auf den Wandflächen erschwert etwas den Wärmeübergang.
                           Früher hat man bekanntlich den schädlichen Dampfverbrauch lediglich der
                              									Durchlässigkeit der abdichtenden Organe und der äußeren Abkühlung zugeschrieben, die
                              									in Wirklichkeit bei guten Maschinen unbedeutend sind. Das „früher“ liegt
                              									freilich noch nicht allzuweit zurück, denn die Einsicht in die hier wesentlichen
                              									Erscheinungen hat sich sehr langsam verbreitet. Schon 1843 hat Combes die Aufmerksamkeit darauf zu lenken versucht,
                              									und vor allem hat Hirn seit 1854 in seinen über zwei
                              									Jahrzehnte, zum Teil in Gemeinschaft mit Hallauer
                              									fortgesetzten systematischen Arbeiten auch den Einfluß des Wärmeaustausches
                              									studiert. Daneben sind besonders die Arbeiten von Dwelshouvers-Dery und Isherwood zu nennen.
                              									Trotzdem also die Untersuchung der Wärmebewegung im Zylinder früh genug und
                              									sozusagen rechtzeitig einsetzte, um bei der beginnenden feineren Ausbildung der
                              									Dampfmaschine dienlich zu sein, hat sie doch bis in die achtziger Jahre keine
                              									allgemeinere Beachtung gefunden. Man war nach dem Bekanntwerden der Corliß-Maschine um 1860 allzusehr mit dem mechanischen
                              									Teile der Dampfmaschine beschäftigt und suchte das Heil im Erfinden immer neuer
                              									Steuerungen. Die inneren Gründe für diese Abwege sind nicht leicht zu erkennen. Mag
                              									damals auch die Empfänglichkeit für sogenannte theoretische Lehren im Durchschnitt
                              									etwas geringer gewesen sein als jetzt so erklärt sich daraus doch nicht das
                              									Uebersehen oder wenigstens Geringachten wichtiger Erkenntnisse seitens anerkannter
                              									Fachleute. So enthält die sechste Auflage (1877) der früher sehr angesehenen
                              									Dampfmaschinenlehre von Bernoulli-Autenheimer noch
                              									garnichts von der Wärmebewegung im Zylinder, und v.
                                 										Reiche erwähnt sie zwar kurz in seiner 1880 erschienenen Konstruktionslehre
                              									für Dampfmaschinen, meint indessen, man solle sich keine übertriebene Vorstellung
                              									davon machen. Auch in der fünften Auflage (1883–1887) des betreffenden Bandes der
                              									Mechanik von Weisbach-Herrmann wird von dem
                              									Wärmeaustausch nur obenhin Notiz genommen. Immer geben aber die Verfasser als
                              									Einleitung zu ihrem Werke einen Abriß der mechanischen Wärmetheorie. Vielleicht hat
                              									gerade diese, so sonderbar es klingen mag, während einer gewissen Zeit die
                              									Dampfmaschine geschädigt. Man erwartete einerseits von der jungen Lehre zu viel
                              									unmittelbaren Nutzen für die Dampfmaschine, andererseits war man, wie ja auch Redtenbacher, durch das bekannte Mißverständnis vom
                              									Wirkungsgrade entmutigt, überhaupt noch viel Mühe auf die physikalische Behandlung
                              									der vermeintlich grundsätzlich schlechten Maschine zu verwenden. Dazu kommen
                              									freilich die großen Schwierigkeiten, die sich dem Verständnisse und dem messenden
                              									Verfolgen der Wärmeerscheinungen überhaupt entgegenstellen. Welche Umstände bereiten
                              									schon die einfachsten Verbrauchsmessungen bei Dampfmaschinen im Gegensatze zu den
                              									Gasmaschinen und noch mehr zu den elektrischen Maschinen. Jedenfalls ist gerade in
                              									der Zeit, wo die wissenschaftliche Behandlung im Maschinenbau herrschend wurde, das
                              									Problem des Wärmeaustausches im Dampfzylinder nur von wenigen beachtet, das doch den
                              									Ausgangspunkt der brauchbaren Dampfmaschine bildete. Denn die übermäßige innere
                              									Kühlung der Zylinderwände durch das Einspritzwasser in der Maschine von Newcomen führte Watt zu
                              									seiner grundlegenden Erfindung des getrennten Kondensators. Die jetzigen
                              									Untersuchungen über den Wärmeaustausch sind wesentlich Weiterbildung und
                              									Verfeinerung des leitenden Gedankens von Watt.
                           
                           Die regere Aufmerksamkeit, die man seit etwa 25 Jahren der Frage zugewendet hat,
                              									ist bei uns namentlich den Arbeiten von Kirsch und Grashof zu verdanken. Die Bemühungen dieser und anderer
                              									Forscher, auf dem Wege der Rechnung die Erscheinungen klarzulegen, haben ihr
                              									Gegenstück gefunden in langwierigen Versuchen, die von der Ausdauer und
                              									Opferwilligkeit ihrer Veranstalter rühmliches Zeugnis geben und sich den früheren
                              										Hirnschen Versuchen würdig anschließen.
                              									Hervorzuheben sind darunter wohl besonders die Versuche von Colonel English
                              										(1887),Zeitschr. des
                                    											Vereins Deutsch. Ing. 1888 (Knoke).
                              									der u.a. den Dampfverbrauch unter den verschiedensten Bedingungen maß, und die
                              									Versuche von Callendar und Nicolson, die den periodischen Wärmeaustausch durch Temperaturmessungen
                              									verfolgten. Diese Versuche sind wegen ihrer Wichtigkeit von Bantlin eingehend und kritisch gewürdigt.Zeitschr. des Ver. Deutsch. Ing.
                                    										1899. Bei den überaus großen Schwierigkeiten, die alle Bestrebungen
                              									auf diesem Gebiete begleiten, haben zwar die Anstrengungen bisher mehr Klärung der
                              									Anschauungen und allgemeine Gesetze als zahlenmäßige Unterlagen gezeitigt, aber die
                              									Grundzüge der Theorie sind doch jetzt ziemlich verbreitet, so daß wohl kein Buch
                              									über Dampfmaschinen mehr daran vorübergeht. So spielt sie denn auch in dem Buche von
                              										PerryDie
                                       												Dampfmaschine, deutsch von Meuth, Teubner,
                                       												Leipzig und Berlin 1909., der bemerkenswertesten
                              									literarischen Erscheinung der letzten Zeit auf dem Gebiete, die gebührende Rolle.
                              									Und daß die Lehre nun auch im praktischen Maschinenbau mehr zur Geltung kommt, dafür
                              									bieten die Erfolge der Dampfmaschine von Stumpf ein
                              									treffliches Beispiel, Zugleich dafür, daß neben dem vollen Verständnisse für eine
                              									Lehre zu ihrer zweckdienlichen Benutzung auch die Fähigkeit vorhanden sein muß, an
                              									die Stelle überlieferter Formen neue zu setzen.
                           Diese Zeichen eines erfreulichen Fortschrittes in der letzten Zeit haben mich an
                              									Ueberlegungen und Versuche erinnert, die ich vor längeren Jahren anstellte, und die
                              									teilweise vielleicht noch jetzt einiges Interesse bieten. Sie bezogen sich, soweit
                              									hier die Rede davon sein soll, auf die Frage, welchen verhältnismäßigen Anteil die
                              									einzelnen Teile der dampfberührten Zylinderflächen an dem schädlichen
                              									Dampfverbrauche haben, ohne Rücksicht auf den absoluten Wert dieses Verlustes im
                              									Ganzen. Diese Frage scheint mir bisher noch nicht eingehend genug behandelt zu sein.
                              									Zwar haben schon Kirsch und Grashof bei ihren Untersuchungen naturgemäß zwischen den dauernd
                              									dampfberührten Flächen und den periodisch vom Kolben freigelegten und wieder
                              									bedeckten unterschieden, und Grashof hat dabei auch den
                              									Rat gegeben, die Flächen der ersten Art möglichst zu verkleinern. Darüber ist aber
                              									auch Perry (mehr als 20 Jahre später) nicht
                              									hinausgegangen, indem er sich auf die Bemerkung beschränkt (S. 418), daß dieser
                              									Punkt von den Konstrukteuren nicht immer genügend beachtet werde. Nur in der Arbeit
                              									von Bantlin habe ich eine vollständige Würdigung dieser
                              									besonderen Frage gefunden. Dort wird zahlenmäßig der Einfluß der Flächen des
                              									schädlichen Raumes aus den Messungen von Callendar und
                              										Nicolson abgeleitet und ausdrücklich hervorgehoben,
                              									wie oft die Forderung kleiner Flächen auch bei neueren Dampfmaschinen nicht erfüllt
                              									sei. Das gilt im allgemeinen auch heute noch, während andererseits die Maschine von
                              										Stumpf wohl gerade der klaren Einsicht in die
                              									Wirkung der verschiedenen Flächen ihre Entstehung verdankt.
                           Anlaß zum Studium der Flächenwirkung erhielt ich aus Beobachtungen an einer kleinen
                              									Dampfmaschine besonderer Art, die bei den hier wesentlichen Versuchen aber als
                              									gewöhnliche Dampfmaschine mit ges. Dampfe betrieben wurde. Sie war einfachwirkend,
                              									hatte 120 mm Zylinderdurchmesser, 200 mm Hub, Rider-Steuerung, bei ihrem Entwürfe war schon auf Verkleinerung der Flächen
                              									einige Rücksicht genommen. Der Herstellung und tadellose Iristandhaltung namentlich
                              									der dichtenden Teile wurde besondere Sorgfalt zugewendet. (Ich möchte an dieser
                              									Stelle überhaupt auf den Wert kleiner Maschinen für
                              									gewisse Versuche hinweisen. Die Maschinen, nur als Versuchsmaschinen gedacht, sind
                              									billig, ebenso die Versuche selbst, und bei dem an sich ungünstigeren Verhalten
                              									kleiner Maschinen prägt sich der Einfluß von Einzelheiten deutlicher aus).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 546
                              Fig. 1a.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 546
                              Fig. 1b.
                              
                           Bei den Versuchen war ich zunächst überrascht von der eigentümlichen Form der
                              									Kompressionskurve. Der schädliche Raum war genau gemessen, und die Steuerung so
                              									eingestellt, daß der Einlaßdruck (5 at) hätte erreicht werden müssen, wenn die
                              									Kompression nach der Mariotteschen Linie erfolgte.
                              									Statt dessen zeigte das Indikatordiagramm bei geringeren Geschwindigkeiten eine Form
                              									nach Fig. 1a, bei größeren nach Fig. 1b. Im ersteren Falle stieg der Enddruck wenig
                              									über ein Viertel des Einlaßdruckes, der Druck sank sogar gegen Ende des Kolbenhubes
                              									wieder etwas, beide Formen zeigten deutlich die abnehmende Neigung der
                              									Kompressionskurve bei Annäherung des Kolbens an den Deckel und entsprechender
                              									Abnahme der Kolbengeschwindigkeit. Mangelhafte Kolbendichtung war nicht der Grund
                              									für die mir damals auffallende Kurvenform, wie sich an der einfachwirkenden Maschine
                              									leicht feststellen ließ. (Kurven ähnlichen Charakters lassen sich bei aufmerksamer
                              									Prüfung auch bei größeren Maschinen erkennen. Ebenso stark ausgeprägte Kurven wie
                              									nach Fig. 1a, b fand
                              									ich später auch in der dritten Auflage (1892) S. 191 von Radingars
                              									„Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit“). Aus den Kurven mußte sich
                              									die Vorstellung eines besonders starken Wärmeaustausches zwischen Dampf und Zylinder
                              									während der Kompression aufdrängen, und diese Vorstellung ist jetzt wohl ziemlich
                              									allgemein. Auffallenderweise vermutet freilich noch Grashof (Theoretische Maschinenlehre Bd. III, 1890, S. 547) das Gegenteil.
                              									Das würde aber kaum mit den Grundanschauungen vom Wärmeaustausche in Einklang
                              									stehen. Jedenfalls gaben mir die Kompressionskurven Anlaß, auf folgendem graphischem
                              									Wege näheren Einblick in die Wirkung der verschiedenen Flächenteile zu suchen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 546
                              Fig. 2.
                              
                           Die Wirkung eines Flächenelementes auf den schädlichen Dampfverbrauch ist gewiß
                              									abhängig von der Zeit, während der das Element bei einem Kolbenspiele dem Dampfe
                              									ausgesetzt ist, und von der mittleren Temperaturdifferenz des Dampfes während
                              									derselben Zeit. Der Einfluß wird hier bei den Größen einfach proportional
                              									angenommen. Diese Annahme ist wahrscheinlich nicht genau zutreffend, da indessen
                              									zunächst nur ein angenähertes Bild der Wirkungswerte gesucht wird, so dürfte ein
                              									anderes Gesetz das Endergebnis nicht wesentlich beeinträchtigen. Besondere
                              									Einflüsse, wie die mehr oder weniger heftige Bewegung des Dampfes, ohnehin nicht
                              									zahlenmäßig faßbar, werden vorläufig nicht berücksichtigt.
                           
                           Fig. 2 gibt bei dem gewöhnlichen
                              									Schubstangenverhältnisse 1 : 5 die Zeit für jedes Flächenelement, während welcher
                              									der Kolben die Berührung mit dem Dampfe gestattet. Die größte Ordinate oz bedeutet die ganze Zeit eines Kolbenspieles, die
                              									also für die dauernd dampfberührten (kurz konstanten) Flächen gilt, eine beliebige
                              									Ordinate pp1 die
                              									entsprechend kleinere Zeit für ein Element p auf der
                              									Kolbenbahn ok.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 547
                              Fig. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 547
                              Fig. 4.
                              
                           Die Maschine, ohne Mantel und ohne Kondensation, arbeite mit 7 at Einlaßdruck und
                              									vierfacher Expansion. Unter diesen Verhältnissen geben in Fig. 3 die Kurve I und die Gerade II die Temperaturen des Dampfes während einer
                              									Umdrehung. Die Abweichungen infolge der meist ja nur schwachen Kompression bleiben
                              									unberücksichtigt. Die Kurve III stellt dann die
                              									mittleren Temperaturdifferenzen des Dampfes dar, denen die Elemente auf der
                              									Kolbenbahn ok ausgesetzt sind. Die größte Ordinate k bezieht sich also wieder auf die konstanten Flächen.
                              									Reduziert man ferner die Ordinaten in Fig. 2 nach
                              									Maßgabe der abnehmenden Ordinaten der Kurve III in Fig. 3, so erhält man in den Ordinaten der Fig. 4 zwischen ok und
                              									der Kurve IV eine Darstellung der Wirkungswerte für die
                              									einzelnen Flächenelemente. Und wenn man darunter schmale Zylinderzonen versteht,
                              									unter ok also die ganze zylindrische Fläche, so ist
                              									deren gesamte Wirkung durch die Diagrammfläche zwischen der Kurve IV und der Abszissenachse gegeben. Um einen
                              									unmittelbaren Vergleich mit der Wirkung der konstanten Flächen herzustellen, kann
                              									man die größte Ordinate oa nach unten als oa1 abtragen und ein
                              									Rechteck aus oa1 und
                              									einer Abszisse bilden, deren Länge sich zu ok verhält,
                              									wie die konstanten zu den variablen Zylinderflächen. Bei einer Schiebermaschine
                              									üblicher Ausführung mit einem Hube gleich dem 1,5 fachen Zylinderdurchmesser sind
                              									die konstanten Flächen (Kolben, Deckel, Kanalwände), wenn man alle Vorsprünge
                              									berücksichtigt, aber alle unnützen Vergrößerungen vermeidet; annähernd gleich den
                              									variablen Flächen. Dann ist die Länge des Rechtecks unter der Abszissenlinie gleich
                              										ok, und beim Auswerten der Diagrammflächen zeigt
                              									sich, daß die konstanten Flächen fest 75 v. H. zu der gesamten schädlichen Wirkung
                              									der dampfberührten Flächen beitragen!
                           Das gilt zunächst für einen bestimmten, aber keineswegs ungünstigen Fall. Ich habe
                              									selbst eine damals als gut angesehene Ventilmaschine untersucht, bei der man so
                              									unbekümmert um die Flächen des schädlichen Raumes gewesen war, daß man sie leicht
                              									auf die halbe Größe hätte herabsetzen können. Mag man deshalb auch die im
                              									Vorstehenden möglichst kurz und ohne die noch Möglichen Verbesserungen dargelegte
                              									Untersuchungsweise wegen mancher vereinfachenden Annahmen vielleicht
                              									einigermaßen roh finden, so zeigt sich doch wohl, einen wie überaus großen Einfluß
                              									auf den schädlichen Dampfverbrauch die Flächen des schädlichen Raumes überhaupt
                              									haben. Das Diagramm läßt den Einfluß der einzelnen Größen einfach erkennen. Ob es
                              									auch bei Anwendung von überhitztem Dampf noch zweckmäßig sein kann, mag
                              									dahingestellt bleiben. Eine Verminderung des Anteils der konstanten Flächen ist
                              									dabei sicher nicht zu erwarten. Man überzeugt sich auch leicht, daß die
                              									gleichzeitige Berücksichtigung beider Zylinderseiten das Ergebnis nicht wesentlich
                              									ändert, und daß die Anwendung eines Dampfmantels lediglich um den zylindrischen
                              									Teil, der die Wirkung der variablen Flächen vermindern würde, das Verhältnis für die
                              									konstanten Flächen nur ungünstiger macht.
                           Zur weiteren Verschlechterung dieses Verhältnisses wird auch noch ein Umstand
                              									beitragen, der in dem Diagramm nicht zum Ausdruck kommt. Dort ist nur der Einfluß
                              									der Temperaturdifferenzen und der Zeit in Rechnung gezogen, nicht aber der
                              									Bewegungszustand des Dampfes während des Wärmeaustausches. Da aber die Dampfwirbel
                              									zwischen den einander sehr nahen Deckel- und Kolbenflächen beim Dampfeintritt sicher
                              									viel heftiger sind, als im späteren Verlauf des Hubes, und ähnlich vermutlich
                              									während der Kompression, so wird man berechtigt sein, die konstanten Flächen
                              									verhältnismäßig noch mehr zu belasten, als schon aus dem Diagramm folgt. Die für den
                              									betrachteten Fall gefundenen 75 v. H. würden also wahrscheinlich noch erheblich zu
                              									erhöhen sein, und damit würde man sich dem Werte nähern, den Bantlin aus den Messungen von Callendar und
                              										Nicolson an einer ähnlichen Maschine ableitete. Bantlin schätzt nämlich danach den Anteil der
                              									konstanten Flächen auf nicht weniger als etwa 90 v. H. Das scheint mir eine
                              									wertvolle Stütze für die Zulässigkeit der oben entwickelten Betrachtungsweise zu
                              									sein.
                           Unter diesen Umständen sollte man wohl bemüht sein, alle unnötigen Vergrößerungen der
                              									Wandungen des schädlichen Raumes in Form von Hohlkolben, vorspringenden Deckeln,
                              									Kolbenmuttern, Gewindeenden und dergl. ängstlich zu vermeiden. Außerdem liegt der
                              									Gedanke nahe, für die fraglichen Wandungen einen weniger unangenehm wirksamen Stoff
                              									zu wählen. Mit Rücksicht auf den lebhaften Wärmeaustausch überhaupt hatte auch English versucht, ein günstigeres Ergebnis zu erzielen,
                              									indem er die inneren Flächen soweit als angängig mit Blei bekleidete, weil dessen
                              									spez. Wärme nur etwa den vierten Teil der des Gußeisens beträgt. Diese Maßnahme
                              									konnte aber keinen Erfolg haben. Abgesehen davon, daß nicht allein die spez. Wärme
                              									für den Wärmeaustausch maßgebend ist, sondern neben anderem eine verwickelte
                              									Beziehung zwischen spez. Wärme, Dichte und Leitvermögen, leuchtet der Mißerfolg auch
                              									ein, wenn man bedenkt, eine wie dünne Metallschicht nur an dem Wärmeaustausch
                              									beteiligt sein kann. Man gewinnt eine einfache Vorstellung davon, was ja auch u.a.
                              									von Grashof genauer behandelt ist, wenn man wie dieser
                              									und Perry unterstellt, die ganze Zylindermasse nehme an
                              									den Temperaturschwankungen teil, das Leitvermögen sei also unendlich groß. Dann
                              									würde in einem bestimmten, von Perry gegebenen
                              									Beispiele die als periodisch aufnehmender und abgebender Wärmespeicher wirkende
                              									Metallmasse nur Temperaturschwankungen von etwa 1° nötig haben, um den nach
                              									mittleren Verhältnissen angenommenen Wärmeaustausch zu leisten. Da aber die
                              									Schwankungen der Dampftemperatur unter Umständen den hundertfachen Betrag erreichen,
                              									so können tatsächlich nur ganz dünne Wandschichten praktisch Temperaturschwankungen
                              									aufweisen. Noch einleuchtender ist vielleicht die gewissermaßen umgekehrte
                              									Vorstellung: Unter der von vornherein gemachten Voraussetzung, die wirksamen Schichten
                              									seien sehr dünn, läßt sich überschlagen, welche Dicke die Zylinderwände, ohne
                              									Rücksicht auf die Festigkeit, haben dürften, damit die tatsächliche Speicherwirkung
                              									ohne nennenswerte Temperaturunterschiede in den Wandschichten eintritt. Man gelangt
                              									dann zu Wänden, von der Dicke eines kleinen Bruchteiles eines Millimeters. Ein den
                              									Werten verschiedener Metalle entsprechendes Mehr oder Weniger bedeutet also
                              									ersichtlich garnichts.
                           Unterschiede in dem Wärmeaustausche sind demnach nur von Stoffen zu erwarten, deren
                              									spez. Wärme, für das Volumen verstanden, und deren Leitfähigkeit sehr viel kleiner
                              									als die der Metalle sind. Von dieser Ueberlegung geleitet versuchte ich, unter
                              									genauem Einhalten des ursprünglichen schädlichen Raumes, die Kolben- und
                              									Deckelfläche der oben erwähnten kleinen Maschine innen mit Holz zu bekleiden.
                              									Verbrauchsmessungen habe ich nicht anstellen können, aber daß eine erhebliche
                              									Wirkung in dem erwarteten Sinne eintrat, zeigt deutlich die Kompressionskurve nach
                              										Fig. 5, die dann, ohne wesentliche Aenderung mit
                              									der Drehzahl, statt der Kurven Fig. 1a, b erschien. Der Enddruck blieb nicht viel unter dem
                              										Mariotteschen. Von der ganzen Fläche des
                              									schädlichen Raumes war dabei wenig mehr als die Hälfte mit Holz belegt, aber
                              									allerdings die Teile, die aller Vermutung nach besonders stark beteiligt sind. Der
                              									von der Kompressionskurve zu entnehmenden günstigen Wirkung der Holzbekleidung müßte
                              									auch eine erhebliche Abnahme des schädlichen Dampfverbrauches entsprechen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 548
                              Fig. 5.
                              
                           Ob der Versuch eine praktische Bedeutung hätte gewinnen können, weiß ich nicht.
                              									Besondere Schwierigkeiten machte die Ausführung des vorher in Leinöl gekochten
                              									Holzbelages nicht. Er wurde, in der Dicke von 1 cm, auf Metallplatten mit Draht
                              									gewissermaßen aufgenäht, alle kapillaren Spalten mit dünnem Oelkitte ausgefüllt. Der
                              									Belag hielt sich während längerer Versuche ganz unverändert, wozu auch die
                              									reichliche Dampfölung beigetragen haben mag. Ob er gegen überhitzten Dampf auch
                              									standhalten würde, ist wohl fraglich. Indessen dürfte sich eine brauchbare
                              									Ausführungsform für Holz oder einen gleichwertigen Stoff finden lassen, wenn ihre
                              									Anwendung genügenden Nutzen verspräche. Ich habe die Idee nicht weiter verfolgt,
                              									versuchte seiner Zeit aber gelegentlich, zwei durch ihre Dampfmaschinen sehr
                              									bekannte Fabriken dafür zu erwärmen. Doch erhielt ich nur von der einen Bescheid und
                              									zwar, daß „solche Sachen“ für sie kein Interesse hätten.
                           Kenner der Geschichte der Dampfmaschine werden übrigens wissen, daß schon Watt vor Erfindung des getrennten Kondensators
                              									versuchte, durch Zylinderwände von Holz den Wärmeaustausch in der Newcomen-Maschine zu vermindern. Das ist in unserer
                              									Zeit bei Dampf-Wasserhebern wiederholt, bei denen ebenfalls derselbe Raum abwechseld
                              									Dampf und Wasser enthält, beispielsweise bei dem sogenannten Hydrometer von Fleischer, wo sich die Maßnahme ja auch geradezu
                              									aufdrängte.
                           Der Zweck dieser Zeilen wäre erreicht, wenn sie dazu beitrügen, weitere
                              									Untersuchungen in derselben Richtung anzuregen. Das wird man nicht überflüssig
                              									finden, wenn man die Veröffentlichungen über ausgeführte Dampfmaschinen noch des
                              									letzten Jahrzehntes durchblättert, die vielfach unnötig große schädliche Flächen
                              									aufweisen.
                           Zum Schluß möchte ich noch eine Anregung geben hinsichtlich der Temperaturmessungen.
                              										Callendar und Nicolson
                              									hatten diese mit Thermoelementen ausgeführt nach einer Methode, die früher auch in
                              									der Elektrotechnik viel verwendet wurde, wobei der Verlauf von Strom- oder
                              									Spannungschwankungen durch Aufnahme und spätere Zusammenstellung von Momentanwerten
                              									gefunden wird. Wir haben jetzt aber in dem Oszillographen ein sehr fein
                              									durchgebildetes Mittel, um periodische elektrische Aenderungen sofort im Ganzen
                              									darzustellen. Auch für das Studium der Dampfmaschine und der Wärmemotoren überhaupt
                              									könnte bei sachgemäßer Ausbildung und Benutzung besonderer Thermoelemente der
                              									Oszillograph sehr nützlich werden.