| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 557 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Verbundlokomotiven.
                           Die Lancashire und Yorkshire Eisenbahngesellschaft,
                              									England, hat mit solchen Lokomotiven eingehende Versuche ausgeführt. Die
                              									Eisenbahnlinien dieser Gesellschaft führen durch Bergland, besitzen viele Stationen
                              									und dienen einem großen Güterverkehr.
                           Ueber die Vorzüge der Verbundlokomotiven sind in England die Ansichten noch geteilt.
                              									Auch über das wichtige Verhältnis von Hoch- und Niederdruckzylinder ist man noch
                              									nicht einig, so findet man dementsprechend Verhältnisse von 1 : 1,69 bis 1 : 3 und
                              									selbst mehr. Da man in England mit der Einfachexpansionsmaschine gute Erfolge
                              									erzielt hat und da wenig zuverlässige Versuchsergebnisse über Verbundlokomotiven
                              									vorliegen, geht die Einführung dieser Lokomotiv-Bauart nur langsam vor sich.
                              									Außerdem wird die Meinung vertreten, daß für Schnellzugslokomotiven die
                              									Verbundlokomotive sich nicht bewähren wird. Die große Kolbengeschwindigkeit läßt
                              									auch bei Einfachexpansionsmaschinen keine großen Temperaturunterschiede im Zylinder
                              									zu. Die Verbundlokomotive wird erst ihre Ueberlegenheit bei Kolbengeschwindigkeiten,
                              									die kleiner als etwa 3 m/Sek. sind, zeigen können, also besonders bei
                              									Güterzugslokomotiven. Tab. 1 zeigt die Kolbengeschwindigkeiten der verschiedenen
                              									Lokomotivtypen dieser Eisenbahngesellschaft.
                           Da in der Verbundmaschine ein größeres Expansionsverhältnis gewählt werden kann und
                              									da man hier auch mit kleinere Dampfverluste durch Undichtigkeit des Dampfkolbens
                              									zu rechnen hat, so kann bei dieser Bauart ein günstigerer Dampfverbrauch
                              									vorausgesetzt werden.
                           Zur Einführung kamen bei dieser Eisenbahngesellschaft bis jetzt nur
                              									Vierzylinder-Verbundlokomotiven, mit denen eingehende Fahrten im Vergleich mit
                              									Zwillingslokomotiven ausgeführt wurden. Die Zylinder der Zwillingslokomotive haben
                              									508 mm ⌀, die Hochdruckzylinder der Verbundlokomotive 394, die Niederdruckzylinder
                              									559 mm ⌀. Der Hub beträgt 600 mm. Die Steuerung ist System Joy, die bei allen Lokomotiven dieser Eisenbahngesellschaft verwendet
                              									wird. Die Ergebnisse dieser Versuchsfahrten sind in Tab. 2 zusammengestellt.
                           Tabelle 1.
                           
                              
                                 
                                 TreibradDurch-messermm
                                 Zug-geschwin-digkeitkm/Std.
                                 Kolben-geschwin-digkeitm/Sek.
                                 
                              
                                 Tenderlokomotive
                                 2210
                                 97
                                 5,1
                                 
                              
                                 Vierzylinder-Lokomotive
                                 1905
                                 97
                                 5,8
                                 
                              
                                 3/3 gekupp. Güterzugslokomotive
                                 1550
                                 19–48
                                 2,4–3,6
                                 
                              
                                 4/4 gekupp. Güterzugslokomotive
                                 1370
                                 19–48
                                 2,7–4,1
                                 
                              
                           Auf Grund dieser günstigen Versuchsergebnisse wurden zehn weitere
                              									Vierzylinder-Verbundlokomotiven gebaut, die mit zehn neuen Zwillingslokomotiven im
                              									ordentlichen Zugdienst Vergleichsfahrten während weiteren zwei Jahren ausführten.
                              									Während diesen zwei Jahren haben die elf
                           
                           Tabelle 2.
                           
                              
                                 
                                 Zwillings-Lokomotive
                                 Verbund-Lokomotive
                                 
                              
                                 Dampfspannung                          at
                                 12
                                 12,5
                                 
                              
                                 Geschwindigkeit                    km/Std.
                                 35
                                 36
                                 
                              
                                 Wagengewicht                              t
                                 595
                                 598
                                 
                              
                                 Zuggewicht                                   t
                                 690
                                 700
                                 
                              
                                 Indizierte PS
                                 701
                                 546
                                 
                              
                                 PS am Zughaken
                                 567
                                 506
                                 
                              
                                 Zugkraft der Lokomotive               t
                                 4,45
                                 3,85
                                 
                              
                                 Auf 1 qm Rostfläche verbrannte    Kohle i. d.
                                    											Std.                     kg/qm
                                 540
                                 300
                                 
                              
                                 Dampfverbrauch für 1 PSi/Std.    kg
                                 10,6
                                 8,2
                                 
                              
                                 Dampfersparnis für 1 PSi         v. H.
                                 –
                                 23
                                 
                              
                                 Kohlenverbrauch für 1 PSi/Std.   kg
                                 1,68
                                 1,41
                                 
                              
                                 Kohlenersparnis für 1 SPi/Std. v. H.
                                 –
                                 16
                                 
                              
                           Zwillingslokomotiven 480000 Zug-Kilometer zurückgelegt, die
                              									Verbundlokomotiven ebensoviel. Das Zuggewicht war dabei im Durchschnitt 470 t. Tab.
                              									3 gibt den Durchschnittskohlenverbrauch der Versuchslokomotiven während dieser Zeit
                              									an.
                           Tabelle 3.
                           
                              
                                 
                                    
                                    Zuggewicht
                                    
                                 Gesamt-Kohlenverbrauch in kgfür 1 t/km
                                 
                              
                                 11 Zwillings-Lokomotiven
                                 11 Verbund-Lokomotiven
                                 
                              
                                 400 t und weniger
                                 0,058
                                 0,058
                                 
                              
                                 400–425 t
                                 0,059
                                 0,056
                                 
                              
                                 426–450 t
                                 0,052
                                 0,053
                                 
                              
                                 451–475 t
                                 0,052
                                 0,052
                                 
                              
                                 476–500 t
                                 0,053
                                 0,050
                                 
                              
                                 501–525 t
                                 0,051
                                 0,047
                                 
                              
                                 526–550 t
                                 0,051
                                 0,047
                                 
                              
                           [Engineering 1910, S. 357–359 und 396–398.]
                           
                              W.
                              
                           
                        
                           Die Brush-Parsons-Abdampfturbine.
                           Diese Turbine arbeitet mit geteiltem Dampfstrom und zwar tritt der Abdampf an beiden
                              									Enden des Gehäuses ein und strömt in der Mitte ab. Diese Dampfführung hat außer dem
                              									Vorteil des Druckausgleiches den Vorzug, daß die Welle an ihrem Austritt aus dem
                              									Gehäuse nur gegen einen ganz geringen Ueberdruck abgedichtet zu werden braucht und
                              									daß keine Luft in das Turbineninnere gelangt. Um die Spielräume auf ein Minimum
                              									reduzieren zu können, ist ein Verziehen des Gehäuses mit den festen Leitschaufeln
                              									auszuschließen; zu diesem Zweck ist dem Gehäuse eine vollkommen symmetrische Form
                              									gegeben und ungleiche Materialanhäufungen sind vermieden worden. Den
                              									Rohrverbindungen und Anschlüssen ist Beweglichkeit gegeben, damit sie auf das
                              									Gehäuse keine Spannungen übertragen können, sobald die Wärme eine Formänderung
                              									hervorruft.
                           Auf jeder Seite besitzt die Trommel zwölf Schaufelreihen, welche für den normalen
                              									Betrieb mit Abdampf beaufschlagt werden. Um eine Ueberlastung in kleinen Grenzen zu
                              									erreichen, sind noch auf jeder Seite drei weitere Schaufelreihen vorgeschaltet,
                              									welche nach Oeffnen eines Absperrventils ebenfalls vom Abdampf beaufschlagt werden.
                              									Die Trommel einer 1000 PS-Turbine besteht aus einem starkwandigen Zylinder von 400
                              									mm inneren und etwa 600 mm äußeren Durchmesser. Die Welle mit 190 mm ⌀ beim
                              									Austritt aus dem Gehäuse und mit 100 mm ⌀ in den Lagern ist auf jeder Seite der
                              									Trommel mit starken Flanschen mittels 1''-Schrauben mit der Trommel verbunden. Am
                              									einen Ende der Welle befindet sich ein Kammlager, am anderen der Flansch für eine
                              									elastische Kupplung mit der Dynamowelle. Die starken mit Weißmetall ausgegossenen
                              									zweiteiligen Lagerschalen der beiden Traglager stützen sich mit Kugelflächen auf die
                              									Lagerkörper. Zur Schmierung dient Drucköl von etwa 1½ at Pressung; die zirkulierende
                              									Oelmenge beträgt etwa 2 l i. d. Sek. Die Wellendichtungen haben Labyrinthe von
                              									besonderer Ausführung, es findet darin eine Dampfdrosselung an zwei Stellen statt
                              									(siehe Fig. 1); der achsiale Spielraum der Dichtung
                              									ist einstellbar mit Hilfe einer Mikrometerscheibe am Wellenende. Im ganzen sind auf
                              									einem Wellenende 15 Labyrinthkammern vorgesehen in drei Abteilungen zu 2, 3 und 10
                              									Kammern zusammengefaßt. Zwischen der zweiten und dritten Gruppe wird Dampf
                              									zugeführt, dessen Kondensat durch eine zwischen
                           der ersten und zweiten Gruppe angeschlossene Leitung abgeführt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 558
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 558
                              Fig. 2.
                              
                           Zur Regulierung der Turbine dient ein gewöhnlicher Schwungkugelregulator, der mit
                              									Hilfe eines Druckölservomotors das Drosselventil verstellt. Letzteres besteht aus
                              									einem Rohrschieber, der sich mit seinem unteren Rand auf den Ventilsitz (siehe Fig. 2) aufsetzt. Die Anordnung gestattet, eine große
                              									Menge Dampf durchzulassen, ohne daß das Ventil zu schwer wird oder zu große Reibung
                              									bei seiner Bewegung entsteht. Als Sicherheitsvorrichtung bei Ueberschreitung einer
                              									maximalen Tourenzahl dient ein labiler Federregulator von ähnlicher Konstruktion wie
                              									diejenige der bekannten Flachregler. Sobald seine durch Federn zurückgehaltenen
                              									Gewichte ausschlagen, wird ein Drosselventil geschlossen, das im normalen Betrieb
                              									durch die Spannung einer Feder offen gehalten wird. Bei Versuchen in den Werkstätten
                              									der Brush Electrical Engineering Company in
                              									Loughborough ergeben sich folgende Dampfverbrauchsresultate einer 1000 PS-Turbine
                              									mit 2000 Umdrehungen i. d. Min.
                           
                              
                                 Bela-stungKW
                                 Dampfverbrauch
                                 Dampfdruckhinter
                                    											demDrossel-ventil
                                 Dampftemp.hinter
                                    											demDrossel-ventil
                                 Baro-meter-standmm Hg
                                 Va-kuummm Hg
                                 
                              
                                 i. d. Std.kg
                                 f. 1 KW/Std.kg
                                 
                              
                                 306
                                 4870
                                 15,9
                                 – 0,043
                                 110
                                 756
                                 729
                                 
                              
                                 448
                                 6370
                                 14,2
                                 – 0,017
                                 115
                                 756
                                 725
                                 
                              
                                 596
                                 8560
                                 14,3
                                 – 0,012
                                 124
                                 756
                                 717
                                 
                              
                                 602
                                 8870
                                 14,7
                                 + 0,056
                                 105
                                 768
                                 719
                                 
                              
                                 603
                                 8575
                                 14,1
                                 + 0,028
                                 122
                                 768
                                 719
                                 
                              
                           Die Turbine ist mit einer Gleichstromdynamo von 600 KW direkt gekuppelt, welche Strom
                              									von 230 Volt erzeugt. Die hohe Stromstärke von 2600 Amp. verlangte einen sehr langen
                              									Kollektor, der durch einen Luftstrom innen und außen gekühlt wird. [Engineering
                              									1910, Bd. II, S. 2–8.]
                           
                              M.
                              
                           
                        
                           Die neuen Entwürfe für die Quebec-Brücke.
                           Allgemein abfällige Beurteilung haben die von einer dreigliedrigen Kommission
                              									ausgearbeiteten Entwürfe für den Neubau der vor etwa zwei Jahren eingestürzten
                              									Brücke über den St. Lorenz-Strom bei Quebec erfahren.s. D. p. J. 1908, Bd. 323, S. 73.
                              									Die von der kanadischen Regierung eingesetzte Kommission, deren Arbeiten allein etwa
                              									600000 M gekostet haben, hat nach 18 monatlicher Arbeit einen Brückenplan
                              									herausgebracht, den offenbar die Regierung selbst keineswegs billigt, da sie die
                              									Brückenbauanstalten zur Einreichung von neuen Entwürfen aufgefordert hat. Es
                              									verlohnt sich in der Tat, den Regierungsentwurf mit der früheren Brücke und mit der
                              									bekannten Forth-Brücke zu vergleichen: Fig. 1 zeigt
                              									die Forth-Brücke, Fig. 2 die vor ihrer Vollendung
                              									eingestürzte und Fig. 3 die in Aussicht genommene
                              									Quebec-Brücke. Schon in ästhetischer Hinsicht steht die Forth-Brücke, die seinerzeit
                              									von der Ingenieurwelt, aus eben diesem Grunde stark angefeindet worden ist, an
                              									erster Stelle. Man vermißt bei den amerikanischen Brücken jeden eleganten
                              									Linienverlauf, der doch das Kennzeichen der kraftvollen Brückenkonstruktion ist.
                              									Aber auch in konstruktiver Hinsicht sind ernstliche Einwände gegen die Quebec-Brücke
                              									erhoben worden. Zunächst erscheint die ganze Oertlichkeit weit mehr für eine
                              									Hängebrücke als für eine Kragträgerbrücke geeignet. Wird aber dennoch die
                              									Kragträgerbrücke vorgezogen, so müßte ein Hauptfehler der eingestürzten Brücke, ihre
                              									geringe Konstruktionsbreite, beseitigt werden. Das scheint aber gar nicht
                              									beabsichtigt zu sein, denn auch die Regierung hat eine offenbar zu geringe
                              									Konstruktionsbreite vorgeschrieben. Während bei der Forth-Brücke die Pfeilerauflager
                              									36,6 m Breite haben, bei 518,5 m Spannweite der Brücke, was einem Verhältnis von 1 :
                              									14 entspricht, hatte die eingestürzte Brücke bei 536,20 m Spannweite nur eine
                              									Auflagerbreite von 20,45 m, während man bei dem neuen Entwurf auch nur bis zu 26,85,
                              									d.h. einem Verhältnis von 1 : 20 gegangen ist. Gerade diese große Breite ist aber
                              									notwendig, damit der Brücke eine Sicherheit gegen starken Winddruck gegeben werden
                              									kann. Wenn hiergegen eingewendet wird, daß auch bei anderen amerikanischen Brücken
                              									ein Verhältnis von 1 : 20 erfahrungsgemäß bis jetzt genügt hat, so beweist das nur,
                              									daß diese Brücken bisher wohl keinem Orkan haben standhalten müssen. Außerdem ist es
                              									bekannt, daß keine der großen amerikanischen Kragträgerbrücken wegen der sonst
                              									gefährlich werdenden Schwingungen mit größeren Geschwindigkeiten als 35 km i. d.
                              									Stunde befahren wird, während auf der Forth-Brücke die schweren Expreßzüge bis zu 96
                              									km i. d. Stunde erreichen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 559
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 559
                              Fig. 2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 325, S. 559
                              Fig. 3.
                              
                           Die Verminderung der Konstruktionshöhe der Träger über den Pfeilern auf 87 m, während
                              									sie bei der eingestürzten Brücke 96 m betragen hatte und bei der Forth-Brücke
                              									100,65 m beträgt, hat als natürliche Folge ergeben, daß das Gewicht der
                              									Brückenkonstruktion zu groß im Verhältnis zur Spannweite wird. Es beträgt für die
                              									insgesamt 854 m lange Brückenkonstruktion schätzungsweise 66000 t, während die
                              									1616,5 m lange Forth-Brücke nur 55000 t wiegt. Mit anderen Worten: Für 1 m Länge
                              									werden bei der Quebec-Brücke 77 t, und zwar Nickelstahl, bei der Forth-Brücke nur 34
                              									t Kohlenstoffstahl aufgewendet. Die rollende Belastung ist allerdings bei der
                              									Quebec-Brücke dreimal so groß, als bei der Forth-Brücke. Allein es ist bekannt, daß
                              									bei großen Brücken das Gewicht keineswegs proportional mit der rollenden Belastung
                              									zunimmt. [Annales des Trav. Publ. Belg. 1910, S. 524–527.]
                           
                              H.
                              
                           
                        
                           Die Verwendung von Steinkohlenteerölen zum Betriebe von
                              									Verbrennungskraftmaschinen.
                           Nach einem Vortrag von Dr.-Ing. Rich.
                                 										Müller, Cöln.
                           Die Nachfrage nach einem billigen Betriebsmittel für Motoren ist in Deutschland so
                              									groß, daß die einheimische Erdöl-, Braunkohlenteer- und Schieferöl-Industrie ihr
                              									nicht gewachsen sind und bis vor kurzem der ganze Bedarf vom Ausland eingeführt
                              									werden mußte. Die Hauptabnehmer sind die Eisenbahnverwaltungen und die Gasanstalten;
                              									jene verbrauchen zur Herstellung von Oelgas ungefähr 30000 t jährlich, diese etwa
                              									12000 t zur Karburation von Wassergas. Diesem Verbrauch von zusammen 42000 t steht
                              									zurzeit eine Produktion von etwa 49000 t an billigen, im Motor verwendbaren
                              									Brennstoffen gegenüber. Auch die Kleinmotorenindustrie mußte sich, als vor einigen
                              									Jahren durch die Zunahme des Automobilbaues die Benzinpreise stark stiegen, nach
                              									einem anderen Brennstoff umsehen. Man griff zum Spiritus und Petroleum, aber sie
                              									sind nur ein notdürftiger Ersatz. Dieser war erst gefunden, als es gelang, die
                              									hochsiedenden billigen Teeröle als Brennstoffe in den Motoren zu verwenden.
                           Bekanntlich gibt es zwei Arten von Motoren für flüssige Brennstoffe, die
                              									Explosionsmotoren und die nach ihrem Erfinder benannten Diesel-Motoren. Bei dem Explosionsverfahren wird ein Gemisch von Luft und
                              									fein zerstäubtem Brennstoff angesaugt, auf 12 at komprimiert und durch einen
                              									elektromagnetischen Funken entzündet. Hierzu eignen sich nur Brennstoffe mit
                              									niedrigem Siedepunkt, wie Solventnaphtha; höher siedende Steinkohlenteeröle werden
                              									auch bei feiner Zerstäubung in diesem Falle nur unvollständig verbrannt, was
                              									beträchtliche Unannehmlichkeiten im Betriebe verursacht. Bei dem zweiten Verfahren,
                              									dem Diesel-Verfahren, wird die Luft für sich
                              									komprimiert und hierdurch auf so hohe Temperatur erhitzt, daß der Brennstoff bei dem
                              									Einspritzen gleich entzündet wird. Die Diesel-Motoren
                              									haben einen viel günstigeren thermischen Wirkungsgrad als die Explosionsmotoren, 35
                              									v. H. gegen 23–27 v. H. Zu ihrem Betrieb können die hochsiedenden Paraffinöle
                              									Verwendung finden, wie sie die einheimische Erdöl-, Braunkohlenteerund
                              									Schieferöl-Industrie erzeugt und wie sie in beträchtlicher Menge auch aus dem
                              									Auslande eingeführt werden. Eine weitere Verbreitung hat der Diesel-Motor dadurch gefunden, daß er auch mit den in großen Mengen bei
                              									der Kokerei entstehenden Steinkohlenteerölen ohne jede Störung betrieben werden
                              									kann. Mit der zunehmenden Verwendung dieser Oele zum Motorenbetrieb ist auch der
                              									Benzinpreis wieder gesunken. Die Verwertung der Steinkohlenteeröle ist besonders von
                              									der Gasmotorenfabrik Deutz gefördert worden. Für die
                              									einzelnen Destillate sind zum Teil besondere Motoren konstruiert worden, die sich
                              									alle gut bewähren. Das 90 er Benzol und seine Homologen haben sich als
                              									Motorenbrennstoff so gut eingeführt, daß sie von dem Schwerbenzin trotz des gesunkenen
                              									Preises nicht mehr verdrängt werden können. Auch ihr Verbrauch ist günstiger; er
                              									beträgt bei:
                           
                              
                                 Benzol 240–270 g f. d. PS/StdBenzin 290–320 g   „      „
                                 je nach Größe desMotors.
                                 
                              
                           Das gereinigte 90er Handelsbenzol wird wohl auch bei Lastautomobilen das Benzin
                              									verdrängen. Das fast gleichzeitig eingeführte 90er Rohbenzol hat sich weniger
                              									bewährt, da es oft hochsiedende Bestandteile und Harze enthält. Wenn es keinen zu
                              									großen Verdampfungsrückstand hat, läßt es sich auch für Motoren verwenden,
                              									wenngleich dabei eine größere Verschmutzung eintritt. Von der Eisenbahndirektion
                              									werden auch schnellaufende Motoren in den Triebwagen mit Rohbenzol betrieben; diese
                              									Motoren sind mit den Dynamomaschinen direkt gekuppelt. Auch das Naphthalin wird in
                              									steigendem Maße verwendet. Die neuesten Brennstoffe sind aber die mittleren und
                              									schweren Steinkohlenteeröle. Man kann die Steinkohlenteerproduktion Deutschlands auf
                              									jährlich 950000 t schätzen, von denen 700000 t in den Kokereien und 250000 t in den
                              									Gasanstalten gewonnen werden. Diesen Mengen entsprechen ungefähr 300000 t Mittel-
                              									und Schweröle. Um diese Oele zum Betriebe von Motoren verwenden zu können, ist von
                              									der Gasmotorenfabrik Deutz folgendes neue Verfahren
                              									ausgearbeitet worden: Zugleich mit dem Teeröl wird eine bestimmte Menge Paraffinöl
                              									in den Zerstäuber eingeführt; diese verbrennt zuerst und bewirkt so eine glatte
                              									Verbrennung des hochsiedenden Teeröls. Solche Motoren sind heute schon im Handel,
                              									die Brennstoffkosten betragen nur 0,7 bis 1,1 Pf. f. d. PS/Std. Die Teerölfrage ist nicht nur für
                              									die Teerindustrie, sondern auch in militär- und marinetechnischer Hinsicht von
                              									größter Bedeutung. [Hauptversammlung des Vereins deutscher Chemiker.]
                           Dr. S.