| Titel: | Die Bedeutung der Wasserkräfte für die chemische Industrie. | 
| Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 562 | 
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                        Die Bedeutung der Wasserkräfte für die chemische
                           								Industrie.
                        Vortrag gehalten auf der 23. Hauptversammlung des
                           									Vereins deutscher Chemiker in München 19.
                           								Mai 1910 von Prof. Dr. phil. Dr.-Ing. R. Camerer,
                           								München.
                        (Fortsetzung von S. 552 d. Bd.)
                        Die Bedeutung der Wasserkräfte für die chemische
                           								Industrie.
                        
                     
                        
                           Nach dieser kleinen technischen Exkursion möchte ich Sie nun bitten,
                           
                        
                           4. die wirtschaftlichen Grundlagen der
                                 										Wasserkraftausnutzung
                           ins Auge zu fassen.
                           Sie liegen in der Rentabilität der Anlage und in ihrer Konkurrenzfähigkeit mit
                              									anderen Energiequellen.
                           Die Betrachtung beziehen wir dabei zweckmäßig auf die jährlichen Ausgaben und
                              									Einnahmen, von denen erstere sich aus der Verzinsung und Amortisation des
                              									Anlagekapitals und den Betriebskosten, letztere aus dem Erlös für die wirklich
                              									verwerteten PS-Stunden berechnen.
                           
                              a) Die Anlagekosten.
                              Was nun zunächst die Anlagekosten betrifft, so ergibt sich schon aus den
                                 										besprochenen Figuren, daß verschiedene Werke ganz verschiedene Aufwendungen
                                 										benötigen. Im allgemeinen kann man sagen, daß, je konzentrierter die
                                 										auszunutzende Gefällstufe, je höher das Gefälle und je größer die Leistung
                                 										ist, um so billiger gebaut wird und umgekehrt. Das ist auch leicht verständlich,
                                 										da bei kleinem Gefälle große Wassermengen verarbeitet werden müssen, um
                                 										annehmbare Leistungen nach dem Produkt Q . H zu
                                 										erzielen, und, da vor allem bei schwacher Neigung des Flußlaufes lange und
                                 										teuere Kanäle notwendig werden, um das nötige Gefälle zu schaffen.
                              Das zeigt sich sehr übersichtlich aus einer Zusammenstellung von v. Miller (Tab. 2) und einer graphischen Auftragung
                                 										von Kammerer-Berlin (Fig.
                                    											38), in der die beigeschriebenen Zahlen die Gefälle angeben.
                              Daraus folgt auch, daß es große Wasserkräfte gibt deren Ausbau sich nicht lohnt,
                                 										weil ihre Gefälle zu gering sind. Ich erinnere nur an unsere großen Flüsse in
                                 										der norddeutschen Tiefebene oder an Ebbe und Flut.
                              In welcher Weise die verschiedene Bewertung der Wasserkräfte den Interessenten
                                 										z.B. in der Schweiz durch Veröffentlichungen von Seiten des hydrotechnischen
                                 										Bureaus zugänglich gemacht wird, zeigt Fig. 39.
                                 										Dabei sind die Wasserkräfte in vier Klassen eingeteilt, die Ergiebigkeiten
                              
                              Tabelle 2. Bau- und Betriebskosten von
                                 											Wasserkräften.Nach v. Miller, Zeitsch. d. V. deutsch. Ing.
                                       												1903, S. 1006.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 563
                                 Kleine Leistungen; Mittlere
                                    											Leistungen; Große Leistungen; Gefälle; Sekundl. Wassermenge; Leistung;
                                    											Mäßige Relativgefälle, kleine absolute Gefälle; Saale bei Dorndorf; Amper
                                    											bei Dachau; Günstige Relativgefälle, mittlere absolute Gefälle, Ausnutzung
                                    											verschieden großer Wassermengen; Mäßige Relativgefälle, Konzentrierung des
                                    											Gefälles; mittels Kanales; durch Aufstauen im Flusse selbst; Sehr günstige
                                    											Relativgefälle, große absolute Gefälle; Sill bei Matrei; Wattensbach bei
                                    											Wattens; Vorarbeiten, Wasserrechte, Grunderwerb, ausschl. d. vorhandenen
                                    											Bauten; Wehr- u. Kanalanlag, einschließ. Rechen, Schützen, Behälter,
                                    											Druckleitungen, Wege u. Zufahrtstraßen u. einschl. d. vorhandenen Bauten;
                                    											Turbinenanlage, Turbinenhaus mit Laufkran, Turbinen m. Regulatoren,
                                    											Werkstatteinrichtungen usw.; Gesamtbausumme; Jahresbetriebskosten b. 10–12
                                    											stünd. Betrieb am Tage; Jahresausgaben in v. H. der Anlagekosten
                                 
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 563
                                 Fig. 38. Anlagekosten der PS für verschiedene Gefälle nach der Größe der
                                    											Anlage geordnet.
                                 
                              der Flußläufe werden durch die Anzahl der
                                 										ausgeführten Striche, die Minimalwassermenge durch die Zahlen in den
                                 										Doppelkreisen, die Minimalwasserkräfte durch die Zahlen in den Vierecken
                                 										angegeben.
                              Wenn man von den Wasserkräften eines Landes spricht, so meint man daher nur
                                 										diejenigen, deren Ausbau lohnend ist, setzt dabei auch nicht die größte
                                 										Wassermenge ein, die ein Fluß führt, sondern etwa die Wassermenge, die während
                                 										eines neunmonatlichen Betriebes zu erwarten ist.
                              Danach sind Aufstellungen für verschiedene Länder gemacht worden. Die Tab. 3 gibt
                                 										hieraus einen kleinen Auszug.
                              Solche Aufstellungen gelten aber nur mit ganz roher Annäherung, da die wirklich
                                 										wirtschaftlich günstigste Ausbaustufe für jede Anlage sich nur nach genauen
                                 										Voraussetzungen feststellen läßt.
                              Betrachten wir danach die jährlichen Ausgaben und Einnahmen etwas näher, so darf
                                 										ich zunächst auf Tab. 4 hinweisen, die am Beispiel der Isarwerke die Verteilung der Baukosten auf eine typische
                                 										Niederdruckanlage darstellt. Eine solche Kostenverteilung ist natürlich auch je
                                 										nach dem Charakter des Werkes ganz verschieden. Hier handelt es sich um eine
                                 										Niederdruckanlage mit zwei Gefällsstufen und ohne besonderes Staubecken.
                              
                              Tabelle 3. Tabelle der
                                    											Wasserkräfte.
                              
                                 
                                    Land
                                    Ausbau-würdigPS
                                    AusgebautPS
                                    Bemerkung
                                    
                                 
                                    Deutschland
                                    1425000
                                    294400
                                    Koehn
                                    
                                 
                                    Bayern allein für  Privatindustrie
                                    noch 437890
                                    –
                                    E. T. Z. 1909
                                    
                                 
                                    Württemberg
                                         „   100000
                                    –
                                    
                                    
                                 
                                    Oesterr.-Ungarn
                                          6460000
                                    rd. 200000
                                    nur für Elektr.-W.
                                    
                                 
                                    Vorarlberg
                                            201000
                                    –
                                    Ing. Loacker,Z. f. g. T. 1909
                                    
                                 
                                    Schweiz
                                          1500000
                                    380000
                                    Koehn
                                    
                                 
                                    Italien
                                          5500000
                                    550000
                                    
                                    
                                 
                                    Frankreich
                                          5857000
                                    750000
                                    
                                    
                                 
                                    Skandinavien
                                        14000000
                                    –
                                    Koehn
                                    
                                 
                                    Großbritannien
                                            963000
                                    –
                                    
                                    
                                 
                                    Spanien
                                          5000000
                                      80000
                                    nur für Elektr.-W.
                                    
                                 
                                    Amerika
                                    75–150Millionen
                                    550000
                                    nach Mc. Gee,Z. f. g. T. 1909
                                    
                                 
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 564
                                 Fig. 39. Wasserkräfte am Vorderrhein dargestellt vom schweizerischen
                                    											hydrotechnischen Bureau.
                                 
                              Tabelle 4. Kostentabelle für die
                                    											Isarwerke München.
                              I. Anlagekosten.
                              A. Wasserbau. 6000 PS in zwei
                                 										Zentralen, 10 m Nutzgefälle, 60 cbm/Sek. größte Wassermenge, absolutes Gefälle 2,1
                                 										v. H.
                              
                                 
                                    Wehr und Einlauf inkl. Schützen
                                    etwa
                                    10
                                    v. H.
                                    
                                 
                                    Isar-Korrektion
                                    „
                                    30
                                    „
                                    
                                 
                                    Kanalbauten und Dämme
                                    „
                                    35
                                    „
                                    
                                 
                                    Bau bis Sockelhöhe, Zentrale I
                                    „
                                    10
                                    „
                                    
                                 
                                                  „                 Zentrale II
                                    „
                                    15
                                    „
                                    
                                 
                                    
                                    ––––––––––––––––––––
                                    
                                 
                                    insgesamt
                                    850–900
                                    M f. d. PS
                                    
                                 
                              B. Maschinen.
                              
                                 
                                    a) Zentrale I. 2000
                                       												PS
                                    
                                    
                                    
                                 
                                            4 Turbinen (n = 35)
                                       												mit Kegelradübersetzung        und Enteisungsvorrichtung f. d.
                                       												PS
                                    M
                                    110
                                    
                                 
                                            4 Generatoren (n =
                                       												105) usw. f. d. PS.
                                    „
                                    70
                                    
                                 
                                    b) Zentrale II. 4000
                                       												PS
                                    
                                    
                                    
                                 
                                            4 Turbinen (n = 100)
                                       												mit Enteisungseinrichtung
                                    „
                                    44
                                    
                                 
                                            4 Generatoren usw.
                                    „
                                    66
                                    
                                 
                                    c) Dampfreserve. 6000 PS,
                                       												insgesamt einschließlich
                                    
                                    
                                    
                                 
                                            Generatoren usw.
                                    „
                                    205
                                    
                                 
                              C. Schaltanlagen.
                              
                                 
                                    Zentrale I  2000 PS einschl. Dampfres. 6000
                                       												PS        
                                    „
                                    15
                                    
                                 
                                    Zentrale II 4000 PS
                                    „
                                    20
                                    
                                 
                                    D. Fernleitungen für
                                       												5000–10000 Volt f. d. Km
                                    „
                                    4000
                                    
                                 
                              Dazu Kosten für Transformatoren und Blitzschutzstationen.
                              II. Jährliche Betriebskosten.
                                 										(1907.)
                              
                                 
                                    a) Maschinisten- und sonstige Betriebslöhne
                                    M
                                    57000
                                    
                                 
                                    b) Kohlen für Dampfbetrieb
                                    „
                                    6000
                                    
                                 
                                    c) Schmier-, Putz-, Heiz-, Beleuchtungs- und
                                       												Werk-    zeug-Material
                                    „
                                    4300
                                    
                                 
                                    d) Unterhalt für Wasserbau usw.            M 12000
                                       												–
                                    „
                                    15000
                                    
                                 
                                    e)      „          „   Maschinen und Apparate usw.
                                    „
                                    7000
                                    
                                 
                                    f)      „           „   Fernleitungen
                                    „
                                    24000
                                    
                                 
                                    g)     „           „   Transformatoren usw.  M 18000
                                       												–
                                    „
                                    28000
                                    
                                 
                              III. Jährliche Unkosten.
                              
                                 
                                    Ungefähr in gleicher Höhe wie die Betriebskosten
                                    
                                    
                                 
                                    M 150000 – M
                                    175000
                                    
                                 
                              Auffallend ist an dieser Tabelle, wie die Maschinenkosten mit der Größe des
                                 										Aggregats abnehmen und wie sie nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten
                                 										ausmachen, ein deutlicher Fingerzeig, daß man hier, an dem Herzen der Anlagen,
                                 										nicht sparen soll.
                              Ganz verfehlt wäre es nun aber, aus den Kosten der ausgebauten PS unmittelbar auf
                                 										die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens schließen zu wollen.
                              Dazu kommt in erster Linie in Betracht, an wieviel Stunden im Jahre und zu
                                 										welchem Preis die vorhandene Energie verkauft werden kann und in zweiter Linie,
                                 										in welchem Maße dem Werk das Jahr hindurch die gewünschte Wassermenge zu Gebote
                                 										steht.
                              Tabelle 5. Kraft-Kosten und Betriebsdauer (nach Koehn).
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 564
                                 Leistung PS; Betrieb;
                                    											Anlagekosten M mit Gebäuden; Anlagekosten f. 1 PS; Betriebskosten; bei 3000
                                    											Stunden jährlich; bei 7200 Stunden jährlich; Bemerkung; Wasserkraft;
                                    											Dampfkraft.
                                 
                              
                           
                              
                              b) Der Wechsel in der
                                    											Belastung.
                              Auch hierfür darf auf Belastungskurven der Isarwerke
                                 											(Fig. 40 und 41) hingewiesen werden, von denen die erstere Tageskurven an vier
                                 										verschiedenen Tagen im Jahr, die letztere die Jahresbelastung zeigt, und wobei
                                 										der vermehrte Konsum durch Lichtbedarf im Winter deutlich zu erkennen ist.
                              Tabelle 6. Betriebskosten.
                              
                                 
                                    PS
                                    Anlage-KostenM
                                    Kohlent
                                    Schmier-undPutzmater.-Bedienung
                                    Betriebs-KostenM
                                    M proPS-Jahr
                                    
                                 
                                    a) Dampfanlagen (ohne Gebäudekosten).
                                    
                                 
                                        Kohlen: 18 M/t.    Verzinsung,
                                       												Abschreibung und Instandhaltung: 15 v. H.
                                    
                                 
                                      100
                                      24000
                                      480
                                      2700
                                    14940
                                    150
                                    
                                 
                                      500
                                      67000
                                    1650
                                      6600
                                    46050
                                      91
                                    
                                 
                                    1000
                                    135000
                                    2500
                                    10800
                                    76050
                                      75
                                    
                                 
                                    b) Sauggasanlagen (ohne Gebäude).
                                    
                                 
                                                           Anthracit: 23 M/t.                       Wasser: von 16 Pf./cbm bis 2
                                       												Pf./cbm.
                                    
                                 
                                      100
                                      26700
                                        128,7
                                      1750
                                      9915
                                    99,15
                                    
                                 
                                      500
                                      93700
                                      594
                                      5940
                                    35300
                                    70,70
                                    
                                 
                                    1000
                                    174000
                                    1155
                                    10500
                                    66800
                                    66,80
                                    
                                 
                              Nach Hirsch-Wilking, Elektro-Ing.-Kalender.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 565
                                 Fig. 40. Tagesleistung der Isarwerke bei München in verschiedenen
                                    											Jahreszeiten.
                                 
                              Die Tab. 5 und 6 zeigen den Einfluß verschiedener Belastungsdauer auf die
                                 										Betriebskosten bei verschieden großen Werken und bringen gleichzeitig einen
                                 										Vergleich mit Dampfanlagen mit und ohne Gebäudekosten bezw. mit Sauggasanlagen
                                 										ohne Gebäudekosten.
                              Die Gründe der unvollkommenen Ausnutzung der Wasserkraftanlagen liegen aber, wie
                                 										bemerkt, nicht nur in dem Wechsel des Kraftbedarfs, sondern auch in den
                                 										zeitlichen Schwankungen der Wassermengen.
                              
                           
                              c) Der Wechsel der
                                    											Wassermenge.
                              Betrachten wir danach die verschiedenen hier in Betracht kommenden Möglichkeiten,
                                 										so darf als idealste Ausnutzung der Wasserkraft die bezeichnet werden, die eine
                                 										so weitgehende Aufspeicherung des Wassers ermöglicht, daß die Unterschiede im
                                 										Jahresabfluß der Zuleitung ausgeglichen werden können. In diesem Fall, den wir
                                 										einen Jahresausgleich nennen, ist es selbstredend
                                 										Möglich, auch allen Schwankungen im Kraftbedarf, soweit nur die Maschinengrößen
                                 										es zulassen, gerecht zu werden. Staubecken von solcher Größe lassen sich
                                 										aber nur unter Heranziehung natürlicher Seen oder in einem Gelände anlegen, das
                                 										für Talsperrenbau besonders geeignet ist.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 565
                                 Fig. 41. Leistungen der Isarwerke im Jahre 1907.
                                 
                              Ein prächtiges Beispiel hierfür haben wir in dem Staubecken der Urfegesehen,
                                 										besitzen wir auch an unserem Walchensee. Bei letzterem sind die Maschinengrößen
                                 										auf das Dreifache der mittleren Abflußmenge projektiert, um allen Ansprüchen an
                                 										den Wechsel des Kraftbedarfs im Bahnbetrieb genügen zu können.
                              Ein schematisches Diagramm einer solchen Wasserkraftausnutzung zeigt Fig. 42.
                              Ist es wirtschaftlich unmöglich ein so großes Staubecken, das je nach Art des
                                 										Zuflusses etwa ⅓ bis ½ der gesamten jährlichen Abflußmenge fassen sollte,
                                 										anzulegen, so kann doch auch der viel kleinere Tagesausgleich ganz bedeutende Vorteile mit sich bringen. Er dient
                                 										dann nicht dazu die im Laufe der Jahre eintretenden Wasserschwankungen
                                 										auszugleichen, sondern nur die täglichen Abflußmengen in dem Maße
                                 										zurückzuhalten, daß sie dem Wechsel des Kraftbedarfs angepaßt werden können.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 565
                                 Fig. 42. Schema eines Betriebes mit großem Ausgleich (Walchensee).
                                 Wassermenge; Zeit. a mittlerer
                                    											Abfluß – b Walchen-Zufluß – c Leistung.
                                 
                              Dient ein derartiges Kraftwerk etwa zum Betriebe einer täglich zehn Stunden
                                 										arbeitenden Fabrik, so kann durch den Ausgleich das in den 16 Ruhestunden
                                 										aufgespeicherte Wasser die Leistung während der Arbeitszeit auf das 26/10 fache
                                 										erhöhen.
                              
                              Ein anderes Beispiel ist schematisch in Fig.
                                    											43 dargestellt. Ohne Ausgleich dürfte die wechselnde Kraftkurve e höchstens die Niederwassermenge des natürlichen
                                 										Abflusses a erreichen. Mit Ausgleich kann sie so
                                 										gehoben werden, daß ihr Mittelwert mit dem Niederwasser zusammenfällt, was in
                                 										der Darstellung einer mehr als doppelten Ausnutzung entspricht. Man erkennt
                                 										auch, daß ein solcher Tagesausgleich um so notwendiger ist, je mehr der
                                 										Kraftbedarf wechselt.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 325, S. 566
                                 Fig. 43. Ausnutzbare Kraft ohne Ausgleich und mit Tagesausgleich.
                                 Wassermenge; a natürlicher
                                    											Abfluß – b angepaßte Leistung – c konstante Leistung – d wechselnde Leistung
                                    											mit Tagesausgleich – e wechselnde Leistung ohne Ausgleich.
                                 
                              Befinden sich noch andere Wasserwerke talabwärts, so muß freilich dafür Sorge
                                 										getragen werden, daß sie durch den Tagesausgleich nicht im gleichmäßigen
                                 										Wasserbezug geschädigt werden. Das kann durch einen zweiten Weiher unterhalb des
                                 										ersten Werkes geschehen. Besser aber gibt man dann wohl jedem Werk sein eigenes
                                 										Stauwerk für Tagesausgleich.
                              Ist aber auch der Tagesausgleich der Betriebswassermenge mit dem Kraftbedarf
                                 										undurchführbar, so wird man eine Akkumulierung der
                                    											überschüssig ausgewerteten Energie versuchen.
                              Man läßt dann etwa, wie in Schaffhausen z.B. durchgeführt, in der Nacht
                                 										mittels Hochdruckzentrifugalpumpen Wasser in Hochreservoire pumpen, das dann am
                                 										Tage mittels Hochdruckturbinen zur Deckung des Kraftbedarfs benutzt wird.
                              Oder man verwendet elektrische Akkumulatoren, die entweder für mehrstündige Lade-
                                 										und Entladeperioden bestimmt sind, oder als ins Netz eingeschaltete sogen.
                                 										Pufferbatterien die plötzlichen Stöße, wie sie z.B. der Bahnbetrieb mit sich
                                 										bringt, aufnehmen sollen.
                              Die genannten Ausgleichsvorrichtungen haben – abgesehen von dem erwähnten
                                 										Jahresausgleich – das Unvollkommene an sich, daß sie nur die Niederwassermenge
                                 										des Flußlaufes auszunutzen gestatten. Zur rationellen Verwertung einer
                                 										Wasserkraft ohne Jahresausgleich sollten daher im allgem. noch weitere
                                 										Hilfsmittel herangezogen werden.
                              Dazu ist in erster Linie die Anpassung des
                                    											Fabrikbetriebes an die Schwankungen der natürlichen Energie zu
                                 										erwähnen.
                              Sie gelingt aber nur in solchen Fabriken, in denen gegenüber den Kosten für die
                                 										Energie die übrigen Betriebskosten zurückstehen. Das ist bei Holzschleifereien,
                                 										z. T. auch bei chemischen Fabriken, der Fall. Vergl. dazu die Kurve b der angepaßten Leistung in Fig. 43.
                              Im allgemeinen würden aber durch Betriebswechsel und häufiges teilweises
                                 										Stillsetzen des Werkes die Betriebskosten zu sehr vermehrt. Dann bleiben noch
                                 										zwei wirtschaftlich sehr wichtige Hilfsmittel: nämlich die Wärmekraftreserve und
                                 										das Zusammenlegen verschiedener Betriebe.
                              Die Wärmekraftreserve arbeitet am rationellsten,
                                 										wenn sie den Belastungspitzen in solchem Maße angepaßt ist, daß auch in Zeiten
                                 										des kleinsten Kraftbedarfs die Wasserkraftanlage noch voll belastet werden und
                                 										somit jeder Wasserverlust vermieden werden kann. Sie kann dann auch die
                                 										Energieschwankungen im jährlichen Wasserabfluß übernehmen und hat den besonderen
                                 										Vorteil, im Fall von Störungen, z.B. durch Reparaturen oder Vereisen der Anlage
                                 										den Betrieb auch längere Zeit übernehmen zu können.
                              
                                 
                                    (Schluß folgt.)