| Titel: | WASSERKRAFTWERK, HEIZUNGSKRAFTWERK UND LICHTWERK. | 
| Autor: | Ludw. Schneider | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 10 | 
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                        WASSERKRAFTWERK, HEIZUNGSKRAFTWERK UND
                           								LICHTWERK.
                        Von Dr.-Ing. Ludw. Schneider,
                           									München.
                        SCHNEIDER: Wasserkraftwerk, Heizungskraftwerk und
                           								Lichtwerk.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Durch das Heizungskraftwerk wird niedrig gespannter Dampf für
                              									Heiz-, Koch-, Dämpfungs- oder Trocknungszwecke abgegeben, nachdem er sich in
                              									Kraftmaschinen von hohem Druck bis zum Heizungsdruck herab entspannt hat. Die
                              									Krafterzeugung des Heizungskraftwerkes richtet sich nach dem jeweiligen Bedarf an
                              									Abdampf.
                           Es wird untersucht, wie sich ein Heizungskraftwerk, dessen Abdampf
                              									ausschließlich für Gebäudeheizung Verwendung findet, als gemeindliches
                              									Elektrizitätswerk in den Betriebsplan einordnet, und zwar erstens im Parallelbetrieb
                              									mit Wasserkraftwerken, zweitens als Lichtzentrale. Nach Angabe der
                              									Stromerzeugungskosten in Heizungskraftwerken wird die Einrichtung derartiger Anlagen
                              									kurz besprochen und an Hand eines Beispiels im Bilde vorgeführt.
                           ––––––––––
                           Eine Eigenschaft fast aller Wasserkraftwerke ist, daß ihre Leistungsfähigkeit den
                              									Kraftbedarf zeitweilig übertrifft, dann aber wieder unterschreitet. Eine gewisse
                              									Ausnahme machen nur jene Kraftwerke, die das Wasser aus Stauseen empfangen.
                           Bei Kraftüberschuß geht ein Teil des Wassers, der in den Maschinen Arbeit leisten
                              									könnte, durch den Leerschuß um die Turbinenkammer herum. Das ist vom
                              									wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet meistens ein Verlust, denn die Wasserkraft
                              									sollte tunlichst vollständig ausgenutzt werden. Ist Wassermangel vorhanden, so tritt
                              									die „Kraftreserve“ in Tätigkeit. Wie oft und mit welchem Betrag die Reserve
                              									beansprucht wird, hängt natürlich ganz von der Art der Wasserkraft und ihrer
                              									Verwendung ab. Ist die Kraft, d.h. das Produkt aus Wassermenge f. d. Zeiteinheit und
                              									Gefällshöhe zeitlich konstant wie bei den Abflüssen größerer Seen, künstlicher
                              									Stauweiher oder bei den Flüssen mit großem Stromgebiet in ihrem Unterlauf und
                              									unterliegt der Kraftverbrauch keinen wesentlichen Schwankungen (Karbid-, Aluminium-,
                              									Luftstickstoffabrikation usw.), so kann die Reserve klein bemessen werden und
                              									braucht nur selten in Tätigkeit zu treten. Das Entgegengesetzte ist der Fall, wenn
                              									die periodischen Wasserkräfte der Gebirgsgewässer oder der Flüsse mit kleinem
                              									Stromgebiet ausgenutzt werden und vielleicht auch noch der Kraftverbrauch großen
                              									Schwankungen unterliegt wie bei vorwiegender oder ausschließlicher Verwendung der
                              									erzeugten Energie zu Beleuchtungszwecken.
                           An der Notwendigkeit einer zu großen Kraftreserve ist schon die Errichtung manches
                              									Wasserkraftwerkes gescheitert, denn die Reserveanlage belastet die Bilanz des ganzen
                              									Werkes in höchst unwirtschaftlicher Weise. Das Bestreben, die Reserveanlage
                              									möglichst klein zu halten, ist ja auch bekanntlich der Grund davon, daß unsere
                              									Elektrizitätswerke zur Zeit des größten Beleuchtungsbedürfnisses die Abgabe von
                              									Kraftstrom sperren oder wenigstens bedeutend erhöhte Gebühren dafür fordern.
                           Als Reserve der Wasserkraft dient in der Regel eine Dampfkraftanlage, seltener eine
                              									Anlage mit Diesel-Motoren, Koksofengasmaschinen (in
                              									städtischen Gaswerken) oder Sauggasmaschinen. Eine neue Art einer Ergänzungsanlage
                              									zu einem Wasserkraftwerk, das Heizungskraftwerk, soll in den folgenden Abschnitten
                              									besprochen werden.
                           Unter „Heizungskraftwerk“ sei eine Dampfkraftanlage verstanden, deren gesamter
                              									Abdampf für Heizzwecke Verwendung findet. Im Heizungskraftwerk ist also die
                              									Erzeugung von Heizdampf die Hauptsache; die Kraft (mechanische oder elektrische
                              									Energie) wird als Nebenprodukt gewonnen.
                           Die Wirtschaftlichkeit dieser Vereinigung liegt auf der Hand. Um 1 kg Heizdampf von
                              										1/10 at Ueb.
                              									aus Wasser von 60° C zu erzeugen, muß letzterem eine Wärmemenge von 577 Kalorien
                              									zugeführt werden. Um den Heizdampf von 1/10 at Ueb. in Kraftdampf von 10 at Ueb. zu
                              									verwandeln, bedarf es nur mehr einer Wärmezufuhr von 25 Kalorien, d. s, nur 4 v. H. des vorhin aufzuwendenden Betrages. Läßt man 1
                              									kg trocken gesättigten Dampf von 10 at sich auf 0,1 at Ueb. in einer Maschine
                              									entspannen, so kann damit rund 1/12 PS eine Stunde lang geleistet werden. Würde man
                              									Sattdampf von 10 at Ueb. in normalen Kondensationsmaschinen verarbeiten, so könnte
                              									für 1 kg Dampf rund 1/9 PS/Std. geleistet werden. Für die letztere Leistung sind aber 602 Kalorien aufzuwenden, wenn das Kesselspeisewasser eine
                              									Temperatur von 60° hat. Was den Wärmeverbrauch f. d. PS/Std. betrifft, wird also die
                              									Maschine mit vollständiger Abdampfausnutzung von keiner anderen Wärmekraftmaschine
                              									erreicht.
                           Die jährlichen Ausgaben für Wartung, Instandhaltung, Verzinsung und Abschreibung von
                              									Kessel, Maschinen und Gebäulichkeiten sind bei einem Heizungskraftwerk nicht höher
                              									als bei einem gewöhnlichen Dampfkraftwerk, so daß alles in allem bei vollständiger
                              									Abdampfausnutzung die Krafterzeugung im Heizungskraftwerk ⅓ bis ¼ mal so billig
                              									kommt als im modernen Dampfkraftwerk mit guten Ventilmaschinen, Ueberhitzung und
                              									Kondensation. Auch bei nur teilweiser Abdampfausnutzung in der Form der
                              									Zwischendampfentnahme ergibt sich für das Heizungskraftwerk noch ein ansehnlicher
                              									Gewinn, der um so größer ist, je mehr Dampf für Heizzwecke gebraucht wird.
                           
                           Heizungskraftwerke im kleinen sind in großer Vielfältigkeit denkbar. Man braucht
                              									nur an die Möglichkeit der Abdampfverwertung in den verschiedenen Industriezweigen
                              									zu erinnern. Niedrig gespannter Dampf kann verwendet werden zum direkten und
                              									indirekten Heizen, Kochen und Dämpfen, zur Warmwasserbereitung und Lufterhitzung.
                              									Umfangreiche Zweige der chemischen Industrie, Papierfabriken, Webereien,
                              									Braunkohlenbrikettwerke und Ziegeleien, Zuckerfabriken und Raffinerien, Färbereien
                              									und Wäschereien, Imprägnieranstalten, Konservenfabriken und Brauereien erschöpfen
                              									noch lange nicht die Reihe jener Gebiete, wo der Heizungskraftwerke eine große
                              									wirtschaftliche Bedeutung harrt.Vergl. auch L.
                                    												Schneider, Die Abwärmeverwertung. Erscheint
                                    											Frühjahr 1912, Verlag Julius Springer, Berlin.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 11
                              Fig. 1. Durchschnittliche monatliche Niederschlagsmenge nach 5jährigen
                                 										Beobachtungen a in München (Meteor. Zentralstat.), b in Bamberg.
                              
                           Hier Sei der besondere Fall betrachtet daß das Heizungskraftwerk die Aufgabe hat,
                              									eine größere Gebäudegruppe, z.B. eine gemeindliche Krankenanstalt oder mehrere
                              									Verwaltungsgebäude, mit Heizdampf zu versehen und mit der erzeugten elektrischen
                              									Kraft die Wasserkraftwerke zu unterstützen und zu ergänzen. Zudem sei angenommen,
                              									daß die erzeugte elektrische Energie vorwiegend für Beleuchtungszwecke Verwendung
                              									finden soll. Der Fall ist also so gewählt, daß sowohl die Krafterzeugung, da sie
                              									sich nach der Mächtigkeit der Wasserkräfte und nach dem Heizungsbedürfnis richten
                              									muß, als auch der Kraftverbrauch Schwankungen unterworfen ist, und unsere Aufgabe
                              									soll sein, zu untersuchen, ob und unter welchen Bedingungen das Wasserkraftwerk und
                              									das Heizungskraftwerk wirtschaftlich vorteilhaft zusammenarbeiten können.
                           Die Mächtigkeit der Wasserkräfte richtet sich nach der Zeit und der Dauer der
                              									Schneeschmelze sowie nach der Menge und der Verteilung der jährlichen
                              									Niederschläge.
                           Die Schneeschmelze dauert in den Alpen im wesentlichen von Mitte April bis Ende Juni,
                              									auf den Mittelgebirgen von Mitte März bis Ende April, während im Flachlande selten
                              									den ganzen Winter über eine kontinuierliche Schneedecke liegen bleibt, sondern ein
                              									Abschmelzen des öfteren eintritt. Die Unterschiede zwischen Gebirge und Flachland
                              									sind, was die Dauer der Schneedecke anlangt, sehr beträchtlich. Das Kgl. Bayerische
                              									Hydrotechnische Bureau hat in drei aufeinanderfolgenden Wintern Erhebungen über die
                              									Schneedecke in Bayern gepflogen. In Tab. 1 sind einige Ergebnisse dieser Forschung
                              									zusammengestellt.
                           Die Zahlen sprechen selbst, und es ist nicht nötig, ihnen noch viel Worte
                              									hinzuzufügen. Auf einen bemerkenswerten Punkt mag jedoch besonders hingewiesen sein:
                              									die lange Dauer der Schneedecke in Bischofsgrün, einem kleinen
                              									Fichtelgebirgsdorf am Fuße des Ochsenkopfes. Sein langer Winter wird nur von dem
                              									berühmten Wintersportplatz St. Anton am Arlberg übertroffen. Diese hochalpine
                              									Schneedecke im Fichtelgebirge ist aber von sehr geringer räumlicher Ausdehnung. Das
                              									20 km in der Luftlinie von Bischofsgrün entfernte Bayreuth weist bereits einen sehr
                              									milden Winter auf. Derartige „Schneeinseln“ mitten im Flachland sind
                              									natürlich auf die Wasserführung der Flüsse fast ohne Einfluß.
                           Die Niederschlagsmengen pflegen in unseren Breiten in den Monaten Juni bis August
                              									(Gewitterregen!) ihre größten Beträge zu erreichen. Die durchschnittlichen Werte auf
                              									der Hochebene (München) und in der Tiefebene (Bamberg) sind für den fünfjährigen
                              									Zeitraum 1901 bis 1905 in Fig. 1 dargestellt.
                           Tabelle 1.
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                    
                                    Ort
                                    
                                 See-höhem
                                 Winter
                                 Anzahlder Tage
                                    											mitSchneedecke
                                 LängsteDauer
                                 Ende
                                 GrößteSchneehöhe
                                 
                              
                                 MärzTage
                                 totalTage
                                 der
                                    											un-unterbrochenenSchneedecke
                                 
                              
                                 Tage
                                 Datum
                                 cm
                                 
                              
                                 St. Anton
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 a. Arlberg
                                 1302
                                 1905–06
                                 31
                                 168
                                 154
                                 10. 4.
                                 103
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                 31
                                 162
                                 155
                                 23. 4.
                                 162
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                 31
                                 165
                                 163
                                 24. 4.
                                 130
                                 
                              
                                 Mittenwald
                                 910
                                 1905–06
                                 27
                                 146
                                   51
                                 11. 3.
                                 33
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                 21
                                 142
                                 131
                                 14. 4.
                                 105
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                 30
                                 138
                                 118
                                 30. 3.
                                 58
                                 
                              
                                 München
                                 520
                                 1905–06
                                 12
                                 51
                                    23
                                 25. 2.
                                 22
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                 13
                                 84
                                    35
                                 13. 1.
                                 21
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                  9
                                 73
                                    32
                                 27. 1.
                                 21
                                 
                              
                                 Regensburg
                                 339
                                 1905–06
                                  3
                                 27
                                    15
                                 18. 2.
                                 5
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                  7
                                 73
                                    25
                                 17. 2.
                                 13
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                 3
                                 56
                                    32
                                 27. 1.
                                 7
                                 
                              
                                 Bischofsgrün
                                 680
                                 1905–06
                                 31
                                 173
                                 115
                                 5. 4.
                                 68
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                 31
                                 147
                                 132
                                 15. 4.
                                 130
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                 31
                                 158
                                 140
                                 1. 5.
                                 107
                                 
                              
                                 Bayreuth
                                 450
                                 1905–06
                                  6
                                 29
                                      6
                                 20. 2.
                                 9
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                  3
                                 66
                                    31
                                 9. 1.
                                 27
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                  6
                                 46
                                    22
                                 18. 1.
                                 9
                                 
                              
                                 Bamberg
                                 240
                                 1905–06
                                  4
                                 17
                                      3
                                 17. 2.
                                 8
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                  4
                                 50
                                    24
                                 8. 2.
                                 32
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                  3
                                 34
                                    12
                                 7. 2.
                                 8
                                 
                              
                                 Speyer
                                 105
                                 1905–06
                                  7
                                 22
                                      3
                                 11. 2.
                                 13
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1906–07
                                  2
                                 37
                                    15
                                 13. 2.
                                 12
                                 
                              
                                 „
                                 
                                 1907–08
                                  3
                                 29
                                    11
                                 7. 1.
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                           Dem Minimum im Februar mit 31,8 mm steht auf. der Hochebene ein Maximum im Juli mit
                              									112 mm gegenüber. In der Tiefebene ist die Niederschlagsmenge über die einzelnen
                              									Monate etwas gleichmäßiger verteilt. An beiden Kurven lassen sich deutlich zwei
                              									Perioden unterscheiden: die niederschlagsarme Zeit von Oktober-März und die niederschlagsreiche Zeit
                              									von April–September.
                           In genauer Uebereinstimmung mit der Niederschlagsverteilung und der Schneemelze
                              									stehen die Beobachtungen der Pegelstände unserer Flüsse.
                           Der Wasserstand der aus den Alpen kommenden Flüsse Saalach, Isar und Lech ist nach
                              									zehnjährigen Beobachtungen in den Kurven a bis e der Fig. 2 graphisch
                              									dargestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 12
                              Fig. 2. Mittl. Pegelstand nach 10 jährig. Beobachtungen; a = Saalach bei
                                 										Freibassing, b = Isar bei Mittenwald, c = Isar bei München, d = Isar bei
                                 										Plattling, e = Lech bei Schongau.
                              
                           Für die Isar sind die Mittelwerte der Pegelstände an drei verschiedenen Stellen ihres
                              									Laufes angegeben, nämlich nahe am Ursprung (Mittenwald), im Mittellauf (München) und
                              									im Unterlauf (Plattling). Man kann deutlich sehen, daß im Oberlauf unter dem Einfluß
                              									der Schneeschmelze der höchste Pegelstand etwa einen Monat später eintritt als im
                              									Unterlauf, nämlich im Juni gegenüber im Mai. Interessant ist es, den Wasserstand im
                              									Monat Februar zu verfolgen. Im Hochgebirge (Kurve b)
                              									nimmt er gegen den Januar noch ab, da aller gefallener Schnee liegen bleibt. Ein
                              									entschiedenes Ansteigen der Isar tritt in Mittenwald erst im April ein. Auf der
                              									Hochebene (Kurve c) ist der Wasserstand im Februar
                              									bereits etwas höher als im Januar. Die Schneeschmelze tritt im großen Umfang aber
                              									erst Anfangs März ein. Am Auslauf der Hochebene (Kurve d) steigt der Wasserstand von Januar bis Februar rasch an, um dann bis zum
                              									April gleich hoch zu bleiben. Das Maximum der Schneeschmelze fällt in den
                              									Februar.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 12
                              Fig. 3. Pegelstand des Walchensees nach 10 jährigen Beobachtungen.
                              
                           Alle drei Flüsse weisen einen Niederwasserstand von Oktober–März und einen Mittel-
                              									und Hochwasserstand von April–September auf.
                           Ein ganz ähnliches Verhalten wie das der Alpenflüsse zeigt der Pegelstand der
                              									Alpenseen, die als natürliche Stauweiher besonderes Interesse in der
                              									Wasserwirtschaft verdienen.
                           Als typischen Vertreter dieser Wasserbecken können wir den Walchensee ins Auge
                              									fassen. In Fig. 3 ist sein mittlerer Pegelstand für
                              									die verschiedenen Monate dargestellt. Auch er hat im Mai den höchsten, im Dezember
                              									den niedrigsten Wasserstand.
                           Das Verhalten des Walchensees verdient unsere Beachtung hauptsächlich deshalb, weil
                              									die Ausbeutung seiner Wasserkraft schon in die Wege geleitet ist. Bekanntlich war
                              									eine der größten Schwierigkeiten, die der Ausführung des Projektes in den Weg
                              									traten, die Notwendigkeit der Anstauung und Absenkung seines Spiegels, um die Kraft
                              									in gleichmäßiger Stärke erzeugen zu können. Die Aenderung des Seespiegels brauchte
                              									in viel geringerem Maße stattzufinden, wenn es uns gelänge, für die wasserarme Zeit
                              									Oktober–März eine Kraftreserve ausfindig zu machen, die hinsichtlich der
                              									Stromgestehungskosten mit einem äußersten Minimum arbeitet. Eine solche Kraftreserve
                              									haben wir bereits im Heizungskraftwerk. Verfasser hält die Gründung solcher Werke
                              									wohl der Beachtung und Initiative der Behörden und der technischen Unternehmer wert.
                              									Ohne Zweifel können künftige Heizungskraftwerke in München und anderen gebirgsnahen
                              									Städten für die Ausnutzung der Wasserkräfte der Alpen von einschneidender Bedeutung
                              									werden.
                           Ein anderes Verhalten als die Gebirgsflüsse und Seen zeigen die Gewässer des
                              									Flachlandes.
                           In Fig. 4 ist der mittlere Pegelstand des Mains in
                              									seinem Ober- und in seinem Unterlauf sowie der Pegnitz dargestellt.
                           Wir erhalten ein Bild von fast konträrem Charakter gegenüber Fig. 2 und 3. Der
                              									höchste Wasserstand fällt in die Monate Februar-März, im Oberlauf des Mains infolge
                              									der Schneeschmelze etwas später als im Unterlauf, der niederste in die Monate
                              									Juli–August. Das Verhalten dieser Wasserläufe findet seine gute Begründung in dem
                              									frühzeitigeren Abschmelzen der Schneedecke und in der geringeren Intensität der
                              									sommerlichen Niederschläge (vgl. Tab. 1 und Fig. 1).
                              									Daß auch die geologische Beschaffenheit des Niederschlagsgebietes auf die
                              									Wasserführung der Flüsse von Einfluß ist, soll hier nur angedeutet werden,
                              									insbesonders da Schneeschmelze und Niederschlagshäufigkeit doch die
                              									ausschlaggebenden Faktoren sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 12
                              Fig. 4. Mittl. Pegelstand nach 10 jähr. Beobachtungen; a = Main bei
                                 										Lichtenfels, b = Main bei Aschaffenbürg, c = Pegnitz bei Forchheim.
                              
                           Die bisherigen Ausführungen lassen sich zusammenfassen: Die
                                 										Mächtigkeit der in den Alpen entspringenden Wasserkräfte ist am größten in den
                                 										Sommermonaten April–September, am geringsten im Winterhalbjahr Oktober–März. Die
                                 										Wasserkräfte der Mittelgebirge sind am ergiebigsten in der Zeit von
                                 										Januar-April, am kärgsten von Juli–November.
                           
                           Wie schon erwähnt, bestimmen zwei Faktoren die Leistungsfähigkeit einer
                              									Wasserkraftanlage: Gefällshöhe und Wassermenge. Was die erstere betrifft, so ist zu
                              									sagen, daß sie sich mit der Wasserführung ändert insofern, als bei Hochwasserstand
                              									durch Rückstau im Unterwassergraben ein Gefällsverlust eintritt, der 10–15 v. H.
                              									betragen kann. Daraus folgt wieder, daß Anlagen, die nur für Ausnutzung der
                              									Niederwassermenge ausgebaut sind, in wasserreichen Zeiten weniger leisten als in
                              									normalen oder wasserarmen. Nur jene Anlagen, die für eine größere Wassermenge als
                              									die niederste bemessen sind, die also in der Lage sind, den Verlust an Gefällshöhe
                              									durch eine größere Beaufschlagung auszugleichen oder zu überbieten, vermögen die
                              									Konjunktur des Pegelstandes auszunutzen.
                           Die Niederwassermenge unserer Gebirgsflüsse beträgt unter ⅓ der
                              									Gesamtwassermenge. Es werden somit etwa 70 v. H. der zur Verfügung stehenden
                              									Kraftmenge nicht ausgenutzt, wenn das Werk nur für das Niederwasser angelegt ist.
                              									Diese schlechte Nutzungsziffer läßt es wirtschaftlich notwendig erscheinen, die
                              									Anlagen für eine höhere als die Niederwassermenge zu dimensionieren und für die
                              									wasserarme Zeit eine Kraftreserve vorzusehen.
                           Demnach muß bei jährlich konstantem Kraftbedarf die Reserveanlage der
                              									Walchenseewasserkräfte im Winter, jene der Pegnitzwasserkräfte im Sommer in Funktion
                              									treten.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)