| Titel: | DIE RADAUNE-TALSPERRE MIT DEM ÜBERLANDKRAFTWERK STRASCHIN-PRANGSCHIN. | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 59 | 
| Download: | XML | 
                     
                        DIE RADAUNE-TALSPERRE MIT DEM ÜBERLANDKRAFTWERK
                           								STRASCHIN-PRANGSCHIN.
                        Die Radaune-Talsperre mit dem Ueberlandkraftwerk
                           								Straschin-Prangschin.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Nähere Angaben über die Talsperre und über die maschinelle und
                              									elektrische Einrichtung des Ueberlandkraftwerkes.
                           ––––––––––
                           Im Osten Deutschlands, im Kreise der Danziger Höhe, ist an dem Fluß die Radaune eine
                              									für die dortige Gegend wichtige Ueberlandzentrale erbaut worden. Zwischen Bölkau und
                              									Prangschin, am unteren Teil der Radaune, ist das einzig noch vorhandene bedeutendere
                              									Gefälle vorhanden, gleichzeitig verengt sich vor Prangschin das Radaunetal ziemlich
                              									stark, erweitert sich aber unmittelbar darauf zu einem weiten Talkessel. An dieser
                              									Stelle wurde die Radaunetalsperre erbaut. Der Erddamm, aus einem inneren Kern aus
                              									Geschiebemergel bestehend, vermag den Wasserspiegel der Radaune bis auf 41,2 m über
                              									Meeresspiegel aufzustauen. Das so gebildete Staubecken überdeckt eine Fläche von 70
                              									ha und erstreckt sich 4 km radauneaufwärts. Es stehen dann 3,4 Millionen cbm Wasser
                              									zur Verfügung. Zur weiteren Erhöhung des Wasserspiegels, sowie auch, um das
                              									Staubecken zu entleeren, ist noch ein Grundablaß in Form einer schmiedeeisernen 1500
                              									mm weiten Leitung eingebaut. Außerdem ist, um bei Hochwasser die Anlage nicht zu
                              									gefährden, ein offener Umflutkanal mit massiver Ueberfallschwelle vorgesehen. Die
                              									Krone der letzteren liegt in Höhe des normalen Stauspiegels und ist so breit, daß
                              									sie bei 0,8 m Stauung über Schwellenoberkante eine Wassermenge von 70 cbm/Sek.
                              									ablassen kann. Durch die Möglichkeit, bei eintretendem Hochwasser an drei
                              									unabhängigen Stellen: durch den Umflutkanal, Grundablaß und die Freiwasserrohre der
                              									Turbinen, die Wassermassen abzuführen, wird für die ganze Anlage eine große
                              									Sicherheit geboten.
                           Das dicht an den Damm gerückte Maschinenhaus enthält zwei vollständig getrennte
                              									Turbinensätze. Die beiden Francis-Turbinen sind
                              									Zwillingsturbinen mit wagerechter Welle und achsialem Wassereintritt. Die
                              									Drehstromgeneratoren Bauart Siemens-Schuckert sind direkt
                              									mit den Turbinen gekuppelt. Die ganze Anordnung ist äußerst gedrängt und einfach und
                              									ist der hydrodynamische Verlust infolge der kurzen achsialen Wasserzuführung in den
                              									Rechen, Schützen und Rohrleitungen bei voller Leistung der Turbinen nur 0,3 m/Sek.
                              									Die beiden Turbinen sind konstruiert für folgende Größen:
                           
                              
                                 Größte Wassermenge
                                 5,19
                                 cbm/Sek.
                                 
                              
                                 Nutzgefälle
                                 13,7
                                 m
                                 
                              
                                 Umdrehungszahl
                                 300
                                 i. d. Min.
                                 
                              
                           Die garantierten Leistungen sind:
                           
                              
                                 Voll
                                 beaufschlagt
                                 740
                                 PS,
                                 Wirkungsgrad
                                 78
                                 v. H.
                                 
                              
                                 0,77
                                 „
                                 592
                                 „
                                 „
                                 81
                                 „
                                 
                              
                                 0,6
                                 „
                                 444
                                 „
                                 „
                                 78
                                 „
                                 
                              
                           Es besteht nun die Vereinbarung, daß die am unteren Laufe der Radaune liegenden
                              									Mühlen stets über das ganze oder einen bestimmten Teil des in die Talsperre
                              									fließenden Wassers verfügen können. Daher ist oberhalb des Staubeckens eine
                              									elektrische Niveaumeldeanlage von Siemens-Schuckert
                              									aufgestellt, die jederzeit die Menge des aus dem Oberlauf in das Staubecken
                              									fließende Wasser mißt. Auch die durch die Turbinenrohre weitergegebenen Wassermengen
                              									werden durch selbsttätig registrierende Woltmann-Meßapparate der Siemens & Halske A.-G.
                              									gemessen und die erforderlichen Abflußwassermengen dadurch reguliert, daß die
                              									Freilaufschieber entsprechend dem Wasserverbrauch der Turbinen elektrisch
                              									eingestellt werden.
                           Nach eingehenden Erwägungen wurde der elektrische Teil zur unmittelbaren Erzeugung
                              									von Drehstrom von einer Spannung von 8000 Volt und 50 Perioden/Sek. eingerichtet.
                              									Hierzu wurden Innenpolmaschinen mit angebauten Erregerdynamos verwendet. Die
                              									Erregung erfolgt mit Gleichstrom von 110 Volt. Die achtpoligen Erregermaschinen
                              									System Siemens-Schuckert besitzen Verbundwicklung, ihre
                              									Leistung beträgt 8,8 KW. Jede Dynamo leistet 550 KW bei cos φ = 1.
                           Die Tourenzahl der Turbinen beträgt 300 i. d. Min., doch kann diese auf das 1,8fache
                              									gesteigert werden. Mit Rücksicht hierauf ist das 2200 mm große einteilige Magnetrad
                              									aus Stahlguß ausgeführt und in demselben die für eine gute Gleichförmigkeit
                              									erforderlichen Schwungmassen eingebaut. Das Schwungmoment beträgt 21000 kg/qm. Die
                              									Feldmagnete erhalten den Strom von einer auf der verlängerten Generatorwelle
                              									montierten Gleichstrommaschine. Die Schaltanlage mit den zugehörigen Apparaten,
                              									Schutzvorrichtungen usw. wurde ebenfalls von den Siemens-Schuckertwerken geliefert.
                           Die erzeugte Energie wird von dem Kraftwerk aus durch sechs Fernleitungen abgeführt, eine siebente
                              									Leitung wird später ausgebaut. Diese wird nach dem 22 km entfernten Kraftwerk
                              									Ruthken, Kreis Karthaus, geführt. Die Spannung wird aber alsdann, um größere
                              									Verluste zu vermeiden, auf 15000 Volt transformiert.
                           Der Betrieb der Anlage wurde am 2. Oktober 1910 aufgenommen. Schon während des Baues
                              									der Talsperre wurden in zwei an der Radaune unterhalb der Talsperre liegenden Mühlen
                              									Stromerzeugungsanlagen von 100 und 150 KW eingerichtet, um Strom an die Umgebung
                              									abgeben zu können. Bis 1. Juli 1910 waren bereits 160,5 km Fernleitung mit 51
                              									Transformatorenstellen fertig. An das Netz sind über 21 Ortschaften, 22
                              									Gutsbezirke, 3 einzelne Gehöfte und 2 Schöpfwerke angeschlossen. Es sind über 5705
                              									Glühlampen (es kommen nur Tantal- und Wotanlampen zur Verwendung), 25 Bogenlampen
                              									und 56 Motoren in Betrieb.
                           Die Strompreise schwanken je nach der jährlich bezogenen Menge für Lichtzwecke
                              									zwischen 25 und 35 Pf. f. d. KW/Std. für Kraftzwecke zwischen 13 und 20 Pf. Die
                              									Gemeinden zahlen für Straßenbeleuchtung 15 Pf., sofern sie die erforderlichen
                              									Einrichtungen für die Straßenbeleuchtung liefern.