| Titel: | ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION. | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 63 | 
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                        ZUSCHRIFTEN AN DIE REDAKTION.
                        (Ohne Verantwortlichkeit der
                           								Redaktion.)
                        Zuschriften an die Redaktion.
                        
                     
                        
                           In der Besprechung meiner „Tafeln zur Berechnung von ebenen Windverbänden
                                 										eiserner Brücken“ S. 719/20 1911 Ihrer geschätzten Zeitschrift hat Herr
                              									Dipl.-Ing. G. Kaufmann darauf hingewiesen, daß die von
                              									mir – bei der Berechnung des Einflusses der wagerechten Kräfte auf die lotrechte
                              									Beanspruchung der Hauptträger – gemachte Annahme, den Windruck, der auf die
                              									unterhalb des Windverbandes liegenden Teile wirkt, zu vernachlässigen, „u. U.
                                 										doch ganz erheblich zu ungünstige Resultate liefert“. Er hebt dabei hervor,
                              									daß dies besonders bei Blechträgern mit untenliegender –
                              									soll wohl heißen obenliegender – Fahrbahn der Fall sei,
                              									wie dies auch das unter V. B meiner Tafeln durchgerechnete Beispiel zeige.
                           Gestatten Sie mir hierauf eine kurze Erwiderung:
                           Es liegt mir die statische Berechnung für die in dem erwähnten Beispiel in Betracht
                              									kommende Brücke vor. Daraus ist zu entnehmen:
                           Die ruhende Last für 1 m Hauptträger beträgt g = 1,6 t, somit ist das Biegungsmoment
                              									hiervon in der Mitte
                           
                              M_g=\frac{1,6\,.\,22,88^2}{8}=\,\sim\,105,0\mbox{
                                 										mt.}
                              
                           Nach S. 21 meiner „Tafeln“ wird das größte
                              									Biegungsmoment, herrührend von der Verkehrslast,
                           
                              M_p=\frac{542,7}{2}=271,4\mbox{ mt.}
                              
                           für einen Hauptträger.
                           Ebendaselbst ist das Zusatzmoment infolge des Winddruckes zu M = 36,4 mt und infolge
                              									der Fliehkraft zu M = 58,2 mt berechnet. Es wird also das größte Biegungsmoment
                           Mmax = 105,0 + 271,4 + 36,4 + 58,2
                              									= 471,0 mt.
                           Bei 1050 kg/qcm zulässiger Beanspruchung wäre ein
                              									Widerstandsmoment W=\frac{47100000}{1050}=44857 in cm
                              									erforderlich. (Ohne Rücksicht auf Wind und sonstige Kräfte sind im vorlieganden Fall
                              									bei den Reichseisenbahnen 850 kg/qcm zugelassen.)
                           Bei 150 kg/qm Winddruck und 2 m Trägerhöhe wird die Belastung des dem Wind
                              									zugekehrten Trägers p = 150 × 2 = 0,3 t/m, dies erzeugt eine senkrechte Entlastung
                              									des windabwärts gelegenen Hauptträgers von
                           
                              q=\frac{0,3\,.\,1}{1,65}=\,\sim\,0,18\mbox{
                                 										t/m.}
                              
                           Das Biegungsmoment hiervon ist
                           
                              M_q=0,18\,.\,\frac{22,88^2}{8}=\,\sim\,11,8\mbox{
                                 										mt.}
                              
                           Die Beanspruchung der Hauptträger wird also in Wirklichkeit
                              									nicht 1050 kg/qcm, sondern um
                           
                              \frac{1180000}{44857}=\,\sim\,26\mbox{
                                 									kg/qcm.}
                              
                           d.h. um 2½ v. H. kleiner. Dies ist so wenig, daß meine der
                              									Sicherheit der Konstruktion zugute kommenden Annahmen auch in dem vorliegenden
                              									Beispiel nicht zu beanstanden sein dürften. Da die Stützweite von 22,88 m nahe
                              									an der Grenze der für Blechträger noch wirtschaftlichen Stützweiten liegt, da ferner
                              									bei untenliegender Fahrbahn und bei Fachwerkträgern die Vernachlässigung des oben
                              									erwähnten Winddruckes noch von viel geringerem Einfluß ist, so dürfte der Nachweis
                              									erbracht sein, daß sich die gemachten Annahmen in durchaus zulässigen Grenzen
                              									bewegen.
                           Otto Kommerell, Kaiserl. Baurat.
                           ––––––––––
                           Auf vorstehende Aeußerungen habe ich folgendes zu erwidern:
                           Das durchgerechnete Beispiel behandelt zufällig eine in der Krümmung liegende Brücke.
                              									Betrachtet man den normalen Fall, der in der Geraden gelegenen Brücke, so fällt
                              									zunächst der Einfluß der Fliehkraft fort und man erhält als Biegungsmomente für den
                              									Hauptträger
                           1. infolge der lotrecht wirkenden Belastungen (ruhende Last und
                              									Verkehrslast):
                           M1 = 105 + 271,4 = 376,4 mt,
                           2. wie vor, zuzüglich der Zusatzbeanspruchung, vom Winddruck
                              									auf das Verkehrsband herrührend:
                           M2 = 376,4 + 36,4 = 412,8 mt,
                           3. wie vor, abzüglich der Entlastung, vom Winddruck auf den
                              									Träger herrührend;
                           M3 = 412,8 – 11,9 = 400,9 mt.
                           Der Wert M3 wäre hiervon der genaueste, und es
                              									betragen die Differenzen
                           
                              
                                 M3 – M1
                                    											=
                                 24,5
                                 mt
                                 =
                                 rd.
                                 6
                                 v. H.
                                 
                              
                                 M3 – M2
                                    											=
                                 – 11,9
                                 „
                                 =
                                 „
                                 3
                                 „
                                 
                              
                           Herr Kommerell hat also anscheinend mit seinen
                              									Ausführungen recht, indem die Vernachlässigung des Winddrucks auf den Träger das
                              									Gesamtresultat nur um 3 v. H. (nicht 2½ v. H.) beeinflußt. Tatsächlich ist aber die
                              									ganze Frage von einem falschen Standpunkt aus erörtert worden.
                           Die Kommerellschen Tafeln behandeln lediglich den Einfluß der Horizontalkräfte. In meiner Besprechung mußte
                              									ich daher bei Erörterung der gemachten Annäherungen und Vernachlässigungen deren
                              									Einfluß innerhalb dieses Rahmens und nicht in bezug auf das Gesamtresultat unter
                              									Hinzuziehung auch der Vertikallasten (wie dies oben geschehen ist) klarlegen. Da
                              									ergibt sich nun als Einfluß der Horizontalkräfte allein
                           
                              
                                 1. nach Kommerell
                                 M
                                 =
                                 36,4 mt,
                                 
                              
                                 2. nach genauer Rechnung
                                 M1
                                 =
                                 24,5 mt,
                                 
                              
                           mithin M – M1 = 11,9 mt = rd.
                              									50 v. H. Im Hinblick hierauf glaube ich zu meiner von Herrn Kommerell beanstandeten Bemerkung um so eher berechtigt gewesen zu sein,
                              									als die Berücksichtigung des von ihm vernachlässigten Winddrucks auf den Träger nur
                              									eine ganz unwesentliche Mehrarbeit erfordert.
                           Dipl.-Ing. G. Kaufmann.