| Titel: | NEUERE ROHÖLMOTOREN. | 
| Autor: | Ch. Pöhlmann | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 81 | 
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                        NEUERE ROHÖLMOTOREN.
                        Von Dipl.-Ing. Ch. Pöhlmann,
                           									Charlottenburg.
                        (Fortsetzung von S. 51 d. Bd.)
                        POEHLMANN: Neuere Rohölmotoren.
                        
                     
                        
                           Außer den eben beschriebenen Kreuzkopfmaschinen baut die Grazer Waggon- und Maschinenfabrik-A.-G. auch noch normale Typen nach
                              									Augsburger Muster, welche sich von letzteren in erster Linie durch die getrennte
                              									Aufstellung des Einblaskompressors unterscheiden. Der Antrieb des Kompressors
                              									erfolgt jedoch in der Regel von der verlängerten Kurbelwelle des Motors aus. In den
                              										Fig. 73 bis 75
                              									ist eine solche Maschine dargestellt, welche bei 170 minutlichen Umdr. 260 PSe leistet. Die Maschine ist in ihren Einzelheiten
                              									sehr schön durchgearbeitet. Die äußerst reichlich bemessenen Kurbelwellenlager sind
                              									als Ringschmierlager ausgebildet und besitzen eine elegante Form. Das A-Gestell ist auf der inneren Seite offen und nur durch
                              									wagerechte Rippen versteift. Die Steuerung gleicht fast vollständig derjenigen der
                              									Augsburger Maschinen, nur sind die Auspuffventile gekühlt.
                           Der in Zwillingsverbundanordnung ausgeführte Einblasekompressor steht auf einem
                              									besonderen Kastengestell. Sein Gehäuse ist gleichzeitig als Luftzwischenkühler
                              									ausgebildet.
                           Der günstigste von Grazer Motoren erzielte Brennstoffverbrauch betrug 176 g/PSe-Std.; im Mittel jedoch liegen die Verbrauchszahlen
                              									zwischen 190 und 220 g bei Jen kleineren und 180 bis 190 g bei den größeren
                              									Maschinen.
                           Den zuletzt beschriebenen Grazer Motoren mit besonders aufgestelltem Kompressor ganz
                              									ähnlich sind die neueren langsam laufenden Maschinen der „Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagenbau und Maschinenbauanstalt
                                    											Breslau“. Diese, eine Lizenzfirma des alten Diesel-Konzerns, haute früher (seit 1898) ihre sämtlichen Diesel-Motoren nach dem Augsburger Typ, ist aber in
                              									neuerer Zeit zur Schaffung selbstständiger Ausführungsarten übergegangen. Die Fig. 76 bis 86 zeigen
                              									einen 100 pferdigen Breslauer Langsamläufer neueren Typs. Die Hauptbauteile sind
                              									dieselben geblieben wie früher. Ein Blick auf den Grundriß (Fig. 79) zeigt in
                              									erster Linie eine gegen früher veränderte Steuerungsanordnung. Aehnlich wie bei den
                              									schwedischen Diesel-Motoren der Aktiebolaget Diesels Motorer wird hier nur ein einziger Arbeitszylinder
                              									zum Anlassen der Maschine benutzt; die übrigen Zylinder besitzen keine Anlaßventile.
                              									Der Brennstoffhebel des Anlaßzylinders hat eine breite Gabelung, welche den
                              									Anlaßhebel in sich aufnimmt. Diese Anordnung hat erstens den Vorteil, daß das
                              									Anlaßventil direkt hinter dem Brennstoffventil in derselben Achse liegen kann,
                              									wodurch die Schrauben des Anlaßventileinsatzes besser zugänglich werden, zweitens
                              									kann der Brennstoffhebelquerschnitt ein sehr großes Widerstandsmoment erhalten, so
                              									daß der Einfluß schädlicher Deformationen auf den Hub des Nadelventils vermindert
                              									wird.
                           Hübsch durchgebildet ist auch die Schmierung des oberen Treibstangenkopfes. Der
                              									Arbeitskolben besitzt unterhalb der Kolbenringe eine nutenförmige Aussparung, welche
                              									einen Teil des Schmieröls, das der Zylinderwand von außen durch besondere Anstiche
                              									zugeführt wird, abstreift. Durch eine schräge Bohrung gelangt dieses Oel sodann nach
                              									einer radialen Bohrung im Kolbenbolzen, welche nach der achsialen Ausbohrung des
                              									letzteren führt. Zwei weitere radial angeordnete Bohrungen zu beiden Seiten der
                              									Bolzenmitte gestatten dem Oel schließlich den Durchtritt zu den Lagerschalen des
                              									Pleuelstangenkopfes. Der untere Stangenkopf wird durch ähnliche Bohrungen der
                              									Kurbelwelle geschmiert, welchen das Oel durch einen besonderen Schleuderring
                              									zugeführt wird. Die reichlich dimensionierten Grundlager sind mit der bewährten
                              									Ringschmierung ausgestattet.
                           Der Kompressor ist auf einem kleinen Vorbau der Grundplatte montiert und wird durch
                              									Stirnkurbel angetrieben (Fig. 77). Er hat ein
                              									eigenes A-Gestell (Fig.
                                 										84 bis 86), das demjenigen der
                              									Arbeitszylinder ziemlich ähnlich ist. Die Einzelheiten des Kompressors sind aus den
                              										Fig.
                                 										80 bis 83 ersichtlich. Er besitzt im Niederdruckteil keine Einsaugventile,
                              									sondern nur einen Kranz von
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 82
                              Fig. 73.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 82
                              Fig. 75.
                              
                           
                           Schlitzen, denen die Luft durch einen breiten ins Gestell eingelassenen
                              									Ringkanal zugeführt wird. Die Zylinderbuchsen für Hochdruck- und Niederdruckteil
                              									sind einteilig gegossen und in das doppelwandige Gestell eingelassen. Der Raum
                              									zwischen Zylinderbuchsen und Gestell dient als Kühlraum. während der zwischen den
                              									beiden Doppelwinden des Gestells freibleibende ringförmige Raum als
                              									Niederdruckluftreceiver und Schmutzwasserabscheider verwendet wird. Da die Kühlung
                              									der Luft in diesem Raum infolge der dicken Wände keine vollständige sein würde,
                              									gelangt sie von hier nach einer langen Rohrspirale, welche in einem mit dem
                              									Kühlwasserraum des Zylinders verbundenen kastenförmigen Ausbau des Gestells
                              									untergebracht ist. Ein am Receiverraum des Gestells angebrachtes Sicherheitsventil
                              									verhindert das Auftreten größerer Drücke in diesem Raum.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 83
                              Fig. 74.
                              
                           Der Luftpumpendeckel ist tief in den oberen feit des Hochdruckzylinders eingesetzt,
                              									was eine gute Abdichtung, große Festigkeit, ein sehr gefälliges Aussehen und eine
                              									bequeme Weberführung des Kühlwassers nach dem Deckel ergibt.
                           Die Schmierung des Kolbenbolzens vom Niederdruckzylinder aus erfolgt in ganz
                              									ähnlicher Weise wie diejenige der Arbeitszylinder. Unmittelbar unterhalb des
                              									untersten Kolbenringes ist eine tiefe Abstreifnut in den Zylinder eingedreht, welch
                              									letzterem das Oel durch den Anstich für die Zylinderschmierung zugeführt wird. Zwei
                              									schräge Bohrungen führen dann einen Teil des Oeles einer Längsnut im Kolbenzapfen
                              									zu, welche dasselbe über die Lagerschalen verteilt.
                           Auch der Hochdruckzylinder ist in seinem unteren Teil reichlich mit Oelabstreifnuten
                              									versehen, welche unter sich durch lange, schraubenförmige Nuten verbanden sind. Das
                              									Oel wird dem Hochdruckteil durch einen besonderen Anstich zugeführt.
                           Die eben besprochenen Breslauer Maschinen machen im allgemeinen den Eindruck großer
                              									Solidität und sehr gewissenhafter Durcharbeitung und fallen dabei sehr angenehm ins
                              									Auge.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 83
                              Fig. 76.
                              
                           Dem Bedürfnis nach raschlaufenden, geringen Raum beanspruchenden und verhältnismäßig
                              									billigen Maschinen Rechnung tragend, hat die M. A. N. neuerdings einen besonderen
                              									Schnelläufertyp geschaffen, welcher in Zylindergrößen von 25–250 PS in Drei-, Vier-
                              									und Sechszylinderausführung gebaut wird.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 84
                              
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 85
                              Fig. 78.
                              
                           Während die langsam laufenden Motoren bisher mit Kolbengeschwindigkeiten von 2,4–4,2
                              									m i. d. Sek. (entsprechend den Zylindergrößen von 8–200 PSe) ausgeführt wurden, zeigen die Schnelläufertypen Kolbengeschwindigkeiten
                              									von 3,5–4,5 m i. d. Sek. (Für Zylindertypen von 25–250 PSe.) Die größte bisher gebaute Type, ein 1000 pferdiger Vierzylinder, hat
                              									660 mm Zylinderdurchmesser und 720 mm Hub und macht 187 Touren i. d. Min. Diese
                              									Schnelläufermaschinen besitzen statt der bisher üblichen Einzelgestelle gemeinsame
                              									Kastengestelle. Die besonders eingesetzten Zylinder mit eingezogenen Zylinderbuchsen
                              									aus Spezialgußeisen zeigen eine sehr gedrängte Form, da das Hubverhältnis der
                              									Maschinen nur etwa S/D 1,1 beträgt. Die Luftpumpen sitzen bei allen Typen auf
                              									Ausbauten der Kastengestelle und werden direkt von der Kurbelwelle aus
                              									angetrieben.
                           Die Kolben (Fig.
                                 										87 und 88) besitzen nachstellbare Backen mit Weißmetallfutter, um das durch
                              									Abnutzung entstandene Spiel gleich wieder ausgleichen zu können. Sie bestehen aus
                              									einem unteren Teil, der die Gleitbacken trägt, und aus einem oberen Teil, in welchem
                              									die sämtlichen Kolbenringe untergebracht sind. Zwischen beiden Teilen ist ein
                              									Zwischenring eingelassen, durch den die Höhe des Kompressionsraumes genau reguliert
                              									werden kann (D. R. P. 216050). Oberteil und Unterteil können also vollkommen fertig
                              									auf Lager fabriziert werden, und man hat bei jedem Motor nur nötig, die Höhe des
                              									Zwischenringes genau abzupassen. Dadurch vereinfacht sich die Fabrikation ganz
                              									bedeutend. Der obere Kolbenteil enthält einen Doppelboden und ist für Oelkühlung
                              									eingerichtet. Es muß hier vorausgeschickt werden, daß der ganze Motor mit
                              									Preßschmierung versehen ist. Das Oel, welches von einer kräftigen Plungerpumpe
                              									geliefert wird, tritt durch die Lagerdeckel in die Lager ein gelangt durch schräge
                              									Bohrungen nach den Kurbelzapfen, sodann durch die hohle Treibstange zum Kolbenzapfen
                              									und von hier durch einen Kanal bezw. eingegossene Rohre in den Kühlraum am
                              									Kolbenboden. Durch einen ähnlichen Kanal fließt es dann wieder ab und ergießt sich
                              									in den Kurbelraum, von wo es die Oelpumpe wieder absaugt. Da das Oel bei diesem
                              									Kreislauf ziemlich heiß wird und leicht Dämpfe bilden könnte, die unter Umständen
                              									Kurbelkammerexplosionen herbeiführen könnten, saugt der Motor seine Arbeitsluft aus
                              									der Grundplatte an. Das sich am Boden der Grundplatte ansammelnde Schmieröl wird
                              									durch eine Schmierölpreßpumpe durch ein Oelkühl- und Reinigungsgefäß gedrückt, um
                              									dann von neuem verwendet zu werden.
                           Wellenlager und Kurbelzapfenlager werden infolge der Entnahme der Arbeitsluft aus der
                              									Grundplatte ständig durch einen kräftigen kalten Luftstrom gekühlt. Die Lagerdeckel
                              									sind außerdem mit Wasserkühlung versehen.
                           Die großen Hoffnungen, welche man seinerzeit auf diese neue Type setzte, sollen sich
                              									nur zum geringen Teil erfüllt haben. Im Betrieb treten infolge der starken
                              									Massenbeschleunigungen der nicht vollkommen ausgeglichenen Maschinen heftige
                              									Vibrationen auf, welche sich in unangenehmer Weise auf die Gebäude übertragen. Man
                              									führt diese Maschinen deshalb vorzugsweise als Sechszylindermaschinen aus, da sie in
                              									diesem Fall vollständig ausgeglichen sind.
                           Bei Vierzylindermaschinen suchte man sich dadurch zu helfen, daß man die
                              									ursprüngliche Anordnung der Kurbeln symmetrisch zur Mitte Maschine aufgab und dafür
                              									die Kurbeln um je 90° versetzte. Da in diesem Fall noch bedeutende Kippmomente
                              									verbleiben, muß das Fundament außerordentlich kräftig ausgeführt werden. Der
                              									Schmierölverbrauch
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 86
                              
                           
                           dieser Motoren ist wahrscheinlich ein ziemlich hoher
                              									infolge der Oelkühlung des Kolbens.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 87
                              Fig. 84.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 87
                              Fig. 86.
                              
                           Um ein endgültiges Urteil über diesen neuen von der M. A. N. gebauten Typ fällen zu
                              									können, müssen erst Veröffentlichungen über die Betriebsergebnisse seitens der
                              									Erbauerin abgewartet werden.
                           Es soll hier aber ausdrücklich bemerkt werden, daß die eben erwähnten Mängel nicht
                              									etwa nur den Schnellläufern der M. A. N. anhaften, welche ja im großen und ganzen
                              									vorzüglich durchkonstruiert sind. Diese Mängel dürften vielmehr allen in letzter
                              									Zeit auf den Markt gebrachten Schnelläufern eigentümlich sein, und es erscheint
                              									daher die Vermutung gerechtfertigt, daß die stationären Schnelläufer im allgemeinen
                              									noch nicht marktreif sind. Das Hauptübel liegt wohl in der Wahl zu hoher
                              									Tourenzahlen, die zwar noch eine gute Verbrennung ermöglichen, aber mit
                              									Rücksicht auf die dabei auftretenden Massenwirkungen das zulässige Maß weit
                              									überschreiten. Wohl aus diesem Grunde hat die M. A. N. ihre alten Langsamläufer in
                              										„raschlaufende Diesel-Motoren“ umgebaut.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 87
                              Fig. 85.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 87
                              
                           
                              (Fortsetzung folgt.)