| Titel: | ÜBER DIE GEHEIMHALTUNG DRAHTLOSER TELEGRAMME. | 
| Autor: | L. Zehnder | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 105 | 
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                        ÜBER DIE GEHEIMHALTUNG DRAHTLOSER
                           								TELEGRAMME.
                        Von L. Zehnder,
                           									Halensee-Berlin.
                        ZEHNDER: Ueber die Geheimhaltung drahtloser Telegramme.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Eine ohne Schlüssel unauflösbare Geheimschrift, deren Zeichen bei
                              									jeder Zeile oder sogar bei jedem Wort wechseln, wird für die Geheimhaltung
                              									drahtloser Telegramme empfohlen.
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                           Es ist bekannt, daß sozusagen jede Geheimschrift entziffert werden kann. Man
                              									weiß nämlich, wie oft durchschnittlich in einer Sprache die einzelnen Buchstaben e,
                              									i, n, s usw. vorkommen. Hat man also ein längeres chiffriertes Schriftstück
                              									vor sich, so findet man nach der Wahrscheinlichkeit der Schriftzeichen durch
                              									Abzählen derselben zuerst die häufigsten Buchstaben heraus, dann die weniger
                              									häufigen, und schließlich errät man auch noch den Rest. Um diese Entzifferung
                              									unmöglich zu machen, habe ich vor nahezu 30 Jahren (für den politischen
                              									Geheimverkehr von Abessinien) folgende Geheimschrift, erdacht, die damals schon
                              									praktische Anwendung gefunden hat:
                           Man denke sich je nach Bedarf beliebig viele Alphabete mit vertauschten Buchstaben
                              									auf eine Tafel geschrieben, wobei jedes Alphabet eine Zeile ausfülle, und über der
                              									Tafel befinde sich auf einem Schieber das Alphabet in seiner richtigen
                              									Reihenfolge:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 106
                              
                           Stellt man nun den Schieber über eines dieser Alphabete und nimmt für jeden
                              									Buchstaben eines Schriftstücks statt des richtigen den darunter liegenden
                              									Buchstaben, so erhält man eine Geheimschrift, die aber, wie oben bemerkt, um so
                              									leichter auflösbar ist, je mehr Worte mit derselben gebildet worden sind. Schreibt
                              									man aber nur eine Zeile von verabredeter Buchstabenzahl
                              									(z.B. 70) mit einem Alphabet, die nächste mit dem folgenden usw., oder schreibt man
                              									vollends jedes folgende Wort mit einem neuen Alphabet, bis alle vorhandenen
                              									Alphabete ausgenutzt sind, und fängt man erst dann mit denselben Alphabeten wieder
                              									von vorne an, so nutzt kein Abzählen, keine Kunst des Dechiffrierens mehr, nur der
                              									Besitz des Schlüssels; denn beim Abzählen erscheinen nun die verschiedensten
                              									Buchstaben gleich häufig.
                           Mit Schreibmaschinen läßt sich die Herstellung und die Auflösung einer solchen immer
                              									wechselnden Geheimschrift ganz besonders einfach bewirken. Wählt man. nämlich etwa
                              									den einfachsten Fall nur eines einzigen Alphabets mit vertauschten Buchstaben, wobei
                              									man aber nach jeder Zeile das Alphabet um einen Buchstaben weiter schiebt, um das
                              									Dechiffrieren schon sehr bedeutend zu erschweren, so kann z.B. bei Schreibmaschinen,
                              									die wie die Blickensdörffer eine Typenwalze haben, durch den Hebel, der die neue
                              									Zeile einstellt, selbsttätig diese Typenwalze gedreht werden, wodurch von Zeile zu
                              									Zeile ein geändertes Alphabet zur Verwendung gelangt. Soll dagegen von Wort zu Wort
                              									ein geändertes Alphabet zur Anwendung kommen, so läßt man durch den Druck auf die
                              									Blanktaste der Maschine, die den Zwischenraum zwischen den Wörtern herstellt, auch
                              									die Typenwalze selbsttätig weiterschalten. Ein chiffriertes Telegramm, das in so
                              									außerordentlich einfacher Weise erhalten wird, dürfte der Dechiffrierkunst schon
                              									ganz enorme Schwierigkeiten bereiten.