| Titel: | ELEKTRISCH BETRIEBENE WALZENSTRASSEN. | 
| Autor: | Ernst Blau | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 114 | 
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                        ELEKTRISCH BETRIEBENE WALZENSTRASSEN.
                        Von Ing. Ernst Blau, Lehrer an der
                           									k. k. Staatsgewerbeschule in
                              								Bielitz.
                        BLAU: Elektrisch betriebene Walzenstraßen.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Es werden die elektrischen Einrichtungen und die
                              									Betriebsverhältnisse von Walzenstraßen mit wechselnder und mit dauernd gleicher
                              									Umlaufrichtung unter Bezugnahme auf Ausführungen der Siemens-Schuckertwerke in Berlin behandelt.
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                           Durch die Einführung des elektrischen Antriebs von Walzenstraßen sind in
                              									betriebstechnischer und wirtschaftlicher Hinsicht große Erfolge erzielt worden.
                           Je nachdem derartige Einrichtungen dauernd in demselben Sinn umlaufen oder nach jedem
                              									Stich umgesteuert werden, ergeben sich verschiedene Anforderungen an den
                              									elektrischen Antriebmotor.
                           Zu letzteren Walzenstraßen, den Umkehrstraßen, die in der Regel als Doppel-Duostraßen
                              									ausgebildet sind, gehören die Blockstraßen, die Blöcke von 1500–5000 kg vorwalzen,
                              									die schweren Trägerstraßen, auf denen Träger von beträchtlichem Gewicht ausgewalzt
                              									werden, die schweren Grobblechstraßen, die zur Herstellung von Blechen mit großer
                              									Dicke dienen, und die Panzerplattenwalzwerke, die die aus flüssigem, nickelhaltigem
                              									Stahl vorgegossenen, häufig unter dem Hammer oder der Wasserdruckpresse
                              									vorbearbeiteten und oft 20000 kg Gewicht und darüber besitzenden Panzerplatten der
                              									nachherigen mechanischen Behandlung zuführen. Die Walzarbeit bei jedem Stich ist
                              									abhängig von der Querschnittänderung, der chemischen Zusammensetzung und der
                              									Temperatur des Walzguts. Außer derselben kommen noch die Reibungsarbeit und die
                              									Beschleunigungsarbeit der Walzen und sämtlicher bewegten Teile, einschließlich
                              									derjenigen der Antriebmaschine bei der Ermittlung des Energiebedarfs in
                              									Betracht.
                           Um nun eine wirtschaftliche Arbeitsweise zu ermöglichen, muß die
                              									Beschleunigungsarbeit möglichst klein und gleichzeitig die Beschleunigungsperiode
                              									eine sehr kurze sein. Die umlaufenden Teile der Antriebmotoren müssen daher geringe
                              									Schwungmassen besitzen, was bei den großen Leistungen, die sie haben sollen, in der
                              									Art erreicht wird, daß sie geteilte, besonders gekühlte Anker von verhältnismäßig
                              									kleinen Durchmessern erhalten.
                           Für die Steuerung der Walzmotoren bedient man sich der bekannten, auch bei elektrisch
                              									betriebenen Kranen, Hochofenaufzügen und Fördermaschinen verwendeten
                              									Leonard-Schaltung, die im nachstehenden kurz unter Zuhilfenahme von Fig. 1 erklärt werden möge.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 113
                              Fig. 1. Schaltungsschema für eine elektrisch betriebene
                                 										Duo-Walzenstraße.
                              
                           Der Antriebmotor der Walzenstraße ist ein konstant erregter
                              									Gleichstrom-Nebenschlußmotor. Den Strom erhält er von einer mit annähernd konstanter
                              									Umdrehungszahl umlaufenden Gleichstrom-Nebenschlußdynamo, der sogenannte Anlaß- oder
                              									Steuerdynamo, mit einer zwischen Null und einem positiven und negativen Maximum
                              									veränderlichen Spannung. Die Umlaufzahl dieses Antriebmotors ist nun ausschließlich
                              									von seiner Ankerklemmenspannung abhängig. Diese wird von der Steuerdynamo dadurch
                              									hervorgebracht, daß ihre Magnetfeldstärke geändert wird. In deren Stromkreis ist zu
                              									diesem Zweck ein Nebenschluß-Regulator angeordnet, der durch einen Handhebel
                              									betätigt wird. Indem der Maschinist letzteren nach der einen oder anderen Seite
                              									auslegt, wird eine Aenderung der Erregerstromstärke der Steuerdynamo bewirkt, somit eine
                              									Aenderung der Spannung des dem Antriebmotor zugeführten Stromes. Ein Zurückziehen
                              									des Steuerhebels in die Nullstellung bedingt ein sofortiges Bremsen der
                              									Walzenstraße, weil der noch mit erheblicher Geschwindigkeit umlaufende Walzmotor
                              									Strom in die in ihrer Spannung schon herunterregulierte Steuerdynamo zurückgibt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 114
                              Fig. 2. Doppelmotor für eine schwere Blockstraße.
                              
                           Von großer Wichtigkeit für ein leichtes und schnelles Steuern beim Walzbetrieb ist
                              									es, die Wirkung der Selbstinduktion in dem Erregerstromkreis der Steuerdynamo
                              									aufzuheben und letztere durch besondere Maßnahmen für Schnellerregung einzurichten.
                              									Bei normalen Maschinen würde die Selbstinduktion in genanntem Erregerstromkreise
                              									einer raschen Steuerung der Blockstraße widerstreben, da die beim Ein- und
                              									Ausschalten des Erregerstroms erzeugte Gegenspannung die beabsichtigte
                              									Erregerstromstärke nicht unmittelbar nach dem Einstellen des Regulierwiderstands
                              									auftreten läßt. In anderen Betrieben ist diese Wirkung der Selbstinduktion
                              									belanglos und wohl sogar erwünscht, weil sie eine selbsttätige Sicherung gegen
                              									allzugroße Strombelastung der stromerzeugenden Dynamo und des Antriebmotors bildet.
                              									Durch eine den Siemens-Schuckertwerken geschützte
                              									Schnellerregung der Steuerdynamo folgt die Erregerstromstärke derselben
                              									augenblicklich der Einstellung des Steuerapparates und deren Spannung kann in
                              									beliebiger Zeit verändert und auf die notwendige Größe gebracht werden. Im Mittel
                              									sind bei normalem Walzbetrieb 10 Umsteuerungen i. d. Min. erforderlich.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 114
                              Fig. 3. Schwungrad-Steuermaschine.
                              
                           Die Steuerdynamo wird von einem Elektromotor angetrieben, mit dem sie zusammen einen
                              									Motorgenerator, die sogenannte Anlaß- oder Steuermaschine, bildet. Da erstere rasch
                              									umlaufen kann, braucht sie nicht groß zu werden. Indem nur die etwa 1½ v. H. von der
                              									gesamten benötigten Energie betragende Erregerenergie durch den Steuerapparat zu beherrschen ist,
                              									fällt derselbe ebenfalls klein aus.
                           Durch die Leonard-Schaltung ist eine größtmögliche
                              									Manövrierfähigkeit und Einfachheit der Bedienung herbeigeführt. Außerdem ist diese
                              									Schaltung eine wirtschaftliche, da jede Geschwindigkeit verlustlos eingestellt
                              									werden kann. Die beim Anfang eines jeden Stiches der Walzenstraße mitgeteilte
                              									Beschleunigungsenergie wird, soweit sie nicht unmittelbar für die Walzarbeit zur
                              									Ausnutzung gelangt, beim Ende des Stiches durch Stromrückgabe in die Steuerdynamo
                              									zurückgewonnen. Infolgedessen kann jede beliebig starke Beschleunigungsleistung, die
                              									die elektrischen Maschinen überhaupt herzugeben vermögen, unbeschadet der
                              									Wirtschaftlichkeit des Betriebs zugelassen werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 115
                              Fig. 4. Stabfederkupplung.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 115
                              Fig. 5. Stabfederkupplung.
                              
                           Zum Ausgleich der Energieschwankungen der Walzenstraße wird die Steuermaschine nach
                              									System Ilgner mit einem großen Schwungrad versehen.
                              									Dasselbe wird in den Walzpausen durch den Steuermotor beschleunigt und gibt während
                              									der einzelnen Stiche die über seine Durchschnittleistung überschüssige Energiemenge
                              									an die Steuerdynamo ab. Die Regelung der konstanten Stromaufnahme durch den
                              									Steuermotor erfolgt bei Ausführungen der Siemens-Schuckertwerke vermittels eines Stromrelais, das vom Strom des
                              									Motors durchflössen wird. Aendert sich der Strom desselben durch irgend einen
                              									Einfluß, so wird durch das Relais Widerstand in den Rotorstromkreis ein- oder
                              									ausgeschaltet. Hierdurch wird ein entsprechendes Abfallen oder Ansteigen der
                              									Geschwindigkeit des Steuermotors und ein wirksames Entladen oder Aufladen der
                              									Schwungmassen erreicht. Steht für den Antriebmotor der Steuermaschine Gleichstrom
                              									zur Verfügung, so wird er als Gleichstrom-Nebenschlußmotor ausgebildet und
                              									seine Geschwindigkeitsänderung erfolgt in Abhängigkeit von der dem Netz entnommenen
                              									Energie in ähnlicher Weise wie bei Drehstromantrieb durch ein Stromrelais, das einen
                              									Nebenschluß-Regulierwiderstand betätigt.
                           Beim Entwurf des Antriebmotors für Umkehrstraßen müssen vor allem die starken
                              									Beanspruchungen berücksichtigt werden, denen der Antrieb unterworfen ist. Es sind
                              									deshalb das Blechpaket des Ankers, die Ankernabe auf der Welle und die Ankerwicklung
                              									gegen die bei der häufig wechselnden Drehrichtung auftretenden starken Stöße durch
                              									entsprechende Konstruktionen zu schützen und zu sichern. Desgleichen sind
                              									Grundplatte, Lager, Gehäuse und Fundamentanker hinreichend stark zu bemessen.
                           Fig. 2 zeigt einen für schwere Blockstraßen
                              									verwendeten Doppelmotor. Er wird mit der Walzenstraße unmittelbar gekuppelt, wobei
                              									jedoch durch eine besondere Kupplung jeder achsiale Schub, der beim Brechen einer
                              									Walze auftreten kann, von dem Motor fernzuhalten ist.
                           Fig. 3 veranschaulicht eine Schwungradsteuermaschine,
                              										Fig. 4 und 5
                              									stellen eine von den Siemens-Schuckertwerken ausgeführte
                              									nachgiebige Kupplung dar, wie sie von Verbindung von Schwungrad und Dynamomaschine,
                              									bezw. dem Motor dient. Dieselbe hat bei hohen Umlauf zahlen fortgesetzt stoßweise
                              									wechselnde Belastungen bis 6000 PSe zu übertragen.
                              									Sie besteht aus zwei Stahlgußscheiben, zwischen denen sich im Kreise angeordnete
                              									konische Rundstäbe aus Spezialstahl befinden. Mit einem Ende sind dieselben in eine
                              									Kupplungsscheibe eingepaßt, mit dem freien Ende greifen sie in entsprechende Lager
                              									der andern. Die Durchfederung der Stahlstäbe infolge Beanspruchung durch Drehmoment,
                              									Fliehkraft und Wellenexzentrizität läßt sich leicht berechnen, woraus dann der Rückdruck
                              									auf die benachbarten Lager im voraus zu bestimmen ist und eine unzulässige Größe des
                              									letzteren auf dieselben vermieden werden kann. Durch einfaches Herausschrauben der
                              									federnden Stahlstäbe werden die beiden miteinander verbundenen Wellenenden ohne
                              									weitere Demontage voneinander gelöst. Gegen unerwartete Ueberlastungen der Stäbe
                              									schützen Anschläge, gegen die sie sich bei größeren Durchbiegungen anlegen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 116
                              Fig. 6. Gleichstrom-Walzenzugmotor.
                              
                           Eine der größten Umkehrstraßen haben die Siemens-Schuckertwerke für die Rheinischen
                                 										Stahlwerke in Duisburg-Meiderich ausgeführt. Die Straße ist eine
                              									Blockstraße mit einem Gerüst und ist für eine stündliche Leistung von 75 t bei
                              									Herstellung von Blöcken im Gewicht von 2,5 bis 3,2 t bestimmt. Die letzteren haben
                              									einen Anfangsquerschnitt von 485 × 485 und erfahren bei 15 Stichen eine etwa 13
                              									fache Verlängerung. Die Walzen habend 1100 mm ∅ und ± 60 Uml./Min. Ihr en Antrieb
                              									empfängt die Walzenstraße von zwei in Serie geschalteten Motoren mit einer
                              									betriebsmäßigen Maximalleistung von 8400 PSe, die
                              									eventl. um 30–50 v. H. erhöht werden kann, so daß die äußerste Leistungsfähigkeit
                              									der Motoren etwa 12000 PS beträgt. Das größte im Betrieb vorkommende Drehmoment ist
                              									150 m/t. Die Steuermaschine besitzt zwei in Serie geschaltete Steuerdynamos, die 450
                              									Uml.-Min. machen. Der Steuermotor entwickelt normal 1600 PS. Das Schwungrad der
                              									Steuermaschine wiegt 38 t und hat einen Durchmesser von 4,4 m.
                           Walzenstraßen, die dauernd in einer Richtung umlaufen, werden mit mehr oder weniger
                              									großen Schwungrädern ausgerüstet und von Motoren angetrieben, deren Anker nach den
                              									für die Konstruktion und den Preis günstigsten Verhältnissen, immerhin aber
                              									reichlicher als bei Motoren für normale Transmissionsantriebe bemessen werden, da
                              									der Walzwerkbetrieb hinsichtlich Ueberlastungsfähigkeit und mechanische
                              									Beanspruchung an das elektrische Material besonders hohe Anforderungen stellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 116
                              Fig. 7. Drehstrom-Walzenzugmotor.
                              
                           Fig. 6 stellt einen Gleichstrom-Walzenzugmotor, Fig. 7 einen Drehstrom-Walzenzugmotor dar. Wie aus
                              									den Figuren ersichtlich, ist jeder Motor als eine von der Walzenstraße unabhängige
                              									und selbständige Maschine ausgebildet und mit ihr durch eine geeignete Kupplung
                              									verbunden. Das Gehäuse und die niedrigen Lager sind auf einer gemeinsamen, starken
                              									Grundplatte montiert. Die Ankerwelle ist beiderseits über die Lager hinaus
                              									verlängert, um später eine Vergrößerung der Motorleistung durch Ankuppeln eines
                              									Zusatzmotors zu ermöglichen. Drehstrom-Walzenzugmotoren werden mit einem größeren
                              									Luftspalt zwischen Rotor und Stator ausgeführt. Die hiermit verbundene geringe
                              									Verminderung des
                              									Leistungsfaktors wird reichlich durch die sich ergebende größere Betriebsicherheit
                              									aufgewogen.
                           Entsprechend dem Material, das zu verwalzen ist, schwankt der Energiebedarf auch bei
                              									Walzenstraßen für eine Drehrichtung beträchtlich zwischen Leerlauf und hohen
                              									Leistungen. Sollten die Antriebmaschinen für die maximal benötigten Leistungen
                              									gebaut werden, so würden sich zu große Modelle ergeben und der mittlere
                              									Durchschnittswert der Walzarbeit wäre dann nur ein Bruchteil der normalen
                              									Dauerleistung. Es wurden deshalb zum Ausgleich der Belastungsschwankungen
                              									Schwungmassen in die Walzwerke eingebaut, wodurch eine gleichmäßigere Beanspruchung
                              									der Antriebmaschinen erreicht wird. Die Bemessung dieser Schwungmassen hängt ab von
                              									dem System der Walzenstraße und dem Walzprogramm, das auf dieser Straße erledigt
                              									werden soll. Ganz naturgemäß werden Walzenstraßen, auf denen Stiche von kurzer Dauer
                              									mit großem Druck ausgeführt werden, z.B. Blocktrios, Blechwalzwerke und
                              									Walzenstraßen für größere Profile, ein unregelmäßigeres Bild des Energieverbrauchs
                              									zeigen als Walzen-Straßen, auf denen gleichzeitig mehrere Knüppel zu langen Stäben
                              									oder Drähten ausgewalzt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 117
                              Fig. 8. Metallanlasser für Gleichstromantrieb.
                              
                           Zwecks Ladens und Entladens der Schwungmassen muß eine Aenderung ihrer
                              									Geschwindigkeit derart stattfinden, daß dieselbe bei Energieentnahme vermindert, bei
                              									Energieaufspeicherung erhöht wird. Bei richtig bemessenen Elektromotoren vollzieht
                              									sich diese Geschwindigkeitsänderung selbsttätig und in Abhängigkeit von der
                              									Belastung des Motors.
                           Steht Gleichstrom zur Verfügung, so werden die Walzenzugmotoren als Verbundmotoren
                              									ausgebildet, die einen bestimmten Abfall der Umlaufzahl zwischen Leerlauf und
                              									Vollbelastung zulassen. Man hat es bei der Konstruktion des Motors in der Hand,
                              									diesen Abfall beliebig groß zu machen, doch genügt in der Regel eine
                              									Geschwindigkeitsänderung von 7–15 v. H., bezogen auf die normale mittlere
                              									Geschwindigkeit. Hierbei ist die Regelung der Umlaufzahlen in weiten Grenzen eine
                              									fast verlustlose. Die Gleichstrom-Walzenzugmotoren der Siemens-Schuckertwerke sind in ihren elektrischen Wicklungsverhältnissen
                              									so bemessen, daß die geforderte Regelung der Umdrehungen ohne Aenderungen der
                              									Bürstenstellung in beliebig vielen Stufen erreicht und dabei ein praktisch
                              									funkenfreier Gang des Kommutators gewährleistet wird.
                           Bei Drehstrommotoren werden zwecks Herbeiführung einer Geschwindigkeitsänderung
                              									Schlupfwiderstände vorgesehen, die dauernd in den Rotorstromkreisen eingeschaltet
                              									bleiben, da die gewöhnlich zur Verwendung gelangenden Asynchrommotoren nur einen
                              									geringen Abfall der Umlaufzahl, etwa 1½–2 v. H. zwischen Leerlauf und Vollbelastung
                              									besitzen. Für spezielle Fälle kann eine den Siemens-Schuckertwerken durch Patent geschützte, selbsttätig wirkende
                              									Vorrichtung für die Geschwindigkeitsregelung angeordnet werden, die in Abhängigkeit
                              									von einer gleichmäßigen Motorbelastung ein weitgehendes Entladen der Schwungmassen
                              									bewirkt.
                           Gewöhnlich wird aber, da mit Drehstrommotoren die Regelung der Geschwindigkeit nicht
                              									mit so einfachen Mitteln erreicht werden kann wie bei Gleichstrommotoren, das
                              									gesamte Walzprogramm zweckmäßigerweise so auf die einzelnen Walzenstraßen verteilt,
                              									daß jede der selben in ihrer Umlaufzahl möglichst wenig geregelt zu werden braucht.
                              									Läßt sich dasselbe in manchen Fällen nicht so weit regeln und müssen einzelne
                              									Straßen unbedingt verschiedene Geschwindigkeiten haben, so kann man diese auch bei
                              									Drehstromantrieb durch Verwendung von Doppelmotoren erzielen. Letztere sind für zwei
                              									verschiedene Grundumlaufzahlen eingerichtet und bestehen aus zwei elektrisch
                              									voneinander unabhängigen Motoren, die auf gemeinschaftlichen Grundplatten angeordnet
                              									sind. Im Betrieb ist stets nur ein Motor an das Netz geschlossen, während der andere
                              									leer mitläuft. Beide Motoren sind für verschiedene Polzahlen gewickelt, so daß sich
                              									dementsprechend auch verschiedene Umlaufzahlen für sie ergeben.
                           Wie die Motoren, muß auch das Zubehör für sie stärker bemessen werden als für andere
                              									Betriebe. Infolge der großen Schwungmassen, die in die Walzenstraße eingebaut sind,
                              									dauert das Anlassen der letzteren drei bis fünf Minuten, wobei der Motor sein
                              									normales Drehmoment entwickelt. Dieser langen Anlaßzeit und andererseits des öfteren
                              									Anlassens der Motoren wegen müssen das Widerstandsmaterial der Anlaßapparate und die
                              									Stufenschalter kräftig entworfen sein.
                           
                           Für Gleichstromantrieb verwenden die Siemens-Schuckertwerke allgemein Metallanlasser mit Oelkühlung (Fig. 8). Flüssigkeitsanlasser kommen bei den großen
                              									Leistungen wegen der möglichen Knallgasentwicklung, die eine Gefahr für das
                              									Bedienungspersonal herbeiführen und infolge der elektrolytischen Zersetzungen zu
                              									Störungen Veranlassung geben würde, nicht in Betracht. Obengenannte Metallanlasser
                              									sind mit einer Vorrichtung für stufenweise Funkenentziehung versehen, wodurch eine
                              									zu schnelle Abnutzung des Stufenschalters vermieden wird. Das Widerstandsmaterial
                              									ist unterhalb des Stufenschalters in einem Oelgefäß untergebracht. Die Kühlung des
                              									Oels erfolgt in einem Röhrenkühler, der mit dem Anlasser zusammengebaut ist. Den
                              									Oelumlauf bewirkt eine kleine, von einem Elektromotor angetriebene Pumpe. Der
                              									Stufenschalter ist durch eine Haube zum Schütze gegen Beschädigungen und
                              									Verschmutzungen abgedeckt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 118
                              Fig. 9. Flüssigkeitsanlasser für Drehstromantrieb.
                              
                           Für Drehstromantrieb verwenden die Siemens-Schuckertwerke
                              									Flüssigkeitsanlasser (Fig. 9), da hier die Gefahr
                              									der Knallgasentwicklung nicht besteht. Dieser Apparat eignet sich sowohl zum
                              									Anlassen als auch zum Einstellen des Schlupfwiderstandes und der Regelung der
                              									Umlaufzahlen der Motoren in gewissen Grenzen. Während des Betriebes erreicht die
                              									Flüssigkeit annähernd Siedetemperatur, so daß das verdampfende Wasser, dessen Menge
                              									allerdings gering ist, durch Frischwasser ersetzt werden muß. Der Anlasser
                              									besteht aus zwei Eisenblechgefäßen. Im oberen sind in bestimmten Abständen Bleche
                              									angeordnet, die mit den Stromzuführungsklemmen verbunden sind; der untere dient als
                              									Wasserbehälter. Die Verbindung zwischen beiden Gefäßen wird durch ein Rohrsystem
                              									hergestellt, in das eine elektrisch angetriebene Rotationspumpe eingeschaltet ist.
                              									Durch letztere und ein Ueberlaufrohr, das sich im Innern des oberen Gefäßes
                              									befindet, wird der Wasserspiegel in diesem geregelt und dadurch das Anlassen oder
                              									Einstellen des Schlupfwiderstandes und die Aenderung der Umlaufzahl bewirkt. Ein
                              									Stufenschalter ist dabei nicht erforderlich, da die Elektrodenbleche verschieden
                              									lang ausgeführt sind, so daß bei gleichmäßig steigendem Wasserspiegel der
                              									Anlaßwiderstand allmählich mehr und mehr kurz geschlossen wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 118
                              Fig. 10. Schaltkasten.
                              
                           Zur Aufnahme der Meßinstrumente, Schalter und sonstiger Schutzvorrichtungen bauen die
                              										Siemens-Schuckertwerke für Walzenstraßenbetriebe
                              									geschlossene Schaltkasten (Fig. 10), die die
                              									Instrumente und Apparate vor Beschädigung und Verschmutzung schützen.
                           Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß manchmal dis Betriebsweise von
                              									Spezialwalzwerken, wie z.B. von Radscheiben- und Bandagenwalzwerken, spezielle
                              									Steuerapparate erfordert. In einzelnen Fällen wird nämlich zur Bedingung gemacht,
                              									daß nach dem Auswalzen jeder Bandage oder Radscheibe der Antrieb stillzusetzen
                              									ist.
                           
                           Bei kleineren Motorleistungen wird Widerstandsschaltung verwendet werden können,
                              									währen sich bei größeren Leistungen die Leonard-Schaltung
                              									ähnlich wie bei den Umkehrstraßen vorzüglich eignet. Radscheiben- und
                              									Bandagenwalzwerke, die nach dem Auswalzen des Walzgutes stillgesetzt werden
                              									müssen, werden ohne besondere Schwungmassen ausgeführt.