| Titel: | ÜBERBLICK ÜBER DIE GEBRÄUCHLICHSTEN FESTIGKEITS-PROBIERMASCHINEN. | 
| Autor: | W. Müller | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 130 | 
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                        ÜBERBLICK ÜBER DIE GEBRÄUCHLICHSTEN
                           								FESTIGKEITS-PROBIERMASCHINEN.
                        Von Dr.-Ing. W. Müller,
                           									Breslau.
                        MUELLER: Überblick über die gebräuchlichsten
                           								Festigkeits-Probiermaschinen.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Im vorliegenden Aufsatz ist ein kurzer Ueberblick über die im
                              									Materialprüfungswesen gebräuchlichsten Maschinen gegeben. Nach einleitenden Worten
                              									über die allgemeinen Grundsätze, welche zur Beurteilung der Maschinen wichtig sind,
                              									bespricht Verfasser zuerst die Betonpressen als die relativ einfachsten
                              									Festigkeitsprobiermaschinen, um darauf zur Beschreibung der Zerreißmaschinen
                              									überzugehen, wie sie in ihrer mannigfaltigen Formen in Gestalt der Werder-, Martens-, Amsler-, Pohlmeyer- und
                              									Laufgewichtsmaschinen in den Festigkeitslaboratorien anzutreffen sind. Zum Schluß
                              									folgen noch einige wichtige Spezialprüfungsmaschinen wie Kugeldruckpresse,
                              									Torsionsmaschine und Pendelhämmer.
                           ––––––––––
                           Bei der in der modernen Technik immer weiter um sich greifenden Ueberzeugung von der
                              									Notwendigkeit der Materialprüfungen dürfte es von allgemeinem Interesse sein, die
                              									heutigen Tages gebräuchlichen Typen der Festigkeitsprobiermaschinen in ihrer Bauart
                              									und Wirkungsweise einem Vergleich zu unterziehen. Dieses Interesse dürfte um so mehr
                              									vorhanden sein, als jetzt wohl allgemein die Berechtigung der Materialprüfung
                              									anerkannt und in ihr nicht nur allein das notwendige Uebel gesehen wird. Das beste
                              									Zeugnis hierfür liefert das Verhalten der Firmen, welche für ihren Bedarf
                              									ausgezeichnet ausgerüstete Laboratorien einrichten, um eine ständige Kontrolle auch
                              									über die eigens erzeugten Materialien ausüben zu können, mit welcher Kontrolle Hand
                              									in Hand das Arbeiten an weiterer Verbesserung der Güte geht.
                           Bei einer Festigkeitsprobiermaschine unterscheidet man drei Hauptteile: das
                              									Maschinengestell, den Antrieb und die Kraftmessung.
                           
                        
                           a) Maschinengestell.
                           Das Maschinengestell hat den Zweck, die Kraft von ihrer Erzeugungsstelle durch den
                              									Probekörper auf die Meßeinrichtung und von hier wieder zu ihrer Ursprungsstelle
                              									zurückzuführen. Es gilt hier also derselbe Grundsatz wie im ganzen
                              									Kraftmaschinenbau: die Kraftübertragung bildet einen geschlossenen Kreis.
                           Andererseits muß aber auch das Gestell vor allen Dingen die z.B. beim Zerreißen von
                              									Stäben auftretenden Stöße aufnehmen und auf diese Weise ihre schädliche Wirkung
                              									verhindern.
                           Die Maschinengestelle sind nun den jeweiligen Zwecken der betr. Maschine angepaßt.
                              									Ihrer äußeren Form nach kann man stehende und liegende Maschinen unterscheiden. Jede
                              									dieser beiden Arten hat Vor- und Nachteile für sich, und muß man sich bei der
                              									Beurteilung der Zweckmäßigkeit daher stets nach dem hauptsächlichen Gebrauch
                              									richten.
                           Stehende Maschinen können nur eine beschränkte Bauhöhe erhalten, falls sie nicht in
                              									ihrer Bedienung zu unbequem werden soll; eine solche reicht aber kaum zur Prüfung
                              									von Seilen, Riemen und Ketten aus, weswegen sich hierfür mehr die liegende Bauart
                              									eignet. Andererseits hat eine stehende Maschine wieder den Vorteil? daß sich auf ihr
                              									die Prüfung von Stäben bei höheren Temperaturen sowie von sonstigen Proben
                              									einwandfreier durchführen läßt, welche in wagerechter Lage infolge ihres
                              									Eigengewichtes vielleicht eine den Versuch störende Durchbiegung erfahren können.
                              									Aber auch bei gewöhnlichen Zug- oder Druckversuchen kann die stehende Bauart die
                              									vorteilhaftere sein, besonders wenn es sich um Feinmessungen mit Spiegelapparaten
                              									handelt, wobei die Fernrohre unter Vermeidung der niedrig sitzenden Stellung des
                              									Versuchsausführenden bequem in Augenhöhe anzubringen sind.
                           Als Vorteile der liegenden Maschinen läßt sich außer den oben angeführten betreffs
                              									der Prüfung von Riemen, Seilen und Ketten noch hauptsächlich die vorzügliche
                              									Uebersichtlichkeit anführen, welche besonders bei Versuchen an großen Probestücken,
                              									wo es sich oft um die Anbringung der verschiedensten Feinmeßapparate handelt, die Arbeit
                              									beträchtlich erleichtert.
                           Die liegenden Maschinen haben jedoch den Nachteil, daß alle frei beweglichen Teile
                              									aufgehängt, gestützt oder geführt werden müssen, was immerhin die ganze Maschine
                              									komplizierter macht.
                           Nächst dem Maschinengestell kommt als zweiter Teil
                           
                        
                           b) der Antrieb
                           in Betracht.
                           Man unterscheidet:
                           Schraubenantrieb von Hand oder Riemen,
                           indirekt oder direkt elektrischen Schraubenantrieb,
                           hydraulischen Antrieb.
                           Der Antrieb von Hand geschieht mittels einer Kurbel, deren Drehung durch ein
                              									Schneckenrad- oder Kegelrädergetriebe auf eine Schraubenspindel übertragen wird;
                              									hierbei ist die Nabe des getriebenen Rades als Mutter für die Zugspindel
                              									ausgebildet. Dieses Verfahren der Krafterzeugung ist zwar sehr primitiv; es besitzt
                              									aber den großen Vorteil der Möglichkeit einer genauen Lasteinstellung, was für den
                              									Feinmeßversuch unbedingt erforderlich ist. Der Handantrieb eignet sich jedoch nur
                              									für kleinere Kräfte.
                           Für große Kräfte ist ein maschineller Antrieb der Kraftschraube kaum zu umgehen.
                              									Dieser läßt sich sehr einfach durch Verwendung eines Elektromotors mit
                              									Riemenvorgelege statt der Kurbel ausführen. Um nun aber über eine genügende Anzahl
                              									Geschwindigkeitsstufen zu verfügen, schaltet man zwischen Riemenscheibe und Schnecke
                              									ein Reibrädergetriebe ein. Dieses gestattet denn auch eine bequeme Aenderung der
                              									Vorschubgeschwindigkeit der Zugspindel in den weitesten Grenzen.
                           Statt eines immer unschön wirkenden Riemenvorgeleges wird sehr oft der Elektromotor
                              									mit dem Reibrädergetriebe gekuppelt, welche Antriebsart als indirekt elektrische
                              									bezeichnet werden möge.
                           Manche Firmen gehen sogar noch weiter und verwerfen bei vielen Konstruktionen die
                              									Reibräder vollständig. In diesem Falle der direkten Kraftübertragung ist der Motor
                              									mit der Schneckenwelle gekuppelt. Die erforderliche Geschwindigkeitsänderung wird
                              									hierbei durch einen besonderen Anlaßwiderstand bewirkt. In allen oben geschilderten
                              									Fällen dient zur Kraftübertragung auf das Versuchsstück eine Spindel. Ihre Vorteile
                              									liegen in der großen Stetigkeit und Stoßfreiheit der Bewegung. Außerdem kann die
                              									einmal eingestellte Belastung beliebig lange auf gleicher Höhe gehalten werden, ohne
                              									daß beim Anhalten ein Spannungsabfall in der Probe (abgesehen von einem solchen, der
                              									durch das Fließen des Materials hervorgerufen wird) entsteht. Für Versuche mit
                              									langer Belastungsdauer eignen sich diese Maschinen daher vorzüglich.
                           Als sehr vorteilhafter Antrieb muß der hydraulische gelten. Der Druckwasserbetrieb
                              									kann die Versuchsergebnisse nicht ungünstig beeinflussen, wenn auf gute
                              									Instandhaltung der Maschinen gesehen wird. Gut hergestellte Ledermanschetten
                              									bewirken ein vollständiges Dichthalten der Druchwasserzylinder. Ebenso sind die
                              									Reibungsverhältnisse bei Lederstulpendichtung nicht ungünstig. Um eine nähere
                              									Orientierung über diese wichtigen Vorgänge bei den hydraulischen Pressen zu
                              									ermöglichen, möge auf Martens
                              									„Handbuch der Materialienkunde“ sowie auf die in den vom Verein deutscher
                              									Ingenieure herausgegebenen „Mitteilungen über Forschungsarbeiten“ Heft 49,
                              									1908 erschienene Arbeit von Martens
                              									„Die Stulpenreibung und der Genauigkeitsgrad der Kraftmessung mittels der
                                 										hydraulischen Presse“ verwiesen werden. Da der hydraulische Antrieb
                              									ebenfalls eine schnelle willkürliche Aenderung der Belastungsgeschwindigkeit ohne
                              									Stoßwirkung innerhalb weiter Grenzen zuläßt, mit ihm aber vor allen Dingen höhere
                              									Kraftleistungen erzielt werden können als mit dem mechanischen Antrieb, ist ihm auch
                              									die größere Verbreitung zuteil geworden.
                           
                        
                           c) Kraftmessung.
                           Als einfachstes Verfahren zur Messung der Kräfte, das aber lediglich bei
                              									hydraulischem Antrieb verwendet werden kann, gilt die Messung des
                              									Flüssigkeitsdruckes im Preßzylinder mit Hilfe eines an den Zylinder angeschlossenen
                              									Manometers. Das Produkt aus dem spez. Druck und der Kolbenfläche ergibt dann die
                              									Maschinenkraft. Bei diesem Verfahren muß jedoch der Umstand berücksichtigt werden,
                              									daß die Kolbenreibung stets in die Rechnung eingeht. Diese läßt sich zwar durch
                              									einen Leergangversuch bestimmen, jedoch ist dabei zu beachten, daß die Reibung nicht
                              									für alle Kolbenstellungen eine konstante Kraft darstellt.
                           Während also obige Methode nur für ein beschränktes Gebiet verwendbar ist, ist die
                              									Kraftmessung mit Hilfe einer Hebelwage für jede Maschinengattung zu benutzen. Diese
                              									Wage kann nun in verschiedener Weise ausgebildet sein, indem einmal die
                              									Hebelübersetzung konstant erhalten bleibt und dafür veränderliche Gewichte
                              									aufgesetzt werden (s. Maschinen von Martens, Werder
                              									usw.), oder indem ein konstantes Gewicht als Laufgewicht auf einem Hebelarm
                              									verschoben werden kann; hierbei ist dann der Hebelarm veränderlich (s. Maschinen von
                              										Schenck, Losenhausen usw.).
                           Als dritter Fall verdient noch die Neigungswage angeführt zu werden, wie sie Ehrhardt bei seinen Pohlmeyer-Maschinen verwendet. Ihre Wirkungsweise gleicht der einer
                              									gewöhnlichen Briefwage. Der Ausschlag des Pendels mit dem unveränderlichen Gewicht
                              									ist proportional der Maschinenkraft.
                           Eine weitere Art der Kraftmessung ergibt sich durch Anwendung der Meßdose, Diese
                              									besteht aus einem Gehäuse, in dem sich eine Gummi- oder Messingblechmembran
                              									befindet. Der Raum unter dieser ist mit einer Flüssigkeit, z.B. Wasser oder
                              									Glyzerin, möglichst luftleer angefüllt. An den Flüssigkeitsraum ist ein Manometer
                              									angeschlossen, während auf der Membran der Dosendeckel in Gestalt eines Kolbens
                              									ruht, auf welchen die Maschinenkraft übertragen wird. Der Druck auf den Deckel wird
                              									also in der Meßdose in einen Flüssigkeitsdruck umgesetzt. Wie die Erfahrung gelehrt
                              									hat, bedürfen die Meßdosen einer sehr sorgfältigen Behandlung. Nach Martensbahnbrechenden UntersuchungenVergl. Martens.
                                    												„Die Meßdose als Kraftmesser in der Materialprüfmaschine“,
                                    											Mitteil, über Forschungsarbeiten, herausgegeben vom Verein deutsch. Ing.
                                    											Heft 38, 1907. und Konstruktionen müssen sie jedoch als durchaus
                              									zuverlässiges Kraftmessungsmittel angesehen werden, dessen Genauigkeitsgrenzen von ±
                              									1 v. H., wie Martens auf Grund zahlreicher eingehender
                              									Versuche bewiesen hat, leicht innezuhalten sind. Außerdem bieten die Meßdosen
                              									infolge ihrer überaus einfachen Gestaltung beträchtliche praktische Vorteile.
                           Im folgenden mögen die wichtigsten Maschinenarten erster deutscher Firmen kurz
                              									besprochen werden. Da unter ihnen die Betonpressen sich als die relativ einfachsten
                              									Maschinen darstellen, mögen sie hier zuerst genannt sein.
                           Fig. 1. zeigt die Ausführung der erst seit kurzem von
                              										Martens entworfenen und von der M. A. N. auf den
                              									Markt gebrachten Zementprüfer „Bauart Martens“,
                              									die zur normengemäßen Prüfung von Zementwürfeln von 7 cm Kantenlänge dienen. Sie
                              									sind für einen Höchstdruck von 50 t ausgebildet. Die Presse selbst zeichnet sich
                              									durch eine geschlossene einfache Konstruktion aus, welche mit einer zugehörigen
                              									Spindelhandpumpe auf einem starken Brett montiert ist. Der Probekörper ruht auf
                              									dem im unteren Teil der Presse befindlichen Kolben, während als oberes Widerlager
                              									eine Kugelschale dient. Der Prüfungsdruck wird an einem Manometer abgelesen, während
                              									das andere daneben befindliche lediglich zur Kontrolle dient. Beide Manometer sind
                              									mit Absperrventilen versehen. Die Erzeugung des Druckwassers erfolgt in der
                              									Spindelpreßpumpe mittels eines Schraubenantriebes stoßfrei und gleichmäßig. Zwischen
                              									der Pumpe und dem Preßzylinder befindet sich ein Steuerkörper mit drei Ventilen, von
                              									denen das eine eine Verbindung zwischen Preßzylinder und Pumpe, das andere eine
                              									solche zwischen Preßzylinder und Wasserleitung zum schnellen Hochfahren des
                              									Arbeitskolbens ermöglicht; das dritte Ventil dient als Ausflußventil.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 131
                              Fig. 1. M. A. N.-Zementprüfer für 50 t Druckkraft, Bauart Martens.
                              
                           Diese Maschinen haben sich bislang infolge ihrer zweckmäßigen Konstruktion eines
                              									regen Absatzes erfreut. Ihre Eichung geschieht durch das Kgl. Materialprüfungsamt zu
                              									Groß-Lichterfelde.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)