| Titel: | ZUR STREITFRAGE DER GLEICHSTROM-DAMPFMASCHINE. | 
| Autor: | E. Tuckermann | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 146 | 
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                        ZUR STREITFRAGE DER
                           								GLEICHSTROM-DAMPFMASCHINE.
                        Von Dr.-Ing. E. Tuckermann, Professor
                           								an der Technischen Hochschule Helsingfors
                                 									(Finnland).
                        TUCKERMANN: Zur Streitfrage der
                           								Gleichstrom-Dampfmaschine.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Da die Gleichstrom-Dampfmaschine, „System Stumpf“, in letzter Zeit mehrfach angegriffen ist, obwohl
                              									Messungen an ausgeführten Maschinen durchaus für sie sprechen, so ist versucht,
                              									einige Gründe darzulegen, die diese Erfolge erklären gegenüber der
                              									Einzylinder-Wechselstrom-Dampfmaschine, der kombinierten Gleich- und
                              									Wechselstrommaschine und der Mehrzylindermaschine. Die Tatsache, daß trotz der
                              									Angriffe eine große Anzahl von Firmen den Bau von Gleichstrommaschinen aufgenommen
                              									hat und eigene Systeme anbietet, ist Veranlassung zu Schlußbetrachtungen
                              									patentamtlicher Natur.
                           ––––––––––
                           Ein altes Sprüchwort sagt: „Es sind die schlechtesten Früchte nicht, woran die
                                 										Wespen nagen.“ Man gehe die Reihe der Erfindungen durch und man wird finden,
                              									daß die aussichtsvollsten nicht nur die schärfsten Gegner, sondern auch die
                              									eifrigsten Nachahmer und Bekämpfer des Erfinderschutzes gefunden haben. Namentlich
                              									ist die Zahl der letzteren proportional der Aussicht auf Erfolg des
                              									Erfindungsgegenstandes. Der Erfahrene weiß, daß gerade die Erfindungen am
                              									schwierigsten sind, die scheinbar am nächsten liegen. Die Gleichstrommaschine von
                              									Professor J. Stumpf ist eine solche Schöpfung, auf die
                              									obige Aussprüche gut anwendbar sind.
                           Es sollen hier hauptsächlich deswegen einige Eigenschaften dieser Maschinenart
                              									beleuchtet werden, da in letzter Zeit ihre Gegner sehr erbittert und von
                              									unparteiischer Seite unwidersprochen Stellung dagegen genommen haben (vergl.
                              									Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ingenieure 1911, 921 und 1683), so daß sie dem
                              									Unbefangenen einseitig begünstigt erscheinen.
                           Es handelt sich um den Vergleich der Gleichstrommaschine, System Stumpf, mit drei anderen Maschinen, nämlich:
                           
                              1. Der Einzylindermaschine, besonders der Kerchove-Maschine,
                              2. Der kombinierten Gleich- und Wechselstrommaschine, Bauart
                                 										der Sächsischen Maschinenfabrik und von R. Wolf, Magdeburg.
                              3. Der Mehrzylindermaschine.
                              
                           Der Vergleich erstreckt sich auf theoretische und praktische Eigenschaften.
                           Die Versuchsergebnisse der Gleichstrommaschine sind in dem Buche von Prof. J. Stumpf
                              									„Die Gleichstrommaschine“ (Verlag von Oldenbourg,
                              									München-Berlin) anschaulich zusammengefaßt. Man ersieht daraus, daß eine einfache
                              									Einzylinderdampfmaschine geschaffen ist, die den heutigen Ansprüchen an
                              									Wärmeökonomie und den Forderungen der mannigfachsten, ja wohl aller Betriebe gerecht
                              									wird. Die Wirkungsweise dieser mit Auspuffschlitzen versehenen Maschine dürfen wir
                              									als bekannt voraussetzen (vergl. D. p. J. 1910 S. 156 und 783, 1911 S. 92 und 798).
                              									Das Resultat vieler Versuche ist eine Einzylinder-Dampfmaschine, die nicht allein
                              									mit gesättigtem Dampf gleich hohe Wirtschaftlichkeit erreicht wie mit Ueberhitzung,
                              									sondern deren Wärmeökonomie so hoch ist, daß sie sogar größte Mehrzylindermaschinen
                              									mit Ueberhitzung erreicht bezw. übertrifft. Das Ergebnis ist so überraschend und mit
                              									dem aller früheren Konstruktionen so im Widerspruch, daß man die Gründe dafür erst
                              									genauer prüfen muß. Es gibt deren, wie wir sehen werden, mehrere.
                           Es verdient erwähnt zu werden, daß natürlich der Wert der Ueberhitzung nicht in
                              									Abrede gestellt wird, der sich bei der Erhöhung des Kessel-Wirkungsgrades, bei der
                              									Vermeidung der Kondensation in der Rohrleitung und dadurch ergibt, daß der Dampf
                              									trocken in die Maschine gelangt. Für den Weg bis an das Einlaß-Organ heran wird der
                              									Nutzen der Ueberhitzung auch für die Gleichstrommaschine von keiner Seite
                              									bestritten. Aber wenn an der Maschine trocken gesättigter Dampf vorhanden ist, dann
                              									kann damit ein ebenso gutes wirtschaftliches Ergebnis erzielt werden wie mit einer
                              									Heißdampfmaschine bei Anwendung höherer Dampfspannungen. Es ist dieses ein
                              									praktisches Ergebnis, das darin begründet ist, daß eine Heißdampfmaschine fraglos
                              									sorgfältigere Schmierung mit teuererem Schmiermaterial verlangt als eine
                              									Sattdampfmaschine. Die Gleichstrom-Sattdampfmaschine ist im Dampfverbrauch so
                              									verbessert, daß das geringe Uebergewicht, das bei der Heißdampfmaschine im reinen
                              									Dampfverbrauch fraglos zuzugeben ist, ausgeglichen wird durch die Preisdifferenzen
                              									des Schmieröls. Der Vorteil für viele Betriebe ist unleugbar. Obwohl die Zeiten dank
                              									vorgeschrittener Konstruktion und Werkstatt-Technik vorüber sind, wo man
                              									Heißdampfmaschinen-Stopfbüchsen mit Wasser kühlen mußte, und das ist vorgekommen, so
                              									glauben wir, daß darüber kein Zweifel herrscht, daß ein Betriebsingenieur, vor die
                              									Frage gestellt, ob er eine Sattdampf- oder eine Heißdampfmaschine, beide von
                              									angenähert gleicher Wirtschaftlichkeit für seinen Betrieb wünsche, sicherlich die
                              									Sattdampfmaschine bevorzugen wird. Der Arbeitsvorgang der Gleichstrommaschine mit
                              									trockenem Sattdampf kommt dem Carnot-Prozeß, wenn solcher
                              									überhaupt mit der Wirkungsweise unserer Kolbenmaschinen verglichen werden kann,
                              									näher als der der Heißdampfmaschine, da die Einströmlinie hier eher einer Isotherme,
                              									dort, bei der Heißdampfmaschine, mehr die Isobare der Gase ist. Bei gleichem
                              									Wärmeverlust während der Admissionsperiode bei beiden Maschinen sinkt daher die
                              									Spannung bei der Heißdampfmaschine mehr als bei der Sattdampfmaschine. Der
                              									theoretische Wert der Ueberhitzung ist zugegebenermaßen gering, der praktische
                              									Erfolg bei den bisherigen Maschinen sehr groß. Also ist logische Folge, daß der
                              									praktisch ausgeführten Maschine im Vergleich zur theoretischen, idealen Maschine
                              									eine Reihe von Mängeln anhaftet, die durch Ueberhitzung zum Teil ausgeglichen
                              									werden. Beseitigt man diese Mängel auf anderem Wege, so entfällt für diesen Teil der Wert der Ueberhitzung.
                           Daß die Einzylindermaschine in bezug auf Einfachheit und Regulierbarkeit die
                              									Mehrzylindermaschine übertrifft, ist allgemein bekannt. Mit Recht ist daher in
                              									letzter Zeit versucht, die Einzylindermaschine auch in bezug auf den Wärmeverbrauch
                              									der Oekonomie der Mehrzylindermaschine zu nähern. Erfolge in dieser Richtung weist
                              									unstreitig die Kerchove-Maschine auf. Eine ganze Reihe
                              									von Gründen sichert aber der Gleichstrommaschine die Ueberlegenheit über die
                              									Wechselstrom-Einzylindermaschine. Zu den thermischen Vorteilen der
                              									Gleichstrommaschine gesellen sich noch eine Anzahl von praktischen. Wesentlich ist
                              									der Unterschied in der Wirkung des Auspuffs bei Gleich- und Wechselstrommaschine.
                              									Nehmen wir an, der Dampf sei am Ende der Expansion in beiden Maschinen feucht. Bei
                              									der Gleichstrommaschine wird der Dampf sofort trockener, da er sich plötzlich ohne
                              									nennenswerte äußere Arbeitsleistung ausdehnt, also seine Wärme nahezu behält,
                              									während die Spannung abnimmt. Alle etwa vorhandenen Wasserteilchen werden in den
                              									Auspuff geblasen. Beim Beginn der Kompression wird der Kolbenboden trocken sein. Er
                              									besaß am Anfang zunächst die Temperatur, die der Endexpansions-Spannung entspricht,
                              									da er dort mit großer Geschwindigkeit von Dampf dieser Temperatur bestrichen wurde.
                              									Die Temperatur wird aber aus dem Wärmevorrat des Kolbenbodens, herrührend aus
                              									Admissions- und Expansionsperiode, sofort erhöht werden. Bei der jetzt folgenden
                              									Kompression, die ungünstigstenfalls mit wenig feuchtem Dampfe und trockenem
                              									Kolbenboden beginnt, während Wärme aus der Wand und besonders der Deckelheizung
                              									zuströmt, wird eine große Menge Dampf auf sehr hohe Temperatur überhitzt. Allerdings
                              									wird man nicht alle im Zylinderdeckel abgegebene Dampfwärme dem Dampfe im Zylinder
                              									anrechnen können. Aber der Wärmeinhalt der großen komprimierten Dampfmenge kommt dem
                              									folgenden Arbeitsprozesse zugute. Nicht so günstig liegt der Fall bei der
                              									Wechselstrommaschine. Die Vorausströmung erfolgt hier nicht so plötzlich wie bei der
                              									Gleichstrommaschine. Auch hier ist Trockenwirkung des zum Auslaß hinausgehenden
                              									Dampfes vorhanden. Dann aber schiebt der Kolben den übrigen Dampf, der auch hier
                              									feucht ist, zum Auslaß hinaus, wobei die Einströmstelle und besonders der ihr sehr
                              									nahe gelegene Auslaß bei der hohen Strömgeschwindigkeit von 30 bis 40 m/Sek. stark
                              									gekühlt wird. Der Auslaß wird gewissermaßen kalt geblasen. Es ist bekannt, daß
                              									Wärme-Uebertragung und -Entziehung mit der Strömgeschwindigkeit zunimmt. Wie rasch
                              									solche Austauschvorgänge erfolgen, geht aus den interessanten Heizversuchen von
                              									Prof. Nicolson, Manchester, hervor, die im Engineering
                              									1909, S. 194 und 229 veröffentlicht sind. Darauf beruht auch die gute Heizwirkung
                              									strömenden Frischdampfes im Gegensatz zu stagnierendem, ein Mittel, das nicht nur
                              									die Gleichstrommaschine, sondern jede neuzeitliche Maschine heute ausgiebig
                              									benutzt.
                           Um zu dem Kolben der Wechselstrommaschine zurückzukehren, so bleibt dieser während
                              									des ganzen Auspuffhubes mit dem kalten Auspuffdampf in Berührung, wird also
                              									wahrscheinlich feucht beschlagen und dann mehr Verdampfungswärme hergeben müssen als
                              									beim Gleichstrom. Während des Auspuffhubes ist das mittlere Temperaturgefälle
                              									zwischen Wandung und Auspuffdampf höher als beim Gleichstrom, also auch die dem
                              									Auspuffdampfe zugestrahlte Wärme. Diese ganze Wärme geht aber im Gegensatz zum
                              									Gleichstromvorgang, zum Auspuff hinaus, bis auf den Rest nach Beginn der
                              									Kompression. Vielleicht kann man auch bei der Einzylinder-Wechselstrommaschine zu
                              									Ende der Kompression, wenn sie nur hoch genug getrieben wird, nahezu, wenn auch
                              									nicht ganz, die gleiche Temperatur erreichen, wie beim Gleichstrom. Aber das
                              									zurückkomprimierte Quantum ist bedeutend kleiner, hat also geringeren Wärmeinhalt,
                              									geringeres Arbeitsvermögen.
                           Von großer Bedeutung ist ferner der Unterschied in den mittleren Zylindertemperaturen
                              									beider Maschinenarten. Bei der Gleichstrommaschine infolge der denkbar weitesten
                              									Trennung von Ein- und Auslaß ist ein allmählicher Uebergang aus „heiß“ in
                              										„kalt“ meßbar, also ein eindeutig gerichteter Wärmestrom vorhanden,
                              									während der Wechselstromzylinder eine mittlere Wandtemperatur annimmt. Dieser
                              									lebhaftere und häufigere Wärmeaustausch zwischen Wandung und Dampf ist allein schon,
                              									als Umsetzung, mit Verlusten verbunden.
                           Bei der Gleichstrommaschine haben wir eine Reihe an sich vielleicht nicht großer
                              									thermischer Gewinne, die sich aber addieren und am Ende Einfluß erhalten. Aber auch
                              									praktische Vorteile ergeben sich beim Gleichstrom. Die Steuerung, ob mit
                              									Ventilen oder Kolbenschiebern, wird unübertreffbar einfach, zumal da die
                              									Auslaßsteuerung fortfällt. Der Auslaßquerschnitt wird so groß wie überhaupt möglich.
                              									Der ideale Ausgleich der Spannung zwischen Zylinderinnerm und Kondensator fällt der
                              									Gleichstrommaschine infolge ihrer baulichen Eigenschaften geradezu als Geschenk in
                              									den Schoß.
                           Bei keiner Wechselstrommaschine ist solche Kondensatornähe möglich, wie beim
                              									Gleichstrom, wo die Maschine gerade über dem Kondensator angeordnet werden kann,
                              									woran keine Auslaßsteuerung usw. hindert. In der Zeitschrift des Vereins deutscher
                              									Ingenieure (1911 S. 985) hat Dipl.-Ing. Heilmann für
                              									Lokomobilen den ungeheuer geringen Spannungsunterschied von 0,02 at zwischen
                              									Zylinder und Kondensator angegeben, ohne daß dort von unparteiischer Seite dagegen
                              									Stellung genommen ist. Bei aller anerkannter Vorzüglichkeit der Wolfschen Lokomobilen und obwohl gerade die Lokomobile
                              									große Kondensatornähe gestattet, kann dieser Wert für Wechselstrommaschine doch nur
                              									als seltene Ausnahme gelten. Er soll als Meßergebnis nicht angezweifelt werden, aber
                              									wir glauben, daß er nur das Meßergebnis eines Versuchsstandes sein hann, Nahmhafte
                              									Firmen können und werden nicht anstehen, zuzugeben, daß der Unterschied häufig das
                              									Dreifache und mehr beträgt, auch wenn der Kondensator nicht sehr hohes Vakuum
                              									besitzt.
                           Die bisher genannten Vorteile der Gleichstrommaschine beziehen sich in erster Linie
                              									auf Kondensationsmaschinen, da der frühe Kompressionsbeginn hier nicht zu hohe
                              									Enddrücke ergibt. Man kann auch von keiner Maschine verlangen, daß sie allen
                              									Bedingungen gleich ideal genügt. Es wird erfahrungsgemäß nie ein System alle anderen
                              									verdrängen. Für dauernden Auspuffbetrieb ist zwar die Gleichstrommaschine thermisch
                              									der Einzylinder-Wechselstrommaschine überlegen. Das Zuschalten von
                              									Kompressionsräumen, um bei Auspuffbetrieb zu hohe Kompressionsenddrücke zu
                              									vermeiden, wird aber nicht so hohe Wärmeausnutzung ergeben wie der
                              									Kondensationsbetrieb. Da, wo das Kolbeninnere als Zuschalteraum herangezogen ist,
                              									wird die ursprüngliche Einfachheit zum Teil wieder etwas verringert. Einbuße an
                              									Wärmeausnutzung ist aber bei vorübergehendem Auspuffbetrieb natürlich belanglos und
                              									auch bei jeder Wechselstrommaschine vorhanden. Auch für dauernden Auspuffbetrieb,
                              									z.B. im Lokomotivbau, macht sich die Ueberlegenheit der Gleichstrommaschine durch
                              									dauernde Zunahme der Verbreitung geltend und hat hinsichtlich des Wärmeverbrauchs,
                              									besonders aber durch die ungeheure Einfachheit und Betriebssicherheit andere
                              									Konstruktionen, wie z.B. die Lenz-Steuerung,
                              									zurückgedrängt.
                           Als Hauptnachteil führen die Gegner des Gleichstroms den langen Kolben an. In der Tat
                              									erscheint auf den ersten Blick ein langer Kolben schädlich, zumal da er aufzufassen
                              									ist, wie mehrere schmale Kolben nebeneinander, die natürlich entsprechend höheren
                              									Verschleiß ergeben. Hier kann aber wieder der Ausgleich durch Konstruktion und
                              									Werkstatt einsetzen. Die Kolbenstangen können stark genug ausgeführt werden. Die
                              									langen Kolben der Zweitaktgasmaschinen der Siegener
                                 										Maschinenbau-A.-G.; der Maschinenfabrik vormals Gebr.
                                 										Klein-Dahlbruch und anderer, die sich bei Maschinen größter Leistung
                              									vorzüglich bewähren, sind der Beweis dafür, daß man lange Kolben nicht zu fürchten
                              									braucht. Auch diese Zweitaktgasmaschinen waren lange Zeit deswegen befehdet und
                              									haben sich, allen Weissagungen zum Trotz, gut bewährt und erhalten. Was bei
                              									Gasmaschinen anwendbar ist, ist bei Dampfmaschinen erst recht möglich, besonders
                              									wenn die Maschine nicht hohe Ueberhitzung anwendet. Selbst bei höchster Ueberhitzung
                              									ist Dampfbetrieb immer noch günstiger daran als Verbrennungstemperaturen und
                              									Verbrennungsprodukte. Andererseits haben die langen Kolben auch den Vorteil, daß sie
                              									niedrige Auflagerdrücke zulassen und eine große Ringzahl ermöglichen, die mit
                              									steigendem Druck in zunehmender Zahl, wie erwünscht, in Wirkung tritt. Also gerade
                              									bei der Einströmung und bei hoher Spannung sind die Aussichten auf Dichtheit bei der
                              									Gleichstrommaschine viel bessere, als bei der Wechselstrommaschine.
                           An den genannten Stellen in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure ist,
                              									ebenfalls von unparteiischer Seite nicht widersprochen, der Gleichstrommaschine,
                              									Bauart Stumpf, eine andere Art von Einzylindermaschine
                              									mit kurzem Kolben, Auslaßschlitzen und besonders gesteuertem Auslaßorgan
                              									gegenübergestellt. Wenn nach Vorstehendem der lange Kolben auch eher als Vorzug,
                              									denn als Nachteil anzusprechen ist, so ist er vor allem zur Durchführung des reinen
                              									Gleichstromprinzips durchaus nötig. Man würde ihn, der anderen Vorteile des
                              									Gleichstroms wegen, in Kauf nehmen, auch wenn er Nachteile hätte. Die erwähnten
                              									entgegengehaltenen Maschinen (Bauart Sächsische
                                 										Maschinenfabrik und R. Wolf, Magdeburg) sind
                              									kombinierte Gleich-Wechselstrommaschinen, und zwar mit kombinierten Vor- und
                              									Nachteilen. Sie bekämpfen den langen Kolben als einen vermeintlichen, tatsächlich
                              									nicht vorhandenen Nachteil. Sie sind nicht allein, nicht gleichwertig, sondern
                              									stehen sowohl hinsichtlich baulicher Einfachheit, als auch thermischer Wirkung
                              									hinter der reinen Gleichstrommaschine zurück. Es kann insbesondere nicht
                              									unwidersprochen bleiben, wenn in einer wissenschaftlichen Zeitschrift eine solche
                              									Maschine als „Verbesserung“ angepriesen wird. Sie kann umsoweniger als
                              										„verbesserte Gleichstrommaschine“ angesehen werden, als während eines
                              									Teiles des Auspuffhubes ihr die besprochenen Mängel der Wechselstrommaschine zum
                              									Teil zur Last fallen, und weil während eines großen Teiles der Expansion das
                              									Zylinderinnere mit dem kalten Auspuff in Berührung steht. Dazu kommt der Widerstand
                              									im Auslaßorgan und dessen Antrieb. Endlich ist der dort als schädlich bezeichnete
                              									und als „Kaltdampfmantel“ angegriffene Auspuffwulst der
                              									Gleichstrom-Dampfmaschine nicht nur ebenfalls diesen Maschinen eigen, sondern er
                              									liegt sogar erheblich näher an der Einströmstelle, als bei der Stumpfschen Konstruktion. Daher muß die Wärmeentziehung an der
                              									Einströmung, wo sie am schädlichsten ist, um so größer ausfallen, als sie längere
                              									Zeit hindurch wirkt.
                           
                           Wie schon erwähnt, steht die Gleichstrommaschine in ihrem Bestreben, die
                              									Einzylindermaschine wieder zu Ansehen zu bringen, nicht vereinzelt da. Größere
                              									Wohlfeilheit, geringerer Platzbedarf, bessere Regel- und Manövierfähigkeit einer
                              									Einzylindermaschine gegenüber der Mehrfachexpansionsmaschine sind nicht die einzigen
                              									Gründe, sie als erstrebenswert anzusehen und sie auch in thermischer Hinsicht der
                              									mehrstufigen Expansion gleichgestellt zu wünschen.
                           Daß gegenüber der Mehrzylindermaschine der Fortfall aller inneren Ueberström- und
                              									Stauungsverluste als Gewinn zu buchen ist, steht fest. Richtig ist, daß größere
                              									Temperaturdifferenzen bei der einfachen Expansion auftreten. Die mittlere Temperatur
                              										wäre niedriger, wenn der Temperaturausgleich wie bei
                              									der Wechselstrommaschine vorhanden wäre. Dieser grundlegende Unterschied ist bereits
                              									bei der Einzylindermaschine besprochen. Mit der Fortschaffung dieses Nachteils
                              									werden die Kondensations- bezw. Abkühlungsverluste beim Einströmen und bei der
                              									Expansion und damit das Hauptübel des Wechselstroms stark verringert. Nicht genügend
                              									betont ist bisher, daß bei Mehrzylindermaschinen die wärmeabgebende Oberfläche und
                              									die von der Luft umspülte und gekühlte Metallmasse verdoppelt und verdreifacht ist,
                              									was trotz Isolation große Verluste bedingt. Vermehrte Kolben- und Triebwerksreibung
                              									der Mehrzylindermaschine kommt nicht nur der Gleichstrommaschine, sondern jeder
                              									anderen Einzylindermaschine ebenfalls zugute. Der mitunter angeführte Nachteil
                              									höherer Kolbenkräfte der Einzylindermaschine gegenüber der Mehrzylindermaschine ist
                              									nur von theoretischem Wert und praktisch namentlich bei Maschinen mit stark
                              									wechselnder Belastung geringfügig. Außerdem ist bei Tandem-Verbundmaschinen ein
                              									Unterschied gar nicht vorhanden.
                           In der Tat ist das Mittel, eine Dampfmaschine dadurch zur thermisch günstigeren
                              									Wirkung zu bringen, daß man so und so viel Zylinder, mitunter mit besonderem
                              									Triebwerk, hinzufügt, so ungeheuerlich, daß es erfahrungsgemäß namentlich jungen
                              									Ingenieuren zuerst nicht in den Kopf will, da doch der Niederdruckzylinder allein
                              									die ganze Arbeit leisten könnte, wenn er nur wärmedicht wäre. Daher ist es klar, daß
                              									dieses Mittel ebenso schwer aufgegeben wird, wenn es erst einmal gelang, von der
                              									großen Zweckmäßigkeit desselben gegenüber der unvollkommenen Einzylindermaschine
                              									alter Bauart zu überzeugen. Es ist gewissermaßen erst latente Ueberzeugung zu
                              									überwinden. Man sagt sich, daß die ganze Entwicklung der Dampfmaschine doch nicht
                              									umsonst bisher über die mehrstufige Expansion gegangen ist, vergißt aber, daß beim
                              									Gleichstrom die Kolbendampfmaschine auf eine prinzipiell andere Grundlage, ähnlich
                              									der Dampfturbine, gesetzt ist. Man zieht den falschen, oberflächlichen Schluß, daß,
                              									da in der Gleichstrommaschine der Dampf wie in jeder Einzylindermaschine expandiert,
                              									wobei die Temperatur ebenso sinkt, nun auch die weiteren Folgen die gleichen sein
                              									und zu dem bewährten Mehrzylinderprinzip führen müßten. Das menschliche Vorurteil
                              									tut dann noch das seine, um ja recht fest am Dogma zu hängen. Der Verfasser dieser
                              									Zeilen zögert nicht, zu erklären, daß solche Ueberlegungen ihn beim Erscheinen
                              									der Gleichstrommaschine veranlaßten, zunächst mehr eine Nachahmung der
                              									Zweitaktgasmaschine wegen äußerer Vorteile, etwa wegen des Fortfalls der
                              									Auslaßsteuerung, darin erblickt zu haben. Er tröstet sich damit, daß er weiß, sich
                              									hierbei in guter Gesellschaft befunden zu haben. Beschäftigt man sich näher mit
                              									dieser Maschine, so erkennt man klare thermische und praktische Ziele, die Häufung
                              									von Wirkungen, die sich addieren. Gegenüber den Angriffen war eine Rehabilitierung
                              									der Gleichstrommaschine notwendig. Wenn auch im obigen nur eine Reihe von Gründen
                              									angeführt ist, die die Ueberlegenheit des Gleichstromprinzips erklären und
                              									gewissermaßen als logische Ableitung ergeben, so wäre natürlich von unparteiischer
                              									Seite der Beweis durch den Versuch sehr erwünscht. Die eingehenden Versuche, die in
                              									dem Werke von Professor Stumpf angeführt sind, werden
                              									vielen als parteiisch gelten. Technische Hochschulen, die über ein gutes
                              									Maschinenlaboratorium verfügen (was in Helsingfors bis jetzt leider nicht der Fall
                              									ist), werden sich naturgemäß der Streitfrage annehmen. Gegenüber den in der
                              									Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure veröffentlichten Vergleichversuchen muß
                              									im Interesse sachlicher Gerechtigkeit betont werden, daß die Unterlagen viel zu
                              									ungleich gewesen sind, als daß sie einen Vergleich, geschweige denn schwerwiegende
                              									abschließende Urteile über eine Bauart zulassen. Bei den geringen Differenzen der
                              									Versuchsresultate, aus denen dort die Schlüsse gezogen werden, muß ein viel
                              									geringerer Einfluß der Versuchsfehler, d.h. eine möglichst gleiche Versuchsbasis
                              									gefordert werden. Zweckmäßig erschiene zur Prüfung der thermischen Eigenschaften des
                              									Gleichstromprinzips der Vergleich einer Versuchsmaschine, umgekehrt wie jetzt
                              									üblich, also mit Einströmung in der Mitte und Ausströmung an den Enden, mit einer
                              									gleich großen Wechselstrommaschine, die Ein- und Auslaß in der Mitte besitzt.
                              									Aeußerlich wäre letztere der bekannten Dinglerschen
                              									Viertakt-Gasmaschine, System Hennig, nicht unähnlich. In
                              									solcher, nur dem Versuche dienenden Maschine würden die Eigenschaften des
                              									Gleichstroms ausgesprochener hervortreten, als bei der üblichen Anordnung.
                              									Praktische Nachteile, wie Innenstopfbüchse, zwei lange Kolben usw. kämen hier nicht
                              									in Betracht, da es sich nur um die Feststellung thermischer Eigenschaften handeln
                              									würde.
                           Obwohl für die Fortentwicklung einer Maschinenart die Konkurrenz, das Wettstreben
                              									vieler zur möglichst vollkommenen Lösung, von Vorteil und von diesem Gesichtspunkte
                              									aus zu begrüßen ist, so darf andererseits nicht verkannt werden, daß ein Widerspruch
                              									darin liegt, daß gerade bei Konstruktionen von einschneidender Bedeutung ein
                              									Erfinderschutz oft nicht oder nur ungenügend zu erlangen ist. Gerade solche
                              									Erfindungen sind häufig scheinbar zu einfach, um patentiert werden zu können. Oder
                              									die „Idee“ ist vorbekannt, ohne daß sie dem, der sie zuerst faßte, entweder
                              									in ihrer ganzen Tragweite zum Bewußtsein kam, oder daß es ihm gelang sie lebensfähig
                              									zu gestalten. Beispiele hierfür sind die Viertaktgasmaschine von Otto-Deutz, deren Vorbekanntsein auch nachgewiesen wurde, und die
                              									Gleichstrommaschine. Die einfache Maßnahme, Auspuffschlitze anzuwenden, zieht eine
                              									Reihe wichtiger Folgen nach sich, deren Wirkungen sich als günstig aneinanderreihen.
                              									Auspuffschlitze sind aber „vorbekannt“, also nicht patentfähig. Das gesunde
                              									Gefühl sagt, daß derjenige die Früchte einer Erfindung ernten müßte, der durch
                              									zielbewußte Ueberlegung und mannigfache Opfer an Zeit und Geld eine Konstruktion lebensfähig gemacht hat. Das ist nicht gleichbedeutend
                              									mit dem Fassen einer Idee. In der Praxis der Patenterteilung wird häufig Ziel und
                              									Wirkung zu gering bewertet und der Schutz zu einseitig auf das Konstruktionsmittel
                              									erstreckt. Dabei ergibt sich der Konflikt, daß oft eine Konstruktion vorbekannt ist,
                              									aber in ganz anderer Absicht entstand, als sie später von anderen wiederentdeckt
                              									wird, aber mit anderen Zielen und anderer Wirkung.
                           Das Patentgesetz zeigt hier zweifellos eine Lücke, von der wir aber nicht
                              									behaupten wollen, daß es leicht sei, sie auszufüllen. Vielleicht wäre der Vergleich
                              									mit dem Autorenschutz eine Anregung zur Lösung.
                           Für den fördernden Wettbewerb ließe sich auch bei bestehender Lizenzabhängigkeit ein
                              									weites Feld finden. Man hätte aber bei Aufrechterhaltung des Erfinderschutzes mehr
                              									als bisher die Möglichkeit, zu verhindern, daß Versuche zersplittert werden. Man
                              									könnte große Kapitalien sparen, wenn die Versuche auf eine Stelle konzentriert
                              									würden. Die Lizenzträger würden dann gewissermaßen Erfahrungen kaufen. Die Summe,
                              									die sie für eigene Versuche ausgeben, würde wahrscheinlich durch die Lizenzgebühr
                              									nicht erreicht, dem Urheber würde das gebührende Urheberrecht zuteil und auch die
                              									ihm gebührende Erfinderehre historisch gewahrt.