| Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 158 | 
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                        POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Ueber die Messung großer Kräfte im
                                 										Materialprüfungswesen sprach A. Martens in der
                              									Sitzung der Kgl. preußischen Akademie der Wissenschaften am 21. Dezember v. J.
                           Derartige Messungen beruhen meistens auf der Ermittlung der Formänderung fester
                              									prismatischer Körper mit hoher Elastizitätsgrenze, z.B. Stahl. Die durch die Kraft
                              									hervorgerufenen elastischen Formänderungen müssen dabei von möglichst einfacher Art
                              									sein. In der Regel werden die Körper nur auf Zug oder Druck beansprucht. Die
                              									erwähnten Messungen lassen sich mit Vorteil zur Prüfung und Eichung von
                              									Festigkeitsprobiermaschinen verwenden. Bekannt sind die bisher benutzten Apparate,
                              									welche aus zylindrischen Stäben in Verbindung mit Spiegelapparaten bestanden, welch
                              									letztere die auftretenden Formänderungen ins Große übersetzten. Den kleinen Hebelarm
                              									bildete dabei ein Schneidenkörper aus rautenförmig geschnittenem harten Stahl, der
                              									sich mit der einen Spitze gegen den zu deformierenden Stahlzylinder stützte und am
                              									anderen Ende einen kleinen Spiegel trug. Mit Hilfe eines Fernrohres wurde dann die
                              									durch die Verlängerung des Stabes erzeugte Drehung des Spiegels an einer Skala
                              									abgelesen. Das Uebersetzungsverhältnis ließ sich dann ausdrücken durch den Abstand
                              										r der beiden Schneidenkanten und den doppelten
                              									Abstand 2A der Maßstabfläche von dem Spiegeldrehpunkt
                              										n=\frac{r}{2\,A}. Durch geeignete Auswahl der Größen r und A ist es möglich,
                              									ein Uebersetzungsverhältnis von 1 : 500 bis 1 : 1000 herzustellen, so daß sich bei
                              									entsprechender Fernrohrvergrößerung Messungen von der Größenordnung 10– 6 cm leicht und genau bewerkstelligen
                              									lassen.
                           Als Kontrollstäbe kommen Zylinder aus gutem Stahl zur Verwendung, welche Kräfte
                              									bis zu 100 t und mehr aufnehmen können, ohne dauernde Formänderungen dadurch zu
                              									erleiden.
                           Beim Kgl. Materialprüfungsamt in Groß-Lichterfelde werden Kontrollstäbe von 300 bis
                              									500 t zulässiger Belastung zu häufiger Prüfung der eigenen Maschinen benutzt. Die
                              									erzielte Meßgenauigkeit beträgt dabei etwa ± 0,5 v. H. Zum Belasten der Prüfapparate
                              									dienen mit Präzisionseichstempeln versehene Gewichtsscheiben von je 1000 kg, deren
                              									Gewicht bis zu 200 g genau ist. Das Aufbringen dieser einzelnen Scheiben erfolgt
                              									mittels einer hydraulischen Presse. Nach jeder Belastungszunahme um 1000 kg wird
                              									mittels Spiegelapparates die erzielte Längenänderung des Kontrollstabes in cm– 6 abgelesen. In einer richtigen Prüfmaschine muß
                              									der Kontrollstab bei Kräften von 1 bis 10 t und von 90 bis 100 t genau die gleichen
                              									Längenänderungen für jede Tonne Gewichtsunterschied angeben, falls die
                              									Elastizitätsgrenze des Kontrollstabes bei der betreffenden Belastung noch nicht
                              									überschritten ist. Der auf solche Weise geprüfte Stab kann nun in seinem ganzen
                              									Meßbereich zur Maschinenprüfung benutzt werden. Wird eine große Anzahl solcher
                              									Kontrollstäbe auf verschiedenen Maschinen geeicht und zur Messung verwendet, so
                              									lassen sich mit ihnen sehr genaue Messungen ausführen.
                           Bei den oben beschriebenen Kontrollprüfungen ergab sich der Mißstand, daß die Wagen
                              									der Maschinen infolge starker Inanspruchnahme, insbesondere infolge starker
                              									Schlagwirkung beim Bruch der Versuchsstücke, mit der Zeit ungenau werden. Man war
                              									also auf Mittel bedacht, die Wagen ganz auszuschalten und das Kraftmeßverfahren im ganzen einfacher
                              									zu gestalten. Es wurde durch häufige Vergleichversuche konstatiert, daß man auch mit
                              									der ohnehin meistens vorhandenen hydraulischen Presse mit Lederstulpenliderung eine
                              									für praktische Zwecke hinreichende Genauigkeit von ± 1 v. H. erzielen kann, wenn die
                              									aufgewendete Kraft aus Wasserdruck × Kolbenfläche berechnet wird. Dadurch konnten
                              									die Prüfeinrichtungen ganz wesentlich vereinfacht werden. Als weiterer Vorteil ergab
                              									sich dabei, daß das Materialprüfverfahren in der Praxis zu ausgedehnter Anwendung
                              									gelangen und auf den verschiedenen Baustellen selbst vorgenommen werden konnte. Die
                              									Prüfung derartiger Maschinen mittels Kontrollstabes und Spiegeleinrichtung läßt sich
                              									zwar durchführen, erfordert aber große Geschicklichkeit in der Beobachtung. Man war
                              									daher darauf bedacht, die Prüfvorrichtung noch weiter zu vereinfachen.
                           Eine aus Deutschland stammende und in Amerika vielfach benutzte Vorrichtung ist die
                              									Meßdose, welche den Vorteil hat, daß sie neben sehr großen Kraftmessungen auch
                              									feinere Messungen für geringere Kräfte gestattet. Sie besteht aus einem dickwandigen
                              									Gefäß, das durch einen Deckel und ein sehr dünnes Messingblech abgeschlossen ist.
                              									Die Dose ist mit Wasser gefüllt, das durch ein Rohr von 2 mm l. W. mit der Feder
                              									eines Bourdonschen Manometers in Verbindung steht. Die
                              									von der Dose übertragene Kraft kann also entweder aus der Manometerablesung und der
                              									wirksamen Kolbenfläche der Meßdose, oder aber noch einfacher aus einer Eichtabelle
                              									ermittelt werden. Da der Dosenabschluß leicht beweglich ist, sind die auftretenden
                              									Meßfehler verschwindend klein. Die Dose wird am zweckmäßigsten mit dem oben
                              									beschriebenen Stabkontrollapparat geeicht. Wegen der dünnen Verbindung zwischen
                              									Deckel und Dosenwand kann man mit dem Wasserdruck nicht wohl über 200 bis 300 Atm.
                              									gehen. Für die Messung sehr großer Kräfte muß also die Dose einen verhältnismäßig
                              									großen Durchmesser erhalten.
                           Man griff daher wieder zu dem alten Grundsatz zurück, die elastische Formänderung
                              									prismatischer Körper unter Umgehung des Spiegelapparates zu benutzen, wodurch man
                              									sehr brauchbare Apparate zum Messen großer Kräfte erhielt. Es wird zu diesem Behufe
                              									mit dem einen Ende des prismatischen Kontrollkörpers der Körper eines Gefäßes fest
                              									verbunden, während der Deckel mit dem anderen Ende vereinigt ist. Aendert nun der
                              									Kontrollkörper seine Länge, so werden die beiden federnd verbundenen Stücke relativ
                              									zueinander bewegt und der Inhalt des Gefäßes ändert sich. Die Volumenänderung der im
                              									Gefäß eingeschlossenen Wassermassen ist direkt ein Maßstab für die elastische
                              									Längenänderung des Kontrollkörpers und damit für die zu messende Kraft. Es ist klar,
                              									daß auf diese Weise sehr empfindliche Messungen ausgeführt werden können.
                           Dieser Konstruktionsgedanke wurde zuerst von der Firma Amsler-Laffon in Schaffhausen verwirklicht, welche hierzu einen
                              									ringförmigen, auf Druck beanspruchten Kontrollkörper benutzte. Neuerdings hat G. Wazau einen ähnlichen Apparat entworfen, bei dem ein
                              									zylindrischer Kontrollstab benutzt wird, der auf Zug oder Druck beansprucht
                              									werden kann.
                           Bei beiden Konstruktionen werden die durch die Längenänderung des Kontrollstabes
                              									hervorgerufenen Raumveränderungen des Meßgefäßes durch einen von einer
                              									Mikrometerschraube bewegten Verdrängungskörper wieder rückgängig gemacht, indem ein
                              									vom Meßgefäß in ein Haarrohr auslaufender Queksilberfaden wieder auf die frühere
                              									Marke eingestellt wird. Die Empfindlichkeit des Apparates ist eine sehr hohe, sie
                              									ergibt sich aus dem Verhältnis der Flächeninhalte des Verdrängungsgefäßes (der Dose)
                              									und des Haarrohres. Ein Uebersetzungsverhältnis von 1 : 2000 ist auf diese Weise
                              									leicht erreichbar. Bei einem Versuch von G. Wazau ließ
                              									sich eine Genauigkeit bis auf 2 kg erzielen bei einer Gesamtbelastung von 10000
                              									kg.
                           Bei Messungen mit solchen Meßwerkzeugen, die auf der Flüssigkeitsverdrängung beruhen,
                              									ist aber besondere Vorsicht gegen auftretende Temperaturschwankungen geboten, da
                              									diese die Meßresultate bedeutend beeinträchtigen würden.
                           Am Schlusse seiner Ausführungen erwähnte Martens, daß das
                              									zuletzt beschriebene Verfahren von Wazau für eine im
                              									Materialprüfungsamt Groß-Lichterfelde aufzustellende Maschine von 3000 t
                              									Kraftleistung zur Anwendung gelangen soll. [Sitzungsberichte der Kgl. Preuß.
                              									Akademie der Wissenschaften.]
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                           Ueber das Zerstäuben von Hochofenschlacke mittels Luft,
                                 										Wasserdampf oder Salzlösungen zum Zwecke der Zementdarstellung finden sich
                              									in der Zeitschrift „Stahl und Eisen“ vom 8. Februar 1912 interessante
                              									Angaben.
                           Das Zerstäuben mittels Luft oder Wasserdampf stammt von Passow, der das deutsche Reichspatent 128281 darauf erhielt, das sich aber
                              									zunächst nur auf die Zerstäubung mittels Luft bezog. Der Anspruch des Patentes
                              									lautet folgendermaßen: Verfahren zum Herstellen. von Zement aus Hochofenschlacke,
                              									dadurch gekennzeichnet, daß die Hochofenschlacke in flüssigem Zustand so lange einem
                              									Luftstrom ausgesetzt wird, bis die erstarrte Schlacke gemahlen und mit Wasser
                              									angemacht ohne Zuschläge zementartig erhärtet.
                           Passow erkannte im weiteren Verlauf seiner Untersuchungen
                              									das eigentliche Wesen der Zementbildung aus Schlacke. Das Rohmaterial muß in zwei
                              									verschiedene Arten von Schlacken übergeführt werden: In glasige und entglaste
                              									Schlacke, die, wenn sie im richtigen Verhältnis miteinander gemahlen werden, einen
                              									Zement liefern, der für sich allein ohne Zuschlagmittel abbindungsfähig ist. Diese
                              									Umwandlung des Rohmaterials in zwei verschiedene Schlackenarten kann im Wege der
                              									Abkühlung geschehen, doch ist dabei die Art des Kühlmittels gleichgültig. In Verfolg
                              									dieser Erkenntnis erhielt Passow dann noch das deutsche
                              									Reichspatent 151228.
                           Die praktische Ausführung der Zerstäubung durch Wasserdampf ist sehr einfach: Unter
                              									die Schlackenrinne wird ein Rohr gelegt, das mit einer Düse ausgestattet ist, welche Preßluft
                              									oder gespannten Dampf gegen die abfließende Schlacke bläst.
                           Die zweite Art des Zerstäubens der Schlacke, nämlich das Zerstäuben mittels
                              									Salzlösung, rührt von Colloseus her, welcher ein
                              									deutsches Reichspatent 185534 auf dieses neue Verfahren erhielt. Der Anspruch dieses
                              									Patentes lautet: Verfahren zur Herstellung von Zement durch Behandeln heißer
                              									flüssiger Hochofenschlacke mit alkalischen Lösungen, dadurch gekennzeichnet, daß in
                              									die heißflüssige Schlacke, gegebenenfalls in fein verteiltem Zustand Lösungen
                              									wasserlöslicher Kalk-, Aluminium- oder Magnesiumsalze so eingespritzt werden, daß
                              									das Lösungsmittel in Berührung mit der Schlacke vollständig verdampft. Zur
                              									Realisierung dieses Verfahrens bedient man sich einer Schleudertrommel. auf welche
                              									die Schlacke geleitet wird. Die Trommel ist durch Scheidewände in mehrere Kammern
                              									geteilt, in welche die Zerstäubungsflüssigkeit unter Druck eingespritzt und der
                              									Schlacke entgegengeschleudert wird. Die Schlacken bekommen dadurch ein
                              									schwammartiges Aussehen und ergeben nach dem Mahlen einen abbindungsfähigen
                              									Zement.
                           Nach Ansicht des Erfinders verdampft in der hohen Temperatur der Schlacke das
                              									Lösungswasser sehr rasch, und es tritt eine Dissoziation der Salze ein, so daß die
                              									Schlacke neue Verbindungen eingeht und eine andere chemische Zusammensetzung erhält.
                              									Das Gefüge wird dadurch gelockert und bekommt eine zementartige Struktur. Passow freilich ist anderer Meinung und erblickt in der
                              									Anwendung von Salzlösungen bloß eine Umgehung seines eigenen Verfahrens. Er wies mit
                              									Recht darauf hin, daß eine Einwirkung der Salzlösungen auf die flüssige Schlacke
                              									schon deswegen nicht eintreten könnte, weil bei Berührung der Schlacke mit den
                              									Lösungen das Leidenfrostsche Phänomen auftritt. Das
                              									Wasser verdampft hierbei und die Salze bleiben zurück, ohne mit der Schlacke in
                              									innige Berührung zu kommen. Nach Passows Meinung beruht der Erfolg des Verfahrens
                              									ebenfalls darin, daß man wie bei seinem Verfahren durch Dampfgranulation die
                              									Rohschlacke in zwei verschiedene Zustandsformen, die „Glasige“ und die
                              										„Entglaste“ überführt.
                           Man arbeitet in der Praxis heute nicht mehr nach dem Colluseusschen Verfahren, aber auch nicht nach dem reinen Passowschen Verfahren. Man setzt der Schlacke vielmehr
                              									15–30 v. H. Portlandzementklinker zu.
                           Die Kühlung der Schlacke nach den beiden geschilderten Verfahren hat gegenüber der
                              									Wassergranulierung den erheblichen Vorteil, daß ein nachheriges Trocknen der
                              									Schlacke überflüssig ist. Aber die mit diesen Verfahren erzielten Schlackengranulate
                              									lassen sich schwerer mahlen und haben keine so gleichmäßige glasige Struktur wie die
                              									durch Wassergranulierung erhaltenen.
                           ––––––––––
                           Elektrische Streckenförderung mit führerlosen
                                 										Akkumulatorlokomotiven stellt eine wichtige Neuerung im Bergbaubetriebe
                              									dar, die dazu berufen sein dürfte, die Arbeit des Grubenpferdes und teilweise auch
                              									die menschliche Arbeit zu ersetzen. Der Betrieb dieser Lokomotiven gestaltet sich
                              									beinahe vollkommen automatisch.
                           Am Eingang des Förderschachtes wird die Lokomotive vor einen Leerzug gesetzt, der
                              									gewöhnlich aus 16 Wagen besteht, und je nach dem Bestimmungsort des Lastzuges ein
                              									Ring eingehängt, welcher nach Ankunft am Ziel einen bestimmten Anschlagspunkt trifft
                              									und dadurch den ganzen Zug stillsetzt.
                           Die Lokomotive besitzt an ihrem vorderen Ende einen breiten, in wagerechter Richtung
                              									vorstehenden Bügel, der den Strom einschaltet, wenn er ausgezogen, und abschaltet,
                              									wenn er zurückgeschoben wird. Nachdem man durch Lösung der Arretierung dieses Bügels
                              									den Zug in Bewegung gesetzt hat, bewegt er sich von selbst bis zu einem vorher
                              									bestimmten Punkt in Abbaufeld, wo der eingelegte Ring an den Anschlagspunkt stößt.
                              									Auch auf der Strecke kann der mit der mäßigen Geschwindigkeit von 3,5 km i. d. Std.
                              									fahrende Zug jederzeit leicht angehalten werden, indem sich ein Arbeiter dem Zug in
                              									den Weg stellt und mit den Händen oder, falls er diese nicht frei hat, mit dem Bein
                              									den Fahrbügel in der Fahrtrichtung zurückschiebt.
                           Ist der Leerzug am Bestimmungsort angelangt, so wird durch Umklappen des Bügels die
                              									Fahrtrichtung der Lokomotive umgekehrt und der ebenfalls aus 16 Wagen bestehende
                              									beladene Zug angekoppelt. Folgen sich mehrere Züge auf der Strecke, so wird immer
                              									die nachfolgende Lokomotive durch den letzten Wagen des vorderen Zuges angehalten
                              									und setzt sich selbsttätig wieder in Bewegung sobald dieser den Bügel wieder
                              									freigibt.
                           Zwei derartige Lokomotiven, welche in der Kgl. Steinkohlengrube von der Heydt auf der
                              									sechsten Tiefbausohle, Flöz Amelung, in Verwendung sind, leisten in achtstündiger
                              									Schicht je etwa 70 Nutztonnenkilometer bei einem Stromverbrauch von 0,167 KW/Std.
                              									für den Nutztonnenkilometer. [Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen, 24. I.
                              									1912.]