| Titel: | MATERIALPRÜFUNGSMASCHINE MIT 3000 t DRUCKKRAFT. | 
| Autor: | Seydel | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 168 | 
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                        MATERIALPRÜFUNGSMASCHINE MIT 3000 t
                           								DRUCKKRAFT.
                        SEYDEL: Materialprüfungsmaschine mit 3000 t Druckkraft.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Beschreibung einer Materialprüfungsmaschine von außergewöhnlichen
                              									Abmessungen.
                           ––––––––––
                           Die Aufgaben, die im Brücken- und allgemeinen Eisenbau dem Ingenieur gestellt werden,
                              									sind beständig im Wachsen, werden größer und ihre Lösung ist schwieriger. In der
                              									rechnerischen Behandlung der Aufgaben hat man fortlaufend so anerkennenswerte
                              									Fortschritte gemacht, daß Lücken eigentlich kaum empfunden werden. Auch die
                              									Ausbildung der Einzelheiten der Konstruktionen ist ganz erheblich gefördert worden,
                              									jedoch nicht in dem Maße, wie das wohl wünschenswert gewesen wäre, weil die bisher
                              									zur Verfügung gewesenen Versuchseinrichtungen nicht genügt haben, um völlige
                              									Klarheit zu geben darüber, ob die gebräuchlichen Voraussetzungen für die Ausbildung
                              									der Nietverbindungen, die Widerstandskraft gedrückter Stäbe und dergleichen,
                              									genügend genau richtig sind.
                           Verschiedene Unglücksfälle, die durch die technische Literatur bekannt geworden sind,
                              									haben bis in die neueste Zeit hinein gezeigt, wie wenig Uebereinstimmung unter den
                              									Fachleuten besteht, wenn man den Gründen der Unglücksfälle nachgeht.
                           Diese Tatsache hat dem Verein deutscher Brücken- und
                                 										Eisenbau-Fabriken Veranlassung gegeben, zur Klärung der strittigen Fragen
                              									durch Versuche im Großen beizutragen. Der preußische Staat, der Stahlwerksverband
                              									und der Verein Deutscher Ingenieure haben sich in dankenswerter Weise bereit finden
                              									lassen, das Streben des Brückenbauvereins durch Hergabe bedeutender Geldmittel zu
                              									unterstützen und durch ständige Mitarbeit zu fördern. Ueber die bisherigen Versuche
                              									ist bereits Bericht erstattet, weitere Versuche sind im Gange. Zur Vornahme der
                              									Versuche standen bisher die Maschinen des Königlichen Materialprüfungsamtes in
                              									Groß-Lichterfelde zur Verfügung; da aber diese Hilfsmittel für die geplanten
                              									Versuche nicht mehr ausreichten, hat der Brückenbauverein eine große
                              									Prüfungsmaschine in Auftrag gegeben.
                           Da die Versuche ein großes und allgemeines Interesse beanspruchen können, so sei hier
                              									eine kurze Beschreibung der Maschine gegeben.
                           
                        
                           Beschreibung der Maschine.
                           Um die Versuchsstücke leichter ein- und ausbauen und das Verhalten der Probestäbe
                              									während des Versuchs besser übersehen zu können, wurde die wagerechte Lage der
                              									Maschine gewählt.
                           Die Maschine wird eine Druckkraft bis 3000 t ausüben können und vermag Stäbe bis 13 m
                              									Länge aufzunehmen. Sie ist ferner so eingerichtet, daß auch Zugversuche vorgenommen
                              									werden können mit einer größten Zugkraft von 1500 t mit Stäben von 8 bis 13 m
                              									Länge.
                           In der Hauptsache besteht die Prüfungsmaschine (Fig.
                                 										1) aus einer hydraulischen Presse, einem Gegenhalter und zwei kräftigen,
                              									in geneigter Ebene liegenden Spindeln, die beide Teile miteinander verbinden.
                              									Der Gegenhalter b kann an den mit Gewinde versehenen
                              									Spindeln aa um rd. 8 m verschoben werden. Durch
                              									zweiteilige Muttern cc, die in das Gewinde der Spindeln
                              									eingreifen, kann der Gegenhalter auf dieser Strecke, der jeweiligen Länge des
                              									Versuchsstückes entsprechend, festgelegt werden. Bei der Ausführung von
                              									Druckversuchen wird der Preßzylinder d, bei
                              									Zugversuchen der Kolben e durch ein Querhaupt f mit den Spindeln aa auf
                              									gleiche Weise wie der Gegenhalter b gekuppelt. Die
                              									zweiteiligen Muttern cc werden durch Schraubengetriebe
                              									bewegt. Bei jedem Arbeitsvorgang erfolgt die Kräfteübertragung von der Presse auf
                              									den Gegenhalter durch die Spindeln, die bei Druckversuchen auf Zug, bei Zugversuchen
                              									auf Druck beansprucht werden. Durch Unterstützungsböcke gg werden die Spindeln gegen Knicken gesichert. Die Kräfteübertragung auf
                              									das Versuchsstück erfolgt bei Druckversuchen durch zwei schwere, quadratische
                              									Druckplatten hh von 2 m Seitenlänge, deren Widerlager
                              									kugelig ausgebildet sind, damit sie den Ausbiegungen der Versuchsstücke folgen
                              									können. Um die Druckplatten möglichst leicht beweglich zu machen, ist zwischen den
                              									Kugelflächen eine Flüssigkeitsschicht eingeschaltet, auf der die Druckplatten bei
                              									den Druckversuchen ruhen. Die Reibung zwischen den Kugelflächen ist daher sehr
                              									gering und das Reibungsmoment, das dem Ausweichen der Druckplatten entgegenwirkt,
                              									ist auf das geringmöglichste Maß beschränkt.
                           Für Zugversuche sind an der Presse und am Gegenhalter Zugstangen ik vorgesehen, die an den vorderen Enden mit Gewinde
                              									zum Aufschrauben von besonderen, in Fig. 1 nicht
                              									angegebenen Einspannstücken versehen sind. Bei Druckversuchen sind die Zugstangen
                              									bis hinter die kugeligen Unterstützungen der Druckplatten zurückgezogen.
                           Um die Reibungswiderstände bei den Versuchen nach Möglichkeit zu verringern, sind der
                              									Preßzylinder d und das Querhaupt f durch Walzenketten unterstützt. Das Zurückziehen des
                              									Preßkolbens erfolgt durch zwei hydraulische Rückzugzylinder ll , die im Querhaupt f verlagert sind und
                              									deren Rückzugstangen am Preßzylinder d angreifen. Das
                              									Verstellen des Gegenhalters b besorgt ein von einem
                              									Elektromotor m angetriebenes Zahnradvorgelege n, das in eine auf dem Maschinenfundament befestigte
                              									Zahnstange o eingreift. Der Elektromotor mit Anlasser
                              									ist auf dem Gegenhalter b aufgestellt; die
                              									Stromzuführung erfolgt durch biegsame Kabel. Der Gegenhalter ruht auf vier Rollen,
                              									die den größten Teil des Gewichtes tragen; der Rest wird durch die Gleitbahnen
                              									aufgenommen. Außerdem wird der Gegenhalter durch kräftige Führungen am Maschinenbett
                              									geführt. Damit alle vier Rollen gleichmäßig tragen, sind die Lager der Rollenzapfen
                              									durch Federn unterstützt.
                           Die Führungen des Gegenhalters b sind so ausgebildet,
                              									daß etwa auftretende einseitige Kräfte nicht auf die Unterstützungsrollen, sondern
                              									auf einen genieteten kräftigen Fundamentrahmen übertragen werden.
                           
                           Der Preßzylinder d und das Querhaupt f werden ebenfalls am Maschinenbett durch kräftige
                              									Führungen geführt, die so stark bemessen sind, daß bei Ausweichen des
                              									Versuchsstückes etwa auftretende einseitige Kräfte auf das Maschinenbett übertragen
                              									werden.
                           Die aus je zwei Teilen bestehenden Spindeln aa werden
                              									durch Muffen miteinander gekuppelt.
                           Die Gleitbahnen für die beweglichen Teile sind sauber gehobelte, schwere
                              									Gußeisenplatten. Die ganze Maschine ruht auf dem bereits erwähnten, aus Walzeisen
                              									genieteten Fundamentrahmen, der mit dem Fundament verankert ist.
                           Alle großen und schweren Teile, wie Preßzylinder, Querhaupt, Unterstützungsböcke für
                              									die Spindeln, Druckplatten und Gegenhalter usw. sind aus Stahlguß, die Spindeln,
                              									Zugstangen für Zugversuche, Kolben und alle sonstigen beanspruchten Teile aus
                              									geschmiedetem Stahl. Die Abdichtung der hydraulischen Kolben erfolgt durch
                              									Ledermanschetten; Zylinder und Stopfbüchsen sind an den Gleitstellen für die Kolben
                              									mit Bronzebüchsen versehen.
                           Um die Reibungswiderstände infolge Längenänderung der Spindeln möglichst klein zu
                              									halten, sind die Spindeln auf den Unterstützungsböcken durch Rollenlager leicht
                              									verschiebbar abgestützt. Zur Vernichtung der bei Zugversuchen plötzlich
                              									freiwerdenden Kräfte sind an den Enden der Spindeln aa
                              									zwei hydraulische Bremsen pp vorgesehen, deren
                              									Kolbendruck so bemessen ist, daß die Spindeln mit allen damit verbundenen Teilen in
                              									die genaue Lage zurückgebracht werden, wenn sie dieselbe durch Einwirkung der
                              									Schleuderkräfte verlassen haben sollten. Der größte Druck der Bremszylinder beträgt
                              									200 at.
                           Bei der Konstruktion der ganzen Maschine ist besonders darauf Bedacht genommen, daß
                              									beim plötzlichen Freiwerden der in den Spindeln, Querhäuptern usw. enthaltenen
                              									Kräfte bei Zugversuchen keine Unzuträglichkeiten und Brüche entstehen können.
                           Der Steuerapparat q ist an übersichtlicher Stelle, neben
                              									der hydraulischen Presse, aufgestellt. Die Druckwasserzuführung von der Steuerung zu
                              									den Zylindern erfolgt durch Gelenkrohre rr. Der
                              									Betriebsdruck wird von einer eigens erbauten Kraftanlage geliefert und beträgt für
                              									Druckversuche 400 at und für Zugversuche 200 at. Die Steuerung ist so eingerichtet,
                              									daß der Leervorgang des großen Preßkolbens durch Füllwasser von etwa 3 bis 4 at
                              									Druck erfolgt, der aus der Wasserleitung entnommen wird.
                           Zum Messen des Druckes im Preßzylinder sind zwei Präzisionsmanometer vorgesehen. Ein
                              									weiteres Manometer dient zum Messen des Druckes in den Rückzugzylindern während der
                              									Versuche, das vierte Manometer zeigt den Druck im Akkumulator. Alle Manometer sind
                              									mit Schutzvorrichtungen versehen, um plötzliche Wasserstöße und plötzliche
                              									Druckabnahme von den Manometern abzuhalten. Der Arbeitsvorgang ist folgender: Soll
                              									die Maschine für Druckversuche vorbereitet werden, so wird der Preßzylinder durch
                              									die zweiteiligen Muttern mit den großen Spindeln gekuppelt, das Kolbenquerhaupt
                              									entkuppelt, die Stangen i und k zurückgezogen und die hydraulischen Widerlager für die Druckplatten
                              									eingebaut.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 169
                              Fig. 1. Hydraulische Prüfungsmaschine für Zug- und Druckversuche. Druckkraft
                                 										3000 t bei 400 at Betriebsdruck. Zugkraft 1500 t bei 200 at
                                 										Betriebsdruck.
                              
                           Alsdann werden die seitlichen Unterstützungsböcke für die
                              									Druckplatten zurückgezogen, so daß das Gewicht der letzteren nur die unter den
                              									Druckplatten befindlichen Unterstützungswagen aufnehmen. Schließlich wird der
                              									Preßplunger ganz zurückgezogen und der Gegenhalter so weit verschoben, bis der Raum zwischen
                              									den Vorderflächen der beiden Druckplatten nur wenig größer ist als die Länge des
                              									Versuchsstückes. Dann wird der Gegenhalter mit den Spindeln gekuppelt und das
                              									Versuchsstück kann in die Maschine eingebracht werden. Bei Beginn der Prüfung werden
                              									dann die beiden Rückzugzylinder auf Abwasser gestellt, und der Preßplunger wird
                              									zunächst durch Wasserleitungsdruck so weit vorgeschoben, bis beide Druckplatten fest
                              									an dem Versuchsstück anliegen. Hierauf wird die Wasserleitung abgesperrt und Druck
                              									in den Preßzylinder bis zur jeweils erforderlichen Höhe eingelassen. Die
                              									Rückzugzylinder bleiben immer auf Abwasser stehen, wenn das Versuchsstück belastet
                              									wird. Ist der Versuch beendet, so wird die Druckwasserleitung vom Preßzylinder
                              									abgesperrt, der letztere auf Abwasser gestellt und schließlich durch Einlassen von
                              									Druckwasser in die Rückzugzylinder der Preßplunger mit der einen Druckplatte
                              									zurückgezogen.
                           Sollen mit der Maschine Zugversuche ausgeführt werden, so wird das Kolbenquerhaupt
                              									mit den Spindeln gekuppelt, der Preßzylinder entkuppelt, die seitlichen
                              									Unterstützungsböcke unter die Druckplatten geschoben und mit diesen verschraubt, so
                              									daß die Druckplatten auf dem Maschinenbett ruhen. Die beiden Zugstangen i und k werden
                              									vorgeschoben, bis die Gewindeenden vollständig durch die Druckplatten
                              									hindurchtreten. Falls es die Länge des zu prüfenden Stückes erfordert, wird vor dem
                              									Ausbauen des hydraulischen Widerlagers der Gegenhalter eingestellt und dann mit den
                              									Spindeln gekuppelt. Wenn das Versuchsstück eingespannt ist, wird, wie bei
                              									Druckversuchen, zunächst Füllwasser aus der Wasserleitung in den Preßzylinder
                              									eingelassen und die Rückzugzylinder werden auf Abwasser gestellt. Erst wenn das
                              									Versuchsstück durch den Füllwasserdruck gespannt ist, wird die Druckleitung zum
                              									Preßzylinder geöffnet.
                           Die hydraulische Presse ist so eingerichtet, daß sich der Kolben um 40 cm verschieben
                              									kann. Für die Versuche ist dieser Weg vollkommen genügend, ein größerer Weg
                              									kann durch Umsetzen von Plunger und Kolben erzielt werden.
                           Um ein ungefähres Bild von den Stärkeabmessungen und den Maßen der einzelnen
                              									Maschinenteile zu bekommen, sei bemerkt, daß der Druckzylinder rd. 1900 mm äußeren
                              									Durchmesser und rd. 1200 mm Bohrung aufweist und allein rd. 40000 kg wiegt. Die aus
                              									zwei Teilen bestehenden Spindeln haben 500 mm ∅ und wiegen bei je 13,5 m Länge etwa
                              									20000 kg. Der Gegenhalter hat rd. 1160 mm ∅ und ist rd. 32000 kg schwer. Beachtung
                              									verdienen auch die massigen Druckplatten von 4 qm Fläche mit einem Einzelgewicht von
                              									15000 kg.
                           Die Maschine für sich, ohne die für den Betrieb notwendige Preßwasseranlage, hat ein
                              									Gesamtgewicht von rd. 350000 kg.
                           Die Gesamtlänge der Maschine ist rd. 28 m, die Breite etwa 4,5 m; die Maschinenachse
                              									liegt etwa 1250 mm über Hallenflur.
                           Die Maschine wurde nach Angaben des Vorsitzenden des Brückenbauvereins, Kgl. Baurat
                              									Dr.-Ing. Seifert, unter Berücksichtigung der Wünsche des
                              									Materialprüfungsamtes von der Firma Haniel & Lueg,
                              									Düsseldorf, entworfen und ausgeführt. Sie wird gegenwärtig in einer vom Verein
                              									errichteten Halle auf dem Gelände des Kgl. Materialprüfungsamtes in
                              									Groß-Lichterfelde-West aufgestellt und im kommenden Frühjahr ihrer Bestimmung
                              									übergeben.
                           Die Auswertung der Versuchsergebnisse obliegt einem Ausschuß, dessen Mitglieder dem
                              									Lehrberuf und der Praxis angehören.
                           Mögen die Hoffnungen des Vereins, mit Hilfe der mit der Maschine gewonnenen
                              									Ergebnisse lückenlose Bauregeln aufzustellen und einwandfreie Ausbildung von
                              									Konstruktionsteilen zu schaffen, in Erfüllung gehen, zum Nutzen der Allgemeinheit
                              									und zur Ehre der deutschen Wissenschaft.
                           Seydel.