| Titel: | FORTSCHRITTE IN DER ALKALICHLORIDELEKTROLYSE. | 
| Autor: | K. Arndt | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 170 | 
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                        FORTSCHRITTE IN DER
                           								ALKALICHLORIDELEKTROLYSE.
                        Von Professor K. Arndt,
                           									Charlottenburg.
                        ARNDT: Fortschritte in der Alkalichloridelektrolyse.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Die Billiter-Zelle zur
                              									Alkalichloridelektrolyse wird kurz beschrieben; die mit ihr in der Praxis erhaltenen
                              									günstigen Ergebnisse werden durch Zahlen belegt.
                           ––––––––––
                           Um Chlornatrium oder Chlorkalium elektrolytisch zu Aetzalkali oder Chlor zu
                              									verarbeiten, hat man seit etwa zwei Jahrzehnten drei Verfahren im Gebrauch, welche
                              									ihr Ziel, das an der Anode gebildete Chlor von der an der Kathode entstehenden
                              									Alkalilauge fern zu halten, auf ganz verschiedene Weise erreichen. Bei dem
                              									Diaphragmenverfahren ist die Anode in eine schmale Zelle mit porösen Zementwänden
                              									eingeschlossen; bei dem Glocken verfahren wird die verschiedene Dichte von Anoden-
                              									und Kathodenflüssigkeit zu ihrer Trennung benutzt und die ihre Vermischung
                              									erstrebende Diffusion durch entgegengesetztes Strömen der Badflüssigkeit
                              									ausgeglichen; bei dem Quecksilber verfahren wird an
                              									der Kathode Natriumamalgam gebildet, das fortgeführt und in einer besonderen Zelle
                              									zu Natronlauge verarbeitet wird. Alle drei Verfahren sind im Laufe der Zeit
                              									verschiedentlich verbessert worden. Diese Verbesserungen bezweckten, konzentriertere
                              									Laugen zu gewinnen, zur Raumersparnis die Zersetzungszellen mit möglichst starken
                              									Strömen zu betreiben und dennoch gute Stromausbeuten zu erzielen. Diesen Zweck
                              									erreicht z.B. die Townsendzelle, indem sie den
                              									Kathodenraum mit Petroleum beschickt, in welchem das entstandene Aetznatron rasch
                              									untersinkt und so allen chemischen Nebenreaktionen entzogen wird. Obwohl die Townsendzelle am Niagara mit bestem Erfolg arbeitet, hat
                              									sie doch in Europa bisher keinen Eingang gefunden. Dagegen ist die jüngste
                              									Konstruktion auf dem Gebiete der Alkalichloridelektrolyse, die Billiterzelle, welche von Siemens & Halske
                              									gebaut wird, rasch beliebt geworden. In dieser von dem Wiener Privatdozenten Dr. Billiter erfundenen
                              									Zelle sind sozusagen die Vorzüge des Diaphragmen- und des Glockenverfahrens vereint.
                              									Auf dem Boden einer mit Zement ausgekleideten eisernen Wanne liegt als Kathode ein
                              									kräftiges Eisendrahtnetz und über diesem ein aus Asbest und Bariumsulfat bestehendes
                              									Diaphragma. Der Kathodenraum ist also sehr niedrig. In dem darüberliegenden
                              									geräumigen Anodenraum hängen wagerechte Graphitplatten als Anoden vom Deckel der
                              									Zelle herab.
                           Die oben zugeführte (fast gesättigte) Kochsalzlösung dringt durch das Diaphragma,
                              									wird an der Kathode in starke Natronlauge umgewandelt und fließt weiter in
                              									Vorratsbehälter, während das an der Anode entwickelte Chlorgas sich unter der Decke
                              									der Zelle ansammelt und durch Abzugsröhren fortgeleitet wird.
                           Da das Diaphragma mit seiner ganzen Fläche auf dem Eisendrahtnetz aufliegt, so ist es
                              									gegen mechanische Beschädigungen gesichert; weil es auf beiden Seiten nur mit alkalischer Flüssigkeit in Berührung steht, so ist es
                              									auch chemisch widerstandsfähig. Der innere Widerstand der Zelle ist klein und die
                              									Konzentration der abfließenden Lauge viel größer als bei den alten Diaphragmen- und
                              									Glockenverfahren, Bei einem vierwöchigen Probebetrieb in den Kaliwerken Aschersleben wurden folgende Zahlen im Mittel erhalten:
                              									Stromstärke der Zelle 2000 Amp., Badspannung 3,66 Volt, Stromausbeute 94,7 v. H.,
                              									Gehalt der gewonnenen Lauge 130 g Natriumhydroxyd im Liter, Kohlensäure im Chlorgas
                              									1,2 v. H.Die Kohlensäure rührt
                                    											daher, daß die Kohlenanode ein wenig durch den Strom angegriffen wird. Diese
                                    											Beimengung ist in anderen Apparaten oft bedeutend größer, man könnte sie
                                    											durch Platinanoden vermeiden; schon die Rücksicht auf den hohen Preis des
                                    											Platins verbietet diesen Ausweg für die Praxis. Im Dauerbetrieb
                              									werden verbürgt mindestens 85 v. H. Stromausbeute und 125 g Natriumhydroxyd im Liter
                              									bei höchstens 3,8 Volt Badspannung und 3 v. H. Kohlensäure im Chlor. Eine mit
                              									2000 Amp. betriebene Zelle liefert in 24 Stunden über 500 l 12 ½ prozentiger
                              									Natronlauge (= 65 kg festem Aetznatron) und 57 kg gasförmiges Chlor, aus welchem
                              									eine Bleichlauge mit rund 52 kg „aktivem Chlor“ bereitet wird. Der Kraftaufwand für 1 kg aktives Chlor beträgt noch nicht 4
                              									KW/Std., der Salzverbrauch höchstens 3 kg Steinsalz.
                           Während die gewonnene Natronlauge teils als solche in der Industrie Verwendung
                              									findet, teils weiter eingedampft wird, läßt sich das Chlor am einfachsten zu
                              									Bleichflüssigkeit verarbeiten, indem man es in Kalkmilch einleitet. Diese
                              									Herstellungsweise von Bleichlaugen könnte freilich als ein unnötiger Umweg erscheinen, da man ja geradenwegs durch Elektrolyse
                              									einer Kochsalzlösung ohne Diaphragma Natriumhypochloritlösungen gewinnen kann,
                              									welche gleich zum Bleichen dienen können; aber die Ausnutzung von Strom und Salz ist
                              									in diesen „Bleichelektrolyseuren“ viel schlechter, so daß sich der
                              									beschriebene Umweg tatsächlich lohnt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 171
                              
                           Den an der Kathode frei werdenden Wasserstoff muß man leider gewöhnlich unbenutzt
                              									durch Rohrleitungen ins Freie entweichen lassen.
                           Außer der ältesten Anlage dieser Art in Aschersleben (Provinz Sachsen) mit zehn
                              									Zellen zu 2000 Amp. sind seit 1909 bei der Bosnischen
                                 										Elektrizitätsgesellschaft in Brückl (Kärnten) 65 Bäder zu 2500 Ampere in
                              									regelrechtem Betrieb und haben durchschnittlich 90 v. H. Stromausbeute ergeben. Eine
                              									kleinere Badtype (32 Bäder zu 500 Amp.) arbeitet in der Sulfitzellulosefabrik von J. Spiro & Söhne zu Krummau an der Moldau
                              									ununterbrochen seit August 1910 mit gleich günstigem Erfolge. Die obenstehende
                              									Photographie zeigt diese elektrolytische Anlage. Bei den Höchster Farbwerken zu Höchst am Main werden demnächst 78 Bäder zu 2000
                              									Amp. in Betrieb gesetzt. Außerdem ist noch eine Bleichereianlage mit 24 kleinen
                              									Einheiten zu 100 Amp. für eine Textilfabrik in Bau.