| Titel: | ÜBER DIE FRANKFURTER GRUNDWASSER-GEWINNUNG AUF DER INTERNATIONALEN HYGIENE-AUSSTELLUNG IN DRESDEN. | 
| Autor: | Max A. R. Brünner | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 186 | 
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                        ÜBER DIE FRANKFURTER GRUNDWASSER-GEWINNUNG AUF
                           								DER INTERNATIONALEN HYGIENE-AUSSTELLUNG IN DRESDEN.
                        Von Zivilingenieur Max A. R. Brünner,
                           									Berlin.
                        BRUENNER: Ueber die Frankfurter Grundwasser-Gewinnung
                           								usw.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Entstehung und Wesen des Grundwassers – sanitäre Maßnahmen bei
                              									Anlegung von Brunnen und Wasserwerken. – Beispiele davon aus vielen, meist deutschen
                              									Städten auf der Dresdener Hygiene-Ausstellung. – Beschreibung des vorbildlichen
                              									Trinkwasserwerkes Hattersheim bei Frankfurt a. M.
                           ––––––––––
                           In einer großen Halle der Internationalen Hygiene-Ausstellung, die sich mit den
                              									interessanten Kapiteln „Ansiedlung und Wohnung“ beschäftigt, war auch die
                              									Gruppe „Wasserversorgung“ der wissenschaftlichen Abteilung mit wichtigem
                              									Material aus kleineren Gemeinden und größeren Städten hervorragend vertreten; auch
                              									das Ausland hatte sich an dieser Ausstellung beteiligt. Neben den Maßnahmen zur
                              									Verbesserung des Grundwassers durch Entziehung von Eisen, Mangan und Säuren, der
                              									Gewinnung von Wasser aus Flüssen, Seen und Talsperren, seiner Reinigung und
                              									chemischen Behandlung war auch die Gewinnung künstlich erzeugten Grundwassers
                              									berücksichtigt. Hier interessierte vor allem die Ausstellung der Stadt Frankfurt a.
                              									M., die neuerdings Versuche zur Erhöhung des Grundwasserspiegels im Frankfurter
                              									Stadtwald unternommen hat.
                           Zunächst erhebt sich für den Laien die Frage: Wie entsteht Grundwasser, und wie wird
                              									es dem Gebrauche erschlossen?
                           Wenn Regen auf die Erdoberfläche gelangt oder Schnee und Eis schmelzen, so bewegt
                              									sich das entstehende Wasser naturgemäß nach tiefer gelegenen Stellen und bildet
                              									Bäche, Flüsse, Seen und dergleichen. Ein Teil des Wassers wird versickern und sich
                              									zum Grundwasser entwickeln, dessen Menge somit abhängt von der Größe des
                              									Niederschlages, von der Oberflächengestaltung und der Durchlässigkeit, d.h. dem
                              									Porengehalt des überflossenen Bodens.
                           Außer den meteorologischen Niederschlägen trägt noch die in den Poren des Bodens
                              									zirkulierende und stets mit Wasserdampf beladene Luft, die bei ihrer Abkühlung in
                              									bekannter Weise in flüssiger Form ausscheidet, zur Grundwasserbildung bei.
                           Je nach Höhenlage, Klima und Art der Bodenschichten eines Gebietes haben nun
                              									die stetig erfolgenden Einsickerungen nach und nach den Untergrund bis zu einer
                              									gewissen Tiefe und Höhe mit Wasser gefüllt und den Grundwasserspiegel so lange
                              									gehoben. bis er entweder die Oberfläche erreichte und sichtbar – als Quelle – seinen
                              									Abfluß fand oder ihn bis noch im Untergrunde selbst durch lockere Schichten
                              									(Gerölle, Kiese und Sande) ein unsichtbarer Abfluß – als Grundwasser – ermöglicht
                              									wurde.
                           Grund- und Quellwasser sind demgemäß gleichen Ursprungs und nur äußerlich von
                              									verschieden erscheinender Art, beide endigen in einem sichtbaren, von ihnen
                              									gespeisten Oberflächengewässer – sei es in einem Bade, Strom oder im Meere selbst –
                              									ihren oft Hunderte von Kilometern langen unterirdischen Lauf.
                           Bei Einlagerung des Wassers in einem rings von undurchlässigen Schichten
                              									eingeschlossenen, daher beckenartigem Grundwasserträger spricht man von einem
                              									Grundwasserbecken; bewegt sich das Wasser in einem nicht allseitig abgeschlossenen
                              									Gebiete, so spricht man von einem Grundwasserstrom.
                           Zur Erschließung von Grundwasser bedarf es einer umfangreichen Zusammenarbeit durch
                              									den Hygieniker, Geologen, Chemiker und Hydrologen. Auf Grund des geologischen
                              									Aufbaues und der sichtbaren Abflußmengen in einem Gebiete lassen sich unter
                              									Berücksichtigung der Kulturarten (ob Wald, Wiese, Aecker) ziemlich weitgehende
                              									Schlüsse über den zu erwartenden Wasservorrat ziehen. Sie dienen zur Richtschnur für
                              									die planmäßig eintretende Untersuchung, die durch Bohrungen, Pumpversuche usw. über
                              									Beschaffenheit, Menge und Nachhaltigkeit des Wassers, über die Anordnung,
                              									einzuhaltende Entfernung und die Lage der Entnahmestellen sowie über Tiefe und
                              									Absenkung des Wasserspiegels infolge des Pumpens Aufschluß gibt.
                           Das Grundwasser wird in der Regel durch eine Reihe von Backsteinen mit durchlochten
                              									Wandungen gemauerter Brunnen oder gebohrten, mit Filtern versehenen Rohrbrunnen,
                              									ausnahmsweise auch in Stollenanlagen erschlossen, dann in einer oder mehreren
                              									Sammelleitungen dem Sammelschachte zugeführt und aus diesem von Pumpen entnommen und
                              									unter Vermittlung eines Hochbehälters an die Verwendungsstelle befördert.
                           Soll es zu Trinkwasserzwecken benutzt werden, so verlangt man von ihm, daß es
                              									reichlich vorhanden, klar, wohlschmeckend und gesund sei, d.h. keine dem
                              									menschlichen Organismus schädliche Beimengungen oder gelöste Stoffe sowie keine
                              									krankheitserregenden Bakterien oder Organismen enthalte.
                           In der Nähe der Bebauung ist deshalb wegen naheliegender Gefahr einer Verunreinigung
                              									von der Anlage eines Trinkwasserwerkes von vornherein Abstand zu nehmen. Eine fernab
                              									aller Ansiedlung gelegene Oertlichkeit wird obigen Forderungen am ehesten gerecht
                              									werden können, noch dazu, wenn über ihrer Grundwasserwelle undurchlässige Ton- oder
                              									Lettenschichten liegen, die ein unmittelbares Eindringen der Verunreinigungsstoffe
                              									von oben her verhindern. Aber selbst bei Zutreffen dieser Voraussetzung erweist
                              									sich oftmals das Wasser nicht ohne weiteres als zum Trinken geeignet, es muß z.B.
                              									bei starkem Eisengehalt enteisnet und bei starkem Gehalt an freier Kohlensäure
                              									entsäuert werden.
                           Bei Errichtung eines Wasserwerkes bedarf es, wie wir sehen, der Berücksichtigung
                              									einer Reihe von Punkten, die Errungenschaften auf hygienischem und technischem
                              									Gebiet, und zwar teilweise der allerneuesten Zeit angehörige, darstellen und für die
                              									Wasserbeschaffung und seine Ableitung umfangreiche Arbeiten sowie die Lösung manch
                              									technisch schwerer Aufgabe erforderlich machen. Die Internationale
                              									Hygiene-Ausstellung brachte in der Halle „Ansiedlung und Wohnung“ gerade zu
                              									diesen beiden Gebieten der Wasserversorgung reiches und wertvolles Material, da sich
                              									fast alle größeren Städte, Bürgermeistereien und Tiefbauämter dabei beteiligt
                              									hatten.
                           Um einen kleinen Anhalt über die Ausdehnung eines solchen Werkes zu gewinnen, seien
                              									auszugsweise einige der Hauptdaten angegeben, wie sie ein von dem Tiefbauamt zu
                              									Frankfurt a. M. im Vorgelände des Taunus bei Hattersheim in den Jahren 1907 bis 1909
                              									erbautes Trinkwasserwerk aufweist.
                           Im westlichen Flügel der Stadt, verteilt auf eine Länge von 1870 m, wurden elf
                              									Bohrbrunnen, auf der Ostseite, verteilt auf 880 m, vorläufig sechs Stück
                              									hergestellt. Die Bohrbrunnen sind etwa 60 m tief und haben eine Bohr weite von 1000
                              									mm bei 400 mm oberer Weite des Kupferfilters. Die Saugleitungen haben bei einer
                              									Steigung von 1 : 5000 gegen das Pumpwerk Durchmesser von 650 bis 800 mm erhalten.
                              									Sie sind unmittelbar über den etwa 2,5 m tief gelegenen Grundwasserspiegel
                              									angeordnet, wobei Vorsorge getroffen wurde, daß erforderlichenfalls späterhin eine
                              									Tiefbaulegung um 3 ½ m erfolgen kann.
                           Zwischen den Saugleitungen und Druckpumpen sind in einem 8 m im Durchmesser
                              									haltenden, 8,50 tiefen und mittels Druckluftgründung niedergebrachtem Schachte zwei
                              									Vorpumpen eingeschaltet, um erforderlichenfalls das Wasser einer etwa späterhin
                              									nötigen Behandlung ohne weiteres unterziehen oder die bereits erwähnte etwaige
                              									Tieferlegung der Saugrohre vornehmen zu können. Es sind zwei doppeltwirkende
                              									Hauptplungerpumpen vorhanden, angetrieben durch die Niederdruckseite der liegenden
                              									Verbundmaschinen von 212 bis 260 PSe, während von
                              									der Hochdruckseite die Vorpumpen betätigt werden.
                           Die Hauptpumpen vermögen täglich 12000 bis 15000 cbm auf eine Höhe von 90 bis 100 m
                              									zu fördern.
                           Zum Antrieb der Maschine sind drei Flammrohrkessel mit je 90 qm Heizfläche,
                              									Ueberhitzern und 12 Atm. Ueberdruck aufgestellt, von denen normalerweise einer
                              									ausreichend ist.
                           Das Pumpwerksgebäude besitzt bei einer Länge von rd. 60 m eine Breite von rd. 26 m.
                              									Es enthält Maschinensaal, Kesselhaus und Kohlenlager, welches 630 t Steinkohlen,
                              									d.h. beinahe den halbjährlichen Betriebsbedarf, fassen kann, ferner Werkstätte mit
                              									Schmiede, Heizer- und Maschinistenzimmer. In einem Anbau sind Baderäume, Klosetts,
                              									Akkumulatorenraum für die Beleuchtung, Schlackenaufzug und Magazin untergebracht. Zwischen
                              									Anbau und Maschinensaal steht der 45 m hohe Schornstein mit etwa 1,50 m ∅.
                              									Fundamentierung und der größte Teil unter Geländehöhe liegenden Gebäudeteile, die
                              									Ueberdeckung des Schlackentunnels, die Ueberdachung des Kohlenlagers sowie die
                              									Fenster- und Türstütze wurden vermittels der modernen Eisenbetonbauweise
                              									hergestellt. Die Architektur des Gebäudes ist bei sparsamer Verwendung von
                              									Hausteinen, Steinmetzarbeiten und zierendem Beiwerk einfach, aber geschmackvoll
                              									unter Anklängen an moderne Formen ausgeführt.
                           Die Druckrohrleitung nach der Stadt besitzt eine Gesamtlänge von 20,8 km. Ihr
                              									Durchmesser beträgt auf 8,3 km Länge 800 mm und im übrigen 900 mm. In zwei
                              									flußeisernen Röhren von 800 mm Weite quert sie in einer durch den Fluß gebaggerten
                              									und wieder eingefüllten Rinne von 163,50 m Länge liegend, d.h. als Drücker, den
                              									Main.
                           An der Ausstellung der Gruppe „Wasserversorgung“ auf der Internationalen
                              									Hygiene-Ausstellung hatten sich außer Frankfurt a. M. noch eine große Reihe
                              									deutscher Städte beteiligt. Sie führten an Modellen, Zeichnungen und ganzen Anlagen
                              									die Gewinnung sowohl der Zentralwasserversorgung wie auch die Einzelversorgung vor.
                              									An einer Anzahl von Zusammenstellungen erkannte man außerdem noch den Einfluß der
                              									Wasserversorgung auf die Gesundheitsverhältnisse in verschiedenen Städten.