| Titel: | PRESSLUFTNIETMASCHINEN. | 
| Autor: | W. Wolfmüller | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 212 | 
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                        PRESSLUFTNIETMASCHINEN.
                        Von Ingenieur W. Wolfmüller,
                           									Mannheim.
                        WOLFMÜLLER: Pressluftnietmaschinen.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Arbeitsweise der Preßluftnietmaschinen. Beschreibung verschiedener
                              									Arten Preßluftmaschinen. Betriebskostenberechnung.
                           ––––––––––
                           Jedes industrielle Unternehmen, das heutzutage vorwärtskommen und konkurrenzfähig
                              									bleiben will, muß sich zur Herstellung seiner Erzeugnisse eine zweckentsprechende
                              									maschinelle Einrichtung und rationelle Arbeitsmethoden schaffen. In nur ganz
                              									seltenen Fällen ist die handwerksmäßige Herstellung eines Artikels rentabel;
                              									vielmehr kann nur noch mit Nutzen gearbeitet werden, wenn man die Fabrikation
                              									spezialisiert, den aufgenommenen Artikel als Massenartikel herstellt, so daß zur
                              									Anschaffung von teueren, aber hinsichtlich Leistung alles andere übertreffenden
                              									Spezialmaschinen übergegangen werden kann. Zu den Apparaten und Maschinen, die den
                              									Bearbeitungsprozeß eines Werkstückes beschlennigen, also verbilligen, gehören
                              									solche, die Preßluft als Treibmittel verwenden. Preßluftwerkzeuge findet man
                              									heutzutage in jedem nur einigermaßen modernen Betrieb. Man verwendet Preßluft zum
                              									Stemmen, Meißeln, Bohren, Einschneiden von Gewinden, Einwalzen von Siederohren und
                              									zum Nieten. Gerade beim Nieten lassen sich durch Verwendung von Preßluft als
                              									Treibmittel in der Nietmaschine bedeutende Vorteile erzielen. Nicht nur, daß sich
                              									stärkere Nieten, sofern man nicht mit den allerbescheidensten Ansprüchen an die
                              									Qualität der Niehtnaht vorlieb nimmt, überhaupt nur mit der Maschine und nicht mit
                              									der Hand herstellen lassen; man erzielt durch die Verwendung der
                              									Preßluftnietmaschine gegenüber der Handnietung auch ganz bedeutende Ersparnisse.
                           Der praktische Vorteil, den die maschinelle Nietung gegenüber der Handnietung
                              									bietet, besteht in der Qualität der geleisteten Arbeit. Infolge des bei der
                              									Preßluftnietmaschine angewandten Kniehebelsystems wächst der Druck auf die zu
                              									bildende Niete genau entsprechend ihrem Widerstand. Der allmählich sich steigernde
                              									Druck bewirkt ein Stauchen des Nietschaftes, so daß die Bohrung stramm ausgefüllt
                              									wird. Eine auf diese Weise hergestellte Niete stellt sowohl die Reibung der Köpfe an
                              									den zusammengepreßten Blechen wie auch den Nietschaftquerschnitt einem Verschieben
                              									der Bleche entgegen. Man hat dabei nur den Nietstempel mit vollem Druck so lange auf
                              									dem gebildeten Kopf ruhen zu lassen, bis die Niete sich genügend abgekühlt und das
                              									Material wieder die nötige Festigkeit erlangt hat, um der Spannung der
                              									zusammengepreßten Bleche zu widerstehen.
                           Fig. 1 veranschaulicht die druckverstärkende Wirkung
                              									des Kniehebelsystems. Der Druck auf den Kolben bleibt während des ganzen Kolbenweges
                              									konstant; bei gleichen Wegen des Preßluftkolbens werden die Stempelhübe immer
                              									kleiner, während die Stempeldrücke beständig wachsen, um in der Endstellung, also
                              									beim Schluß des Nietkopfes, den größten Wert zu erreichen. Der Arbeitsvorgang
                              									vollzieht sich dabei folgendermaßen: Der Druck auf den Kolben a (Fig. 2) wird durch
                              									die Kolbenstange b auf das den Stempel d bewegende Druckstück c
                              									und die Kreislenker und von diesen auf den Stempel d
                              									übertragen. Der Nietstempel drückt auf das Ende des gut angewärmten Nietschaftes,
                              									bildet aus diesem zunächst den Schließkopf und trifft dann auf die Bleche auf,
                              									wodurch diese zusammengepreßt werden. Der Nietschaft wird, wie bereits oben erwähnt,
                              									im Nietloch gestaucht, so daß er letzteres vollkommen ausfüllt und die Niete wird
                              									geschlossen. In der
                              									Schlußstellung läßt man die Maschine stehen, bis die Niete erkaltet ist. Schneidet
                              									man eine solche Nietung auf, so zeigt sich die Trennungsfuge zwischen Niete und
                              									Blech nur als ganz feiner Haarriß.
                           Die Handhabung der Preßluftnietmaschine ist äußerst einfach. Die Steuerung geschieht
                              									mittels des Drehschiebers g (Fig. 2), der durch den Handhebel A (Fig. 3) betätigt wird. Bei Beginn der Nietarbeit wird
                              									zunächst die Entfernung der Döpper h und i durch Verdrehen des Stempels d für die jeweilige Blechstärke eingestellt, und zwar derart, daß bei der
                              									Schlußstellung des Kniehebels (vordere Endlage des Kolbens) die Entfernung zwischen
                              									den beiden Döpperkanten gleich ist der Summe der jeweils zu nietenden Blechstärken,
                              									vermindert um die Durchfederung des Bügels. Der Kolben wird nun in seine hintere
                              									Endstellung gebracht und die Niete in die Bleche eingeführt. Durch Drehen des
                              									Handhebels A nach vorn nimmt der Drehschieber eine
                              									derartige Stellung ein, daß er frische Preßluft in den Zylinder einströmen läßt, die
                              									den Kolben langsam nach vorwärts schiebt, worauf sich dann der oben beschriebene
                              									Arbeitsvorgang abspielt.
                           Der Kniehebel muß beim Nieten stets bis zum Anschlag k
                              										(Fig. 3) vorgeschoben werden. Dreht man den
                              									Handhebel wieder zurück bis zur Mittelstellung, so wird zwischen der hinteren und
                              									vorderen Kolbenseite Verbindung hergestellt. Die Preßluft strömt nach der vorderen
                              									Kolbenseite über, bis Druckausgleich stattfindet. Durch Weiterdrehen des Hebels kann
                              									die Luft auf der hinteren Kolbenseite entwelchen, während diejenige vor dem Kolben
                              									diesen langsam nach rückwärts schiebt, bis er seine hintere Endlage erreicht hat.
                              									Das Spiel kann wieder von neuem beginnen; beim Vorwärtsdrehen des Hebels kann auch
                              									die Luft vor dem Kolben entwelchen.
                           Als ortsfeste Maschinen werden die Nietmaschinen selten ausgeführt. Meistenteils sind
                              									sie mit einer einfachen Bügelaufhängung versehen, mittels der sie an einem Kran
                              									aufgehängt werden. Fig. 3 zeigt eine Maschine mit
                              									einfacher Bügelaufhängung, bei der die Lage des Werkstückes im allgemeinen der Lage
                              									des Bügels angepaßt werden muß. Kann das Werkstück nicht bewegt werden, ist also die
                              									Lage der Maschine jenem anzupassen, so wird die Nietmaschine mit
                              									Drehzapfenaufhängung (Fig. 4) oder mit
                              									Universal-Aufhängevorrichtung (Fig. 5) versehen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 213
                              Fig. 1.a = Schubstange, b = Kreislenker, c = Druckhebel.
                              
                           Bei der Drehzapfenaufhängung kann die Maschine um ihre
                              									Längsachse in einem vollen Winkel gedreht werden. Bei einer Maschine mit Universal –
                              									Aufhängevorrichtung ist sowohl eine wagerechte wie eine senkrechte Verstellung
                              									möglich, so daß die Maschine beim Nieten in jede beliebige Lage gebracht werden kann.
                              									Handelt es sich um die Herstellung besonderer Apparate oder Teilen solcher, so
                              									werden dazu vorteilhaft Spezialmaschinen gebraucht. Fig.
                                 										6 und 7 zeigen z.B. eine Maschine zum
                              									Nieten von Gasbehältertassen. Charakteristisch an dieser Maschine ist die Ausbildung
                              									der unteren Bügelhälfte, deren Form vom Längsschnitt der Tasse und der Vorschrift
                              									der Festigkeit abhängig ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 214
                              Fig. 2.
                              
                           Eine Maschine zum Nieten von Feuerloch- und Fußringen an Lokomotiv- und
                              									Lokomobilkesseln veranschaulichen Fig. 8 und 9. Diese Maschine hat nur eine kleine Ausladung, etwa
                              									120 bis 160 mm, und ist mit Drehzapfenaufhängung versehen. Ihre Lage zum Werkstück
                              									kann beliebig eingestellt werden. Es ist möglich, die Maschine so zu stellen, daß
                              									sich der Stempel in wagerechter Lage wie in Fig.
                                 										8 oder in senkrechter wie in Fig. 9
                              									befindet; außerdem kann jede gewünschte Zwischenlage eingenommen werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 214
                              Fig. 3.
                              
                           Fig. 10 zeigt eine Maschine zum Einnieten der
                              									Flammrohre in Dampfkessel. Das Arbeiten mit diesen Maschinen an engen Stellen
                              									verbietet die Ausführung der Stempelführung wie bei den anderen Maschinen. Die
                              									beiden Bügelhälften sind durch ein Gelenk miteinander verbunden. Das Druckstück
                              									greift an der oberen Bügelhälfte an und drückt diese gegen die untere.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 214
                              Fig. 4.
                              
                           Gegenüber den hydraulischen Nietmaschinen besitzt die Preßluftnietmaschine folgende
                              									Vorzüge: Der Druck des Treibmittels beträgt bei dieser 6 bis 8 at gegenüber 50 bis 60 at des
                              									Preßwassers bei jener.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 215
                              Fig. 5.
                              
                           Infolgedessen sind die Verluste an aufgewandter Arbeit durch
                              									undichte Rohrleitungen nicht so groß wie bei hydraulischen Nietmaschinen. Das
                              									verbrauchte Treibmittel pufft frei in den Raum aus und braucht nicht wie bei der
                              									hydraulischen Maschine fortgeleitet zu werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 215
                              Fig. 6.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 215
                              Fig. 7.
                              
                           Dadurch wird die Anlage nicht nur billiger, sondern die
                              									Maschine wird auch beweglicher und somit verwendungsfähiger. Die Gefahr des
                              									Einfrierens des Treibmittels fällt ganz weg. Eine wesentliche Ersparnis im
                              									Treibmittelverbrauch gegenüber der hydraulischen Nietmaschine entsteht dadurch, daß
                              									infolge des Kniehebelsystems der Druck auf die Niete genau entsprechend ihrem
                              									Widerstand zunimmt, während bei der hydraulischen Maschine der Druck auf die Niete
                              									von Anfang bis Schluß der Nietung gleich bleibt. Auch kann noch der Hub des
                              									Stempels begrenzt werden, so daß mit einer großen Maschine auch kleine Nieten
                              									geschlossen werden können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 215
                              Fig. 8.
                              
                           Welche Ersparnisse beim Nieten mit der Preßluftnietmaschine gegenüber der Handnietung
                              									erzielt werden können, zeigt nachstehende Betriebskostenberechnung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 215
                              Fig. 9.
                              
                           Anlagekosten:
                           
                              
                                 1
                                 Preßluftnietmaschine, 2000 mm Ausladung,mit
                                    											Drehzapfenaufhängung für 28 mm Nietenbei 75000 kg Enddruck
                                 
                                    
                                    
                                    M 4500
                                    
                                 
                              
                                 1
                                 Luftkompressor von 1,25 cbm minutl. Saug-leistung, mit
                                    											Zwischenvorgelege. Riemen,Regulator, Zwischenkühler und
                                    											Fundament,auf 8 at komprimierend
                                 
                                    
                                    
                                    
                                    M 3300
                                    
                                 
                              
                                 Rohrleitung, Panzerschläuche
                                 M   450
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Zusammen
                                 M 8250
                                 
                              
                           
                           Die Anschaffungskosten für Nietfeuer sind weggelassen, da sie beim
                              									Preßluftbetrieb ungefähr die gleichen sein dürften wie beim Handbetrieb.
                           Betriebskosten:
                           
                              
                                 Für Abschreibung und Verzinsung 15 v. H.    von obiger
                                    											Summe beträgt f. d. Tag bei    240 Arbeitstagen im Jahr
                                 
                                    
                                    
                                    M 5,20
                                    
                                 
                              
                                 Kraftbedarf des Kompressors inkl. Verlust
                                    											in    Transmission und Vorgelege 10 PS, Kosten    der
                                    											Stundenpferdestärke 4.5 Pf., angenom-    men die Anlage ist tägl. 7
                                    											Std. im Betrieb
                                 
                                    
                                    
                                    
                                    M 3,15
                                    
                                 
                              
                                 Bedienung drei Mann
                                 15, –
                                 
                              
                                 Kosten für Schmierung der Anlage, Ersatz    für Riemen,
                                    											Schläuche und Schelleisen für    den Tag
                                 2, –
                                 
                              
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 Zusammen
                                 M 25,35
                                 
                              
                           Ist die Maschine 7 Std. täglich im Betrieb, so können mit derselben in dieser Zeit
                              									etwa 1100 Nieten von 28 mm ∅ hergestellt werden; demnach Kosten für 100 Nieten
                              									25,35: 11 = ∾ 2,3 M.
                           
                              Kosten bei Handnietung:
                              
                           Tägliche Leistung einer Nietkolonne von 5 Mann = à M 4,5 etwa 350 Nieten von 28 mm ∅;
                              									also brauchen sie zu 1100 Nieten 3,14 Tage à M 22,5, demnach Ersparnis bei 1100
                              									Nieten: M 70,65 – 25,35 = 45,30 M. Die Maschinenanlage macht sich also nach
                              									Herstellung von \frac{8250\,.\,1100}{45,3}=\,\sim\,200000 Nieten
                              									bezahlt; diese Nieten werden aber in
                              										\frac{200000}{1100}=\,\sim\,180 Arbeitstagen hergestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 216
                              Fig. 10.