| Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 253 | 
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                        POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Der heutige Stand der drahtlosen Telegraphie. (Nach
                              									einem Vortrag von Graf Georg von Arco.) Die bedeutendsten
                              									technischen Fortschritte, welche die drahtlose Telegraphie in ihrem vierzehnjährigen
                              									Entwicklungsgang gemacht hat, stammen zum überwiegenden Teile aus den
                              									Laboratoriumsarbeiten der größten dieses Spezialgebiet betreibenden
                              									Gesellschaften.
                           Die beiden Unternehmungen, welche die Entwicklung fast ausschließlich beherrschen,
                              									sind die Marconi-Gesellschaft in England und die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie in Deutschland.
                              									Jene hatte in den ersten zehn Entwicklungsjahren, diese hat in den letzten Jahren
                              									die Führung übernommen.
                           Professor Slaby wurde durch die ersten Versuche Marconis im Jahre 1897, denen er als Gast beiwohnte, zu
                              									eigenen neuen Gedanken angeregt. Er schuf ein unabhängiges drahtloses System, dessen
                              									Ausnutzung die A. E. G. übernahm und im Kabelwerk Oberschöneweide ausarbeitete. Fast
                              									gleichzeitig meldete Professor Braun in Straßburg mehrere
                              									grundlegende deutsche Patente an, deren Ausnutzung er der Firma Siemens & Halske übertrug. Im Jahre 1903 gründeten
                              									die beiden Großfirmen die Gesellschaft für drahtlose
                                 										Telegraphie m. b. H. zur gemeinschaftlichen Ausnutzung dieser Patente. Als
                              									Systemnamen wurde Telefunken gewählt. Das Arbeitsgebiet der neuen Gesellschaft war
                              									zunächst Lieferung und Installation drahtloser Stationen, und zwar hauptsächlich für
                              									militärische Zwecke.
                           Marconis Erfindungen wurden durch eine englische
                              									Gesellschaft ausgebeutet, und zwar sowohl auf dem Lieferungs- und
                              									Installationsgebiet, als auch für die Einrichtung drahtloser Betriebsstationen zum
                              									Zwecke der gewerblichen Nachrichtenbeförderung. Die günstige geographische und
                              									politische Lage Englands war hierfür von großem Vorteil. Die Organisation der
                              									englischen Gesellschaft für die Nachrichtenbeförderung war bereits recht umfangreich
                              									und gut durchgebildet und ein englisches Marconi-Weltmonopol für die drahtlose Nachrichtenbeförderung halb fertig, als
                              									die deutsche Gesellschaft sich entschloß, auch auf dieses Gebiet ihre Tätigkeit
                              									auszudehnen.
                           Als Telefunken auf einigen Schiffen der deutschen
                              									Handelsmarine Betriebsstationen eingebaut hatte, verweigerte die Marconi-Gesellschaft beim Anruf den deutschen Schiffen
                              									den gegenseitigen Verkehr. Hierdurch war die deutsche Handelsmarine gezwungen, ihre
                              									sämtlichen Schiffe mit Marconi-Stationen auszurüsten und
                              									die Telegraphisten dieser ausländischen Organisation als Bordpersonal zu
                              									führen. Mit Rücksicht auf das große Interesse, das die deutschen Staatsbehörden und
                              									Schiffahrtskreise an dem Aufhören dieses Zustandes hatten, entschlossen sich die A.
                              									E. G. und Siemens & Halske, mit der Marconi-Gesellschaft ein
                              									finanziell opferreiches Abkommen zu schließen, wonach der drahtlose Betrieb an Bord
                              									der deutschen Handelsschiffe an eine neu gegründete Deutsche
                                 										Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegraphie m. b. H., „Debeg“ genannt, überging. Diese hat das
                              									Verfügungsrecht über die deutschen Telefunken- und Marconi-Patente, und die von ihr heute betriebenen 160 Schiffsstationen
                              									genießen die gleichen Rechte wie die übrigen Marconi-Stationen. So gehört heute in das Arbeitsgebiet der deutschen
                              									Gesellschaft sowohl das Lieferungsais auch das Betriebsgeschäft.
                           Die Zahl der gelieferten Stationen ist ein Maßstab für die Bedeutung der
                              									verschiedenen Firmen auf dem Weltmarkt. Das Bureau in Bern nennt in seiner
                              									offiziellen Liste im Jahre 1910 etwa 1300 drahtlose Stationen, die über alle
                              									Erdteile zerstreut sind. 80 bis 85 v. H. hiervon werden als Marconi- und
                              									Telefunken-System angeführt, und zwar entfällt auf jedes der beiden Systeme etwa die
                              									Hälfte.
                           Allein im Jahre 1911 wurden von Telefunken 390 Stationen in Arbeit genommen, und zwar
                              									für folgende 30 Länder: Deutschland, Ost-Afrika und West-Afrika, Australien,
                              									Argentinien, Bulgarien, Brasilien, Chile, China. Belgisch Congo, Columbien, Cuba,
                              									Dänemark, England, Holland, Japan, Mexiko, Norwegen, Neu-Seeland, Niederl. Indien,
                              									Oesterreich-Ungarn, Portugal, Peru, Philippinen, Rußland, Schweden, Sibirien,
                              									Spanien, Türkei, Vereinigte Staaten.
                           Das neue Telefunken-System ist der Niederschlag der
                              									kostspieligen jahrelangen Versuche, von denen eingangs gesprochen wurde. Jede
                              									drahtlose Unternehmung bemüht sich heute, ihre Einrichtungen möglichst diesem System
                              									ähnlich zu gestalten. Das tönende Löschfunkensystem ist aber durch gute Patente
                              									geschützt.
                           Folgende Hauptapparate gehören zu jeder drahtlosen Anlage: Senderapparate zur
                              									Erzeugung von Wechselströmen hoher Frequenz, eine Antenne zur Ausstrahlung dieser
                              									Energie, eine zweite Antenne am fernen Ort zur Aufsammlung der ankommenden Wirkungen
                              									und ein Empfangsapparat, der sie wahrnehmbar macht.
                           Wie erzeugt man Wechselströme hoher Frequenz für die drahtlose Telegraphie?
                           Die Wechselströme können zwei verschiedene Energieformen haben, nämlich die Form von
                              									ungedämpften oder gedämpften Wellenzügen; erstere werden entweder nach Poulsen durch einen Lichtbogen in einer Wasserstoff-Atmosphäre oder direkt
                              									durch eine speziell hierfür gebaute Wechselstromdynamo, eine sogen.
                              									Hochfrequenzmaschine, die gedämpften Wellenzüge durch Funkenentladung erzeugt. Die
                              									Lichtbogenmethode hat die auf sie gesetzten enthusiastischen Hoffnungen nicht
                              									erfüllt, ihre Anwendungen in der Praxis sind sehr gering geblieben, man kann sogar
                              									sagen verschwindend klein, nämlich beschränkt auf bestimmte Spezialzwecke.
                           Die kontinuierlichen Schwingungen haben nur eine einzige Periodizität, die
                              									Schwingungszahl in der Sekunde, die diskontinuierlichen Schwingungen dagegen zwei,
                              									nämlich neben der Schwingungszahl eine Periodizität der Gruppen. Da jede Gruppe aus
                              									der Energie einer Funkenentladung hervorgegangen ist, so ist die Periode der Gruppe
                              									gleich der Anzahl der Funken, gleich der Funkenfolge in der Sekunde. Ein Sender mit
                              									diskontinuierlichen Schwingungen kann also eine Individualität mehr besitzen. Einige
                              									Worte über die Hochfrequenzmaschinen: Wie schon erwähnt, werden für
                              									Hochfrequenzströme bis zu 1000000 Perioden in unserer Technik angewendet. Solche
                              									Frequenzen kann man weder heute noch in absehbarer Zeit durch Hochfrequenzdynamo
                              									erzeugen. Aber auch Wechselströme von 50000 Perioden haben seit den letzten Jahren
                              									einen gewissen Wert erhalten, nämlich für die Telegraphie auf sehr große
                              									Entfernungen. Solche Frequenzen kann man direkt nach dem Dynamoprinzip aus
                              									mechanischer Energie mittels gewisser Spezialdynamos herstellen. Eine solche
                              									unterscheidet sich von einer gewöhnlichen Wechselstromdynamo zunächst dadurch, daß
                              									bei der Rotation nicht 100 Magnetpole i. d. Sek. vorbeibewegt werden, sondern
                              									100000. Die Konstruktion führt zu sehr hohen Umfangsgeschwindigkeiten und sehr
                              									schmalen Magnetpolen bezw. kleiner Polteilung.
                           Das Eisen der Maschine ist eine große Verlustquelle bei Wechselströmen so hoher
                              									Frequenz. Es muß durch feinste Unterteilung möglichst unschädlich gemacht werden.
                              									Die Maschinen werden aus Eisenblechen von 0,03 mm, d.h. von Papierdicke,
                              									zusammengesetzt und Blech gegen Blech durch Papierzwischenlagen isoliert. So enthält
                              									die Dynamo 50 v. H. Papier. Dieses mechanisch komplizierte Gefüge enthält eine
                              									Umfangsgeschwindigkeit von 200 bis 250 m i. d. Sek., d.h. etwa die
                              									Geschoßgeschwindigkeit eines älteren Militärgewehres.
                           Die mechanischen Schwierigkeiten steigern natürlich die Kosten der Fabrikation
                              									wesentlich und bringen eine gewisse Betriebsunsicherheit mit sich; aber das mag noch
                              									angehen. Schlimmer ist, daß alle Hochfrequenzmaschinen gewisse prinzipielle Fehler
                              									haben, für deren Beseitigung heute noch die Mittel fehlen.
                           Die Periode ist von der Umdrehungszahl der Maschine abhängig. Gefordert wird eine
                              									Genauigkeit der Periode von mindestens ¼ v. H. auch während der schnell schwankenden
                              									Belastung beim Telegraphieren. Gibt es einen so regulierten oder so regulierenden
                              									Antriebsmotor?
                           Auch die Isolation der Maschine ist äußerst schwierig. Sollen beispielsweise 50
                              									KW ausgestrahlt werden, so pulsiert in der Maschine eine leer schwingende Energie
                              									von mehr als 500 KW mit entsprechend hoher Spannung und Stromstärke.
                           Schließlich kann eine aus Metall bestehende Maschine Hochfrequenzströme von etwa
                              									200000 Perioden oder mehr überhaupt nicht liefern, weil bei diesen höheren
                              									Periodenzahlen infolge der Kapazität der Wicklung gegenüber dem Gestell ein
                              									Hochfrequenzkurzschluß eintritt und keine Energie mehr nach außen geliefert
                              									wird.
                           Von Professor Goldschmidt rührt eine Vervollkommnung einer
                              									solchen Maschine her, die in Deutschland ein gewisses Aufsehen erregt hat. Bei
                              									seiner Anordnung wird in der Maschine eine niedrigere Periodenzahl erzeugt und diese
                              									in der Maschine durch elektrische Mittel gesteigert.
                           Eine nach diesem Patent hergestellte Maschine hat eine Polteilung und
                              									Umfangsgeschwindigkeit, die einer niedrigeren Periode entspricht, so daß die
                              									mechanischen Schwierigkeiten verringert werden.
                           Von der Hochfrequenzmaschine wird erwartet, daß sie eine vermehrte Schwingungsenergie
                              									erzeugt.
                           Bisher ist aber eine Aufgabe der drahtlosen Telegraphie noch nie daran gescheitert,
                              									daß für den Sender nicht genügende Energiemengen in Hochfrequenzform erzeugbar
                              									waren, sondern daran, daß man sie nicht ausstrahlen konnte. Die
                              									Antennenschwierigkeiten begrenzen die Leistungen. Sind erst einmal Antennen
                              									gefunden, mit denen man 500 oder 1000 KW ausstrahlen kann, dann versagt vielleicht
                              									die Funkenmethode, dann kann die Maschine größere Bedeutung erhalten.
                           Mit Rücksicht auf diese Entwicklungsmöglichkeit hat die A. E. G. in der
                              									Maschinenfabrik Brunnenstraße im Auftrage von Telefunken
                              									jetzt schon mehrere Hochfrequenzmaschinen verschiedener Typen in Arbeit genommen und
                              									zwei solche nähern sich der Fertigstellung.
                           Jetzt einiges über die Erzeugung der Schwingungen durch Funken.
                           Man erzeugt mit Funkenentladungen Hochfrequenzströme bis zu mehr als 100 KW Energie
                              									und Frequenzen hinauf bis zu Millionen i. d. Sek. und herunter bis zu wenigen
                              									Tausend. Eine angeschlagene Stimmgabel demonstriert gut die modernste Funkenmethode.
                              									Die Energie wird der Stimmgabel durch einen kurzen Schlag zugeführt und diese
                              									Energie in einen abklingenden akustischen Wellenzug umgesetzt und ausgestrahlt. Ist
                              									der Ton ganz oder fast ganz verklungen, dann erfolgt ein neuer Schlag. Den
                              									Hammerschlägen entsprechen elektrisch die Funken. Das Energiequantum eines Funkens
                              									wird in einen abklingenden Wechselstromzug umgesetzt. Bei den Telefunkenstationen
                              									ist die Funkenfolge meist 1000 i. d. Sek. Nehmen wir an, daß die erzeugte
                              									Wechselstromperiode 100000 sei und daß jeder Wellenzug nach 100 Schwingungen
                              									aufhöre, so sind die Pausen zwischen den Wellenzügen gerade verschwunden, und der
                              									neue Funke setzt immer in dem Moment ein, wo der vorhergehende Wellenzug gerade
                              									aufgehört hat. Die Funkenmethode hat manche Vorzüge vor der Maschine. Von diesen
                              									seien nur die absolute Konstanz der Periodenzahl erwähnt, die hier von festen elektrischen Größen
                              									abhängig ist, und die doppelte Charakteristik der Sender nach Hoch- und Tonfrequenz
                              									sowie die variable Akkumulierung der sekundlichen Energie zur Erzielung größerer
                              									Momenteffekte am Empfänger.
                           Die vollkommenste Form der Funkenmethode ist heute das System der „tönenden
                                 										Löschfunken“. Drei elektrische Eigenschaften sind hervorzuheben. Die Pausen
                              									zwischen den Wellenzügen sind verschwindend klein. Die Gruppenabstände sind gleich
                              									lang und die Wellenzüge folgen mit absoluter Regelmäßigkeit, wodurch im
                              									Empfangstelephon ein Ton erzeugt wird. Der Löschfunke, d.h. der schnell erlöschende
                              									Funke hat schließlich noch den Vorteil, daß er nur während der allerersten
                              									Schwingungen besteht, dann erlöscht und ein langer Wellenzug nach seinem Absterben
                              									ausschwingt. Der Energieverlust ist auf einen winzigen Bruchteil der Zeit
                              									beschränkt, oder praktisch gesprochen: er ist überwunden. Das Löschprinzip, von
                              									Prof. Max Wien angegeben, ist nach langer
                              									Laboratoriumsarbeit von Telefunken bis zur absoluten
                              									Betriebssicherheit durchgebildet, selbst bis zu Anordnungen für 100 KW
                              									Schwingungsenergie.
                           Was die Antennen angeht, so wird beim Sender die verfügbare Hochfrequenzenergie
                              									zugeführt und ein Teil von ihr als Fernwirkung von ihnen ausgestrahlt. Es ist dies
                              									die Nutzleistung der Antenne.
                           In die Vorgänge in der Antenne und die Fernwirkungen ist erst in neuester Zeit etwas
                              									mehr Licht gekommen.
                           Jede fortschreitende Erkenntnis hat zur Folge, daß eine Reihe von
                              									Einzelerscheinungen, die anfangs zusammenhanglos erschienen, plötzlich in einer
                              									gemeinschaftlichen Erklärung zusammenfließen.
                           So kommt es, daß bei der Erklärung der Antennenwirkungen auf Versuche zurückzugreifen
                              									ist, die lange vor dem Geburtstage der modernen drahtlosen Telegraphie liegen und
                              									bisher scheinbar nichts mit ihr zu tun hatten.
                           In diesem Zusammenhang sei hier auf die Versuchsergebnisse hingewiesen, die der
                              									leider so früh verstorbene Erich Rathenau im Jahre 1894
                              									in der Elektrotechnischen Zeitschrift veröffentlicht hat.
                           Rathenau benutzte zwei in das Ufer des Wannsees
                              									eingegrabene Erdplatten und schickte aus einer Akkumulatorenbatterie einen
                              									unterbrochenen Gleichstrom von 3 Amp., der mit einem Taster im Tempo der Morsezeichen geöffnet und geschlossen wurde. Der
                              									Empfänger bestand aus ebenfalls zwei Platten, die in das Wasser des Sees tauchten
                              									und zwischen die ein Telephonhörer geschaltet war. Bis auf 4½ km Entfernung konnten
                              									die Zeichen im Empfänger gehört werden.
                           Seine Veröffentlichung gipfelte in folgenden Vorschlägen: Ein Ton von guter
                              									Hörbarkeit am Sender, ein mechanisch oder akustisch hierauf abgestimmter Empfänger
                              									und schließlich in Verbindung hiermit ein Mikrophon als Anruf- oder
                              									Schreibapparat.
                           In den nächsten Jahren ruhten die Erdversuche fast vollkommen, und erst in den
                              									letzten zwei Jahren hat Dr. Kiebitz, Ingenieur des
                              									Telegraphen-Versuchsamtes, neue Versuche mit verbesserten Erdanordnungen
                              									gemacht, deren teilweise recht günstige Ergebnisse er veröffentlicht hat. Unter
                              									anderem teilt er mit, daß er mit einer von 5 Arbeitern an einem Vormittage
                              									ausgelegten Antenne die Signale einer 6000 km entfernten, in Kanada gelegenen
                              									Station gehört hat.
                           Hierdurch angeregt, hat auch Telefunken systematische
                              									Versuche angestellt und auf gewisse Verbesserungen mehrere Patente angemeldet.
                              									Besonders für Empfangsstationen, vielleicht auch für sehr große Senderanlagen
                              									scheinen diese Anordnungen recht aussichtsvoll zu sein.
                           Die bisherigen Antennen waren im allgemeinen senkrecht heraufgeführte, durch hohe
                              									Mäste getragene Drähte mit einer oberen leitenden Endfläche; die Dimensionen richten
                              									sich nach den Entfernungen und Energiebeträgen. Je größer die Entfernung ist, die
                              									überbrückt werden soll, um so größere Energie muß aufgewendet, in die Antenne
                              									geschickt und von ihr ausgestrahlt werden. Je größer die Energie ist, um so größer
                              									muß auch die Antenne werden, und zwar sowohl die Ausdehnung der oberen Drahtfläche
                              									als auch deren Höhe. Die Kosten der Türme steigen fast mit dem Kubus ihrer Höhe.
                              									Hier liegt also die praktische Begrenzung der Reichweiten drahtloser Sendestationen.
                              									Man kann wohl 100 KW, vielleicht auch mehr KW in Form hochfrequenter Wechselströme
                              									herstellen, man kann aber nicht ohne phantastischen Kostenaufwand eine genügend
                              									strahlende Antenne bauen. Hält die Erdantenne das, was viele Fachleute sich hiervon
                              									versprechen, dann beginnt vielleicht eine neue Epoche des Baues drahtloser
                              									Großstationen für die größten Entfernungen, die unser Erdball überhaupt aufweist,
                              									und dann erhält vielleicht die Hochfrequenzmaschine den Vorzug vor den Funken. Aber
                              									bis jetzt ist es noch nicht sicher, ob die Erdantennen dieselbe Oekonomie der
                              									Strahlung ergeben wie die alten Antennen, und darum muß vor zu großem Optimismus
                              									gewarnt werden.
                           Für den Empfang wird die gleiche Antenne benutzt wie für den Sender.
                           Durch Abstimmung des Empfängers erreicht man einerseits größere Entfernungen und
                              									andererseits die Möglichkeit, die Signale des einen oder anderen Senders aufzunehmen
                              									oder nicht zu hören, je nach der Einstellung.
                           Die elektrische Abstimmung wird nicht nur bei den Antennen angewendet, sondern an
                              									sehr vielen anderen einzelnen Apparaten, die sämtlich zu einer modernen drahtlosen
                              									Station gehören. Auf Abstimmung beruhen viele Meßapparate, z.B. der zur Bestimmung
                              									der Periodenzahl des Hochfrequenzstromes des Wellenmessers.
                           Wie macht man nun die schwachen Ströme der Empfangsantenne wahrnehmbar? Das Telephon
                              									kann hiermit nicht betätigt werden, denn seine Schallplatte ist viel zu träge, um
                              									den 100000 oder mehr Perioden des Empfangsstromes zu folgen. Auch der Hörapparat im
                              									menschlichen Ohr ist zu träge und würde diese Telephontöne nicht hören. Es ist also
                              									noch eine Umformung der Energie nötig. Der Hochfrequenzwechselstrom wird in
                              									Gleichstrom verwandelt. Dies geschieht durch einen Gleichrichter, den „Detektor“, der
                              									heute meistens aus einer Metallspitze besteht, die ein besonderes Mineral berührt,
                              									z.B. Platin oder Bleiglanz.
                           Aus einem gedämpften Hochfrequenzwellenzug wird durch Gleichrichtung ein
                              									Gleichstromstoß erzeugt, und dieser endlich bewegt die Membran des Hörers. Für jeden
                              									fernen Funken erfolgt eine Membranbewegung. Bei 1000 Funken i. d. Sek. hört man den
                              									Ton mit der Schwingungszahl 1000 am Empfänger.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 255
                              Fig. 1. Normalstation, System „Telefunken“, für große Schiffe mit
                                 										Notstation.
                              1. Sicherung für Gleichstrom, 40
                                 										Amp.; 2. Schalter für Gleichstrom; 3. Voltmeter-Umschalter; 4. Voltmeter, 250
                                 										Volt; 5. Anlasser; 6. Tourenregulator; 7. Gleichstrommotor, 4 PS, 110 Volt, 1500
                                 										Touren; 8.–10. Hochfrequenzsicherungen; 11. Hochfrequenzgenerator, 2 KW, 220
                                 										Volt, 500 Perioden; 12. Schiebewiderstände für Erregung und
                                 										Hochfrequenzgenerator; 13. Sicherungen für Wechselstrom, 30 Amp.; 14. Schalter
                                 										für Wechselstrom; 15. Amperemeter für Wechselstrom, 50 Amp.; 16. Taster; 17.
                                 										Primärdrossel; 18. Transformator, 220/8000 Volt; 19. Löschfunkenstrecke,
                                 										8-teilig; 20. Erregerkapazität, etwa 24000 cm; 21. Erregerselbstinduktion; 22.
                                 										Antennenamperemeter, 20 Amp.; 23. Antennenvariometer; 24.
                                 										Antennenverkürzungskapazität; 25. Empfangsapparat; 25. Primäre
                                 										Transformatorspule des Empfängers; 27. Telephon
                              
                           An der Vergrößerung des Anwendungsgebietes erkennt man am deutlichsten die
                              									technischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Reichweiten der Stationen sind
                              									relativ gestiegen, denn man kann jetzt 50 bis 75 v. H. der Maschinenenergie in
                              									Antennenenergie umsetzen. Man kommt daher mit kleineren Primäranlagen aus. Durch
                              									den Fortfall der Pausen zwischen den Wellenzügen kann ein und derselben Antenne
                              									mehr Energie zugeführt werden, und wegen der kurzen Zeitdauer der Löschfunken kann
                              									man ohne Zerstörung der Funkenelektroden sehr große Energiebeträge in Schwingungen
                              									umwandeln. Auch die Freiheit gegen Störungen durch andere Stationen und die
                              									atmosphärischen Entladungen sind ganz außerordentlich gestiegen. Der hohe singende
                              									oder pfeifende Ton der Sender dringt durch das Brodeln der Tropengewitter durch,
                              									selbst dann noch, wenn die störenden Geräusche 10, ja 100 mal stärker sind als er.
                              									Die Apparate für die normalen Anwendungen sind vereinfacht, Regulierungen sind fast
                              									vollkommen in Fortfall gekommen, so daß an das Bedienungspersonal nur noch eine
                              									Forderung gestellt wird: Die Kunst, zu telegraphieren, und zwar sowohl zu senden als
                              									auch nach dem Gehör die Telegramme aufzunehmen.
                           Zahlreiche Meß- und Kontrollapparate sind in den letzten Jahren entstanden. Fast alle
                              									Schwingungsvorgänge werden am Sender durch Spezialinstrumente gemessen. Selbst einen
                              									Rechenschieber für die Hochfrequenztechnik hat Telefunken
                              									jetzt hergestellt. Die Anzahl der Modelle, die Telefunken
                              									für die Sende- und Empfangsapparatur baut, ist überaus groß. Die Sendermodelle sind
                              									nach den geforderten Reichweiten und den hierzu erforderlichen Energien abgestuft.
                              									Die kleinsten sind für etwa 50 km Entfernung bestimmt und arbeiten mit 100 Watt in
                              									der Antenne. Die größten Sender sollen 4000 km überbrücken, und zwar mit 35 KW im
                              									Luftdraht. Die ebenfalls recht zahlreichen Empfängermodelle unterscheiden sich in
                              									der Ausführung nach dem Grade der geforderten Störungsfreiheit und nach den
                              									Antennengrößen. Grundsätzlich verschieden sind die Konstruktionen aller Apparate, je
                              									nachdem sie für militärische Zwecke oder für gewerbliche Nachrichtenbeförderung
                              									gebaut werden. Für Kriegszwecke kommt es darauf an, bei absichtlichen Störungen
                              									durch den Feind die eigenen Telegramme durchzubekommen. Es wird eine große Selektion
                              										und eine große
                              									Tonskala gefordert, und alle Veränderungen der elektrischen Einstellung müssen
                              									möglichst rasch vor sich gehen. Komplikationen und hoher Preis der Apparate sind
                              									eine selbstverständliche Folge.
                           Die Apparate der Handelsflotte fallen wesentlich einfacher und kleiner aus, weil
                              									meistens geringere Entfernungen verlangt werden. Telefunken baut hierfür drei Typen, eine große für große Passagier- und
                              									Frachtdampfer, eine mittlere für kleinere Passagierdampfer und eine kleinste für
                              									Fischereifahrzeuge, Feuerschiffe, Motorboote usw Einzelne dieser kleinen Fahrzeuge
                              									wünschen und erhalten nur den Empfangsapparat, aber keinen Sender.
                           Die deutschen Staatsbehörden haben in den letzten Jahren ein großes und immer
                              									wachsendes Interesse für die drahtlose Technik gezeigt, besonders das Reichspostamt,
                              									das Reichsmarineamt- und die Generalinspektion der Verkehrstruppen. Die
                              									Einrichtungen, welche die Behörden von Telefunken beziehen, sind die technisch
                              									vollkommensten, die von der Gesellschaft gebaut werden. Technisch besonders
                              									schwierige und mannigfaltige Aufgaben stellt die Marine. Hieraus fließen aber viele
                              									neue Anregungen und technische Fortschritte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 256
                              Fig. 2.
                              
                           Die bei weitem verbreitetste Schiffsstationstype ist in Fig. 1, der dabei verwendete A. E. G.-Umformer in Fig. 2 V dargestellt.
                           Wenn man hört, daß mit dieser kleinen Station, die 1,5 KW in die Antenne liefert,
                              									Entfernungen von vielen Tausend Kilometer überbrückt werden, so müßte man glauben,
                              									mit 35 KW Antennenenergie auf phantastische Zahlen kommen zu können. Das ist indes
                              									nicht der Fall. Diese großen Schiffsleistungen werden bei Nacht erzielt, bei Tage
                              									dagegen nur 600 bis 700 km. Marconi war der erste, der die Ursache erkannte. Das
                              									Licht ist der Feind der elektrischen Wellen, und ein um so größerer Feind und
                              									Energiezerstörer, je höher die Periode der Wechselströme ist. Es ist zwar leicht,
                              									niedrige Perioden zu machen, aber sehr schwer, sie ökonomisch auszustrahlen. Die
                              									Antennen schreiben die maximale Periodenzahl vor, und zwar durch ihre Höhe. Je
                              									höher eine Antenne, um so besser für niedrige Perioden. Wir stehen also hier vor
                              									einer erheblichen Schwierigkeit. Will man eine Dauerverbindung auf große Entfernung,
                              									eine Verbindung, die auch bei stärkstem Sonnenlicht, z.B. mittags in den Tropen,
                              									arbeitet, so braucht man eine niedrige Frequenz. Dazu sind sehr hohe Antennen
                              									notwendig.
                           Marconi war wieder der erste, der eine Dauerverbindung auf
                              									3100 km zwischen England und Kanada schuf, heute noch die einzige derartige Anlage.
                              									Seine beiden Stationen sind gleichgroß und beide mit enormen Antennen versehen. Telefunken besitzt nur eine Versuchsstation: Nauen. Die
                              									Antennenenergie ist die gleiche wie bei den Marconi-Stationen, aber es fehlt die zugehörige große Gegenstation. Versuche
                              									wurden nur nach einem Schiff und daher mit mittlerer Frequenz gemacht, und so wurden
                              									bis auf 5000 km noch Telegramme übermittelt.
                           Nunmehr aber wird Nauen umgebaut für ganz lange Wellen und für eine viermal größere
                              									Antennenenergie als die Marconi-Stationen. Das neue
                              									Antennennetz bedeckt die Fläche von 140000 qm in der senkrechten Projektion. Die von
                              									der Turmspitze abgehenden Drähte werden von 18 Außenmasten abgefangen, die auf dem
                              									Umfange eines zum Turmfuß konzentrischen Kreises von 800 m ∅ aufgestellt sind. Das
                              									neue Maschinen- und Apparatehaus enthält eine Sendereinrichtung für 100 KW
                              									Hochfrequenzenergie, die einerseits nach der Methode der tönenden Löschfunken,
                              									andererseits durch eine Hochfrequenzmaschine erzeugt wird.
                           Es ist anzunehmen, daß Nauen mit einer annähernd gleichgroßen Gegenstation selbst im
                              									Dauerbetrieb eine Verständigung auf Entfernungen von 6000 bis 7000 km ergeben
                              									wird.
                           (Inzwischen ist der 200 m hohe Antennenmast der Station Nauen infolge eines heftigen
                              									Orkans leider eingestürzt, so daß wohl noch einige Zeit vergehen dürfte, bis die
                              									erwähnten großen Entfernungen tatsächlich überbrückt werden können. Anm. d.
                              									Red.)