| Titel: | ROTIERENDE MASCHINEN SYSTEM WITTIG. | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 282 | 
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                        ROTIERENDE MASCHINEN SYSTEM WITTIG.
                        Rotierende Maschinen System Wittig.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           a) Beschreibung der Konstruktion und Erläuterung der mit derselben
                              									verbundenen Vorteile, b) Klarlegung der Wirkungsweise, sowohl als Luftpumpe
                              									(Kompressor usw.) als auch als Kraftmaschine, c) Erörterungen über die Aussichten
                              									des Systems in der Anwendung an Kraftmaschinen, d) Versuchsergebnisse.
                           ––––––––––
                           Die rotierenden Maschinen System Wittig sind Kapselwerke
                              									mit sichelförmigem Arbeitsraum.
                           Neben diesem bekannten Prinzip sind sie durch folgende Besonderheiten
                              									gekennzeichnet:
                           I. Die Anwendung einer großen Zahl dünner Arbeitsschieber oder Flügel c (Fig. 1 und 2) in Schlitzen der Kolbenwalze a verschiebbar und durch die Zentrifugalkraft außen
                              									gehalten.
                           Dadurch wird der sichelförmige Arbeitsraum in eine große Zahl von Arbeitszellen
                              									geteilt, deren jede ihren Inhalt während einer Umdrehung stetig von einem kleinsten
                              									is zu einem größten Wert und zurück ändert. Man bezeichnet dies als
                              									Vielzellenprinzip und erreicht damit folgende besonderen Vorteile:
                           1. Das Zu- und Abführen von Luft, Dampf usw. kann durch einfache Durchbrechungen im
                              									Gehäuse ohne Benutzung besonderer Steuerorgane erfolgen. Da, wo sich keine solchen
                              									Durchbrechungen befinden, findet, je nachdem sich die Arbeitszellen gerade
                              									vergrößern oder verkleinern, eine Ausdehnung oder Kompression des Inhalts statt.
                           2. Da je zwei benachbarte Zellen nur einen geringen Raumunterschied haben, so ist
                              									auch der Druckunterschied zwischen ihnen nur gering, woraus folgt, daß einmal jeder
                              									Arbeitsschieber nur gering belastet wird und weiter, daß die Undichtheitsverluste
                              									sehr gering sein werden.
                           3. An dem Punkte f, wo die Kolbenwalze dem Gehäuse am
                              									nächsten kommt, wo also beispielsweise an Kompressoren der Druckraum vom Saugraum
                              									getrennt wird, ist es nicht nötig, daß die Walze a das
                              									Gehäuse abdichtend
                              									berührt, da dort immer wenigstens ein Schieber c steht
                              									und beide Räume trennt.
                           Diesen sogen. Totpunkt abzudichten, bildet bei allen Kapselwerken mit wenig Schiebern
                              									immer eine große Schwierigkeit und Anlaß zu stets wieder eintretenden Undichtheiten.
                              									Bei den vorliegenden Maschinen sind diese Schwierigkeiten nicht vorhanden, ja man
                              									läßt die Walze mit einem kleinen Abstand vom Gehäuse in diesem Punkt laufen.
                           4. Da das Füllen und Entleeren der Zellen in rascher Folge stattfindet, so entsteht
                              									ein praktisch gleichförmiger Strom der Luft bezw. des Dampfes von und zu der
                              									Maschine.
                           5. Aus allem Vorstehenden folgt natürlich auch ein gleichförmig an der Welle
                              									ausgeübtes Drehmoment.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 283
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 283
                              Fig. 2.
                              
                           II. Die andere Besonderheit bildet die gegenseitige Abstützung der Zentrifugalkräfte
                              									der Arbeitsschieber durch die sogen. Laufringe g.
                           Würden bei hoher Drehzahl die Schieber sich allein gegen das Gehäuse legen, so
                              									entstände eine zu große Reibung an der Gehäusemantelwand. Es werden daher Ringe g von ungefähr gleichem Innendurchmesser wie das
                              									Gehäuse außen um die Schieber herumgelegt. Diese Ringe haben senkrecht zur Achse
                              									Spiel in ihren Führungen und sind auch seitlich leicht beweglich eingesetzt. Von den
                              									Schiebern werden sie bei der Drehung mitgenommen und können sich auf die äußeren
                              									Schieberkanten frei einstellen. Sie umschließen gewissermaßen die Schieber wie ein
                              									Faßreif die Dauben, während das Gehäuse diesem ganzen rotierenden System nur die
                              									Führung gibt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 283
                              Fig. 3.
                              
                           In Fig. 3 ist die aus dem Gehäuse herausgenommene
                              									Walze samt Schiebern und Laufringen dargestellt, woran man sich gut klar machen
                              									kann, wie die nach allen Seiten auf den Laufring wirkenden Zentrifugalkräfte sich
                              									gegenseitig aufheben.
                           Auf den Laufringen erleidet jeder Schieber bei jeder Umdrehung eine geringe
                              									Relativverschiebung, da ja die Schlitzwalze exzentrisch zu der Gehäuseachse liegt;
                              									infolge dieses geringen Relativweges sind aber auch die damit verbundenen
                              									Reibungsverluste nur gering.
                           Der Ringraum, welcher sich außen um die Laufringe bildet, wird durch eine Anzahl quer
                              									in Schlitzen steckende kleine Schieberplättchen wieder in eine Anzahl Kammern
                              									geteilt, die durch Bohrungen mit dem Maschineninnern verbunden werden; es hat
                              									dies den Zweck, den im Innern herrschenden Druck auch auf die äußere Laufringfläche
                              									umzuleiten, damit keine einseitigen Kräfte senkrecht zur Achse auf den Laufring
                              									kommen können.
                           Durch die Abstützung der Zentrifugalkräfte ist es nun möglich geworden, Drehzahlen
                              									anzuwenden, welche ungefähr denen von Elektromotoren und Dynamomaschinen
                              									entsprechen, und man erzielt hiermit mehrere wichtige Vorteile:
                           1. Eine Anpassungsfähigkeit an elektrische Maschinen, wie man sie sonst selten
                              									hat;
                           2. eine hohe Leistungsfähigkeit der Maschine bei geringem Gewichts- und
                              									Raumbedarf;
                           3. die im Innern noch vorhandenen Undichtheitsverluste kommen bei der hohen
                              									Geschwindigkeit wenig mehr zur Geltung.
                           Die Wirkungsweise der Maschine als Luftpumpe (Kompressor, Vakuumpumpe) ist leicht
                              									verständlich. An der Seite des Gehäuseumfanges nämlich, wo die Zellen ihren
                              									Rauminhalt vergrößern, sind Oeffnungen angebracht, an denen die Zellen
                              									vorüberstreichen und durch welche sie sich vollsaugen können. Vom Punkte größten
                              									Zelleninhalts ab bestreichen die Zellen zunächst ein Stück keine Oeffnungen, sie
                              									komprimieren ihren Inhalt, und an einem geeigneten Punkte beginnen die Oeffnungen,
                              									durch welche der Inhalt der Zellen in die Druckleitung ausgeschoben wird.
                           Die Wirkungsweise als Kraftmaschine (Dampfmaschine, Druckluftmotor) ist etwas
                              									schwieriger verständlich und soll an Hand der Fig. 4
                              									erläutert werden.
                           Die Umlaufrichtung ist durch einen Pfeil dargestellt und der Dampfeintritt erfolgt
                              									durch die Eintrittsöffnung k in die gerade darunter
                              									befindlichen Zellen. Wie wird nun ein Drehmoment ausgeübt? Denken wir uns die Zelle
                              										z1 mit Dampf
                              									gefüllt, so drückt derselbe nach allen Seiten gleichmäßig. Nach außen auf die
                              									ruhende Gehäusewand und nach innen auf die Walze kann keine Drehkraft ausgeübt
                              									werden. Vergleichen wir dagegen die vom Dampfdruck getroffenen Schieberflächen, so
                              									sehen wir, daß die in der Drehrichtung vorwärtsliegende größer als die
                              									rückwärtsliegende ist, weil ersterer Schieber weiter aus seinem Schlitz heraussteht.
                              									Die Folge ist aber eine Differenzkraft in der Drehrichtung. Derselbe Fall liegt auch
                              									bei jeder Zelle z2 vor,
                              									welche nicht mehr in Verbindung mit der Dampfzuführung steht, in welcher also der Dampf
                              									expandiert; auch hier ist infolge ungleichgroßer Zellenwände eine
                              									Differenzumfangskraft vorhanden. Die Summe aller dieser Kräfte ergibt die ganze am
                              									Umfang der Walze ausgeübte Kraft.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 284
                              Fig. 4.
                              
                           Das Ausschieben des Abdampfes auf der anderen Maschinenseite erfolgt, wie leicht
                              									verständlich, beim Kleinwerden der Zellen durch angebrachte Oeffnungen.
                           Tabelle 1.
                           Versuche an einem Wittig-Kompressor, gebaut für 3 bis 3,5 at
                              									Ueberdruck.
                           
                              
                                 Versuch Nr.
                                 1
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 6
                                 
                              
                                 Uml./Min.
                                 900
                                 900
                                 900
                                 900
                                 900
                                 900
                                 
                              
                                 Endüberdruck                                  at
                                 4,5
                                 4
                                 3,5
                                 3
                                 2,5
                                 2
                                 
                              
                                 Endtemperatur der Luft                  °C
                                 132
                                 121
                                 112
                                 106
                                 98
                                 92
                                 
                              
                                 Ansaugemenge                      cbm/Std.
                                 202
                                 215
                                 224
                                 239
                                 256
                                 270
                                 
                              
                                 Kühlwassermenge                    kg/Sek.
                                 0,21
                                 0,21
                                 0,21
                                 0,21
                                 0,21
                                 0,21
                                 
                              
                                 Kuhlwassertemperatur°C
                                 EintrittAustritt
                                 923,5
                                 920,5
                                 919,5
                                 918,5
                                 918
                                 917,5
                                 
                              
                                 Wärmeabfuhr im Kühlwasser WE/Sek.
                                 3,05
                                 2,42
                                 2,2
                                 2,05
                                 1,9
                                 1,78
                                 
                              
                                 Wärmeabfuhr durch die Luft       „
                                 1,78
                                 1,68
                                 1,62
                                 1,63
                                 1,5
                                 1,55
                                 
                              
                                 Gesamt-Wärmeabfuhr                 „
                                 4,83
                                 4,10
                                 3,82
                                 3,68
                                 3,48
                                 3,33
                                 
                              
                                 Kraftverbrauch                              
                                    											PS
                                 27,5
                                 23,3
                                 21,7
                                 20,9
                                 19,8
                                 18,9
                                 
                              
                                 Barometerstand                            mm
                                 720
                                 
                              
                                 Raumtemperatur                             °C
                                 17
                                 
                              
                           Tabelle 2.
                           Versuchsdampfmaschine System Wittig für 10 PS-Leistung bei 10 at
                              									Einströmüberdruck mit Auspuff.
                           
                              
                                 Versuch Nr.
                                 1
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 
                              
                                 Einströmüberdruck
                                 9,45
                                 9,4
                                 9,4
                                 9,35
                                 –
                                 
                              
                                 Dampftemperatur           °C
                                 245
                                 230
                                 250
                                 220
                                 200
                                 
                              
                                 Umdr./Min.
                                 1490
                                 1490
                                 1490
                                 1490
                                 1500
                                 
                              
                                 Bremsleistung                 PS
                                 10,52
                                 10,52
                                 10,75
                                 10,68
                                 0
                                 
                              
                                 Dampfverbrauch kg/PS-Std.
                                 16,6
                                 17
                                 16,2
                                 17,5
                                 –
                                 
                              
                           Der Leerlaufsversuch Nr. 5 erfolgte mit Drosselregulierung, wobei
                              									der Gesamtdampfverbrauch 23 kg/Std. war.
                           Man hat bisher allen neu auftauchenden rotierenden Dampfmaschinen ein berechtigtes
                              									Vorurteil, hervorgerufen durch die vielen Mißerfolge auf diesem Gebiet,
                              									entgegengebracht. Die Wittigsche Konstruktion erfordert
                              									dagegen etwas eingehendere Beachtung, vor allem wegen der Tatsache, daß die
                              									seit etwa 2½ Jahren auf den Markt gekommenen Kompressoren (Fig. 5), Vakuumpumpen und Gebläse in steigendem Maße beliebt geworden
                              									sind (die ersten Versuche reichen etwa 4¼ Jahre zurück). Zum anderen läßt sich durch
                              									theoretische Erörterungen und genaue Ueberlegungen, deren Klarlegung einer späteren
                              									Mitteilung vorbehalten bleiben soll, nachweisen, daß die innere Wirkungsweise nach
                              									verschiedenen Richtungen hin bei den Kraftmaschinen nach System Wittig sich noch günstiger gestalten muß als bei den
                              									Luftpumpen. Schließlich muß noch auf die Ergebnisse von Versuchen an einer
                              									Probemaschine hingewiesen werden, die unten angeführt sind. Es ist dabei von
                              									besonderer Bedeutung, daß diese erste Probemaschine während der fünf Monate lang
                              									täglich zehn Stunden dauernden Betriebszeit nicht einen einzigen Anstand ergeben
                              									hat, was
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 284
                              Fig. 5. Wittig-Kompressor mit normalem Drehstrommotor gekuppelt.
                              
                           Tabelle 3.
                           Versuche an einem Wittig-Gebläse.
                           
                              
                                 Versuch Nr.
                                 1
                                 2
                                 3
                                 
                              
                                 Uml./Min.
                                 650
                                 650
                                 650
                                 
                              
                                 Endüberdruck                               mm Q.-S.
                                 500
                                 680
                                 807
                                 
                              
                                 Endtemperatur der Luft                          °C
                                 69
                                 78
                                 85,4
                                 
                              
                                 Ansaugmenge                                bm/Min.
                                 9,6
                                 9,45
                                 9,33
                                 
                              
                                 Kühlwassermenge                           kg/Min.
                                 15
                                 15
                                 15
                                 
                              
                                 Erwärmung des Kühlwassers                  °C
                                 3,5
                                 4
                                 4,5
                                 
                              
                                 Wärmeabfuhr durch d. Kühlwasser WE/Sek.
                                 0,875
                                 1
                                 1,125
                                 
                              
                                 Wärmeabfuhr durch die Luft               „
                                 2,110
                                 2,45
                                 2,730
                                 
                              
                                 Gesamt-Wärmeabfuhr                         „
                                 2,985
                                 3,45
                                 3,855
                                 
                              
                                 Kraftverbrauch                                      
                                    											PS
                                 17
                                 19,6
                                 21,9
                                 
                              
                           bei einer ersten Maschine gewiß viel heißen will. Der erzielte
                              									Dampfverbrauch entspricht Werten, die man bei der betreffenden Größe von guten
                              									Kolbenmaschinen erwartet; er ist wesentlich geringer als der von Kleindampfturbinen
                              										bekannter
                              									Systeme. Da es nach dem heutigen Stande des Dampfturbinenbaues kaum gelingen dürfte,
                              									eine Kleindampfturbine zu schaffen, die im Verbrauch günstige Zahlen aufweist und
                              									dabei ohne Uebersetzungen eine bequem brauchbare Umdrehungszahl hat, so wird die Wittig-Maschine sicher eine vorhandene Lücke gut
                              									ausfüllen, denn sie besitzt in hohem Maße die Anpassungsfähigkeit in der Drehzahl,
                              									die man der Turbine eben nur auf Kosten des Verbrauchs geben kann; dabei ist sie
                              									einer gleichstarken Turbine an Kleinheit und Leichtigkeit noch überlegen.
                           Zu den vorstehenden Versuchswerten ist folgendes zu bemerken: Bei den Luftpumpen
                              									wurde der Kraftverbrauch aus den durch das Kühlwasser und die Luft abgeführten
                              									Wärmemengen bestimmt, ein Verfahren, das man neuerdings vielfach an
                              									Turbokompressoren anwendet. Es ist im vorliegenden Fall hinreichend genau, weil das
                              									Kühlwasser die ganze Maschine und auch die Lager umspülte und die mittlere
                              									Kühlwassertemperatur die Außentemperatur nicht überstiegen hat, also eher eine
                              									Wärmeaufnahme als eine Abgabe stattgefunden haben kann.
                           Bei den Versuchen mit der Dampfmaschine wurde der Dampf an wassergekühlten
                              									Oberflächen niedergeschlagen und das Kondensat gewogen; der Kondensator stand unter
                              									Atmosphärendruck; die Maschine arbeitete also mit Auspuff. Die Leistung wurde
                              									abgebremst.