| Titel: | DIE FORTSCHRITTE AUF DEM GEBIETE DER DRUCKLUFTERZEUGUNG UND DEREN WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG. | 
| Autor: | P. Bernstein | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 337 | 
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                        DIE FORTSCHRITTE AUF DEM GEBIETE DER
                           								DRUCKLUFTERZEUGUNG UND DEREN WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG.
                        Von Oberingenieur P. Bernstein,
                           									Köln.
                        BERNSTEIN: Die Fortschritte auf dem Gebiete der Drucklufterzeugung
                           								usw.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Entwicklungsgang und Wirkungsweise der Turbokompressoren;
                              									Bauarten, Anordnungen des Rotors. Verschiedene Arten der Wasserkühlung;
                              									Entlastungsvorrichtungen. Regulierungsmethoden, Charakteristiken und sonstige
                              									Betriebseigenschaften. Wärmewirkungsgrade. Versuchs- und Betriebsergebnisse
                              									ausgeführter Anlagen.
                           ––––––––––
                           
                        
                           I. Turbokompressoren.
                           Die Fortschritte auf dem Gebiete der Drucklufterzeugung betreffen in erster Linie die
                              									Verbesserungen an den Kompressionsmaschinen, von deren Güte die Wirtschaftlichkeit
                              									der Druckluftanlage wesentlich beeinflußt wird.
                           Der einschneidendste und für die Entwicklung bedeutsamste Fortschritt ist wohl die
                              									Einführung und Verwendung des Rotationsprinzips im Bau von Großkompressoren.
                              									Darunter versteht man Maschinen von etwa 6000 bis 8000 cbm stündlicher Saugleistung
                              									und darüber.
                           Man sollte meinen, daß, nachdem es gelungen, die Dampfturbine auf ihre heutige
                              									Vollkommenheit zu bringen, es nur ein Schritt war von dieser zum Turbogebläse bezw.
                              									Turbokompressor. Waten doch die Hauptschwierigkeiten, die der Einführung der
                              									rotierenden Maschine im Wege standen, glänzend überwunden. Daß hohe Umdrehungen und
                              									Umfangsgeschwindigkeiten für den praktischen Betrieb unbedenklich sind, bewies die
                              										Laval-Turbine mit ihren 30000 minutl. Umdrehungen und
                              									350 m Umfangsgeschwindigkeit. Die modernen Hilfsmittel der Technik, darunter
                              									vorzügliche bei der Dampfturbine erprobte Baumaterialien von den erforderlichen
                              									Festigkeitseigenschaften in Verbindung mit vervollkommneten Fabrikationsmethoden,
                              									standen zur Verfügung. Trotzdem die Bahn geebnet war, kam man nicht vorwärts; es
                              									bedurfte erst vieler Proben und Versuche, um die noch bis vor kurzem vorherrschende
                              									Ansicht, daß Kreiselmaschinen zur Erzeugung höherer Luftpressungen ungeeignet seien,
                              									durch Tatsachen zu widerlegen.
                           Bei den Versuchen fehlte es nicht an Irrtümern, von denen der von Parsons selbst begangene nicht ohne Interesse ist und
                              									besonders hervorgehoben zu werden verdient. Der geniale Konstrukteur der
                              									Dampfturbine ging empirisch vor, indem er das Turbogebläse ohne weiteres als reine
                              									Umkehrung seiner Dampfturbine baute. Das mehrstufige Turbogebläse Parsonsscher Bauart bestand in der bekannten Anordnung
                              									einer Reihe von Laufrädern, von denen jedes am Umfang eine große Anzahl kurzer
                              									Schaufeln trug; zwischen den Schaufelkränzen waren die am Gehäuse befestigten
                              									Leitvorrichtungen angebracht. Die zu komprimierende Luft durchströmte das Lauf- und
                              									Leitradsystem in achsialer Richtung. Die Kompression wurde hierbei in grundsätzlich
                              									unrichtiger Weise durch Stoß bewirkt und nicht, wie es naheliegend und heute
                              									selbstverständlich scheinen möchte, durch stoßfreie Ueberführung der kinetischen in
                              									potentielle Energie.
                           Parsons unterschätzte ferner die Undichtheitsverluste des
                              									mehrstufigen Turbokompressors, die bei achsialer Luftführung am größten ausfallen,
                              									weil die Abdichtungen an die größten Laufraddurchmesser verlegt werden mußten. Die
                              									bezüglichen Verluste bei der Dampfturbine werden bekanntlich wieder eingebracht,
                              									indem der entweichende Dampf in den folgenden niederen Stufen im Laufe des Prozesses
                              									noch Expansionsarbeit verrichtet und ausnutzbare Wärme an den Arbeitsdampf abgibt.
                              									Im Gegensatz zur Dampfturbine muß bei dem Turbokompressor die in die niedere Stufe
                              									zurückentweichende Luft von neuem komprimiert werden, außerdem bewirkt sie eine
                              									schädliche Erwärmung der Ansaugeluft, was einen bedeutenden Mehraufwand an Arbeit
                              									für ein gegebenes Luftgewicht verursacht. Ein geringer Wirkungsgrad, welcher weit
                              									hinter dem der Kolbenmaschine zurückblieb, war bei dem Parsonssystem unvermeidlich. Der Firma Brown-Boveri, die seinerzeit den Bau von Parsons-Maschinen aufnahm, gelang es daher nicht, diese in Deutschland
                              									einzuführen.
                           
                           Erst Professor Rateau, Paris, der sich als
                              									Bergingenieur seit Jahren mit der Konstruktion von Grubenventilatoren befaßte,
                              									zeigte den Weg zur Weiterentwicklung des mehrstufigen Turbokompressors. Schon der
                              									erste von ihm im Jahre 1900 erprobte, mit Dampfturbine direkt gekuppelte
                              									Hochdruckventilator war ein Erfolg, indem in einem einzigen Rad ½ at Ueberdruck
                              									erzielt wurde. Der erste im Jahre 1905 auf dem französischen Bergwerke Bethune in
                              									Betrieb genommene mehrstufige Rateau-Kompressor, welcher
                              									mit Leitapparat und zugleich mit wirksamer Luftkühlung versehen war, wies auch
                              									bereits einen günstigen Wirkungsgrad auf.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 338
                              Fig. 1.
                              
                           Das Kennzeichnende des vorbildlich gewordenen Kompressors Rateauscher Bauart entnehmen wir der Fig.
                                 										1, die ein Element eines mehrzelligen Gebläses in der typischen Anordnung
                              									der Firma Brown-Boveri darstellt. Dieses besteht aus dem
                              									Laufrad und dem es umgebenden Diffusor; letzterer bildet einen Ringkanal, der im
                              									Längsschnitt eine ∪-Form aufweist. Die zu komprimierende
                              									Luft tritt an der Nabe des ersten Laufrades zentral ein und wird aus diesem in
                              									radialer Richtung in den Diffusor fortgeschleudert. Das der Austrittsgeschwindigkeit
                              									entsprechende Arbeitsvermögen der Luft wird im ersten Teil des Diffusors in Druck
                              									umgewandelt. Von dem äußeren Umfang des Ringraumes wird die Druckluft durch den mit
                              									Leitschaufeln versehenen Rückkehrkanal nach der Mitte des nächstfolgenden Rades
                              									geführt, wobei die Rotationskomponente ihr entzogen wird, von diesem erfaßt, in das
                              									dritte Rad geleitet und so fort, bis sie sämtliche Laufräder passiert, um, vom
                              									letzten Diffusor auf den Enddruck gebracht, in die Druckluftleitung ausgestoßen zu
                              									werden. Der Luftdruck nimmt also von einem Kreiselrad zum anderen nach dem Durchgang
                              									durch die Diffusoren zu, deren Anzahl je nach der Höhe des zu erzeugenden
                              									Kompressionsdruckes und nach der durch die Leistung und die Art des Antriebs
                              									gegebenen Umlaufzahl zwischen 1 bis 20 und noch mehr schwankt. Das Laufrad besteht
                              									aus einer Scheibe aus Nickelstahl, an die die stählernen Schaufeln angenietet sind,
                              									die ihrerseits eine entsprechende stählerne Begrenzungsfläche tragen.
                           Dieser ähnlich ist die Radkonstruktion der Gutehoffnungshütte, während die Allgemeine
                                 										Elekrizitäts-Gesellschaft zwei volle Scheiben mit dazwischen angenieteten
                              									schmiedeeisernen Schaufeln verwendet (s. Fig. 2).
                              									Bei Jaeger-Plagwitz sind die Stirnwände des Rades mit der
                              									Radnabe nicht fest verbunden, sondern die eine Seitenwand ist durch einen Ring a festgeklemmt. Damit wird bezweckt, daß das ganze Rad
                              									sich in radialer Richtung frei ausdehnen kann, ohne daß Verbiegungen in achsialer
                              									Richtung auftreten können. (Fig. 3).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 338
                              Fig. 2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 338
                              Fig. 3.
                              
                           Was die Schaufelform des Laufrades betrifft, so wird übereinstimmend die rückwärts
                              									gekrümmte Schaufel bevorzugt, da bei dieser neben einem geringen Kraftbedarf die
                              									später noch zu erörternde Labilität des Kompressors nicht so schnell eintritt als
                              									bei der vorwärts gekrümmten Schaufel, obwohl mit letzterer im allgemeinen höhere
                              									manometrische Drucke erzeugt werden.
                           Fig. 4 zeigt im Längsschnitt einen neunstufigen
                              									Kompressorkörper der A. E. G. Durch den linken Saugstutzen eintretend, durchströmt
                              									die Luft hintereinander das Rädersystem, deren Abmessungen mit fortschreitender
                              									Kompression und abnehmendem Luftvolumen sich entsprechend verringern; auf den
                              									Enddruck gebracht, verläßt sie den Kompressor durch den rechten Druckstutzen.
                           Ist bei dem seitherigen Verfahren, die Luft durch hin- und hergehenden Kolben zu
                              									verdichten, der Verringerung des Arbeitsbedarfs und der Erhöhung der
                              									Betriebssicherheit wegen eine Abführung der entstehenden Kompressionswärme
                              									erforderlich, so ist dies beim Turbokompressor geradezu unerläßlich. Infolge der hohen
                              									Luftgeschwindigkeiten von etwa 150 m und darüber ist die entstehende Reibungswärme
                              									bedeutend, so daß der polytropische Exponent, insbesondere in den Niederdruckstufen,
                              									weit über den adiabatischen Exponenten und demgemäß die Lufttemperatur über das
                              									betriebstechnisch zulässige Maß hinaussteigt. Es wird daher die größte Sorgfalt der
                              									wirksamen Luftkühlung zugewandt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 339
                              Fig. 4.
                              
                           Jedes Kompressorelement der Fig. 4 ist mit
                              									Wasserkühlung versehen. Das Kühlwasser wird in die inneren und äußeren Zwischenräume
                              									der doppelwandigen Leitkörper durch einzelne Abzweige einer dem Gehäuse entlang
                              									verlegten Kühlleitung zugeführt. Auf diese Weise wird die in den einzelnen Stufen
                              									entstandene Erwärmung der Luft zum größten Teil sofort abgeführt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 339
                              Fig. 5.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 339
                              Fig. 6.
                              
                           Bei der Bauart der Firma Brown-Boveri (Fig. 5 und 6), die
                              									dadurch gekennzeichnet ist, daß die Lauf- und Leiträder in ein in der wagerechten
                              									Mittelebene geteiltes Gehäuse eingesetzt sind, wird der Umlauf des Kühlwassers
                              									dadurch bewirkt, daß die äußeren Kühlräume K der
                              									oberen und unteren Gehäusehälfte sowie die ersteren mit den inneren Kühlräumen J der Leiträder durch gut abdichtende
                              									Rohrverschraubungen r miteinander verbunden sind. Das
                              									Kühlwasser wird an zwei Stellen zugeführt, und zwar an der Saug- und Druckseite des
                              									Kompressors. Der Kühlwasserstrom, an der Druckseite durch den Stutzen des oberen
                              									Deckels d1 eintretend,
                              									durchzieht hintereinander die Kühlräume K und J im Gegenstrom mit der Druckluft; der Abfluß erfolgt
                              									durch den Stutzen des unteren Deckels d2. Die Entlüftung der einzelnen Wasserkammern
                              									geschieht durch die in den Scheidewänden des Kühlmantels. angebrachten Oeffnungen
                              										l, wobei die sich ansammelnde Luft durch die am
                              									oberen Deckel in der Mitte des Kompressorkörpers befindlichen Entlüftungsrohre
                              									abzieht.
                           Die Firma Jaeger verwendet besondere Kühlschlangen aus
                              									Messing, die in konzentrischen Windungen zwischen jede Radstufe des Kompressors
                              									herausnehmbar und auswechselbar eingesetzt sind.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)