| Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 446 | 
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                        POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Ueber Bergbau in den Kolonien referierte bei den
                              									kürzlich stattgehabten Verhandlungen der Technischen Kommission des
                              									Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees Diplom-Ingenieur J. Kuntz und führte u.a. folgendes aus:
                           In Südwest-Afrika hat die bergmännische Erforschung des Landes in den letzten Jahren
                              									gute Fortschritte gemacht. Angeregt durch Diamanten-, Zinn- und Goldfunde herrscht
                              									seit Jahren rege Schürftätigkeit. Namentlich haben auch die großen Gesellschaften
                              									bedeutende Mittel aufgewandt, um ihre Gebiete und andere versprechende Gegenden des
                              									Landes durchsuchen zu lassen. Zu erwähnen sind die Entdeckungen von einigen kleinen
                              									Kupferlagerstätten in den Otavibergen, von großen Eisenerzlagern und von
                              									Goldquarzgängen in Kaokoland, von denen die versprechendsten zurzeit noch beschürft
                              									werden, ferner von abbauwürdigen Beryllfunden bei Rössing und schließlich von einer
                              									Reihe guter Zinnerzfunde in der Gegend des Erongogebirges und südlich des
                              									Brandberges.
                           Die Diamantenproduktion ist im letzten, eben beendeten Geschäftsjahr der Regie
                              									zurückgegangen von einer Förderung im Werte von M 26869000 im vorhergehenden auf
                              									eine solche im Werte von M 20898000 (816296 Karat). Durch die ausgedehntere
                              									Verwendung maschineller Aufbereitungen wurden mehr kleinere und weniger wertvolle
                              									Diamanten gewonnen als früher bei der Handaufbereitung. Infolgedessen ging auch der
                              									durchschnittliche Preis f. d. Karat etwas herab. Bisher stellte sich der
                              									Durchschnittspreis der von der Regie verkauften Steine auf M 27,122 f. d. Karat bei
                              									einer Durchschnittsgröße der Steine von 5,838 auf das Karat. Fast die ganze
                              									Förderung (94,55 v. H.) ging nach Antwerpen. An derselben sind fast ausschließlich
                              									die fünf großen Gesellschaften beteiligt, welche die reichsten Felder besitzen. Es
                              									ist zu erwarten, daß die beabsichtigte Umwandlung der Bruttosteuer in eine
                              									Abgabe vom Nettogewinn sowohl die Produktion bedeutend steigern, als auch überhaupt
                              									einen belebenden Einfluß auf das ganze Diamantengebiet ausüben wird.
                           Bezüglich Herkunft der Diamanten neigt man der Ansicht zu, daß die Primärlagerstätten
                              									in der Nähe auf dem Festlande liegen müssen. Es ist deswegen noch immer die Hoffnung
                              									berechtigt, solche zu finden.
                           Die Produktion der Otavimine betrug im Geschäftsjahr 1910/11: an Erz 31600 t mit
                              									durchschn. 16 v. H. Kupfer, 24 v. H. Blei, 290 g Silber f. d. t; an Kupferstein 2220
                              									t mit durchschn. 47 v. H. Kupfer, 26 v. H. Blei, 440 g Silber f. d. t; an Werkblei
                              									2040 t mit durchschn. 98 v. H Blei, 620 g Silber f. d. t.
                           Im eben abgeschlossenen Geschäftsjahr 1911/12 ist die Produktion nicht so groß
                              									gewesen. Sie betrug 29600 t Erz, 1420 t Kupfersteine, 900 t Werkblei mit ähnlichem
                              									Gehalt an Metallen wie im vorhergehenden Jahre.
                           Die Untersuchungsarbeiten in der Tiefe der Tsumebgrube haben günstige Erfolge gehabt,
                              									sowohl was Menge als Wert der angetroffenen Erze anlangt, so daß die Produktion in
                              									ähnlicher Quantität und Qualität, wie bisher, für einige weitere Jahre gesichert
                              									erscheint.
                           Kleinere Kupfererzmengen wurden gewonnen auf den Gruben von Otjisongati und im
                              									Khantal sowie von der Otavi Expl. Co. im Otavital.
                           Besonderes Interesse haben die in den letzten Jahren gemachten Zinnerzfunde in
                              									Südwest-Afrika erregt. In einem Gebiet, welches von der Küste nördlich Swakopmund
                              									bis in die Gegend östlich Omaruru und vom Swakop im Süden bis zum Brandberg im
                              									Norden reicht, finden sich zahllose Pegmatit- und Quarzgänge, die meist in Gangzügen
                              									sich an dem Kontakt zwischen alten kristallinen Schiefern und Granit
                              									entlang ziehen. Das Zinnerz kommt vor als Kristalle und Körner von Zinnstein
                              									(Kassiterit), die in der Gangmasse eingesprengt sind. Der Gehalt der Gänge ist sehr
                              									wechselnd, hängt aber nicht, wie bisweilen gemeldet wurde, mit atmosphärischen
                              									Einflüssen und Grundwasserspiegel zusammen. Er beträgt von einem Bruchteil eines
                              									Prozentes bis zu 10 v. H.
                           Die Abbauwürdigkeit ist abhängig von der Häufigkeit, Ausdehnung und Ergiebigkeit der
                              									reichen Stellen, die sich meist in einer bestimmten Entfernung vom Kontakt des
                              									Granits mit den Schiefern befinden sowie von örtlichen Verhältnissen, Größe des
                              									Betriebes usw. Die reichsten Funde, die bisher gemacht worden sind, befinden sich im
                              									Tal des Eiseb- oder Omaruruflusses westlich Okombahe, ferner nördlich Okombahe,
                              									sowie am Südost- und Südwestfuß des Erongogebirges. Sie sind fast sämtlich in die
                              									Hände größerer englischer Gesellschaften übergegangen. Praktisches Verständnis,
                              									schnelles Erkennen von Chancen und Möglichkeiten, energisches Zugreifen und
                              									flüssigere Geldverhältnisse infolge von Kleinaktien sind Eigenschaften und Umstände,
                              									welche dem englischen Unternehmer eine große Ueberlegenheit über seinen deutschen
                              									Konkurrenten auf dem Gebiete des kolonialen Bergbaues geben. Nach dem heutigen Stand
                              									der Untersuchungen kann man die Aussichten des Zinnerzbergbaus in Südwest-Afrika als
                              									günstig bezeichnen, und bei der großen Ausdehnung des Zinngebietes ist noch viel
                              									Raum zur Betätigung für andere übrig.
                           In Ostafrika ist die Schürftätigkeit viel geringer gewesen, als sie bei den großen
                              									Möglichkeiten in dieser Kolonie für den Bergbau sein sollte. Der bestehende
                              									Goldbergbau hat sich indessen in befriedigender Weise weiter entwickelt. Die
                              									Produktion der Kirondagoldmine betrug im Jahre 1909 M 225000,–, 1910 M 387000,–,
                              									1911 M 980000,–.
                           Der durchschnittliche Goldgehalt f. d. t ist ungewöhnlich hoch und betrug 1909 38,5
                              									g, 1910 46,45 g, 1911 45,92 g. Die Betriebskosten sind bisher noch sehr bedeutend,
                              									doch werden sie aller Voraussicht nach in nächster Zeit weiter heruntergehen. Der
                              									gegenwärtige Rückgang in der Produktion steht in Verbindung mit vorübergehenden
                              									Wasserschwierigkeiten.
                           Nicht weit von der Südostecke des Victoriasees ist die kleine Goldgrube Kassama, die
                              									schon früher einmal bearbeitet wurde, von einigen Prospektoren wieder aufgenommen
                              									worden und wird mittels eines kleinen Fünfstempel-Pochwerks betrieben.
                           In der Nähe der Militärstation Ikoma sind neue Goldvorkommen gefunden worden, die zu
                              									Hoffnungen auf Abbauwürdigkeit berechtigen und von der Central-Afrikanischen Bergwerks-Gesellschaft
                              									gegenwärtig beschürft werden.
                           Die Glimmerproduktion Deutsch-Ostafrikas nimmt langsam und stetig zu. Sie betrug:
                           
                              
                                 
                                 190877538 kg
                                 190994852 kg
                                 1910106580 kg
                                 
                              
                                 im Werte von
                                 M 208947,–
                                 258799,–
                                 320720,–
                                 
                              
                                 Wert f. d. kg
                                 „          2,69
                                 2,73
                                 3,01
                                 
                              
                           Auch im letzten Jahr soll eine kleine Zunahme stattgefunden haben, während der
                              									Preis des Glimmers zurückging.
                           Die Salzgewinnung in der Kolonie, welche in Händen der Zentral-Afrikanischen Seen-Gesellschaft liegt, betrug 1910 rd. 2000 t,
                              									1911 rd. 1700 t. Nach Fertigstellung der Tanganyikabahn wird eine bedeutende
                              									Erhöhung der Produktion erwartet.
                           Von den übrigen Kolonien ist wenig Neues zu berichten. Auf den Palau-Inseln hat in
                              									den letzten Jahren die „Deutsche
                                    											Südsee-Phosphat-Aktiengesellschaft“ mit der Verschiffung von
                              									Phosphaten begonnen, welche 1910 etwa 40000 t und 1911 etwa 45000 t betrug.
                           Die Produktion der englischen Phosphat-Gesellschaft, die auf den Marschall-Inseln
                              									tätig ist, betrug 1909 74782 t, 1910 142675 t und 1911 88463 t.
                           Es sei hier noch auf eine Unsitte hingewiesen, die darin besteht, kleine in den
                              									Kolonien gemachte Erzfunde in der Presse sensationell aufzubauschen. So kann man
                              									häufig von der Auffindung von 50 bis 60prozentigen Kupfererzlagern lesen, und wenn
                              									man der Sache auf den Grund geht, findet man, daß es sich um eine Analyse einiger
                              									Stückchen Kupfererz handelt, die ein Prospektor oder Farmer in einem Quarzgang
                              									aufgefunden und an ein Laboratorium geschickt hat. Hat schon eine einzige Analyse
                              									von einer Erzlagerstätte keinen Wert, so ist sie erst recht unbrauchbar, wenn dabei
                              									die Angabe über Mächtigkeit oder Weite der Lagerstätte fehlt, auf die sich die
                              									Wertangabe bezieht. Vor einigen Tagen konnte man in einer Berliner Zeitung lesen,
                              									daß 70 bis 90prozentige Zinnerzlager (!) in Südwestafrika aufgefunden worden sein
                              									sollten. Der Fachmann, welcher weiß, daß das reichste Zinnerz höchstens 78 v. H.
                              									Zinn enthält und außerdem nur in vereinzelten Körnern und Kristallen in Pegmatik-
                              									und Quarzgängen auftritt, erkennt sofort die starke Uebertreibung, nicht aber der
                              									Laie. Auch in anderer Weise werden oft Nachrichten über kolonialen Bergbau
                              									übertrieben. So wurden aus dem kleinen leichten fünf Stempel-Pochwerk für die
                              									Kassamagrube in Ostafrika in der Zeitung fünf Pochwerke mit Stampfern und
                              									Laugewerken. Ein Teil des Publikums aber mag dadurch getäuscht werden und es ist
                              									dies häufig ein Grund, warum sich vorsichtige deutsche Kapitalisten ablehnend
                              									kolonialen Unternehmungen gegenüber verhalten, was in den Kolonien sehr bedauert
                              									wird. Es wäre deshalb zu wünschen, daß sich die bedeutenderen Zeitungen größere
                              									Zurückhaltung auferlegten bei Wiedergabe und Verbreitung solcher sensationellen
                              									Nachrichten.
                           ––––––––––
                           Ueber die am zweiten Tage der diesjährigen Hauptversammlung
                                 										Deutscher Ingenieure zu Stuttgart gehaltenen Vorträge ist folgendes zu
                              									berichten:
                           Die Reihe der Vorträge wurde durch den Geh. Oberbaurat R. Schmick-München fortgesetzt, der über Aufgaben und Tätigkeit des
                              									Ingenieurs in unsern Kolonien sprach.
                           Unsere Kolonien entwickeln sich in immer steigendem Maße. Gleichzeitig wächst
                              									im deutschen Volke die Erkenntnis von ihrem Wert. Die Aufgaben der Ingenieurs sind
                              									sehr umfassend; er hat Verkehrswege – Eisenbahnen und Straßen – zu bauen, Flußläufe
                              									zu geregelten Schiffahrtsstraßen umzuwandeln, Häfen anzulegen und an offenen Küsten
                              									Landungsstege zu errichten. Ferner soll er die dürren Steppen bewässern, Sümpfe
                              									trocken legen und durch Bohren neue Grundwasserströme erschließen, die Schätze des
                              									Bodens durch Bergbau heben, sowie für vorhandene und neue Betriebe zweckmäßige
                              									Kraftquellen und geeignete Maschinen bestimmen. Weiter muß er das Flugzeug und die
                              									drahtlose Telegraphie auf ihren Wert für die Kolonien prüfen und sachgemäß
                              									anwenden.
                           Tsingtau nimmt unter den deutschen Kolonien als großer Verkehrshafen mit reichem
                              									Hinterland und den Kohlenfeldern in Schantung eine Sonderstellung ein. Unsere
                              									übrigen Kolonien befinden sich demgegenüber noch im Anfang der Entwicklung. In
                              									kurzer Zeit werden in unsern Kolonien etwa 4580 km Eisenbahnen im Betrieb sein. Die
                              									Ausgestaltung des Eisenbahnnetzes ist in Ostafrika und Kamerun besonders dringlich.
                              									In Südwestafrika sollte man den Anschluß der Südbahn an das englische Bahnnetz in
                              									der Kapkolonie anstreben, um den Verkehr zwischen London und Johannesburg über
                              									Lüderitzbucht zu leiten. – Infolge der unzureichenden Straßen ist die Verwendung von
                              									Lastautomobilen vorläufig noch schwierig, während mit Personenwagen bessere
                              									Ergebnisse erzielt sind. – Als Ergänzung der Eisenbahnen und Straßen müssen die
                              									vorhandenen Flüsse zu Verkehrswegen ausgebaut werden. Am Verkehr auf den Binnenseen
                              									Afrikas ist Deutschland nur sehr mäßig beteiligt. Auf dem Viktoriasee fahren mit
                              									Ausnahme einiger kleiner deutscher Schiffe nur englische Dampfer, Auf dem Nyassasee
                              									und selbst auf dem Tanganjikasee ist nur je ein deutsches Schiff vorhanden. Es muß
                              									unbedingt erreicht werden, daß mit Fertigstellung der Bahn Tabora–Tanganjikasee die
                              									erforderlichen deutschen Schiffe ebenfalls vorhanden sind, damit der Verkehr nicht
                              									andern Nationen zufällt. Die Schiffahrt auf dem Kongo dürfte durch die letzten
                              									Erwerbungen Deutschlands vorläufig nicht allzusehr beeinflußt werden. –
                              									Bewässerungen der zum Teil brachliegenden Steppen sind in allen unsern Kolonien ein
                              									dringendes Bedürfnis. Umfangreiche Projekte bestehen für Südwestafrika. Die beiden
                              									staatlichen Bohrkolonnen in Südwestafrika können den an sie herantretenden Aufgaben
                              									zum Erschließen von Wasserquellen nicht mehr gerecht werden. Deutsche
                              									Bohrunternehmer sollten sich diese dankbare Aufgabe nicht entgehen lassen; die
                              									englische Kapkolonie zeigt, welch große Gewinne hierbei erzielt werden können. – Die
                              									Ausnutzung der Wasserkräfte in den Kolonien wird erst einer späteren Zukunft
                              									vorbehalten bleiben müssen. – Der Bergbau ist insbesondere in Südwestafrika und in
                              									Ostafrika aussichtsreich. In Südwestafrika kommen hauptsächlich in Frage Diamanten,
                              									Kupfer, Zinn und Eisen, in Ostafrika Gold, Kohlen, Salz, auf den Inseln der Südsee
                              									Phosphat. Leider sind Ostafrika, Kamerun und Neu-Guinea infolge mangelnder
                              									Initiative deutscher Prospektoren noch wenig erforscht. – Der deutsche
                              									Maschinenbau muß bestrebt sein, den fremden Wettbewerb auf dem Gebiete der
                              									landwirtschaftlichen Maschinen mehr als seither aus dem Felde zu schlagen. Die
                              									Maschinen für die Gewinnung von Baumwolle und von Hanf aus der Sisalpflanze werden
                              									bereits in Deutschland hergestellt.s. D. p. J.
                                    											1910 Bd. 325 S. 212. – Das Flugwesen besitzt eine
                              									außerordentliche Bedeutung für militärische Zwecke, für Erkundungen schwer
                              									begehbarer Gebiete, zur Herstellung von Postverbindungen und vor allen Dingen für
                              									die Landesvermessung. Stationen für drahtlose Telegraphie befinden sich in Duala, in
                              									Swakopmund und in Lüderitzbucht, an der Seeküste und in Muansa und Bukoba an dem
                              									Viktoriasee. Eine weitere Station ist in Daressalam geplant. Diese Anfänge stehen
                              									weit zurück gegenüber dem englischen Projekt einer drahtlosen Verbindung des
                              									gesamten britischen Weltreiches. – Die Gesundheitsverhältnisse in den
                              									Niederlassungen, wo Weiße und Schwarze zusammenwohnen, sind sehr
                              									verbesserungsbedürftig. Die Ausführung von Wasserleitungen und Entwässerungen
                              									erscheint hier als dringliches Erfordernis.
                           Die Arbeiten in den Kolonien sind von großen deutschen Baufirmen hergestellt und zum
                              									größten Teil von den technischen Beamten des Reichskolonialamts entworfen.
                              									Privatingenieure sind in den Kolonien fast gar nicht tätig. Um das technische
                              									Element mehr zur Geltung zu bringen, sollte jedem Gouverneur ein technischer Rat
                              									beigegeben werden. Bei den vielfach technisch wirtschaftlichen Aufgaben, die den
                              									Bezirksamtmännern obliegen, sollten diese Stellen zum Teil mit Ingenieuren besetzt
                              									werden. Das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee hat bereits größere Mittel für das
                              									Erschließen unserer Kolonien zur Verfügung gestellt. Ihm sind von dem Deutschen
                              									Stahlwerksverband vor kurzer Zeit wieder 100000 M jährlich für technische
                              									Unternehmungen in den Schutzgebieten überwiesen worden. Da das deutsche Kapital sich
                              									leider stark zurückhält, sind solche Zuwendungen außerordentlich erwünscht.
                           Im Anschluß an den Vortrag machte der bekannte Erfinder des Diesel-Motors, Dr.-Ing. Rud. Diesel, einige interessante Mitteilungen über die
                              									Versorgung der Kolonien mit Brennstoffen für Verbrennungsmotoren. Man beabsichtigt
                              									heute z.B. im Kongostaat Petroleum in Rohrleitungen von mehreren hundert Kilometern
                              									ins Innere des Landes zu schaffen oder Pflanzenöle zu verwenden.
                           Darauf sprach Professor A. Widmaier über die Industrie
                              									Württembergs.
                           Ausgehend von den für industrielle Betätigung ungünstigen Verhältnissen infolge des
                              									gänzlichen Fehlens von Kohlenvorkommen, der Abgelegenheit Württembergs vom
                              									Weltverkehr, dem Mangel an Wasserstraßen usw. erwähnte er zunächst die natürlichen
                              									Hilfsquellen des Landes und gab daran anschließend einen Ueberblick über die
                              									geschichtliche Entwicklung der württembergischen Industrie. Schon im Mittelalter
                              									erfreute sich das Land einer hochentwickelten Handels- und Gewerbetätigkeit, die
                              									sich auf die als Hausindustrie betriebene Verarbeitung im Lande selbst erzeugter
                              									sowie eingeführter Faserstoffe gründete; die Erzeugnisse wurden durch große
                              									Handlungshäuser und
                              									Verlagsgesellschaften selbst bis in den Orient vertrieben. Gegen Ende des 16.
                              									Jahrhunderts begann aber, durch verschiedene Umstände veranlaßt, der Niedergang, der
                              									bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts andauerte und in dessen Verlauf eine
                              									außerordentliche Verarmung des Landes und eine gewaltige Auswanderung eintrat.
                              									Verschiedentlich versuchte die Regierung im Verein mit tatkräftigen Unternehmern
                              									durch Maßnahmen der verschiedensten Art die Industrie zu heben; diese Bemühungen
                              									wurden indessen erst seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von Erfolg
                              									gekrönt, als die Zentralstelle für Gewerbe und Handel gegründet wurde, deren
                              									langjähriger Präsident Steinbeis in außerordentlich
                              									zielbewußter Weise zur industriellen Entwicklung Württembergs beitrug. An dem in den
                              									folgenden Jahrzehnten einsetzenden allgemeinen Aufschwung durfte auch Württemberg
                              									teilnehmen, zumal das Land über eine Reihe hervorragender Männer verfügte, die
                              									selbst in schöpferisch tätiger Weise zur Weiterentwicklung der vorhandenen und zur
                              									Gründung neuer Industriezweige beitrugen. Nach den Feststellungen für 1911 sind im
                              									ganzen in Württemberg 12918 Betriebe mit rd. 255000 Arbeitern (davon 28 v. H.
                              									weibliche) vorhanden. Die größten Arbeiterzahlen weisen die Industrie der Maschinen,
                              									Instrumente und Apparate, sowie die Textilindustrie auf, was darauf hindeutet, daß
                              									die württembergische Industrie in erster Linie eine Verfeinerungsindustrie ist. Es
                              									wurden dann im einzelnen die hauptsächlichsten Industriezweige des Landes erwähnt
                              									und nach ihrer Bedeutung gewürdigt. Der Anteil Württembergs am Weltmarkt ist ein
                              									recht erheblicher; von den wichtigeren Ausfuhrartikeln seien z.B. genannt:
                              									Wasserturbinen, Papiermaschinen, Lokomotiven, Automobile, magnetelektrische
                              									Zündapparate, Waffen, Uhren, Präzisionswaagen, chirurgische Instrumente,
                              									Metallwaren aller Art, Schmuckwaren, Rundstühle, Wirk- und Strickmaschinennadeln,
                              									Musikinstrumente, Baumwollgewebe, Strick- und Wirkwaren, Trikotunterkleidung,
                              									Verbandstoffe, Schuhwaren, Filze, Spielwaren, Feuerwehrgeräte, landwirtschaftliche
                              									Maschinen usw.
                           Als letzter Redner des heutigen Tages berichtete im Anschluß an den Vortrag von
                              									Professor Kammerer-Berlin am ersten Sitzungstage
                              									Geheimrat Münch, Direktor des Realgymnasiums zu
                              									Darmstadt, über die Verwendung des lebenden Lichtbildes zur Veranschaulichung
                              									mathematischer Probleme. Er wies in seinen Ausführungen nach, daß das Kinematogramm
                              									ein ganz hervorragendes Lehrmittel ist, falls man die Bewegung und die Veränderung
                              									in die geometrischen Figuren einführt, anstatt sie nach der Art Euklids als starr und unveränderlich anzusehen. Das
                              									Kinematogramm kann zur Erläuterung des Gedankengangs bei geometrischen Beweisen
                              									dienen, indem es die Uebergänge von einem Teil der Figur zum nächsten vor den Augen
                              									des Beschauers sich vollziehen läßt. Sodann wird das sogen. funktionale Denken aus
                              									dem Umstände Vorteil ziehen, daß bei einer Aenderung der geometrischen Figur
                              									diejenigen Teile deutlich hervortreten, die in Abhängigkeit voneinander stehen, und
                              									daß auch die Art der Abhängigkeit leicht festzustellen ist. Das aus dem Altertum
                              									stammende Problem des Apollonius behandelte der Vortragende neueren Anschauungen
                              									entsprechend, und an zahlreichen Beispielen wies er die geometrische Verwandtschaft
                              									sogar scheinbar heterogener geometrischer Gebilde nach. Den Schluß bildeten
                              									Demonstrationen über das Gelenkviereck.