| Titel: | ÜBER DAS ERDÖL. | 
| Autor: | F. Romberg | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 513 | 
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                        ÜBER DAS ERDÖL.
                        Im Zusammenhang mit seiner maschinentechnischen
                           								Verwendung.
                        Von F. Romberg,
                           									Charlottenburg.
                        ROMBERG: Ueber das Erdöl.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Uebersichtliche Darstellung der wichtigsten, das Erdöl
                              									betreffenden Fragen: Namen, Geschichte und Entstehung – Vorkommen – Erdölindustrie –
                              									Lagerung und Transport – Verwendung und Eigenschaften – Preise.
                           ––––––––––
                           Die „flüssige Kohle“, als welche das Erdöl nach Entstehung, Zusammensetzung,
                              									technischer und wirtschaftlicher Bedeutung bezeichnet werden kann, steht heute mehr
                              									denn je im Vordergrunde des Interesses.
                           Vorwiegend resultiert diese Tatsache aus der modernen Entwicklung der Oelmaschine,
                              									die begonnen hat, die Dampfmaschine vielfach zu verdrängen und die Krafterzeugung zu
                              									einem wesentlichen Teile zu beherrschen. Sie folgt auch daraus, daß neue Gebiete,
                              									neue Bahnen technischen Fortschritts durch die Verwertung dieser Kraftquelle
                              									erschlossen wurden, deren kulturelle und wirtschaftliche Folgen gegenwärtig
                              									unabsehbar sind. Um dies oberflächlich zu würdigen, ist nur erforderlich, an die
                              									Ergebnisse zu denken, die der Motor auf den Gebieten des Transportwesens, des
                              									Schiffsbetriebs, des Flugwesens, des Kleingewerbes usw. bereits gebracht hat.
                              									Staunend und bewundernd steht man vor diesen Erfolgen weniger Jahre, die im
                              									wesentlichen erst seit dem Beginn dieses Jahrhunderts zählen. Wie dem vergangenen
                              									Jahrhundert die Dampfmaschine, so verleiht dem beginnenden der Motor in der
                              									Maschinentechnik ein wesentliches Gepräge. Denn er gestattet, bekannte Betriebe
                              									einfacher, wirtschaftlicher und unabhängiger zu gestalten, neue Gebiete ihrer
                              									technischen Durchdringung zuzuführen; im ganzen leistet er auf solche Weise der
                              									Ausbreitung und Ausgestaltung der Technik gewaltigen Vorschub.
                           Maschinen- und Oelindustrie gelangen wechselseitig in immer engere Beziehungen
                              									zueinander, indem die Entwicklung der einen durch diejenige der anderen stetig
                              									gefördert wurde und noch weiter gefördert wird. Jeder Fortschritt auf dem einen
                              									Gebiet nützt dem anderen, und sei dies auch nur vom rein wirtschaftlichen Standpunkt
                              									genommen. Beide Industrien haben sich seit 50 Jahren etwa parallel
                              									nebeneinander entwickelt, wobei ihr gegenseitiger Einfluß dauernd gestiegen ist, bis
                              									zu der Höhe, die er gegenwärtig erlangt hat, nach dem gewaltigen Aufschwung der
                              									Motorenindustrie in den letzten zehn Jahren. Es tritt noch hinzu, daß der
                              									Leuchtölkonsum in allmählicher, relativer Abnahme begriffen ist: ein Umstand, der
                              									die Bedeutung anderweitigen Absatzes für die Oelindustrie wesentlich erhöht. Alles
                              									das legt heute diesen Industrien nah, gegenseitig dichteste Fühlung zu halten und
                              									innig zusammenzuarbeiten.
                           Die Beschaffung, Verarbeitung und Verwendung des Erdöls berührt jetzt zahlreiche
                              									Kreise der Technik und damit zusammenhängender Berufe, namentlich auch diejenigen
                              									des Schiff- und Schiffsmaschinenbaues, sowie der Schiffahrt. Daher sind gewisse
                              									grundlegende Kenntnisse auf ersteren Gebieten für viele Techniker, Reeder usw. ein
                              									unbedingtes Bedürfnis; allerdings nicht in dem Umfange, wie sie der in der
                              									Oelindustrie selbst Stehende braucht, sondern nur insoweit, als das betreffende
                              									Arbeitsgebiet verlangt. In bezug hierauf lassen sich die Bedürfnisse vieler durch
                              									relativ Weniges befriedigen; die vorhandene Literatur aber, die an sich sehr
                              									reichhaltig ist, bietet dies kaum in geeigneter Form.
                           Hieraus ergab sich die Veranlassung zu den folgenden Ausführungen, die, dem besagten
                              									Zweck entsprechend, nur das Wesentliche enthalten und vor allem den Standpunkt des
                              									Maschinentechnikers zu dieser Frage beachten.
                           
                        
                           I. Namen, Geschichte und Entstehung des
                                 										Erdöls.
                           Die Nomenklatur im ganzen Gebiete des Erdöls ist äußerst verworren. Sie wirkt dadurch
                              									vielfach irreführend. Aber dieses betrifft mehr noch die Fabrikate des Erdöls, wie
                              									später sich zeigen wird, als das Naturprodukt selbst. Dieses heißt im Deutschen
                              									meistens Erdöl, seltener heute Steinöl, Rohpetroleum oder Bergöl; englisch heißt es
                              									crude oil oder auch petroleum, russisch Nafta (von dem medischen Wort nafata =
                              									ausschwitzen), französisch huile de nafte oder petrole. Das Wort Petroleum (von πετρος,
                              									= Fels und oleum = Oel) wird in mehreren Sprachen bisweilen synonym mit Erdöl
                              									gebraucht; bei uns und im allgemeinen auch sonst bezeichnet es jedoch allein das
                              									Leuchtöl oder Kerosin (russisch), also ein Destillat, das aus dem Rohöl gewonnen
                              									wird. In Amerika und zum Teil auch in Europa benennt man nicht selten mit Nafta
                              									sogar die leichtflüchtigen Destillate des Erdöls, was gleichfalls den Wirrwarr der
                              									Namen deutlich zum Ausdruck bringt.
                           Die Geschichtevergl.
                                    												Höfer, Das Erdöl und seine
                                    										Verwandte. des Erdöls ist uralt, obwohl, wie erwähnt, seine
                              									industrielle Ausbeutung und Verbreitung kaum 50 Jahre zählt. Trotz des Bekanntseins
                              									vieler Fundstellen war in ältesten Zeiten die Verwendung des Oels nur untergeordnet,
                              									und die Ausbeute hielt sich in den bescheidensten Grenzen. Immerhin war aber die
                              									Benutzung recht vielseitig, wie zahlreiche Aufzeichnungen und Funde beweisen. Nach
                              									der Bibel (Genesis XI, 3) wurde beim Turmbau zu Babel Asphalt, d. i. ein festes
                              									Bitumen, wie das Erdöl ein flüssiges ist, als Mörtel verwendet, und tatsächliche
                              									Spuren der gleichen Verwendung findet man noch heute in den alten Städten Aegyptens
                              									und Mesopotamiens, sowie in den Ruinen von Babylon, wo bei den Bauten des
                              									Nebukadnezar und der Semiramis usw. der Asphalt den Zement ersetzte. In Babylon
                              									diente Erdteer, d. s. die zähflüssigen Teile des Erdöls, zum Anstrich der Türen und
                              									Wände zwecks Schutzes gegen die Witterung, was Xenophon
                              									aber der Feuergefährlichkeit wegen verurteilt. Ebendort war Asphalt auch als
                              									Brennmaterial, die dunkle Nafta der babylonischen Quellen als Leuchtstoff für die
                              									Lampen bekannt. Mitchell fand in Nordostägypten über 3000
                              									Jahre alte Tonlampen mit festem Bitumen gefüllt, das jedenfalls den Ueberrest
                              									vertrockneten Erdöls darstellt. So haben das Erdöl und verwandte Naturprodukte im
                              									Altertum noch mancherlei anderen Zwecken gedient, z.B. zum Einbalsmieren der
                              									Leichen, als Heil- und Desinfektionsmittel, zur Herstellung von Brandpfeilen und
                              									Feuerkugeln im Kriege. Bemerkenswert ist namentlich auch, daß die Verwendbarkeit des
                              									Erdöls als Schmiermittel schon zu Plinius Zeiten bekannt
                              									war.
                           Die Bezeichnung Asphalt findet sich bereits bei Herodot,
                              									sie wird von ασφαλιος = sicher, fest abgeleitet im
                              									Zusammenhang mit der erwähnten Verwendung als Mörtel bei den Bauten von Babylon.
                           Seit den Tagen der Parsen leuchten die heiligen, nie verlöschenden Feuer von
                              									Surakhani, einem alten in der Nähe von Baku gelegenen Dorfe (auf der Halbinsel
                              									Apscheron westlich vom Kaspischen See). Diese von flüssigen und gasförmigen Bitumen
                              									gespeisten Feuer, die schon Jahrtausende bekannt sind, dienten nach EnglersD. p. J. Bd.
                                    											260. S. 61. Annahme zur Feueranbetung und veranlaßten vielleicht
                              										Zoroaster, der wohl am Südostabhang des Kaukasus
                              									beheimatet war, zur Aufstellung seines bezüglichen Kults. Erst im Jahre 1881 endete
                              									dieser Kult durch Verbot der russischen Regierung.
                           Ueber zahlreiche andere Fundstellen des Erdöls findet man ebenfalls Aufzeichnungen in
                              									der alten Literatur, z.B. bei Herodot, Plinius,
                                 										Plutarch usw. Diese berichten über das Vorkommen bei Babylon, in Syrien,
                              									Kleinasien, Persien, Cilicien, Aethiopien, Baktrien, Medien, Arabien,. Indien, auf
                              									der Insel Zante usw. Sehr eingehend bespricht namentlich Strabo das Vorkommen des Asphalts im Toten Meer, das der Sage nach aus
                              									heißen Asphalt- und Schwefelquellen entstanden ist, nachdem ein Erdbeben 13 dort
                              									gelegene Städte mit der großen Hauptstadt Sodom vollkommen zerstört hatte.
                           Mit der Zeit nahm die Kenntnis der Oellager nach Zahl und Verteilung auf der Erde
                              									stetig zu. Die heutigen Fundstellen von Bedeutung sollen gleich hinterher erwähnt
                              									werden, wobei dann auch Gelegenheit ist, auf bemerkenswerte historische Daten, die
                              									das jeweilige Lager betreffen, kurz zurückzukommen.
                           Es entsteht nunmehr die Frage: Was ist Erdöl und wie ist es
                                 										entstanden? Daß es geologisch gesprochen, ein sogen. Bitumen sei, wurde
                              									bereits gesagt. Die bituminösen Körper in der Natur sind gasförmig, flüssig oder
                              									fest, womit sich folgendes Schema ergibt.
                           Bituminöse Körper.
                           
                              
                                 I. Gase
                                 II. Flüssigkeiten
                                 III. Feste Körper
                                 
                              
                                 Erdgas od. Naturgas
                                 a) Erdöl (flüssig, klar    od. gefärbt)
                                 a) Erdwachs (knet-    bar, gelb bis braun)
                                 
                              
                                  
                                 b) Erdteer (Bergteer od.    Maltha, zähflüssig od.    schwarz) 
                                 b) Erdpech (knetbar,    schwarz)c) Asphalt
                                    											(spröde,    schwarz)
                                 
                              
                           Außer dem reinen Vorkommen der Bitumina gibt es in der Natur auch Mengungen mit
                              									anderen festen Körpern, z.B. mit Braun- und Schwarzkohle, mit Oelgesteinen wie
                              									Oelschiefer, Oelsandstein oder endlich mit Asphaltgesteinen, wie Asphaltkalk,
                              									Asphaltsand usw.
                           Chemisch definieren sich die Erdöle als Gemische
                              									verschiedener Kohlenwasserstoffe, die darin in mehreren Reihen auftreten, von denen
                              									jede in überaus zahlreichen Gliedern, eine aber vorherrschend vorhanden ist.
                              									Letztere ist entweder die Methan- oder Paraffinreihe (CnH2n + 2) oder aber die Naphtenreihe (CnH2n).
                           Außer den Kohlenwasserstoffen enthalten die meisten Erdöle noch geringe Mengen von
                              									Sauerstoff-, Stickstoff- und Schwefelverbindungen, die eine gewisse, aus dem
                              									weiteren ersichtliche Bedeutung haben können. Was sonst noch an anorganischen,
                              									sogen. accessorischen Beimengungen (Asche) mitunter gefunden wird, kommt hier kaum
                              									in Betracht.
                           Die Oele verschiedener Herkunft sind häufig, wie in der Zusammensetzung, auch in den
                              									chemischen und physikalischen Eigenschaften stark verschieden voneinander. Selbst
                              									nachbarliche Brunnen liefern unter Umständen ganz unterschiedliches Oel, welche
                              									Tatsache allerdings dadurch leicht erklärlich wird, daß die Brunnen trotz ihrer
                              									Nachbarschaft zu verschiedenen Lagerstätten führen können.
                           Was die Entstehung der Erdöle, überhaupt der Bitumen
                              									betrifft, so herrschen hierüber noch stark widersprechende Ansichten, indem die
                              									einen meinen, sie seien pflanzlichen Ursprungs, etwa das Produkt der Entzündung
                              									verschütteter Wälder, wobei das Erdöl gedeutet wird als Terpentinöl vorweltlicher
                              									Pinien oder als ein Nebenprodukt der Steinkohlenbildung oder als das Ergebnis
                              									trokkener Destillation von Steinkohlen, während andere wieder eine anorganische
                              									Entstehung durch Einwirkung von Wasserdämpfen auf die Metallcarbide des Erdinnern
                              									annehmen und endlich neuere Forscher einen animalischen Ursprung behaupten. Letztere
                              									unter anderen von Höfer vertretene Theorie, wonach das
                              									Erdöl aus einer besonderen Zersetzung ungeheurer Massen animalischer Stoffe wie von
                              									Fischen, Sauriern, Tintenfischen, Muscheln Korallentieren usw. hervorging, wurde von
                              										Engler durch grundlegende Versuche begründet, indem
                              									es ihm gelang, Fischtran durch Druckdestillation in ein erdölähnliches Produkt zu
                              									verwandeln.
                           Nach dieser Engler-Höferschen Theorie, welche viel
                              									Wahrscheinlichkeit hat, ist somit das Erdöl als das Ergebnis der Zersetzung
                              									tierischer Fettstoffe zu betrachten, bei welchem Vorgang das wesentliche in der
                              									Fäulnis und Verwesung der Nichtfettstoffe, sowie in der Umwandlung der restlichen
                              									Fette in Erdöle beruht. Geologisch wird dieser Prozeß dadurch erklärlich daß,
                              									infolge Hebens und Senkens der Ufer, Buchten und Seen vom Meere abgeschnitten
                              									wurden, in denen durch verschiedene Ursachen Massengräber mariner Fauna sich
                              									bildeten, welche allmählich, unter dem Druck der sich darüber lagernden und
                              									luftdicht abschließenden Erdschichten, bei mäßiger Temperatur zersetzt und
                              									umgewandelt wurden.
                           
                        
                           II. Vorkommen des Erdöls.
                           Daß die vorerwähnte Hypothese über die Entstehung des Erdöls wahrscheinlich ist,
                              									bestätigt auch das geologische Vorkommen vorwiegend in den Schichten der Erde, deren
                              									Bildung in der sogen. Tertiärzeit erfolgt ist. Damals
                              									fand auf weiten Gebieten ein Rückzug des Meeres statt; es bildeten sich Buchten und
                              									Meeresarme, die plötzlich geschlossen und wieder überflutet wurden, so daß auf diese
                              									Weise günstige Bedingungen entstanden für die Anhäufung faunistischer Massengräber,
                              									für die Ausbildung weiter Strandzonen, wie sie z.B. die langgestreckte Bucht
                              									darstellt, die sich von Südfrankreich, den Nordrand der Alpen entlang, durch
                              									Galizien, Rumänien bis ins westliche Asien erstreckt. Aus dieser Bucht trat als
                              									einsame Insel der Kaukasus hervor. Eigentliche Tiefseegewässer kennt die Tertiärzeit
                              									nicht, wohl aber schuf sie einen großen reichgegliederten Gürtel von Strandzonen.
                              									Hieraus erkennt man sogleich die günstigen Bedingungen für die Entstehung so
                              									gewaltiger Erdölmengen, wie sie z.B. der Bezirk von Baku aufweist, wenn man noch das
                              									gleichzeitige Vorhandensein einer sehr reich entwickelten höheren und niederen
                              									Meeresfauna in Betracht zieht.
                           Aus vorstehenden Darlegungen folgt bereits a priori, daß Erdöl an vielen Punkten der
                              									Erde vorhanden sein muß, weil die Grundbedingungen seiner Entstehung vielerorts
                              									erfüllt sind. Daß dieser Schluß richtig ist, bestätigen die zahlreichen Erdölfunde,
                              									die bereits gemacht sind, und wird durch neue Funde andauernd weiter erwiesen
                              									werden.
                           Ueber die bedeutendsten und wertvollsten Erdölgebiete verfügt Amerika in den Vereinigten Staaten, wo vom
                              									Jahre 1859 ab stetig neue Quellen erschlossen wurden, Feld auf Feld eröffnet wurde
                              									und der Reihe nach in die wichtigsten Staaten die Oelindustrie ihren Einzug hielt.
                              									Im genannten Jahre machte Pennsylvanien mit der Erbohrung des Drakebrunnens zu
                              									Titusville den Anfang. 1860 wurde der erste Brunnen in Westvirginien erschlossen,
                              									1874 das berühmte Bradford-Feld eröffnet, das Schritt vor Schritt in den Staat New
                              									York erweitert worden ist. Nun folgten die Funde in Pennsylvanien rasch aufeinander.
                              									Das reiche Feld von Mac Donald in den Alleghany- und Washington-Counties kam 1891 in
                              									Betrieb und mit ihm das ergiebigste Oellager, das je in jener Gegend erbohrt worden
                              									ist; hier wurden wochenlang mehr als 40000 barrels1 barrel = 42 Gallonen à 4,543 l. =
                              									rund 7640000 l pro Tag gefördert. Auch in Ohio, Kalifornien, Kansas und Texas wurden
                              									bald bedeutende Oelgebiete gefunden; 1901 erschloß man bei Beaumont in Texas, wenige
                              									Meilen von der Küste des mexikanischen Golfs, mächtige Sprudler, bald darauf die
                              									Felder von Bakersfield in Kalifornien, ferner solche im südöstlichen Kansas und in
                              									Lousiana. Der Wert der hier überall erbeuteten Oele korrespondiert nicht mit der
                              									gewonnenen Menge. Im Jahre 1905 betrug der Anteil der Staaten westlich vom
                              									Mississippi rund 52 v. H. von der Gesamtförderung Amerikas, wenn man die Menge in
                              									Betracht zieht. Dem Werte nach aber ergeben sich nur 23 v. H., weil das Oel der
                              									Nord- und Oststaaten dasjenige der West- und Südstaaten an Güte entsprechend
                              									übertrifft. Wertvoll ist der besondere Gehalt an Leicht- und Leuchtölen, Paraffin,
                              									sowie an Schmierstoffen, nachteilig der Mangel daran und daneben ein höherer Gehalt
                              									an Schwefel, Asphalt und Asche, welche die Verarbeitung schwieriger und
                              									kostspieliger machen. Pennsylvanien, Kansas, Oklahoma und das Indianergebiet liefern
                              									die besten Oele, Texas und Kalifornien die geringwertigsten. Heute verteilt sich die
                              									amerikanische Produktion auf sechs voneinander getrennte Felder: 1. Das
                              									Appulachische Feld (in den Staaten: New York, Pennsylvanien, West-Virginien,
                              									Südost-Ohio, Kentucky und Tennessee); 2. das Lima-Indianafeld (in Nordwest-Ohio und
                              									Mittel-Indiana); 3. das Illinoisfeld (im Osten von Illinois); 4. das
                              									Midcontinentfeld (in Südost-Kansas, Oklahoma, Indianerterritorium und Nord-Texas);
                              									5. das Goldfeld (in Texas und Louisiana); 6. das Kalifornische Feld (in
                              									Kalifornien). Weitere Oelfelder liegen noch in Wyoming, Kolorado, Missouri, Utah
                              									usw. Die Ergebnisse dieser sämtlichen Felder von 1905 bis 1910 und ihren Anteil an
                              									der amerikanischen Gesamtproduktion zeigen die Tab. 1 und 2 S. 516.
                           Sehr beachtenswert erscheint auch die aus diesen Zahlen ersichtliche Bewegung der
                              									Produktion im ganzen und im einzelnen, welch letztere zum Teil schon abwärts
                              									gerichtet ist. Entsprechend hat sich die Lage der Oelzentren Amerikas in kurzer Zeit
                              									beträchtlich verschoben. Nur durch stetige Neuaufschlüsse von Feldern, nicht aber
                              									durch Steigerung der Bohrtätigkeit, wurde die amerikanische Produktion bisher noch
                              									gehoben. Roosevelt
                              									hat also wohl Recht, zu verlangen, daß für sachgemäße Ausbeutung der
                              									Oelreichtümer des Landes, unter Vermeidung von Raubbau, ernstlich gesorgt werde.
                           Tabelle 1.
                           Rohölproduktion in Millionen Barrels.
                           
                              
                                 Felder
                                 1904
                                 1905
                                 1906
                                 1907
                                 1908
                                 1909
                                 1910
                                 
                              
                                 AppalachischesLima-IndianaIllinoisMidcontinentGolfKalifornischesAndere
                                   31,41  24,69–    6,19  24,63  29,65    0,51
                                   29,37  22,29    0,18  12,53  36,53  33,43    0,38
                                   27,74  17,55    4,40  22,84  20,53  33,09    0,34
                                   25,34  13,12  24,28  46,85  16,41  39,75    0,34
                                   24,94  10,03  33,69  48,32  16,27  44,85    0,41
                                   26,53    8,21  30,89  49,80  11,91  54,43    0,39
                                   26,55    6,60  33,00  33,50  15,90  77,70    0,35
                                 
                              
                                 Summa
                                 117,08
                                 134,72
                                 166,09
                                 178,53
                                 178,53
                                 182,13
                                 213,60
                                 
                              
                           Tabelle 2.
                           Rohölproduktion in v. H.
                           
                              
                                 Felder
                                 1904
                                 1905
                                 1906
                                 1907
                                 1908
                                 1909
                                 1910
                                 
                              
                                 AppalachischesLima-IndianaIllinoisMidkontinentGolfKalifornischesAndere
                                   26,83  21,09–    5,28  21,03  25,33    0,44
                                  21,80  16,55   0,14  
                                    											0,30  27,11  24,81    0,29
                                   21,93  13,88    3,47  18,05  16,23  26,17    0,27
                                   15,26  
                                    											7,90  14,72  28,20    9,88  23,93    0,21
                                   13,97    5,62  14,87  27,07    9,11  25,13    0,23
                                   14,57    5,51  16,96  27,34    6,54  29,89    0,19
                                   12,43    3,09  15,45  25,04    7,44  36,38    0,17
                                 
                              
                                 Summa
                                 100,00
                                 100,00
                                 100,00
                                 100,00
                                 100,00
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Nächst Amerika hat Rußland die bedeutendsten Erdölgebiete
                              									der Welt in dem Gouvernement Baku auf der Halbinsel Apscheron, wie schon erwähnt.
                              									Fast 95 v. H. der russischen Erzeugung entfallen auf dieses Gebiet mit seinen acht
                              									Oelfeldern, von denen Balachany, Ssabuntschy, Romany und Bibi-Eibat die bekanntesten
                              									und ergiebigsten sind. Allein Ssabuntschy hat 1500 tätige und über 600 verlassene
                              									Bohrlöcher, was einen schlagenden Beweis für die Intensität dieses Betriebes ergibt.
                              									Neben Baku kommen noch mehrere andere Erdölgebiete im Kaukasus in Betracht, wie das
                              									Daghestangebiet im Bereiche des Kaspischen Meeres, das Terekgebiet bei Großny unweit
                              									der Rostow-Wladikawkaser-Bahn, das Gouvernement Tiflis mit dem Bezirk Kutais und das
                              									Gouvernement Jelissawetpol, sowie das Kubangebiet östlich der Hafenstadt
                              									Noworossisk. Wertvolle Erdöllager, die noch wenig erschlossen sind, besitzt auch
                              									Russisch-Turkestan, ebendort die Insel Tscheleken am östlichen Ufer des Kaspischen
                              									Meeres und die Provinz Ferghana, wo bei dem Orte Tschimion heute schon viel Erdöl
                              									gebohrt wird.
                           Bakus Geschichte reicht, wie gesagt, in die graue Vorzeit zurück; dennoch ist seine
                              									eigentliche Oelindustrie noch sehr jung, wie diejenige Amerikas. Um 900 berichtet
                              										Massudi ausführlich von den Quellen bei Baku im
                              									Reiche Schirwan, zu dem es damals gehörte. Er erwähnt das Vorkommen weißer und
                              									andersartiger Nafta an diesem Orte und nennt ihn ein Nephataland, d.h. reich an
                              									brennenden Naftabrunnen. Im Mittelalter war die Oelgewinnung bei Baku Monopol der
                              									persischen Schahs, die daraus durch Verpachtung großen Gewinn erzielten.
                           Von den Persern fiel Baku 1723 durch Eroberung an Peter den Großen, der die
                              									Bedeutung der Quellen erkannte, auch schon eine Untersuchung und geregelte
                              									Ausbeutung derselben erstrebte. Aber diese weitsichtigen Pläne wurden unter der
                              									folgenden Perserherrschaft wieder zuschanden. Im Jahre 1806 erwarb Rußland das
                              									Bakugebiet dauernd und machte es zum Kroneigentum und die Oelgewinnung zum Monopol,
                              									das bis 1834 verpachtet, dann wieder bis 1850 in den Händen der Regierung und darauf
                              									abermals bis 1872 verpachtet war. Im letzteren Jahr wurde durch Kaiserlichen Ukas
                              									das Bakuer Oel frei, und die der Krone gehörigen Quellen wurden zu hohen Preisen
                              									verpachtet; aber mehr als die bisherigen Verpachtungen brachten dem Staate die
                              									Landpacht und die Fabrikationssteuer, die neu eingeführt wurden. Den gewaltigsten
                              									Aufschwung nahm Baku nur wenige Jahre später mit dem Beginn der industriellen
                              									Tätigkeit der Gebrüder Nobel, deren Name unauflöslich mit
                              									der Petroleumindustrie Rußlands verbunden ist, wie der Name Rockefeller mit der amerikanischen.
                           Tabelle 3.
                           Rohölproduktion in Millionen Tonnen.
                           
                              
                                 Jahr
                                 Balachany
                                 Ssabuntschy
                                 Romany
                                 Bibi-Eibat
                                 
                              
                                 1900
                                 2,04
                                 4,12
                                 1,88
                                 1,79
                                 
                              
                                 1901
                                 1,92
                                 4,83
                                 2,03
                                 2,18
                                 
                              
                                 1902
                                 1,67
                                 4,38
                                 2,28
                                 2,08
                                 
                              
                                 1903
                                 1,46
                                 3,88
                                 1,96
                                 2,58
                                 
                              
                                 1904
                                 1,34
                                 3,56
                                 2,18
                                 2,97
                                 
                              
                                 1905
                                 0,93
                                 2,23
                                 1,51
                                 2,07
                                 
                              
                                 1906
                                 1,11
                                 2,56
                                 1,56
                                 2,09
                                 
                              
                                 1907
                                 1,16
                                 3,00
                                 1,45
                                 2,15
                                 
                              
                                 1908
                                 1,14
                                 3,22
                                 1,28
                                 1,96
                                 
                              
                                 1909
                                 1,19
                                 3,38
                                 1,42
                                 2,01
                                 
                              
                           Tabelle 4.
                           Rohölproduktion in Millionen Tonnen.
                           
                              
                                 Jahr
                                 Baku
                                 Grosny
                                 Total
                                 
                              
                                 1900
                                   9,84
                                 0,49
                                 10,33
                                 
                              
                                 1901
                                 11,05
                                 0,57
                                 11,62
                                 
                              
                                 1902
                                 10,43
                                 0,56
                                 10,99
                                 
                              
                                 1903
                                   9,78
                                 0,54
                                 10,32
                                 
                              
                                 1904
                                 10,06
                                 0,65
                                 10,71
                                 
                              
                                 1905
                                   6,79
                                 0,70
                                   7,49
                                 
                              
                                 1906
                                   6,84
                                 0,63
                                   7,47
                                 
                              
                                 1907
                                   7,80
                                 0,64
                                   8,44
                                 
                              
                                 1908
                                   7,62
                                 0,86
                                   8,48
                                 
                              
                                 1909
                                   8,07
                                 0,93
                                   9,00
                                 
                              
                                 1910
                                   7,83
                                 1,12
                                   8,95
                                 
                              
                           Größe und Bewegung der Produktion in den Hauptfeldern Bakus von 1900 bis 1909 zeigt
                              									obenstehende Tab. 3, während Tab. 4 die gleichen Verhältnisse für die beiden
                              									Hauptgebiete Rußlands, Baku und Grosny, veranschaulicht. Diese Zahlen geben im
                              									ganzen ein ähnliches Bild wie die oben für Amerika registrierten. Abgesehen von
                              									Bibi-Eibat ist die Ausbeute in den Hauptfeldern Bakus zurückgegangen und im
                              									Gegensatz zu Amerika hat die Steigerung in anderen Feldern das Sinken der
                              									Gesamtproduktion im letzten Jahrzehnt nicht aufhalten können. An eine Erschöpfung
                              									der Bakuer Lager ist allerdings vorerst kaum zu denken. Und diese sind nach wie vor
                              									der Mittelpunkt der russischen Petroleumindustrie. Das Gebiet von Baku ist ferner im
                              									Vergleich zu den noch unerschlossenen Petroleumfeldern Rußlands nur klein;
                              									ebenso sind ihm die der Produktion voll erschlossenen Oelfelder Amerikas
                              									räumlich weit überlegen. Sonach rechtfertigt sich die Meinung vieler, daß Rußland
                              									noch das erste Petroleumland der Erde zu werden verspricht, wenn seine neueren
                              									Gebiete im Laufe der Jahre auch nur annähernd die gleiche Ausbeute ermöglichen
                              									sollten wie die alten.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)