| Titel: | ÜBER DAS ERDÖL. | 
| Autor: | F. Romberg | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 547 | 
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                        ÜBER DAS ERDÖL.
                        Im Zusammenhang mit seiner maschinentechnischen
                           								Verwendung.
                        Von F. Romberg,
                           									Charlottenburg.
                        (Fortsetzung von S. 533 d. Bd.)
                        ROMBERG: Ueber das Erdöl.
                        
                     
                        
                           Was nun die Verfahren der Erdölgewinnung betrifft, so haben sich diese
                              									entsprechend den angeführten Arten des Vorkommens allmählich vom Einfachen zum
                              									Komplizierten entwickelt. Vier Methoden kennzeichnen diesen Gang: Schöpfarbeit,
                              									Schachtbetrieb, Hand- und Maschinenbohrung. Wo das Oel in kleinen Tümpeln oder auf
                              									dem Wasser schwimmend zutage tritt, ist das Abschöpfen die einfachste und billigste
                              									Gewinnungsmethode. So fand wohl schon Noah den Asphalt zur Dichtung seiner Arche, so
                              									gewannen auch die Mönche von St. Quirin um 1430 am Tegernsee das Oel, welches sie
                              									als kostbare Arznei verkauften. Wenn die natürlichen Vertiefungen fehlten, wurden
                              									Gruben zum Sammeln des Oeles gegraben. Die Indianer Amerikas und die Perser des
                              									Kaukasus legten Tücher in die Gruben, die sich voll Oel sogen und ausgepreßt wurden,
                              									oder sie benutzten Tontöpfe und Hammelfellschläuche zum Schöpfen. Bei dieser
                              									primitiven Gewinnung blieb es an manchen Stellen Jahrhunderte lang. Meist wohl
                              									solange, bis man den Wert des Oeles erkannte und bis die gesteigerte Verwendung,
                              									namentlich als Leuchtmaterial, zwang, nach größeren Mengen zu suchen. Da vermehrte
                              									man dann zunächst die Tiefe der Gruben, um den Oelzufluß zu erleichtern und zu
                              									beschleunigen. Daraus entstanden also allmählich Schächte und man gelangte zum
                              									bergmännischen Betrieb. Schon in prähistorischer Zeit hat es diesen Schachtbetrieb
                              									in Japan gegeben, und auch im pennsylvanischen Gebiet von Titusville wurden solche
                              									Anlagen gefunden, die von Indianern nicht herrühren können, vielmehr vermuten
                              									lassen, daß sie von jenem alten Kulturvolke stammen, welches Nordamerika vor den
                              									Indianern bewohnte. Allmählich vertieften sich die Schächte immer mehr; sie mußten
                              									zur Sicherung gegen Einsturz ausgezimmert werden; an Stelle des einfachen Aufziehens
                              									der Eimer trat der Betrieb mit Handhaspel und Pferdegöpeln. Derartige Schächte
                              									findet man heute noch zahlreich in den rumänischen Feldern von Bustenari,
                              									Campina usw. in Betrieb, zum Teil solche von mehr als 200 m Tiefe. Zur Bewetterung
                              									dienen große Schmiedeblasebälge, und die Leute arbeiten ohne Lampen, um der
                              									Schlagwettergefahr zu entgehen. Zur Schaffung der notwendigen Beleuchtung wird
                              									mittels am Tage aufgestellter Spiegel indirektes Licht in den Schacht geworfen. In
                              									ballonförmigen irdenen Töpfen, deren enger Hals an Lederseilen befestigt ist, wird
                              									das Oel zu Tage gefördert.
                           Gar bald erkannte man vielerorts, daß auch diese Methode zu unproduktiv, daß die
                              									Erreichung größerer Tiefe durch die Schwierigkeiten, welche beim Schachtgraben sich
                              									ergeben, begrenzt war, daß auch die Sicherheit des Betriebes stetig zurückging und
                              									daß der Ertrag mit den Opfern an Zeit und Geld nicht gleichen Schritt hielt. Also
                              									suchte man nach einem besseren Ersatz und fand ihn in den artesischen Brunnen, deren
                              									Herstellung nichts Neues, sondern eine altbekannte Kunst war, die schon in China
                              									seit 2000 Jahren geübt wurde und von dort durch Jesuitenmissionare mitgeteilt worden
                              									war. Um so natürlicher war es, dieses Verfahren zu verwenden, als es bereits für die
                              									Gewinnung von Soole in Gebrauch war und hierbei schon in frühester Zeit Erdöl
                              									miterschlossen wurde, ohne daß man freilich zunächst sich dieses Erfolges bewußt
                              									war.
                           Dieses Verfahren bildet nun den Uebergang zu den heutigen Tiefbohrungen. Anfänglich
                              									gelangte überall das Handbohren zur Anwendung, und erst später wurde allmählich die
                              									Handarbeit durch die Maschinenarbeit verdrängt. Seit dem Ende des vorigen
                              									Jahrhunderts wurde der Bohrer in den gesamten Oelbetrieben der Erde heimisch, zuerst
                              									in Nordamerika. Seit dieser Zeit datieren jene großartigen Erfolge, welche der
                              									Oelproduktion zu ihrer heutigen Stellung als einer ebenbürtigen industriellen
                              									Großmacht verhalfen. Der amerikanische Oberst E. L. Drake
                              									aber war es, der, wie erwähnt, im Jahre 1859 bei Titusville in Pennsylvanien die erste
                              									erfolgreiche Bohrung ausführte. Sie gelang erst nach Ueberwindung zahlreicher
                              									Schwierigkeiten und hatte das Ergebnis, daß täglich 400 Gallonen Erdöl gefördert
                              									werden konnten. Ein relativ bedeutsamer Erfolg, welcher bahnbrechend wurde und der
                              									Oelindustrie einen kräftigen Impuls gab.
                           Die Technik der Tiefbohrung ist heute in ausgedehntem Maße entwickelt, indem je nach
                              									der Beschaffenheit des Bohrgrundes die verschiedenartigsten Werkzeuge und
                              									Bohrmethoden durchgebildet worden sind. Dabei ist der allen Methoden gemeinsame
                              									Sinn, ein Werkzeug zu verwenden, das unmittelbar auf die Sohle des Bohrloches wirkt
                              									und stetig kleine Stücke des Gesteins abtrennt, die in verschiedener Weise zutage
                              									gefördert werden. Unterschiedlich hinsichtlich dieser Methoden ist nur die
                              									Wirkungsweise des Werkzeugs, seine Bewegung und insbesondere die Art, wie die
                              									Bohrmasse, der sogen. Bohrschmant, aus dem Loch entfernt wird. Hiernach ergeben sich
                              									zunächst zwei große Bohrsysteme, das Trockenbohren und
                              									das Wasserspülbohren, deren Wesen schon in den Namen
                              									gekennzeichnet wird. In beiden Fällen sind Hand- und Maschinenbohrung verwendbar;
                              									aber das Anwachsen der Tiefe und das Streben nach Beschleunigung der Arbeit lassen
                              									letztere stetig an Bedeutung gewinnen. Vorteilhaft ist für die Trockenbohrung, daß
                              									sie überall, unabhängig von den Bodenverhältnissen, anwendbar; nachteilig dagegen,
                              									daß der Bohrschmant, der sich mit jedem Hub verdickt, im Bohrloch bleibt, daß er die
                              									Bohrlochsohle verunreinigt und dem Werkzeug beim Niederfallen ein Hindernis bietet,
                              									dessen periodische Beseitigung eine zeitraubende Arbeit erfordert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 548
                              Fig. 6. Rutschschere.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 548
                              Fig. 7. Kanadische Bohranlage.
                              
                           In Hinsicht auf das Trockenbohren kann man vier
                              									Spezialmethoden unterscheiden: das Bohren am festen Gestänge, und zwar entweder
                              									stoßend oder drehend, das Bohren mit Freifall, das Bohren an der Rutschschere und
                              									das Seilbohren. Wegen der geringen erreichbaren Tiefe ist das Bohren am festen
                              									Gestänge heute so gut wie verlassen. Die zweite Methode, das Bohren mit Freifall,
                              									wird so durchgeführt, daß ein Schwergestänge mit dem Bohrmeißel durch eine
                              									Freifallschere, die eingeschaltet ist, gehoben und im Höchstpunkt des Hubes
                              									abgeworfen wird; dadurch fällt der Meißel mit dem Zusatzgewicht frei herab und
                              									erlangt entsprechende Schlagwirkung. Die Schere folgt darauf dem Meißel und wird
                              									unten wieder mit ihm gekuppelt; das Spiel beginnt von neuem. Diese Methode ist
                              									überall verwendbar und eignet sich für hartes wie weiches Gestein, für flach- und
                              									steilfallende Schichten. Jedoch müssen Hubhöhe und Schlaggewicht mit zunehmender
                              									Tiefe passend vermehrt werden. In Rücksicht auf die Leistung sind maßgebend die
                              									Größe des Bohrlochs, seine Tiefe und die Beschaffenheit des Gesteins. Ist dieses
                              									Mittel hart, so kann man bei Handbohrung bis 100 m Tiefe durchschnittlich etwa 12
                              									bis 15 m Monatsleistung rechnen, bei Maschinenbohrung bis 4 bis 500 m Tiefe sogar 60
                              									bis 70 m.
                           Eine Stoßbohrung ist die dritte Methode, die sich in Kanada entwickelt hat und von
                              									dort nach Galizien, Rumänien, Norddeutschland und Italien verpflanzt wurde. Sie ist
                              									ausgezeichnet durch die Einfachheit und praktische Gestaltung der Einzelheiten,
                              									sowie durch die Schnelligkeit des Betriebs. Mit dem Bohrmeißel ist die sogen.
                              									Rutschschere (Fig. 6) und mit dieser das feste
                              									Gestänge verbunden. Mit Ausnahme der Bohrmeißel, die aus Stahl gefertigt sind,
                              									besteht die Einrichtung möglichst aus Holz, namentlich Bohrkran und Bohrstange, so
                              									daß also das Gestänge sehr leicht wird und eine Schlagzahl von 60 bis 70 i. d. Min.
                              									gestattet. Der Antrieb wird immer durch Dampfmaschinen bewirkt. Eine kanadische
                              									Bohranlage dieser Art zeigt Fig. 7. Mit dieser
                              									Methode wurden in Galizien und anderswo zahlreiche Bohrlöcher von über 1000 m
                              									niedergebracht und dabei gute Durchschnittsleistungen erzielt. Im einzelnen sind
                              									letztere natürlich ziemlich verschieden, da durch verschiedenartige Umstände der
                              									Bohrbetrieb Unterbrechungen erleiden kann.
                           Von allen Trockenbohrmethoden ist die oben als vierte aufgeführte, das Seilbohren,
                              									die älteste; sie wurde nachweislich schon vor 2000 Jahren in China verwandt. Das
                              									Wesen der erforderlichen Einrichtung besteht darin, daß das feste Gestänge, welches
                              									beim Stoßbohren üblich ist, durch ein starkes Seil ersetzt wird. In Pennsylvanien
                              									hat sich die Methode ausgezeichnet bewährt, was ebensowohl auf die Geschicklichkeit
                              									der Arbeiter, als auf die günstigen Gebirgsverhältnisse zurückzuführen ist; in
                              									Galizien dagegen hat sie sich nicht einbürgern können.
                           Das Wasserspülbohren, als zweite Hauptart des Bohrens, ist gekennzeichnet durch die
                              									Benutzung eines Wasserstromes zum Reinhalten der Sohle. Durch das hohle Bohrgestänge tritt
                              									das Wasser ein und durch das Bohrrohr, welches das Loch umschließt, wieder aus,
                              									indem es gleichzeitig den Bohrschmant mit sich heraufbringt. Gegenüber der
                              									Trockenbohrung hat das Spülbohren mancherlei Vorzüge, welche die Ursache für seine
                              									heutige Wertschätzung sind. Es bleibt die Bohrsohle rein, und die Kraft des Meißels
                              									wird vollkommener ausgenutzt, so daß sich der Effekt erhöht und das Werkzeug sich
                              									nicht unnötig abnutzt. Außerdem gewinnt man an Bohrzeit auch dadurch, daß nur bei
                              									Reparaturen das Bohrzeug gezogen zu werden braucht, und daß die Schlagzahl vermehrt
                              									werden kann, weil eine geringere Fallhöhe ausreicht. Vorteilhaft sind ferner die
                              									größere Starrheit und Festigkeit des Hohlgestänges, die Möglichkeit, dauernd
                              									Bohrproben durch das ausfließende Wasser zu erhalten, und die Verminderung der
                              									Unfälle, da man das Gestänge nur weit seltener ein- und ausbringen muß. Nachteilig
                              									hingegen ist insbesondere, daß bei ungenügender Vorsicht das eindringende Wasser das
                              									Oel verdrängen kann. Stets müssen die Futterröhren der Bohrung unmittelbar folgen,
                              									um zu vermeiden, daß das Wasser hinter den Röhren aufsteigt und die Entfernung des
                              									Bohrschmants verhindert. Die Befürchtung, daß der Wasserverbrauch erheblich und dies
                              									die Anwendung der Methode erschwere, ist weniger berechtigt, da das Wasser im
                              									Kreislauf geführt werden kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 549
                              Fig. 8. Rohrverbindungen.
                              
                           Ebenso wie die Trockenbohrung ist auch diese Methode in mehreren Formen verwendbar.
                              									Die wichtigsten sind: das Spülbohren mit Meißel und Handbetrieb, das Diamantbohren,
                              									das Spülbohren nach den Systemen R a k y und Fauck, das Spülbohren mit hydraulischem
                              									Bohrwidder. Gemäß dem verfolgten Zweck ist hier nicht der Ort, alle diese Methoden
                              									im einzelnen zu behandeln, und überdies gab die obige Darstellung des Trockenbohrens
                              									einen hinreichenden Begriff, worauf es beim Bohren ankommt. Kann damit also das
                              									Bohren selbst als erledigt gelten, so erübrigt aber noch, eines Gegenstandes kurz
                              									Erwähnung zu tun, der zu den wesentlichsten Erfordernissen jedweder exakten Bohrung
                              									gehört: das ist die Ausfütterung des Bohrlochs mit einer festen sicheren Verrohrung.
                              									Nur weil es hieran gefehlt hat, sind häufig genug Bohrungen verunglückt. Die Rohre
                              									schützen das Loch vor Nachfall und Gebirgsdruck, der jenes zum Einsturz zu bringen
                              									sucht; sie bewirken auch die Absperrung wasserführender Schichten, was für die
                              									Erdölindustrie von besonderer Bedeutung, indem das Wasser unter Umständen das Oel
                              									ganz oder teilweise verdrängt, also seine Gewinnung erschwert oder vollkommen
                              									verhindert. Zur Verrohrung dienen genietete oder heute meist geschweißte resp.
                              									natlose Rohre, die in normalen Längen zusammengesetzt und durch Ineinanderschrauben
                              									bezw. durch Gewindemuffen miteinander verbunden werden (Fig. 8). Wesentlich ist es, daß während des Bohrens man die Rohre
                              									dauernd bewegt, damit kein Festsetzen derselben stattfindet und das weitere Senken
                              									verhindert. Auch erreicht man dadurch, daß mit einer Röhrenkolonne vom gleichen
                              									Durchmesser so tief wie möglich gebohrt werden kann und daß so wenig wie möglich an
                              									Bohrlochdurchmesser verloren geht. Wenn sich die Röhrentour festsetzt oder
                              									verklemmt, so muß sie niedergepreßt oder geschlagen werden, was weitere besondere
                              									Einrichtungen erfordert, deren ausführliche Behandlung hier wiederum nicht möglich
                              									ist. Im gleichen verbietet sich hier ein näheres Eingehen auf zahlreiche andere
                              									Arbeiten, die durch eintretende besondere Umstände beim Bohren und Verrohren
                              									erforderlich werden. Hierher gehören das Abschneiden von Rohren im Loch, um
                              									dieselben auf diesem Wege wenigstens teilweise zurückzugewinnen, wenn die ganze Tour
                              									nicht wieder gezogen werden kann oder soll; ferner die Erweiterung des Bohrlochs aus
                              									verschiedenen Gründen, sowie die Behebung von Störungen, die durch die
                              									Beschaffenheit des Gebirges und durch andere Verhältnisse verursacht werden können.
                              									Solche Störungen sind: Verklemmen der Rohre infolge Gesteinsnachfall oder wachsender
                              									Härte des Gesteins, Brüche der Bohrwerkzeuge und Gestänge, Abreißen und andere
                              									Beschädigungen der Röhren, Bildung von Unebenheiten auf der Lochsohle, Verkrümmung
                              									der Bohrlöcher, Mißlingen der Wasserabsperrung usw. Endlich erfordert der
                              									Bohrbetrieb noch die zeitweilige Ausführung von Messungen, unter denen die
                              									Untersuchung der Tiefe, der Lage der Achse des Bohrlochs zur Senkrechten und der
                              									Art, wie die Gesteinsschichten verlaufen, die wichtigsten sind. Hiermit sich näher
                              									zu befassen, ist ebenfalls Sache eines besonderen Studiums mit Hilfe der
                              									einschlägigen Literatur, die ausgiebig vorhanden ist. Einer kurzen Erwähnung jedoch
                              									bedarf noch das Fördern des Oeles, nachdem dies in der beschriebenen Art erbohrt
                              									worden ist. Wenn der Gasdruck, der auf das Oel in der Tiefe wirkt, den Gegendruck
                              									der Luft- oder Wassersäule, die darüber steht, übertrifft, so steigt das den
                              									Gesteinsporen oder Klüften entrinnende Oel in dem Bohrloch selbsttätig empor. Je
                              									nach dem wirksamen Druck variiert die Geschwindigkeit des Austritts vom einfachen
                              									Ausfließen bis zur machtvollen Fontäne, die Höhen von 50 und mehr Meter erreicht.
                              									Baku ist der Bezirk, der die größten Oeleruptionen der Erde aufweist. Doch auch hier
                              									ist die Menge des Springeröls von 21 v. H. im Jahre 1897 auf 11 v. H. der
                              									Gesamtproduktion im Jahre 1902 gesunken. Solche Springer arbeiten mit wechselnder
                              									Intensität, mit der größten natürlich am Anfang, wobei täglich schon Oelmengen von
                              									3000 bis 16000 t gewonnen wurden, bisweilen auch die große Energie des Strahles die
                              									Bohrlöcher zerstörte. Sie setzen dann gewöhnlich bald aus und erneuern ihre
                              									Tätigkeit nur intermittierend ohne Innehaltung eines nachweisbaren Gesetzes.
                              									Schwierig ist die Beherrschung solcher Sprudler, wenn nicht von Anfang an entsprechende
                              									Vorbereitungen getroffen wurden. In letzterem Falle haben sie schon große
                              									Verwüstungen verursacht und in weitem Umkreis durch Zerstörung der Vegetation
                              									erheblichen Schaden angerichtet. Heute versieht man die Röhren von Bohrungen, die
                              									Springer erwarten lassen, zu Beginn mit geeigneten Kappen und Absperrvorrichtungen.
                              									Oder man überbaut auch die Löcher mit dichtschließenden, geräumigen, kastenförmigen
                              									Gehäusen, aus welchen Gase und Erdöl ohne Gefahr abgeleitet werden können. Ferner
                              									ist es zweckmäßig, solche Bohrungen zu umwallen und für den Abfluß der Oelmengen,
                              									die in diesen Umwallungen sich sammeln, in vorhandene Reservoire zu sorgen. Durch
                              									alle diese Maßnahmen begegnet man zugleich in wirksamster Weise der Vergeudung von
                              									Oel, sowie der Entstehung und Verbreitung von Bränden, die schon große Zerstörungen
                              									und enorme Verluste bewirkten.
                           Wenn der Gasdruck zur selbsttätigen Gewinnung des Oeles nicht ausreicht, so muß die
                              									Förderung auf anderweitigem mechanischem Wege erfolgen: durch Schöpfen mittels
                              									Löffels, d.h. eines 10 bis 12 m langen Rohres vom Durchmesser des Bohrloches, das
                              									unten mit einem einfachen Ventil versehen ist und maschinell ein- und ausgefördert
                              									wird oder durch Pumpen oder auch, nach einem neueren Verfahren, durch ein maschinell
                              									bewegtes, endloses Transportband aus Stahl oder Hanf, welches, mit einem porösen
                              									Stoff bekleidet, das Oel aufsaugt und oben unter der Wirkung von Pressen wieder
                              									abgibt.
                           Nicht weniger wichtig als die Gewinnung des Erdöls ist seine Verarbeitung zu den
                              									Erzeugnissen, deren Verwendung in der Technik und im übrigen von Bedeutung ist.
                              									Dieses Kapitel ist ein sehr ergiebiges, indem hierher die zahlreichen verschiedenen
                              									Arbeitsverfahren gehören, die an den einzelnen Orten aus einer längeren Entwicklung
                              									entstanden sind. Jedoch darf dies nicht zu dem Irrtum verleiten, als sei die
                              									Erdölindustrie, vom chemischen Standpunkt betrachtet, ein völlig geklärtes und
                              									abgeschlossenes Gebiet, im Sinne jener zahlreichen Zweige der chemischen
                              									Großindustrie, die wir heute besitzen. Jene ist diesen wohl an Umfang, aber nicht an
                              									technischwissenschaftlichem Gehalt ebenbürtig; sie trägt noch zu sehr den Charakter
                              									des Empirischen an sich. Hierin scheinen aber die neuesten Untersuchungen Wandel zu
                              									schaffen, und es besteht also Aussicht darauf, daß die Zerlegung und Reinigung der
                              									Kohlenwasserstoffe demnächst ungleich vollkommener durchgeführt werde als bisher und
                              									dann das Erdöl die Grundlage ähnlich wertvoller Erzeugnisse bilde, wie sein
                              									Verwandter, der Steinkohlenteer.
                           Der Verarbeitung des Erdöls lag lange Zeit fast allein das Bestreben zugrunde, ein
                              									brauchbares Beleuchtungsmaterial daraus zu machen. Daß hierzu die Möglichkeit
                              									vorhanden war, wurde von einzelnen schon frühzeitig, nämlich zu Beginn des vorigen
                              									Jahrhunderts, erkannt. Wenn, was damals in Amerika häufiger geschah, beim Erbohren
                              									von ergiebigen Soolequellen nebenher das Oel als Verunreinigung auftrat, die
                              									Hoffnung des Besitzers auf eine einträgliche Salzgewinnung gründlich zerstörend,
                              									so wurde vereinzelt bereits die Aussicht auf ein wertvolles
                              									Beleuchtungsmaterial betont und hierdurch der herrschenden Ansicht widersprochen,
                              										„das Oel sei nur eine Plage“. Zu einer fabrikmäßigen Erzeugung von
                              									Leuchtöl aus dem Erdöl gelangte man jedoch lange Zeit noch nicht, weil man zur
                              									Destillation und Reinigung kein geeignetes Verfahren auffand. Vor den stinkenden,
                              									rauchenden, schwer zündlichen, ungereinigten Erdöldestillaten bevorzugte man die
                              									weit weniger gefährlichen und unangenehmen Kohlenöle, deren Herstellung in den
                              									vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gelang und hauptsächlich in England
                              									betrieben wurde. Auch erforderte die Schwierigkeit, brauchbare Petroleumlampen zu
                              									erzeugen, viel Zeit zur Ueberwindung. Zu Beginn der 60 er Jahre jedoch erfolgte
                              									allmählich ein Umschwung: der Erfolg des Obersten Drake (1859) und anderer beim
                              									Erbohren von Oel bewirkte ein rasches Steigen der Produktion und eine erhebliche
                              									Verbilligung des Preises. Zudem wurden die Methoden zur Petroleumdestillation und
                              									-Raffination in stetigem Fortschritt verbessert, so daß die Qualität des Produkts
                              									andauernd zunahm. Rechnet man hierzu den Unternehmungsgeist und Wagemut der ersten
                              									amerikanischen Händler, die das Oel eifrigst propagierten und weder Mühe noch Kosten
                              									scheuten, um Produktion und Umsatz zu heben, so werden die wachsenden Erfolge
                              									verständlich. Bald erfuhr dieser Aufschwung noch eine wesentliche Steigerung durch
                              									die Schaffung großzügiger Lager- und Transporteinrichtungen, von welchen weiter
                              									unten ausführlicher die Rede sein wird. Im Jahre 1865 bestanden schon einige 20
                              									Oelraffinerien zu Titusville und Oil-City in Pennsylvanien, die neben mehreren
                              									Benzinsorten drei Leuchtöle vertrieben. Auch die Schmieröldarstellung hatte zu jener
                              									Zeit bereits begonnen.
                           Inzwischen aber wurde der Oilcreek in Pennsylvanien der Sammelpunkt eines wilden
                              									Unternehmertums; zahlreiche Gründungen wurden gemacht, neue Industrien aus der Erde
                              									gestampft und zum Teil große Reichtümer erworben. Es konnte jedoch nicht fehlen, daß
                              									auf diese Hausse unmittelbar die Baisse folgte. Die ziellose Ueberproduktion verdarb
                              									die Preise; sie verhinderte die Organisation und die systematische Arbeit. Binnen
                              									kurzem verkrachten die vielen kleinen Winkelfabriken und Raffinerien, die bis dahin
                              									am Oilcreek bestanden. So wurden zahlreiche Existenzen vernichtet. Dies war zu
                              									Beginn der 70 er Jahre und ein kritischer Moment für die junge amerikanische
                              									Oelindustrie, die eben erst im Aufblühen begriffen war. Der Mann, der damals die
                              									Lage richtig erfaßte und ausnutzte, war John D.
                                 										Rockefeller, ein junger Kaufmann aus einfachen Verhältnissen. Seit Anfang
                              									der 60er Jahre hatte seine Laufbahn begonnen. Er erwarb zunächst eine Raffinerie,
                              									verbesserte die Fabrikation, steigerte die Ausbeute und verminderte die Kosten, so
                              									daß er bei teurerem Einkauf und billigerem Verkauf mehr erübrigen konnte als seine
                              									Konkurrenten. Aus kleinen Anfängen wuchs das Unternehmen schnell heran; Rockefeller erwarb mit der Zeit mehrere Gesellschafter;
                              									allmählich beteiligten sich an dem Unternehmen weitere Firmen, die schließlich im
                              									Jahre 1870 zur „Standard Oil Company“ vereinigt wurden. Bei der
                              									Gründung betrug das Stammkapital der Gesellschaft 1 Million Dollar, 1873 schon 3½
                              									Millionen, 1882 10 Millionen, 1895 100 Millionen, während Rockefeller mit 5000 Dollar den Anfang gemacht hat. Die Geschichte dieses
                              									Unternehmens, mit Rockefeller an der Spitze, zeigte
                              									seither einen in der Welt einzig dastehenden Entwicklungsgang auf industriellem und
                              									kommerziellem Gebiet. Zahlreiche Momente, die jedes für sich oft wieder eine
                              									Entwicklung umfassen, kennzeichnen insgesamt diesen gewaltigen Anstieg. Es gehören
                              									hierher z.B. die Ausbildung mustergültiger Transport- und Speicheranlagen, die
                              									stetige Verbesserung der Verarbeitungsverfahren, kurz die Ausnutzung jeglicher Art
                              									technischen Fortschritts ohne Rücksicht auf die erforderlichen Kosten. Hierzu treten
                              									in handels- und wirtschaftspolitischer Richtung die Unterjochung der Bahnen, der
                              									Aufkauf oder die Entwertung vorhandener fremder Raffinerien, die allmähliche
                              									Konzentration der Gewinnung und Verarbeitung im Schöße der Gesellschaft, die
                              									Erweiterung des Geschäftsbereiches auf alle ölproduzierenden Länder. In Deutschland
                              									entstand im Jahre 1890 die Deutsch-Amerikanische
                                 										Petroleum-Gesellschaft als Filialgründung der Standard Oil-Co. 1882 schon
                              									wurden die zahlreichen Einzelunternehmen der Gesellschaft zum Standard-Oil-Trust verbunden, dessen Ziel zunächst jedenfalls das
                              									Weltmonopol bildete. Aber diese Absicht mißlang, und gegenwärtig kann von einem
                              									solchen Monpol nicht mehr die Rede sein. Von 92 amerikanischen Raffinerien im Jahre
                              									1904 standen 19 im direkten Betrieb der Standard, 5 in
                              									naher Verbindung mit ihr, 68 waren unabhängig. Um diese Zeit hatten die Aktien der
                              									Gesellschaft einen Kurswert von 643 Millionen.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)