| Titel: | DIE BIEGUNG KRUMMER ROHRE. | 
| Autor: | H. Lorenz | 
| Fundstelle: | Band 327, Jahrgang 1912, S. 577 | 
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                        DIE BIEGUNG KRUMMER ROHRE.
                        Von H. Lorenz in
                           								Danzig.
                        LORENZ: Die Biegung krummer Rohre.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Aus den Gleichgewichtsbedingungen des Wandelements eines
                              									gekrümmten Rohres wird unter der Annahme der Erhaltung der doppelten Symmetrie des
                              									Rohrquerschnitts für die Aenderung der Rohrkrümmung durch ein äußeres Moment eine
                              									neue einfache Formel abgeleitet und deren Uebereinstimmung mit Versuchsergebnissen
                              									nachgewiesen.
                           ––––––––––
                           Ein gerades Rohr verhält sich gegenüber einem Biegungsmomente, dessen Achse senkrecht
                              									zu einer Mantelgeraden steht, genau wie ein voller Balken mit demselben
                              									Trägheitsmoment des Querschnitts. Besitzt dagegen die Achse des Rohres von
                              									vornherein eine Krümmung 1 : ρ, so fällt deren
                              									Aenderung unter dem Einfluß eines Biegungsmoments \frakfamily{M}'
                              									erfahrungsgemäß viel größer aus als man nach der für volle krumme Stäbe mit dem
                              									Trägheitsmoment Θ des Querschnitts und dem
                              									Elastizitätsmodul E gültige Formel
                           \frac{\Delta\,\rho}{\rho}=-\frac{\frakfamily{M}'\,\rho}{E\,\Theta}
                              									. . (1)
                           erwarten sollte, während gleichzeitig der Querschnittsumfang
                              									eine Formänderung erleidet. Dieser Vorgang findet seine Erklärung in der Tatsache,
                              									daß die auf der Querschnittsebene senkrechte Biegungsspannung vermöge der
                              									Rohrkrümmung eine Normalkomponente zur Rohrwand besitzt und daher diese wie ein
                              									(ungleichförmiger) Außen- oder Innendruck abzuplatten oder aufzublähen sucht. Dies
                              									setzt wiederum die Wirkung eines Biegungsmomentes
                              										\frakfamily{M}'' auf den Querschnittsumfang voraus, dem unter
                              									der Annahme einer kleinen Wandstärke h im Verhältnis zu
                              									den sonstigen Querschnittsabmessungen innerhalb der Wand eine mittlere Schubspannung
                              									τ in der Normalrichtung entsprechen möge.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 577
                              Fig. 1.
                              
                           Wir schneiden nun nach Fig. 1 aus dem eben gekrümmten
                              									Rohr durch zwei benachbarte, um den Winkel dχ
                              									gegeneinander geneigte Querschnittsebenen mit der gemeinsamen Geraden ZZ ein keilförmiges Rohrelement heraus und bezeichnen
                              									den Schwerpunktsabstand SO des doppelt symmetrisch
                              									angenommenen Rohrquerschnitts von ZZ, d.h. den
                              									Krümmungshalbmesser der Rohrachse mit r0, den Abstand AC eines
                              									beliebigen Punktes A des Rohrumfanges von ZZ mit r. Denkt man sich
                              									das keilförmige Rohrelement durch Drehung um ZZ
                              									erzeugt, so beschreibt der Punkt A den Bogen AA' = ds'
                              									= rdχ mit dem Krümmungsmittelpunkt M' im Schnitt der Normalen der Rohrwand in A und der Geraden ZZ. Der
                              									zugehörige Krümmungshalbmesser AM' = ρ' ist dann, wenn
                              										y den Neigungswinkel der Tangente an der Rohrwand
                              									in A bedeutet
                           \rho'=\frac{r}{\mbox{cos}\,\varphi} . . (2)
                           Auf der Normalen AM' liegt ferner
                              									auch der Krümmungsmittelpunkt M'' eines Bogenelements
                              									AB = ds'' = ρ' d φ der
                              									Rohrwand, das mit AA' ein rechteckiges Wandelement AA'
                              									B'B = ds' ds'' begrenzt, welches in Fig. 2 der
                              									Deutlichkeit halber nochmals herausgezeichnet sein möge. An dessen Schnittflächen
                              										hds' und hds'' wirken
                              									nun die Normalspannungen σ'' und σ' mit der nach innen gerichteten Komponente
                              										\left(\frac{\sigma'}{\rho'}+\frac{\sigma''}{\rho''}\right)\,h\,d\,s'\,d\,s'',
                              									der ein konstanter Innendruck p mit der Normalkraft p ds' ds'' entgegensteht. Außerdem aber greift infolge
                              									der oben erwähnten Biegung des Querschnittsumfanges längs AA' die Schubspannung τ mit einer Normalkomponente τhds' = τrhdχ an, die auf der gegenüberliegenden Seite, d.h. im
                              									Abstande r + dr von ZZ auf
                           
                              h\,\left[\tau\,r+\frac{d\,(\tau\,r)}{d\,r}\,d\,r\right]\,d\,\chi
                              
                           zugenommen hat, so daß hiervon eine nach außen gerichtete
                              									Normalkomponente h\,\frac{d\,(\tau\,r)}{d\,r}\,d\,r\,d\,\chi
                              									übrig bleibt. Diese steht mit den oben angeführten Kräften im Gleichgewicht,
                              									wenn
                           
                           
                              
                              p,d\,s'\,d\,s''=h\,\left(\frac{\sigma'}{\rho'}+\frac{\sigma''}{\rho''}\right)\,d\,s'\,d\,s''-h\,\frac{d\,(\tau\,r)}{d\,r}\,d\,r\,d\,\chi
                              
                           oder wegen
                           ds' = r d χ, dr = ds'' sin φ
                           
                              \frac{p}{h}=\frac{\sigma'}{\rho'}+\frac{\sigma''}{\rho''}-\frac{d\,(\tau\,r)}{d\,r}\
                                 										\frac{\mbox{sin}\,\varphi}{\tau}
                              
                           ist. Hierin wollen wir nach Analogie eines Rotationskörpers um
                              									die Achse ZZ die Spannung σ' als Ringspannung, und σ'' als Meridianspannung
                              									bezeichnen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 578
                              Fig. 2.
                              
                           Setzen wir weiterhin voraus, daß, wie beim geraden Rohr die Scheitel des doppelt
                              									symmetrischen Querschnittes erhalten bleiben, so wird dort das Biegungsmoment
                              										\frakfamily{M}'' ausgezeichnete Werte besitzen, und demgemäß
                              									die zugehörige Querkraft, welche unter Vernachlässigung der Aenderung von ρ' durch die Formel
                           T=\frac{d\,M''}{d\,s''} . . . . . (4)
                           dargestellt wird, an den Scheiteln verschwinden. Für ein Rohr
                              									mit kreisförmiger Achse und einer Bogenlänge χ ist
                              									aber
                           T = τrχh . . . . . . (4a)
                           oder nach Gleichung 4
                           \tau\,r\,\chi\,h=\frac{d\,\frakfamily{M}''}{d\,s''} . . . .
                              									. (4b)
                           so daß nach unserer Annahme die
                                 										Schubspannung τ in den vier Scheiteln des doppelt
                                 										symmetrischen Querschnitts verschwindet.
                           Schneiden wir daher aus unserem Keil Fig. 3 durch
                              									Parallelkreise durch den Punkt A und den Scheitel D einen Bogen heraus, so wirkt auf diesen in der
                              									Richtung ZZ der Innendruck p mit der Kraft \frac{p}{2}\,(r^2-{r_0}^2)\,d\,\chi und
                              									entgegengesetzt im Schnitte durch A die Kraft (σ''cos φ – τ sin φ) hrdχ, während im Schnitte durch D keine Querkraft vorhanden ist. Mithin bedingt das Gleichgewicht in
                              									der Z-Richtung
                           \sigma''\,\mbox{cos}\,\varphi-\tau\,\mbox{sin}\,\varphi=\frac{p\,(r^2-{r_0}^2)}{2\,h\,r}
                              									. . (5)
                           und liefert nach Elimination der Meridianspannung σ'' mit Gleichung 3
                           
                              \frac{p}{h}\,\left(1-\frac{r^2-{r_0}^2}{2\,r\,\rho''\,\mbox{cos}\,\varphi}\right)=\frac{\sigma'}{\rho'}+\frac{1}{\rho''}\,\left(\tau\,\mbox{tg}\,\varphi-\frac{d\,(\tau\,r)}{d\,r}\,\frac{\rho''}{r}\,\mbox{sin}\,\varphi\right)
                              
                           oder mit
                           
                              -\rho''\,d\,\varphi=d\,s''=\frac{d\,r}{\mbox{sin}\,\varphi}
                              
                           
                              \frac{p}{h}\,\left(-1\frac{r^2-{r_0}^2}{2\,r\,\rho''\,\mbox{cos}\,\varphi}\right)=\frac{\sigma'}{\rho'}+\frac{1}{\rho''\,r}\,\left(\tau\,r\,\mbox{tg}\,\varphi+\frac{d\,(\tau\,r)}{d\,\varphi}\right).
                              
                           Für die rechte Seite dieser Formel dürfen wir aber mit Rücksicht auf Gleichung 2 auch
                              									schreiben
                           
                              \frac{1}{\rho'}\,\left[\sigma'+\frac{1}{\sigma''}\,\left(\frac{\tau\,r\,\mbox{sin}\,\varphi}{\mbox{cos}^2\,\varphi}+\frac{1}{\mbox{cos}\,\varphi}\,\frac{d\,(\tau\,r)}{d\,\varphi}\right)\right]+\frac{1}{\rho'}\left[\sigma'+\frac{1}{\rho''}\,\frac{d}{d\,\varphi}\,\left(\frac{\tau\,r}{\mbox{cos}\,\varphi}\right)\right]
                              
                           so daß wir als Ergebnis der Elimination von σ'' aus Gleichung 3 und 5
                           \frac{p}{h}\,\left(1-\frac{r^2-{r_0}^2}{2\,r\,\rho''\,\mbox{cos}\,\varphi}\right)=\frac{1}{\rho'}\,\left[\sigma'+\frac{1}{\rho''}\,\frac{d}{d\,\varphi}\left(\frac{\tau\,r}{\mbox{cos}\,\varphi}\right)\right]
                              									. . (6)
                           erhalten. Herrscht insbesondere im Rohr kein Druck, so
                              									vereinfacht sich mit p = 0 diese Gleichung in
                           \sigma'=-\frac{1}{\rho''}\,\frac{d}{d\,\varphi}\,\left(\frac{\tau\,r}{\mbox{cos}\,\varphi}\right)
                              									. . . . (6a)
                           und ergibt für die Normalkraft auf
                              									dem Querschnitt durch Integration über dessen Umfang
                           S'=\int\,\sigma'\,h\,d\,s''=-h\,\int\,d\,\left(\frac{\tau\,r}{\mbox{cos}\,\varphi}\right)=0
                              									. . (7)
                           entsprechend der sogen. reinen Biegung
                                 										durch ein Moment ohne Stabkraft.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 578
                              Fig. 3.
                              
                           Als Beispiel wollen wir den Fall eines Rohres mit kreisförmiger
                                 										Umfangslinie des Querschnittes untersuchen, wobei der Radius a mit dem Krümmungshalbmesser ρ'' des Meridians übereinstimmt. Der Bedingung des Verschwindens der
                              									Querkraft 4 a in den vier Scheiteln des Querschnitts werden wir am einfachsten
                              									gerecht durch den Ansatz
                           τ r = τ0 r0 sin
                              									2 φ . . . . . (8)
                           woraus
                           
                              \frac{\tau\,r}{\mbox{cos}\,\varphi}=2\,\tau_0\,r_0\,\mbox{sin}\,\varphi
                              
                           und mit Gleichung 6a
                           \sigma'=-\frac{2\,\tau_0\,r_0}{a^2}\,(r-r_0) .
                              									(9)
                           hervorgeht. Die Ringspannung wird
                                 										demnach
                              									proportional dem Abstande von der Parallelen zu ZZ durch den Kreismittelpunkt, die somit die
                              									neutrale Achse des Querschnittes bildet. Weiter folgt für das Biegungsmoment um
                              									diese Achse mit r – r0 = y
                           \frakfamily{M}'=-\int\,\sigma'\,y\,d\,F=-\frac{2\,\tau_0\,r_0}{a^2}\,\int\,y^2\,d\,F=-\frac{2\,\tau_0\,r_0}{a^2}\,\Theta'
                              									(9a)
                           worin das Trägheitsmoment um die neutrale Achse
                           Θ' = πa3h . . . . . (10)
                           zu setzen ist.
                           Das Biegungsmoment \frakfamily{M}'', welches den Kreisquerschnitt
                              									zu deformieren sucht, folgt mit Gleichung 8 aus 4b und ds'' = adφ
                           
                              \frakfamily{M}''=h\,\xi\int\,\tau\,r\,d\,s''=h\,\tau_0\,\tau_0\,\xi\,a\,\int\,\mbox{sin}\,2\,\varphi\,d\,\varphi
                              
                           oder
                           \frakfamily{M}''=-\frac{\tau_0\,r_0\,a\,\chi\,h}{5}\,\mbox{cos}\,2\,\varphi+\mbox{M}_0
                              									. . (11)
                           Hierin bestimmt sich die Konstante
                              										\frakfamily{M}_0 aus der Bedingung, daß zwei
                              									gegenüberliegende Querschnittsscheitel keine Verdrehung gegeneinander erleiden, d.h.
                              									daß
                           
                              0=\int\limits_0^{\pi}\,\frakfamily{M}''\,d\,s''=-\frac{\tau_0\,r_0\,a^2\,\chi\,h}{2}\,\int\limits_0^{\pi}\,\mbox{cos}\,2\,\varphi\,d\,\varphi+\frakfamily{M}_0\,a\,\pi
                              
                           oder \frakfamily{M}0=0 wird. Mithin
                              									bleibt
                           \frakfamily{M}''=-\frac{\tau_0\,r_0\,a\,\chi\,h}{2}\,\mbox{cos}\,2\,\varphi
                              									. . (11a)
                           mit dem Trägheitsmomente
                           \Theta''=r\,\chi\,\frac{h^3}{12} . .  . . .
                              									(12)
                           Nunmehr berechnet sich die auf einen Sektor von der Oeffnung
                              										χ entfallende Formänderungsarbeit
                           L=\frac{1}{2\,E}\,\int\limits_0^x\,\frac{\frakfamily{M}'^2}{\Theta'}\,r_0\,d\,\chi+\frac{1}{2\,E}\,\int\limits_0^{2\,\pi}\,\frac{\frakfamily{M}''^2}{\Theta''}\,a\,d\,\varphi
                              									. (13)
                           oder mit Benutzung der Ausdrücke 9 a, 10, 11a, 12
                           
                              \frac{2\,E\,L}{\chi}=\frac{\frakfamily{M}'^2\,r_0}{\Theta'}\,\left(1+\frac{3}{4\,\pi}\,\frac{a^4}{r_0\,h^2}\,\int\limits_0^{2\,\pi}\,\frac{\mbox{cos}^2\,2\,\varphi}{r}\,d\,\varphi\right)
                              
                           Hierin ist r = r0 + a cos φ, also angenähert wegen der Kleinheit des Verhältnisses a : r0
                           
                              \frac{\mbox{cos}^2\,2\,\varphi}{r}=\frac{1}{2\,r_0}\,(1+\mbox{cos}\,4\,\varphi)\,\left(1-\frac{a}{r_0}\,\mbox{cos}\,\varphi\right)
                              
                                           =\frac{1}{2\,r_0}\,\left(1-\frac{a}{r_0}\mbox{cos}\,\varphi+\mbox{cos}\,4\,\varphi-\frac{a}{r_0}\,\mbox{cos}\,4\,\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi\right)
                           also
                           \int\limits_0^{2\,\pi}\,\frac{\mbox{cos}^2\,2\,\varphi}{r}\,d\,\varphi=2\,\int\limits_0^{\pi}\,\frac{\mbox{cos}^2\,2\,\varphi}{r}\,d\,\varphi=\frac{\pi}{r_0},
                           wonach Gleichung 13a übergeht in
                           \frac{2\,E\,L}{\chi}=\frac{\frakfamily{M}'^2\,r_0}{\Theta'}\,\left(1+\frac{3}{4}\,\frac{a^4}{{r_0}^2\,h^2}\right)
                              									. . (13 b)
                           Da nun die ganze Formänderungsarbeit durch das äußere Moment
                              										\frakfamily{M}' geleistet wird, welches eine Verdrehung des
                              									Ringsektors um Δχ bedingt, so haben wir auch
                           2\,L=\frakfamily{M}'\,\Delta\,\xi . . . . .
                              									(14)
                           und eingesetzt in Gleichung 13b
                           \frac{\Delta\,\chi}{\chi}=\frac{\mbox{M}'\,r_0}{E\,.\,\Theta'}\,\left(1+\frac{3}{4}\,\frac{a^4}{{r_0}^2\,{h_0}^2}\right)
                              									. . . (15)
                           Bei der Ableitung dieser Formel, bezw. der Einführung des
                              									Momentes \frakfamily{M}'' durch Gleichung 4 b wurde
                              									vorausgesetzt, daß dieses längs des Ringsektors χ
                              									konstant sei. Trifft dies nicht zu, so ist natürlich dχ
                              									anstelle von χ und dΔχ für Δχ zu setzen, so daß man für die Querschnittsverdrehung eines Rohres mit kreisförmigem Querschnitt
                              									allgemeiner
                           \frac{d\,\Delta\,\chi}{d\,\chi}=\frac{\mbox{M}'\,r_0}{E\,\Theta'}\,\left(1+\frac{3}{4}\,\frac{a^4}{{r_0}^2\,h^2}\right)
                              									. (15a)
                           schreiben und diese Gleichung auch der Berechnung im Falle veränderlicher Biegungsmomente
                              									\frakfamily{M}'
                              									und Krümmungsradien r0 der
                                 										Rohrachse zugrunde legen darf.
                           Die Formel unterscheidet sich von derjenigen des vollen gekrümmten Stabes durch den
                              									Klammerausdruck, der für h = 0 unendlich wird und mit h = ∞ in Gleichung 1 übergeht.
                              									Ein massiver Balken kann demnach als ein Rohr mit unendlicher Wandstärke aufgefaßt
                              									werden. Der Klammerausdruck nähert sich aber auch dem Werte Gleichung 1 bei
                              									unbegrenztem Anwachsen des Krümmungshalbmessers r0 der Rohrachse. Für r = ∞ geht daher Gleichung 15a
                              									in die Differentialgleichung der elastischen Linie des ursprünglich geraden Stabes
                              									über, die somit auch für ein gerades Rohr mit kreisförmigem Querschnitt gilt.
                           Von der Richtigkeit der letzteren Folgerung kann man sich jederzeit durch
                              									Biegungsversuche an geraden dünnwandigen Rohren überzeugen, während zur Prüfung
                              									unserer Formel 15a Beobachtungen von BantlinA. Bantlin:
                                    											Formänderung und Beanspruchung federnder Ausgleichsrohre, Z. d. V. d. I.
                                    											1910, S. 45. an Rohrkrümmern zur Verfügung stehen. Diese boten v.
                              										KármanTh. v. Kárman: Ueber
                                    											die Formänderung dünnwandiger Rohre, insbesondere federnder Ausgleichsrohre.
                                    											Ebenda 1911, S. 1889. Anlaß zur Aufstellung einer Theorie der
                              									Biegung krummer Rohre, die im Gegensatz zu der hier vorgetragenen sich nicht auf das
                              									Gleichgewicht der Spannungen am Wandelement stützt, sondern von der Formänderung der
                              									Umfangslinie im Querschnitt ausgeht. Insbesondere wird für die
                              									Tangentialverschiebung eines Umfangspunktes eine periodische Reihe angeschrieben und
                              									daraus die Formänderungsarbeit entwickelt. Da die Koeffizienten der Reihe statisch
                              									unbestimmte Größen darstellen, so berechnen sie sich wie derartige Kräfte aus dem
                              									Verschwinden der partiellen Ableitungen der Formänderungsarbeit nach ihnen, d.h. aus
                              									der Bedingung des Minimums dieser Arbeit, die somit die Gleichgewichtsbedingung
                              									ersetzt. Unter Beschränkung auf nur ein Glied der Reihe von der Form c sin 2 φ analog unserem Ansatz Gleichung 8 für die Querkraft,
                              									bezw. die mittlere Schubspannung erhält v. Kárman an
                              									Stelle von Gleichung 15a die Gleichung
                           
                              \frac{d\,\Delta\,\chi}{d\,\chi}\,\left(1-\frac{9}{10+12\,\frac{h^2\,{r_0}^2}{a^4}}\right)\,\frac{\mbox{M}'\,r_0}{E\,\Theta'}
                              
                           welche ebenfalls für h = ∞ und r0 = ∞ in die Formel für den vollen krummen bezw. den geraden Balken
                              									übergeht, während für h = 0 der Klammerausdruck 0,1 wird.
                           
                           Man übersieht, daß man ganz allgemein sowohl die Kármansche Formel als auch unsere Gleichung in der Form
                           
                              \frac{d\,\Delta\,\chi}{d\,\chi}=\frac{\mbox{M}'\,r_0}{E\,\Theta'\,K}
                              
                           schreiben kann, worin K einen aus
                              									den Klammerausdrücken zu berechnenden Koeffizienten des
                                 										Trägheitsmoments bedeutet, der im Falle einer veränderlichen Rohrkrümmung
                              									mit dieser variiert. Dies trifft nun für die Bantlinschen
                              									Versuche zu, die sich auf sogen. Ausgleichsrohre bezogen,
                              									deren Achse sich nach Fig. 4 aus drei Kreisbogen mit
                              									den beiden Radien r1
                              									und r2 zusammensetzt,
                              									während der Querschnitt längs des ganzen Rohres unveränderlich ist. Bedeutet alsdann
                              										Δx die Verschiebung des Angriffspunktes der Kraft
                              										P gegen die Mittellinie O1M, so ist
                              									die Formänderungsarbeit einer Hälfte des Ausgleichsrohres
                              										L=\frac{1}{2}\,P\,\Delta\,x oder mit dem Moment
                              										\frakfamily{M}=P\,Z in bezug auf einen Punkt D der Rohrachse im Abstand Z von der Kraftrichtung
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 580
                              Fig. 4.
                              
                           
                              L=\frac{1}{2}\,\int\,\frac{\frakfamily{M}^2\,d\,s}{E\,\Theta}=\frac{p^2}{2\,E}\,\int\,\frac{Z^2\,d\,s}{\Theta}
                              
                           so daß
                           \Delta\,x=\frac{P}{E}\,\int\,\frac{Z^2\,d\,s}{\Theta} . . .
                              									. . (17)
                           wird. In dieser Gleichung ist ds
                              									ein Längenelement der Rohrachse, Θ das mit dem Faktor
                              										K behaftete Trägheitsmoment der Rohrachse, der für
                              									die Bogenstücke A B und B
                                 										C verschiedene Werte K1 und K2 besitzt. Mithin zerfällt die rechte Seite von
                              									Gleichung 17 in zwei Teile, nämlich
                           \Delta_x=\frac{P}{E\,\Theta'}\,\left(\frac{1}{K_1}\,\int_A^B\,Z^2\,d\,s_1+\frac{1}{K_2}\,\int_B^C\,Z^2\,d\,s_2\right)
                              									(17a)
                           wofür wir auch kürzer Δ x = Δ x1
                              									+ Δ x2 schreiben
                              									können. Die beiden Integrale lassen sich leicht auswerten durch die Substitionen Z =
                              										Z1 + r1 cos χ und ds1 = r1dχ bezw. Z = r2 (1 – cos χ), ds2 = r2dχ und ergeben
                           
                              
                              \int\limits_A^B\,Z^2\,d\,s_1=r_1\,\int_0^{\chi_1}\,(Z_1+r_1\,\mbox{cos}\,\chi)^2\,d\,\chi=r_1\,\left({Z_1}^2+\frac{{r_1}^2}{2}\right)\,\chi_1+\frac{{r_1}^3}{2}\,\mbox{sin}\,2\,\chi_1+2\,Z_1\,{r_1}^2\,\mbox{sin}\,\chi_1
                              
                           
                              \int\limits_B^C\,Z^2\,d\,s_2={r_2}^3\,\int_0^{\chi_2}\,(1-\mbox{cos}\,\chi)^2\,d\,\chi={r_2}^3\,\left({\frac{3}{2}\,\chi_2+\frac{\mbox{sin}\,2\,\chi_2}{4}+2\,\mbox{sin}\,\chi_2\right).
                              
                           Nun war für diesen flußeisernen Krümmer, vergl. Fig. 4
                           
                              
                                 Z1 = 143,9 cm
                                 c = 107,5 cm
                                 
                              
                                 r1 = 83,1 cm
                                 r2 = 55,8 cm
                                 
                              
                                 χ1 = 129° 19'
                                    											= χ2
                                 h = 0,665 cm
                                 
                              
                                 a = 10,4 cm.
                                 
                                 
                              
                           Weiterhin ergibt die Rechnung mit P = 300 kg, E = 2100000 kg/qcm,
                           \frac{P}{E\,\Theta'}\,\int\limits_A^B\,Z^2\,d\,s_1=0,397\mbox{ cm,
                                 										}\frac{P}{E\,\Theta'}\,\int\limits_B^C\,Z^2\,d\,s_2=0,033\mbox{
                                 									cm},
                           woraus mit K1
                              									– K2 = 1 eine
                              									Totalverschiebung des Kraftangriffs Δx = 0,43 cm folgen
                              									würde. Nun ist aber
                           \frac{h\,r_1}{a^2}=0,507,\
                                 										\frac{h\,r_2}{a^2}=0,340,
                           mithin nach Gleichung 15a
                           
                              \frac{1}{K}=\left(1+\frac{3}{4}\,\frac{a^4}{h^2\,r^2}\right);\
                                 										\frac{1}{K_1}=3,92\,\frac{1}{K_2}=7,44,
                              
                           nach v. Kárman
                           
                              K=1-\frac{9}{1+12\,\frac{h^2\,r^2}{a^4}};\
                                 										\frac{1}{K_1}=3,20\ \frac{1}{K_2}=4,75.
                              
                           Mithin liefert unsere Formel
                           Δx = 0,397 . 3,92 + 0,033 . 7,44 =
                              									1,80 cm
                           und die v. Kármansche
                           Δx = 0,397 . 3,20 + 0,033 . 4,75 =
                              									1,43 cm,
                           während der Versuch Bantlins
                           Δ x = 1,72 cm
                           ergeben hatte. Die Uebereinstimmung unserer Theorie mit der
                              									Wirklichkeit ist demnach eine sehr befriedigende und übertrifft sogar diejenige v.
                              										Kármans ganz erheblich. Der noch übrigbleibende
                              									kleine Unterschied ist hinreichend durch die Vernachlässigung der Querkonstruktion
                              									in unserer Theorie gerechtfertigt.
                           Nach dieser wichtigen Feststellung wollen wir die größten Spannungen berechnen, die
                              									im Querschnitt des Rohres auftreten. Die größte
                                 										Ringspannung ist offenbar nach Gleichung 9 und 9 a mit r – r0 = a
                           {\sigma_0}'=\frac{\frakfamily{M}'}{a^2\,h} . . .
                              									. . . (18)
                           während die dazu normale
                                 										Biegungsspannung sich mit Gleichung 11 a und 12 zu
                           
                              \sigma_0=\frac{\frakfamily{M}''}{\Theta''}\,\frac{h}{2}=\frac{3\,\tau_0\,a}{h}\,\mbox{cos}\,2\,\varphi
                              
                           berechnet. Hierzu tritt noch die Meridianspannung
                              									σ'' = τ tg φ, so daß eine
                              									Gesamtspannung
                           
                              \sigma=\sigma_0+\sigma''=\frac{3\,\tau_0\,a}{h}\,\mbox{cos}\,2\,\varphi+2\,\tau_0\,\frac{r_0}{r}\,\mbox{sin}^2\,\varphi
                              
                           oder genau genug
                           \sigma=\tau_0\,\left(3\,\frac{a}{h}\,\mbox{cos}\,2\,\varphi+2\,\mbox{sin}^2\,\varphi\right)
                              									. . (19)
                           
                           
                           resultiert mit den Höchstwerten für φ = 0 und \varphi=\frac{\pi}{2}
                           \sigma_1=3\,\frac{a}{h}\,\tau_0,\
                                 										\sigma_2=\left(2-\frac{3\,a}{h}\right)\,\tau_0,
                           wofür wir auch mit Rücksicht auf die Bedeutung von τ0 aus Gleichung 9
                           \sigma_1=\frac{3}{2}\,\frac{\frakfamily{M}'}{r_0\,h^2},\
                                 										\sigma_2=\left(1-\frac{3}{2}\,\frac{a}{h}\right)\,\frac{\frakfamily{M}'}{r_0\,a\,h}
                              									. (19 a)
                           schreiben dürfen. Hiervon kommt, da
                              										\frac{h}{a} stets ein kleiner Bruch sein soll, nur der erste
                              									Wert als absolut größter in Betracht. Dividieren wir diesen in Gleichung 18, so
                              									folgt
                           \frac{\sigma_1}{{\sigma_0}'}=\frac{3}{2}\,\frac{a^2}{r_0\,h}
                              									. . . . . (20)
                           wonach also für a2 > r0 h, wie in dem besprochenen Ausgleichsrohre die Spannung der Querbiegung der Umfangskurve die Ringspannung
                                 										weitaus überwiegt.
                           Zum Schluß möge darum noch die Formänderung des ursprünglich
                                 										kreisförmigen Rohrquerschnitts ermittelt werden, wobei wir an die
                              									Gleichungen 11 a und 12 anknüpfen können. Es ist nämlich die Verdrehung an der
                              									Stelle φ
                           \Delta\,\varphi=\frac{1}{E\,\Theta''}\,\int\limits_0^{\varphi}\,\frakfamily{M}''\,d\,s''=-\frac{3\,\tau_0}{E}\,\frac{a^2}{h^2}\,\mbox{sin}\,2\,\varphi=-\frac{3}{2}\,\frac{\frakfamily{M}'\,a}{E\,h^3\,r_0}\,\mbox{sin}\,2\,\varphi
                              									. . (21)
                           und daraus die Verschiebung eines
                              									Punktes in der Richtung r gegenüber dem inneren
                              									Scheitel
                           
                              \Delta\,v=\int\limits_0^{\varphi}\,\Delta\,\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi\,d\,s''=-\frac{3}{2}\,\frac{\mbox{M}'\,a^2}{E\,h^3\,r_0}\,\int\limits_0^{\varphi}\,\mbox{sin}\,2\,\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi\,d\,\varphi
                              
                           
                           oder
                           \Delta\,v=\frac{\frakfamily{M}'\,a^2}{E\,r_0\,h^2}\,(cos^3\,\varphi-1)
                              									. . (22)
                           Ebenso ergibt sich die Achsialverschiebung (in der Richtung ZZ)
                              									zu
                           
                              \Delta=-\int\limits_0^{\varphi}\,\Delta\,\varphi\,\mbox{sin}\,\varphi\,d\,s''=\frac{3}{2}\,\frac{\frakfamily{M}'\,a^2}{E\,h^3\,r_0}\,\int\limits_0^{\varphi}\,\mbox{sin}\,2\,\varphi\,\mbox{cos}\,\varphi\,d\,s
                              
                           \Delta\,u=\frac{M'\,a^2}{E\,r_0\,h^3}\,\mbox{sin}^3\,\varphi
                              									. . . . . (23)
                           Die totale Zusammendrückung des Kreisquerschnittes in radialer
                              									oder achsialer Richtung ist demnach (Fig. 5)
                           
                              \Delta\,v_0=-2\,\frac{\frakfamily{M}'\,a^2}{E\,r_0\,h^3}=-2\,\Delta\,u_0
                              
                           und wir erkennen, daß der ursprüngliche
                                 										Kreisquerschnitt durch ein positives Moment
                              									\frakfamily{M}', welches den
                                 										Krümmungsradius r0
                                 										des Rohres zu vermindern strebt, in der Richtung von r, durch ein negatives Moment dagegen in der Richtung ZZ zusammengedrückt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 327, S. 581
                              Fig. 5.